L 15 VJ 4/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 VJ 4/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VJ 4/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9a VJ 1/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 16. Juli 2003, Az.: S 29 VJ 4/00, aufgehoben und die Klage der Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 5. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2000 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1981 geborene Klägerin begehrt Versorgung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) bzw. früher Bundesseuchengesetz (BSeuchG) nach einer Diphterie- und Tetanusimpfung am 02.09.1988 durch den Impfarzt Dr.P ... Die Klägerin hat am 27.06.1997 durch ihre Prozessbevollmächtigten Antrag auf Leistungen nach dem Bundesseuchengesetz gestellt. Der Beklagte hat daraufhin umfangreiche medizinische Unterlagen beigezogen (Arztbriefe des Kinderzentrums M. vom 29.06.1989, 28.07.1989 und 06.01.1992; MDK-Gutachten vom 23.04.1993; Arztbrief der F.klinik vom 08.07.1993; Befundberichte des Impfarztes Dr.P. vom 22.09.1994 und 25.11.1996; Unterlagen der Kinderklinik der TU M. im Städtischen Krankenhaus M. vom 19.12.1988; Unterlagen des Gesundheitsamtes S. vom 11.08.1997; Unterlagen des Kreiskrankenhauses S. über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 16.09.1988 bis 18.09.1988). Hierzu wurde seitens des Beklagten ein nervenärztliches Gutachten der Nervenärztin und Sozialmedizinerin Dr.K. vom 25.11.1997 aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin erstellt. Die Eltern der Klägerin gaben dabei an, dass Schwangerschaft und Geburt der Klägerin normal verlaufen seien und das Kind sich in der Folgezeit normal entwickelt habe. An Kinderkrankheiten habe sie nur im Alter von drei Jahren Masern gehabt. Sie sei auch nicht besonders infektanfällig gewesen. Nach der Impfung am 02.09.1988 sei nichts Wesentliches aufgefallen. Sie sei vielleicht etwas abgeschlagen gewesen. Ob Fieber bestanden habe, sei nicht mehr erinnerlich. Ca. zwei bis drei Wochen später (nach Unterlagen 23.09.1988) sei hohes Fieber aufgetreten. Der Herpesvirus sei durch die impfbedingte Immunschwäche ins Gehirn gekommen. Dr.K. wies darauf hin, dass es sich bei beiden Impfungen um einen Toxoid-Impfstoff mit an Aluminiumverbindungen absorbiertem Toxin des Corynebacterium diphteriae bzw. dostridium Tetanie-Bacillus mit dem Ziel einer Induktion der humoralen antitoxischen Immunität gegen das Toxid gehandelt habe. Dementsprechend würden beide Impfungen keine Encephalitis hervorrufen, sondern höchstens, wie äußerst selten bei der Diphterieschutzimpfung diskutiert, allergisch-toxische Gefäßschäden innerhalb von wenigen Stunden post vaccinationem. Eine Schwächung des humoralen oder zellulären Immunsystems sei in der Literatur nicht bekannt. Es sei im Verlauf der Erkrankung zu einer zunehmenden Hirnschädigung gekommen und laut Befundbericht der F.klinik vom Juli 1993 Anfang 1992 zu einem Rezidiv. Dabei sei auch in den späteren Befundberichten nie ein Impfschaden diskutiert worden. Nach hiesiger Ansicht lasse sich dieser nicht entsprechend wahrscheinlich machen. Allerdings werde empfohlen, noch eine immunologische Stellungnahme anzufordern, z.B. von der Kinderklinik und Poliklinik der Technischen Universität M. , wo die Klägerin bei Beginn der Erkrankung im September 1988 stationär aufgenommen worden sei oder vom Kinderzentrum M. , wo sie danach betreut worden sei. Nach einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Frau B. , Nervenärztin/Psychotherapie, ist dem vorgelegten Gutachten von Frau Dr.K. zuzustimmen. Während für die Pertussis-Impfung eine Abwehrminderung gegenüber sonstigen Erregern diskutiert werde, sei dies bei der DT-Impfung nicht der Fall. Bei der Klägerin sei vor der Encephalitis eine fieberhafte Gastroenteritis aufgetreten. Sofern man also eine Abwehrminderung diskutiere, läge es näher, die Gastroenteritis hierfür anzuschuldigen. Der beschriebene IgA-Mangel während der Behandlung im Kinderzentrum M. nach bereits über zehnwöchiger Dauer der Encephalitis sei am ehesten auf das Virusinfekt selbst zurückzuführen, komme ansonsten jedoch auch häufig anlagebedingt vor (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 256. Auflage Berlin, New York 1990, S.762 bzw. 768). Eine Herpes-Encephalitis sei ein hochdramatisches Krankheitsbild, das sich innerhalb weniger Tage entwickle und nicht über drei Wochen. Sie sei die häufigste sporadisch auftretende Encephalitis in Mitteleuropa.

Das Versorgungsamt M. hat mit Bescheid vom 05.11.1998 den Antrag abgelehnt. Nach dem Ergebnis der durchgeführten versorgungsärztlichen Untersuchung und den vorliegenden ärztlichen Unterlagen lasse sich die bestehende Gesundheitsstörung nicht mit Wahrscheinlichkeit auf eine Schädigung durch die Diphterie-Tetanus-Impfung zurückführen. Beide Impfungen würden keine Encephalitis hervorrufen, ebenso werde eine Schwächung des Immunsystems durch oben genannte Impfung in der Literatur nicht diskutiert. Hiergegen richtet sich der Widerspruch vom 03.12.1998. Es werde bemängelt, dass in dem angefochtenen Bescheid in keiner Weise eine nachvollziehbare Ablehnungsbegründung gegeben werde, sondern es werde lediglich behauptet, dass nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen die bestehende Gesundheitsstörung nicht mit Wahrscheinlichkeit auf eine Schädigung durch eine Diphterie-Tetanus-Impfung zurückzuführen sei. Der Versuch, die Ursache auf eine Gastroenteritis zu schieben und gleichzeitig zu behaupten, dass eine Schwächung des Immunsystems durch die durchgeführte Impfung in der Literatur nicht diskutiert werde, sei keinesfalls als nachvollziehbare Ablehnungsbegründung anzusehen. Auch die in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.10.1998 aufgeführte Schlussfolgerung, dass am ehesten eine Virusinfektion bzw. auch häufig anlagebedingte Gründe ausschlaggebend sein könnten, sei nicht begründet. Insgesamt hätten die vom Beklagten durchgeführten Erhebungen insgesamt lediglich spekulativen Charakter, speziell impfschadenerfahrene Gutachter seien nicht eingesetzt worden, so dass die Ablehnung nicht haltbar und auch nicht nachvollziehbar sei. In einer nervenärztlichen Stellungnahme vom 29.02.2000 hat die Nervenärztin und Sozialmedizinerin Dr.K. nochmals ausgeführt, dass beide Impfkomponenten bei der Diphterie- und Tetanusimpfung nicht geeignet seien, eine Encephalitis hervorzurufen. Ebenso sei keine durch eine Tetanus- oder Diphterieschutzimpfung bedingte Immunschwäche bekannt. Diese gehöre nicht zu den üblichen Komplikationen dieser Impfungen. Zusammengefasst lasse sich von Seiten der inkriminierten Tetanus- und Diphterieschutzimpfung, bei der es sich um Todimpfstoffe handele, ein Impfschaden nicht wahrscheinlich machen.

Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2000 den Widerspruch zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Klage der Klägerin vom 06.04.2000.

Mit Beweisanordnung vom 22.01.2002 wurde Prof.Dr.E. zum Sachverständigen ernannt, der das Gutachten vom 27.02.2002 erstellte. Es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass bei der Klägerin durch die Impfung vom 02.09.1988 der Ausbruch einer Herpesencephalitis durch den IgA-Mangel begünstigt worden sei. Der Beklagte sei bei der Klägerin von einer "Gastroenteritis" ausgegangen, eine Darmerkrankung, die sie nie aufgewiesen habe. Auch die Frage, welche immunologischen Faktoren die Auslösung einer Herpesencephalitis begünstigten, sei bei der Klägerin nicht berücksichtigt worden, obwohl sie noch Monate nach dem Erkrankungsbeginn einen "selektiven IgA-Mangel" aufgewiesen habe. Ferner sei nicht erkannt worden, dass die Klägerin mit vier erwiesenen DPT-Impfungen einen ausreichenden Impfschutz aufgewiesen habe, so dass die DT-Impfung vom 02.09.1988 überflüssig gewesen sei und durch die Überimpfung den Boden für eine Hyperergie bereitet habe, welche nach Meinung von einzelnen Autoren eine günstige Voraussetzung für eine Herpesencephalitis geschaffen habe. Somit sei wahrscheinlich, dass der fünfte Kontakt mit Diphterie-Toxoid in der DT-Kombination die Entstehung der Herpesencephalitis begünstigt habe, zumal nicht Td-Impfstoff verwendet worden sei, der weniger Diphterie-Toxoid enthalte. Der Beklagte hat auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Nervenärztin Dr.K. vom 14.06.2002 und des Facharztes für Kinderheilkunde Dr.F. vom 01.07.2002, überprüft von Dr.K. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, den Antrag, die Klage abzuweisen, aufrecht erhalten bzw. anheim gestellt, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Hierzu hat sich der Gutachter Prof.Dr.E. nochmals mit Schriftsatz vom 30.09.2002 geäußert. Dr.K. habe übersehen, dass aus den Angaben des Kinderkrankenhauses M. vom 24.09.1988 eindeutig hervorgehe, dass von den humoralen immunologischen Befunden nur Teile dieses Systems geschädigt gewesen seien. Bei der Klägerin sei nur ein Teil der humoralen Abwehrstoffe (Immunglobulin A) defekt gewesen, während die anderen Teile (IgG, IgM) eine bemerkenswert gute Immunantwort entwickelt hätten. Weiterer Belege für einen selektiven IgA-Mangel sei der noch acht Monate post vaccionationem (p.v.) ermittelte verminderte IgA-Mangel im Serum und klinisch bedeutsamer, dass ein Rezidiv nach Absetzen der Therapie sich bei ihr eingestellt habe. Soweit die Nervenärztin Frau B. diskutiere, dass bei der Klägerin eine Gastroenteritis aufgetreten sei, sei dieses Argument abzulehnen, denn die Klägerin habe nie durchfällige Stühle gehabt. Etwa ab dem siebten Lebensjahr sei bei allergischer Disposition mit Überempfindlichkeitsreaktionen zu rechnen. In seiner Veröffentlichung 1964 (über neurale Komplikationen nach Diphterieschutzimpfung oder Impfungen mit Diphterietoxoid-Mischimpfstoffen) habe er aufgezeigt, dass es ähnlich wie bei der Serumkrankheit zu serumgenetischen Encephalomyelitiden kommen könne. Das Diphterietoxoid enthalte albominoide Bestandteile, die bei wiederholter Anwendung zu Krankheitserscheinungen ähnlich einer Encephalitis führen könnten. Der Krankheitsbeginn sei am 21.09.1988 gewesen, die Inkubationszeit habe 19 Tage betragen. Da zu unterstellen sei, dass die Klägerin eine allergische Diathese aufgewiesen habe, sei die Möglichkeit einer Sensibilisierung durch die stärkere Kinderdosis von DT-Impfstoff gegeben. Es sei anzunehmen, dass die Klägerin nicht den antigen schwächeren Td erhalten habe, sonst wäre dies im Impfbuch eingetragen worden. Wenn wie anzunehmen sei, durch die fünfte DT-Impfung eine Sensibilisierung durch das Diphterietoxoid eingetreten sei, die einen begünstigenden Zustand für die Herpesinfektion geschaffen habe, so sei bei der Klägerin die Inkubationszeit der Serumkrankheit von bis zu 26 Tagen gewahrt, ebenso für das Haften der Herpesinfektion am 19. Tag p.v. Ob tatsächlich das Diphterietoxoid diesen hyperergischen Zustand geschaffen habe, könnte man nachträglich durch Hauttestung mit entsprechenden Kontrollen ermitteln. Mit weiterem Schreiben vom 21.11.2002 hat Prof.Dr.E. eine Stellungnahme von Herrn Prof.Dr.R. von der Klinik für Dermatologie und Allergologie am B. der TU M. an Prof.H. gerichtet, vorgelegt. Der dort vertretenen Auffassung, dass man bei einer Hyperimmunisierung jetzt noch durch Überprüfung der Antikörper gegen Diphterie bzw. auch gegen Tetanus eine Aussage über die eventuelle Überimpfung machen könne, widerspricht Prof.Dr.E ... Hinsichtlich der Erkrankung der Klägerin verbleibe es dabei, dass die bei der unnötigen fünften DT-Impfung am 19. Tag p.v. wohl vorhandene hyperergische Situation der Herpesinfektion den Weg bereitet haben dürfte, wozu die Abwehrschwäche der Klägerin die Voraussetzung geliefert habe. Mit weiterem Schreiben vom 05.11.2002 hat Prof. Dr.E. einen vergleichbaren Fall aus seiner Gutachtensammlung übersandt.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 16.07.2003 (S 29 VJ 4/00) den Bescheid vom 05.11.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2000 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, die Gesundheitsstörungen "apallisches Syndrom nach schwerster Herpesencephalitis mit Retinaabfall und partieller Opticusatrophie links stärker als rechts, schwere gemischte Tetraparese" als Impfschaden mit einer MdE von 100 % ab Antragstellung (30.06.1997) festzustellen. Hinsichtlich des Vorliegens der im Tenor festgestellten Gesundheitsstörungen und deren Kausalität zu der Diphterie- und Tetanusimpfung im Jahre 1998 folge das Gericht dem Gutachten von Prof.Dr.E ... Dieser Sachverständige, der international als Impffachmann bekannt sei und seit vielen Jahren in sehr überzeugender Weise Gutachten für das Sozialgericht München erstelle, habe in seinem ausführlichen und sehr intensiv, insbesondere auf die Immunsituation bei der Klägerin eingehenden Gutachten zur vollen Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass die notwendige Wahrscheinlichkeit im Kausalbereich zwischen der Impfung und dem dadurch aufgetretenen Gesundheitsschaden bzw. der bleibenden Gesundheitsstörung vorliege. Der Beklagte hingegen habe insbesondere auch durch seine Spekulationen hinsichtlich angeborener oder durch aktuelle Erkrankungen hervorgerufener Immunschwächen der Klägerin das Gericht nicht überzeugen können, weil die tatsächliche inhaltlicher Substanz dieser Aussagen letztlich zu vage geblieben sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten vom 26.08.2003. Nach den versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 25.11.1997, 02.10.1998, 29.02.2000, 14.06.2002, 01.07.2002 und der anliegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 14.08.2003 sei die Anerkennung eines Impfschadens nicht zutreffend. Der Gutachter gehe davon aus, dass die Auffrischimpfung gegen Diphterie und Tetanus mit dem höher dosierten DT-Impfstoff und nicht mit dem empfohlenen niedriger dosierten Td-Impfstoff durchgeführt worden sei. Diese Vermutung lasse sich allerdings mit dem Impfbuch nicht belegen. Die in den versorgungsärztlichen Stellungnahmen vom 14.06.2002 und 01.07.2002 empfohlene Sachaufklärung zum tatsächlich verwendten Impfstoff sei nicht erfolgt. Prof.Dr.E. führe aus, dass die zu hohe Impfstoffkonzentration das "allergische Terrain" für eine Herpes-Encephalitis geboten habe. Eine virale Encephalitis trete aber üblicherweise bei einer herabgesetzten Immunlage auf, nicht als Folge einer verstärkten Aktivierung des Immunsystems. Literaturangaben zur Auslösung einer Herpes-Encephalitis durch eine Allergie würden sich in den Unterlagen nicht finden. Ein Hinweis für eine verminderte Abwehr ergebe sich dagegen durch den schädigungsunabhängigen IgA-Mangel. Weiter weise der Gutachter darauf hin, dass eine Diphterie-Schutzimpfung eine serumgenetische Encephalomyelitis auslösen könne. Bei der Klägerin handele es sich aber nicht um eine serumgenetische Encephalomyelitis, sondern um eine virale Encephalitis. Eine Herpes-Encephalitis sei durch die sehr hohen IgG-Werte von 1: 80.000 sowie die positiven IgM- und KBR-Werte von 1: 40 mit positiver IgG-Produktion im Liquor nachgewiesen. Dies gehe aus dem Arztbrief der Kinderklinik M. der TU M. vom 19.12.1988 hervor. Die vom Gutachter aufgeführten anderen Fälle mit Encephalitis nach Diphterie-Schutzimpfung seien für den vorliegenden Fall nicht relevant, da es sich aus neurologischer Sicht um eine ganz andere Pathogenese der Encephalitis gehandelt habe. Prof.Dr.R. , Klinik für Dermatologie und Allergologie der TU M. habe im Schreiben vom 07.11.2002 zutreffend darauf hingewiesen, dass ein sehr hoher Antigen-Titer gegen Diphterie in erster Linie eine Vaskulitis auslösen würde und die Verbindung zu einer Virus-Encephalitis schwierig zu beweisen sei. Um eine weitere Klärung zu ermöglichen, müsste also zunächst überprüft werden, ob tatsächlich eine Impfung mit dem Impfstoff DT oder mit dem Impfstoff Td erfolgt sei. Im Falle einer Hyperimmunisierung durch Diphterie-Toxoid wäre anschließend durch ein immunologisches Gutachten die Frage zu beantworten, ob sich dadurch wirklich die Anfälligkeit für eine Herpes-Encephalitis erhöht habe. Mit Beschluss vom 24.03.2004 wurde die Vollstreckung aus dem Urteil des Sozialgerichts München vom 16.07.2003 bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Berufungsinstanz ausgesetzt. Der damals behandelnde Impfarzt Dr.P. hat mit Attest vom 19.07.2004 auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass bei der Klägerin eindeutig eine DT-Impfung verabreicht worden sei. Des Weiteren hat Dr.P. in Kopie Auszüge der Patientenkartei der Klägerin übersandt. Auf Anfrage des Senats hat das Robert-Koch-Institut mitgeteilt, dass das bei der Klägerin angewendete Impfschema für DPT und P den Empfehlungen der STIKO aus dem Jahre 1984 entsprochen habe.

Mit Beweisanordnung vom 23.02.2005 wurde Prof.Dr.K. zum Sachverständigen ernannt, der das Gutachten vom 10.04.2005 erstellt hat. Prof.Dr.K. kommt abschließend zu der Auffassung, dass ein ursächlicher oder mitursächlicher Zusammenhang zwischen der DT-Impfung der Klägerin vom 02.09.1988 und dem Auftreten der Herpes-Encephalitis am 23.09.1988 nicht mit der geforderten nötigen Wahrscheinlichkeit darstellbar sei. Anhaltspunkte dafür, dass es zu der seltenen, aber auch von den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Ausgabe 2004, akzeptierten postvakzinalen Encephalopathie durch Diphterie- bzw. Diphterie-Tetanus-Impfung gekommen sei, auf deren encephalopathischem "Trümmerfeld" sich dann die Herpes-Encephalitis aufgepropft habe, gebe es im vorliegenden Falle nicht. Für die These, im Gefolge der (damals impfplangerechten, aber für heutige Begriffe unnötig reichhaltigen) Diphterie-Impfungen sei es zu einer Hypersensibilisierung, insbesondere zu einer cerebralen Hypersensibilisierung, als Ursache für das Auftreten der Herpes-Encephalitis gekommen, ließe sich keine logisch-immunologisch plausible Begründung finden. Hierzu hat sich Prof.Dr.E. mit Schreiben vom 03.05.2005 geäußert. Prof.Dr.E. widerspricht der Auffassung von Prof.Dr.K. , dass bei der Klägerin mit überwiegender Wahrscheinlichkeit es sich nicht um eine Erstinfektion mit Herpes-Simplex-Viren, sondern um eine sogenannte Reaktivierung von in den Nervenganglien ruhenden Herpes-Viren handele. Die Klägerin habe insgesamt 250 I.E. Immunitätseinheit Toxoid erhalten, was eine Hyperimmunisierung darstelle. Bei einer Hyperimmunisierung könne die Immunkomplexbildung entweder sofort oder später eintreten. Die serogenetische Encephalomyelitis, wie sie im Gefolge der Diphterieschutzimpfung beschrieben worden sei, entwickle sich nach einer Inkubationszeit von etwa 5 bis 28 Tagen. Schließlich stellt Prof.Dr.E. am Beispiel des Guillain-Barré-Syndroms das Modell einer Hypersensitivität dar. Abschießend stellt er nochmals fest, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit bei der Klägerin durch Hyperimmunisierung mit Diphterietoxoid eine Herpes-Encephalitis ausgelöst worden sei. Der Beklagte hat auf der Grundlage der nervenärztlichen Stellungnahme nach Aktenlage des Neurologen und Psychiaters Dr.K. den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.07.2003 aufzuheben, aufrecht erhalten. Prof.Dr.H. hat sich mit Schreiben vom 18.05.2005 an das Gericht gewandt und vorgetragen, dass die Argumente von Prof.Dr.E. derart überzeugend seien, dass man daran nicht vorbeigehen könne. Es werde präzise auf bestimmte Immunitätsvorgänge eingegangen, die von Prof.Dr.K. nicht erwähnt worden seien. Mit weiterem Schreiben vom 09.06.2005 hat der Beklagte beantragt, Prof.Dr.K. zu den Ausführungen von Prof.Dr.E. Stellung nehmen zu lassen. Zu der von Prof.Dr.E. zitierten Arbeit von Good und Campell 1948 sei anzumerken, dass hier im Tierexperiment ein anaphylaktischer Schock erzeugt worden sei. Bei der Klägerin sei klinisch kein anaphylaktischer Schock beschrieben worden. Die von Prof.Dr.E. angenommene Hyperimmunisierung sei klinisch nicht vollständig mit einem anaphylaktischen Schock gleichzusetzen. Zur zitierten Arbeit von Dr.S. bei Guillain-Barré-Syndrom (GBS) mit Nachweis geringer Mengen der Erbsubstanz des Herpesvirus sei anzumerken, dass es sich beim GBS nach bisherigem Stand der Literatur nicht um eine typische Herpesinfektion mit hohen Virus- und Antikörpertitern handele, wie sie bei der Klägerin nachgewiesen worden sei. Soweit Prof.Dr.E. aus seinem Buch "Erfahrungen eines Gutachters über Impfschäden in der Bundesrepublik Deutschland von 1955 bis 2004" auf S.36 zitiere, dass eine serogenetisch bedingte Encephalomyelitis mit einer Inkubationszeit von 6 bis 28 Tagen auftreten könne, sei darauf hinzuweisen, dass eine Herpes-Encephalitis nicht erwähnt werde. Auf Veranlassung des Senats hat nochmals Prof.Dr.K. mit Schreiben vom 29.07.2005 zu den Äußerungen von Prof.Dr.E. Stellung genommen. Für die gutachtliche Endbeurteilung sei es gleichgültig, wie lange (innerhalb vernünftiger Grenzen) im vorliegenden Fall die wirkliche Inkubationszeit für die Herpes-Encephalitis der Klägerin gewesen sei, sei es nach Erstinfektion (wie Kollege Ehrengut annehme) oder sei es nach Reaktivierung (wofür im vorliegenden Fall zu plädieren sei). Die Frage, ob es sich um eine Erstinfektion oder (sehr viel überzeugender) Reaktivierung handele, sei für die gutachtliche Endbeurteilung (Frage Impfschaden) ebenfalls ohne Bedeutung. Weiter sei der Immunglobulin-A-Spiegel für die gutachtliche Frage, ob die Herpes-Encephalitis ursächlich auf die angeschuldigte Impfung zurückgehe oder nicht, ebenfalls (gleichgültig, ob man für Reaktivierung oder für Erstinfektion plädiere) ohne Belang. Allergien gegen Thiomersal und Merthiolat, die damals den hier zu Rede stehenden Impfstoffen zur Konservierung beigegeben worden seien, seien bei Impflingen äußerst selten vorgekommen, noch sehr viel seltener sei eine allergische Schockreaktion (Anaphylaxie) zu beobachten. Bei der Klägerin seien klinisch keine Schocksymptome zu beobachten gewesen. Die Klägerin habe keinerlei Anzeichen einer Hypersensibilisierung gezeigt, sei es im Sinne einer Diphterie-Impfencephalopathie, sei es im Sinne gar eines Schockgeschehens. Allein aus Zahl und Art der verabreichten Impfungen auf eine klinisch relevante Hypersensibilisierung zu schließen, sei diagnostisch nicht korrekt. In dem von Prof.Dr.E. zitierten Tierexperiment sei durch Hypersensibilisierung (gleichgültig mit welcher Substanz) ein Schock ausgelöst worden und erst auf dem Boden dieser Schocksituation (d.h. bei zusammengebrochenem Kreislauf und dementsprechend desolatem Zellzustand und desolatem Abwehrverhalten) habe die Herpes-Encephalitis inokuliert werden können. Die Herpes-Encephalitis etabliere sich nicht auf unspezifisch hypersensibilisiertem Gewebe, sondern auf schwer gestörtem oder zerstörtem Gewebe. Die Diphterie-Impfencephalopathie gehe auf Immunkomplexe zurück, die sich der Innenschicht von Blutgefäßen anheften, so dass es zu einer Vaskulitis und einem Gefäßverschluss mit Zelluntergang kommen könne. Die Bildung ausreichender Immunkomplexe könne je nach Ausgangslage Zeit brauchen, ebenso brauche es Zeit bis zur hinreichenden Durchblutungsminderung, entsprechend weit sei die Spanne der akzeptierten postvakzinalen Inkubationszeit. Im vorliegenden Falle gebe es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Prozess bei der Klägerin stattgefunden habe. Prof. Dr.E. trage aber vor, die von ihm angenommene Hypersensibilisierung, die ihrerseits zum Auftreten der Herpes-Encephalitis geführt habe, folge ebenfalls dieser weiten Spanne der postvakzinalen Inkubationszeit. Dafür gebe es keinen Beleg. Soweit Prof.Dr.E. für die These der Hypersensibilisierung mit anschließender Herpes-Encephalitis auf das tierexperimentelle Schock-Modell rekurriere, sei festzustellen, dass die postvakzinale Inkubationszeit hierfür wenige bis maximal 30 Stunden betrage. Soweit Prof.Dr.E. eine Parallele zwischen seiner für den vorliegenden Fall vorgetragenen These einerseits und dem Guillain-Barré-Syndrom herstelle, sei darauf hinzuweisen, dass für das GBS hier Sichtweisen vorgestellt würden, die von der aktuellen Lehrmeinung abweichen würden. Soweit Prof. Dr.E. darauf verweise, dass Encephalomyelitiden das immunologische Ergebnis einer allergischen Reaktion auf antigene Stimmuli seien, handele es sich hier ebenfalls um einen durch den heutigen Erkenntnisstand überholte Literaturstelle, die nur noch für die sogenannten serumgenetischen Encephalomyelitiden zutreffen würde. Heute werde zwischen Encephalomyelitiden einerseits mit direktem Erregerbefall des Gehirns (wie z.B. Herpes-Encephalitis), andererseits serogenetischen Encephalitiden, bei denen nicht der Erreger das Hirn befällt, sondern nach entsprechend verlängerter Inkubationszeit das Hirn erst durch Immunprodukte aus der Auseinandersetzung zwischen Organismus und Erreger geschädigt werde, unterschieden. Entgegen der Auffassung von Prof.Dr.H. seien die Argumente von Prof.Dr.E. keineswegs überzeugend, sondern spekulativ.

Mit Beweisanordnung vom 27.10.2005 wurde Prof.Dr.E. gemäß § 109 SGG zum Sachverständigen ernannt, der das Gutachten vom 07.12.2005 erstellt hat. Prof.Dr.E. kommt in dem Gutachten zu der Auffassung, dass die nach den Richtlinien der "Anhaltspunkte" versorgungsrechtlich vom medizinischen Gutachter geforderte Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang der Diphterie-Tetanus-Schutzimpfung mit der Gesundheitsstörung im Falle der Klägerin bejaht werde. Mit Wahrscheinlichkeit sei die am 21. Tag nach der fünften Diphterie-Tetanus-Schutzimpfung aufgetretene Herpes-Encephalitis und die damit verbundenen Gesundheitsstörungen durch eine Hypersensibilisierung gegenüber dem Impfstoff (infolge der im Impfstoff enthaltenen Beiprodukte) und einer Hyperimmunisierung (mit einem Impfstoff, dessen Toxoidgehalt für das Alter der Klägerin zu hoch war), mitverursacht. Die Inkubationszeit liege mit 21 Tagen innerhalb der für Diphterieimpfschäden anerkannten Zeitspanne. Die Neigung der Klägerin zu allergischen Hautreaktionen mache ihre Bereitschaft zu hyperergischen Reaktionen verständlich. Außerdem habe bei der Klägerin mit Wahrscheinlichkeit eine angeborene IgA-Mangelkrankheit vorgelegen, die die Bereitschaft zur Auslösung einer Herpes-Encephalitis noch weiter erhöht habe. Die impfbedingten Gesundheitsstörungen seien nicht von den durch die Herpes-Encephalitis hervorgerufenen Krankheitserscheinungen zu trennen, weil die Auslösung der Herpes-Encephalitis und deren Folgen durch die oben beschriebenen Hypersensibilisierungsvorgänge infolge der vorangegangenen Impfung wesentlich beeinflusst worden seien. Die vorliegende partielle Immunschwäche der Klägerin sei außerdem für den schweren Krankheitsverlauf wesentlich verantwortlich. Inwieweit dieses anlagebedingte Leiden mit dem schädigenden Vorgang als gleichwertig einzustufen sei, unterliege der Rechtsprechung des Bayer. Landessozialgerichts. Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die nervenärztliche Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. vom 17.01.2006 die Berufung aufrecht erhalten.

Auf Anforderung des Senats hat der Gutachter Prof.Dr.K. am 01.06.2006 eine ergänzende Stellungnahme abgegeben. Zusammenfassend führt er aus, dass Prof.Dr.E. die These aufstelle, die Klägerin sei durch eine fünfte Diphterie-Tetanus-Impfung "sensibilisiert" worden für eine am 19. postvaccinalen Tag auftretende Herpes-Encephalitis. Es gebe keinerlei klinischen oder literarischen Belegfall für ein solches Vorkommnis. Die Überzahl der Argumente, die Prof.Dr.E. anführe, hätten auch im Ansatz mit dem Geschehen bei der Klägerin nichts zu tun. Es gebe eine einzige Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen der DT-Impfung und der anschließender Herpes-Encephalitis. Im Gefolge der 5. DT-Impfung könnte am 19. postvaccinalen Tag ein zentralnervöser Diphterie-Schaden (immunkomplex-vermittelte vaskulitische Encephalopathie) zustande gekommen sein mit dem Ergebnis, dass in dem auf diese Weise vorgeschädigten Hirngewebe reaktivierte Herpesviren zu einer Herpes-Encephalitis hätten eskalieren können. Im Falle der Klägerin gebe es aber keinerlei Beleg (Klinik, Labor, bildgebende Darstellungen) für eine der Herpes-Encephalitis vorgeschaltete Diphterie-Impfencephalopathie. Insgesamt bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen ursächlichen oder teilursächlichen Zusammenhang zwischen der DT-Impfung der Klägerin vom 02.09.1998 einerseits und der am 21. bzw. 23.09.1988 einsetzenden Herpes-Encephalitis andererseits. Die Klägerbevollmächtigten haben hierzu eine Stellungnahme von Prof.Dr.E. vom 22.09.2006 übersandt. Darin hat Prof.Dr.E. insgesamt an seiner Auffassung festgehalten, dass mit großer Wahrscheinlichkeit die 5. Diphterie-Schutzimpfung immunologisch eine Sensibilisierung indiziert habe und die Impfung deshalb als primäre Reaktion die Auslösung der Herpes-Encephalitis begünstigt habe. Aus dieser Sicht werde die Schlussfolgerung gezogen, dass die 5. DT-Impfung für die Erkrankung der Klägerin an der Herpes-Encephalitis verantwortlich gemacht werden müsse und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 100 % angemessen sei. Er sei mit dem Gutachter Prof. Dr.K. der Auffassung, dass bei der Klägerin ein angeborenes Leiden vorliege. Das Leiden beruhe auf einer Anlage, die bislang kein krankhaftes Geschehen hervorgerufen gehabt habe. Erst durch ein schädigendes Ereignis im Sinne des § 1 BVG sei ein krankhaftes Geschehen "zum Ausbruch gebracht" worden. In einer weiteren Stellungnahme vom 24.10.2006 hat Prof.Dr.E. vorgetragen, dass Dr.K. die in den Anhaltspunkten vorgesehene serogenetische Enzephalitis innerhalb von 28 Tagen nach der Diphterie-Schutzimpfung nicht berücksichtigt habe. Im Falle der Klägerin könnte vor Ausbruch der eigentlichen Herpesenzephalitis eine Enzephalopathie, bedingt durch die Diphteriekomponente der DT-Impfung, vorgelegen haben. Auch Prof.Dr.K. erwäge diese Möglichkeit. Weiter stellt er die Frage, ob dem Impfarzt der Klägerin bei der 5. DT-Impfung 1988 die Existenz zweier Impfstoffe für Kinder bekannt gewesen sei und hält an seiner Auffassung fest, dass es im Zusammenhang mit den vorausgegangenen vier Diphterie-Schutzimpfungen bei der Klägerin durch die 5. DT-Schutzimpfung zu einer Hyperimmunisierung gekommen sei, die zu dem schweren Krankheitsbild geführt habe. Bei der Klägerin habe zwar das Intervall zwischen 4. DPT-Vaccination und 5. DT-Impfung fünf Jahre betagen, jedoch sei bei der letzten Impfung offenbar mit der für das Alter zu hohen Impfdosis die Grenze der Belastbarkeit erreicht gewesen. Im jüngsten Handbuch von Siegenthaler und Blum 2006 seien die immunologischen Voraussetzungen für eine Krankheitsentstehung nach bakteriellen Stimuli (wie z.B. das Diphterieantigus) sorgfältig skizziert. Dies entspreche auch seiner Vorstellung der immunologischen Veränderung bestimmter Reaktionszentren, z.B. im Gehirn, die zu einer serogenetischen Enzephalitis oder zu Gefäßalterationen führen können. Die Vertreterin des Beklagten hat noch eine Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. vom 10.11.2006 vorgelegt, worin dieser an der Auffassung festhält, dass die Enzephalitis bei der Klägerin auf eine Herpesinfektion und nicht auf eine direkte Schädigung durch die Impfung zurückzuführen sei.

Die Bevollmächtigte des Beklagten stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.07.2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerbevollmächtigte stellt den Antrag, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte des Beklagten, die Akte des Sozialgerichts München mit dem Az.: S 29 VJ 4/00, die Akte des Bayer. Landessozialgerichts mit dem Az.: L 15 VJ 4/03 sowie die Schwerbehindertenakte des Beklagten mit dem Az.: 707687 zur Entscheidung vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren weiteren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig (§ 68 Abs.2 Infektionsschutzgesetz in Verbindung mit den §§ 143, 151 SGG) und auch begründet. Das Sozialgericht München hat mit dem angefochtenen Urteil vom 16.07.2003 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 05.11.1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2000 zu Unrecht verurteilt, die Gesundheitsstörungen "Apallisches Syndrom nach schwerster Herpes-Encephalitis mit Retinaabfall und partieller Opticusatrophie links stärker als rechts, schwere gemischte Tetraparese" als Impfschaden mit einer MdE von 100 % ab Antragstellung (30.06.1997) festzustellen. Der bei der Klägerin vorliegende schwerste cerebrale Defektzustand nach Herpes-Encephalitis ist nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit auf die Diphterie-Tetanus-Auffrischungs-Impfung vom 02.09.1988 zurückzuführen. Gemäß § 60 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG -) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhält derjenige, der durch eine Impfung, die u.a. öffentlich empfohlen war, einen Impfschaden erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen des Impfschadens auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Voraussetzung dafür ist, dass die empfohlene Impfung die Gesundheitsstörungen wahrscheinlich verursacht hat. Wahrscheinlich in diesem Sinne ist die Kausalität dann, wenn wenigstens mehr für als gegen sie spricht, d.h., die für den Zusammenhang sprechenden Umstände mindestens deutlich überwiegen. Die Impfung als schädigendes Ereignis, der Impfschaden - das ist ein über die übliche Impfreaktion hinausgehender Gesundheitsschaden - und die Schädigungsfolge (Dauerleiden) müssen dagegen nachgewiesen, nicht nur wahrscheinlich sein (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.1986, Az.: 9 a RV 2/84 und vom 26.06.1985, Az.: 9 a RVi 3/83 = BSG in SozR 3850 § 51 Bundesseuchengesetz Nrn.9 und 8).

Die vorgenannten Voraussetzungen sind bei der Klägerin nicht erfüllt. Die streitigen Gesundheitsstörungen der Klägerin sind weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung die Folge eines Impfschadens. Der Senat folgert dies aus dem im Berufungsverfahren eingeholten überzeugenden und in sich schlüssigen Gutachten des Prof.Dr.K. vom 10.04.2005 und den ergänzenden Stellungnahmen vom 29.07.2005 und 01.06.2006, denen der Vorzug zu geben ist gegenüber dem Sachverständigengutachten des Prof.Dr.E. vom 27.02.2002 mit Ergänzungen vom 30.09.2002, 21.11.2002, 05.11.2002, 20.01.2003 sowie den gutachtlichen Äußerungen von Prof.Dr.E. vom 03.05.2005, 07.12.2005 und 22.09.2006.

Zunächst steht fest, dass die Klägerin am 08.06., 30.07., 14.09.1982 und 30.08.1983 vier Impfungen mit dem Kombinationsimpfstoff DPT (Diphterie-Toxoid, Tetanus-Toxoid und Keuchhusten-Ganzkeim-Impfstoff) verabreicht bekommen hat (vgl. die Eintragungen im Impfbuch), die von der Klägerin im Rahmen des Üblichen gut vertragen wurden. Am 02.09.1988 erfolgte die Diphterie-Tetanus-Auffrischungs-Impfung (vgl. die Eintragung im Impfbuch), bei der der DT-Impfstoff mit voller Dosis Diphterie-Toxoid und nicht der Td-Impfstoff mit verminderter Dosis verwendet wurde (vgl. das ärztliche Attest des Impfarztes Dr.P. vom 13.09.2004). Die bei der Klägerin vom Impfarzt Dr.P. durchgeführten Impfungen entsprachen dem Impfschema der zum 02.09.1988 noch gültigen öffentlichen Empfehlung der ständigen Impfkommission (STIKO), wie sich aus der Stellungnahme des Robert-Koch-Instituts vom 14.12.2004 ergibt. Die Empfehlung, die als Säugling und Kleinkind durchgeführten vier DPT-Impfungen hinsichtlich Difterie und Tetanus im sechsten bis siebten Lebensjahr mit einer nunmehr verminderten Dosis von Diphterie-Toxoid (Td-Impfstoff) aufzufrischen, wurde erst im Oktober 1988 im Bundesgesundheitsblatt veröffentlicht. Danach hat die Klägerin fünf Diphterie-Tetanus-Impfungen mit 50 I.E. Diphterie-Toxoid, also zusammen 250 I.E. Diphterie-Toxoid, erhalten. Zur Überzeugung des Senats fehlt es zunächst bereits am Nachweis eines durch die Klägerin erlittenen Impfschadens, d.h. eines über die übliche Impfreaktion hinausgehenden Impfschadens als unerläßliches Mittelglied in der Ursachenkette zwischen Impfung und verbleibender Gesundheitsstörung. Nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit 2005 kommt es nach einer Tetanus-Schutzimpfung sehr selten zu Impfschäden in Form einer Neuritis bzw. des Guillain-Barré-Syndroms. Beide Erkrankungen liegen bei der Klägerin unstreitig nicht vor. Bei der Diphterieschutzimpfung kommt es nach den Anhaltspunkten (S.198 Nr.12) zu einem Impfschaden in Form von sehr selten akut entzündlichen Erkrankungen des Zentralnervensystems. Auch ein solches Krankheitsbild liegt bei der Klägerin nicht vor. Unter der dort genannten akut-entzündlichen Erkrankung des ZNS ist eine immunkomplex-vermittelte Vaskulitis des ZNS mit hieraus resultierenden Durchblutungsstörungen und Zelluntergängen gemeint. Auf dem durch Zirkulationsstörung mit anschließendem Zelluntergang entstandenen "Trümmerfeld" (nekrotisches Areal) setzen sich sekundär Keime fest, die in der Folge zu einer Encephalitis oder Meningitis führen können. Die Spanne der akzeptierten postvaccinalen Inkubationszeit reicht von 5 Tagen bis 28 Tagen. Eine solche impfbedingte Encephalopathie war ausweislich dem klinischem Ablauf, dem Liquorzucker und der bildgebenden Darstellungen nicht vorhanden. Statt dessen ist es bei der Klägerin nach der DT-Impfung vom 02.09.1988 am 21.09.1988 zu Bauchschmerzen ohne Durchfall und am 22.09. zu Erbrechen und einem fieberhaften Infekt gekommen. Ob die Bauchschmerzen in Verbindung mit Fieber und Erbrechen vom 21. und 22.09.1988 auf einen abdominalen Herpesbefall hindeuten oder Vorboten der anschließenden Herpes-Encephalitis sind oder hiervon unabhängig aufgetreten sind, läßt sich in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Prof.Dr.K. anhand der Aktenlage nicht mehr klären. Jedenfalls handelt es sich nicht um eigenständige Krankheitsbilder, die typischerweise als Impfschaden nach einer Diphterie-Tetanusschutzimpfung auftreten. Am 23.09.1998 setzte dann die zentral-nervöse Symptomatik einer Herpes-Encephalitis ein, die nach Serologie, bildgebender Darstellung und Krankheitsverlauf eindeutig nachgewiesen ist. Die Herpes-Encephalitis ist, wie auch Prof.E. in seiner Stellungnahme vom 22.09.2006 einräumt, nicht unmittelbar durch die Diphterieimpfung ausgelöst worden. Die Herpes-Simplex-Encephalitis ist zunächst ursächlich auf eine Erstinfektion bzw. wahrscheinlicher Reaktivierung von nach bereits früher erfolgter Erstinfektion der Schleimhäute in Nervenganglien ruhenden Herpesviren zurückzuführen. Das Herpes-Simplex-Virus tritt dabei in zwei Varianten auf. In der Mehrzahl der Fälle, so auch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Falle der Klägerin, handelt es sich um den Herpes-Simplex-Typ I mit Befall von Schleimhäuten und bei Gelegenheit auch erodierter Haut, während beim Herpes-Simplex-Typ II es fast ausschließlich zu einem genitalen Befall kommt. 80 bis 90 % aller Erwachsenen haben Kontakt mit Herpes-Simplex-Typ-I-Viren und sind damit Virusträger, wobei mindestens in der Hälfte dieser Fälle der Erstkontakt bereits im Kindes- bzw. Jugendalter stattfand. 10 % aller Erwachsenen hatten dagegen Kontakt mit Herpes-Simplex-Typ II und sind damit auch Träger dieses Virus. Im Falle schwerer angeborener oder erworbener Immundefekte kommt es zu klinisch schweren Verlaufsformen von Erstinfektion mit Herpes-Simplex-Virus bzw. einer Rezidiverkrankung und dabei auch zur Beteiligung innerer Organe. Zu diesen inneren Organen kann auch das Gehirn zählen. Dabei spielt die Herpes-Simplex-Encephalitis gegenüber anderen Organen eine gewisse Sonderrolle in Bezug auf den Infektionsweg und die Immunitätslage. Bei der Herpes-Simplex-Encephalitis handelt es sich um einen direkten Befall der Hirnzellen durch das Herpes-Simplex-Virus. Die Herpes-Simplex-Encephalitis tritt mit einer Häufigkeit von einem Fall auf 200.000 bis 400.000 Personen pro Jahr auf. Damit sind rund 10 % aller ernsthaften viral bedingten Infektionen des Zentralnervensystems eine Herpes-Simplex-Encephalitis, wobei in einem Drittel der Fälle Patienten jünger als 20 Jahre betroffen sind. Vor diesem Hintergrund kann zur Überzeugung des Senats nicht davon ausgegangen werden, dass die Herpes-Encephalitis und der daraus resultierende schwerste cerebrale Defektzustand bei der Klägerin mit Wahrscheinlichkeit auf die DT-Auffrischungs-Schutzimpfung vom 02.09.1988 zurückgeführt werden kann. Insbesondere ergibt sich die nötige Wahrscheinlichkeit nicht aus der von Prof.Dr.E. aufgestellten These, dass die 5. Diphterie-Schutzimpfung mit großer Wahrscheinlichkeit immunologisch eine Sensibilisierung induziert hat und die Impfung deshalb als primäre Reaktion die Auslösung der Herpes-Encephalitis begünstigt hat. Prof.Dr.K. hat in seinen gutachtlichen Stellungnahmen hierzu überzeugend darauf hingewiesen, dass die Frage, ob nicht einige wenige spezielle Impfungen in der Lage seien, passager für einige Tage bis Wochen beim Impfling die Resistenz (allgemeine, unspezifische Abwehr) bzw. bereits erworbene spezifische Immunität gegen mikrobielle Infektionen zu senken, seit vielen Jahrzehnten diskutiert worden ist und jedenfalls bezüglich der DT-Impfung nicht zu bejahen ist. So haben z.B. Sen et al. (J. Allergie 1974, 54, S.25) Bioparameter gefunden, die mit einer erhöhten Empfänglichkeit in Verbindung gebracht werden könnten bei Kindern nach einer DPT-Impfung, nicht aber nach einer DT-Impfung. Speziell mit der Möglichkeit des Auftretens einer Herpes-Encephalitis nach DPT-Impfung hat sich auch Prof.Dr.E. beschäftigt (Erfahrungen eines Gutachters über Impfschäden in der Bundesrepublik Deutschland von 1955 bis 2004, Verlag Books on Demand, Norderstedt 2004). Prof.Dr.E. hat dort (S.129 ff.) drei von ihm selbst begutachtete sowie zwei Literaturfälle vorgestellt mit einer postvaccinalen Inkubationszeit zwischen zwei und sieben Tagen, in denen er die für diese Fälle angenommene passagere Immunsubpression ausdrücklich auf die Keuchhustenkomponente (Ganzkeim-Impfstoff) des Kombinationsimpfstoffes DPT zurückgeführt hat. Weiter schreibt Prof.E. in "Fehlerquellen bei der Begutachtung von Impfschäden" in "Der medizinische Sachverständige 1994", 90, S.9 ff., S.13, dass nach Polioschluckimpfung oder Diphterie-Tetanus-Impfung eine Minderung der Abwehr unwahrscheinlich ist. Prof.Dr.K. weist auch auf ein Gutachten von Prof.Dr.E. hin, in dem dieser die Pertussis-Komponente, nicht aber die Diphterie- bzw. Tetanus-Komponente als immunsuppressiv herausstellt. Diese Auffassung gibt Prof.Dr.E. im Rahmen der jetzigen Begutachtung (Gutachten vom 07.12.2005, S.9) auf und schließt eine Abwehrschwäche nunmehr auch nach einer Diphterie-Schutzimpfung ebenso wie nach einer DPT-Schutzimpfung nicht aus. Demgegenüber referiert Prof.Dr.K. zur Überzeugung des Senats die übliche kinderklinische Anschauung dahingehend, dass, wenn man überhaupt über eine im Gefolge von Diphterie- bzw. Diphterie-Tetanus-Impfungen sich ergebende postvaccinale passagere Senkung der unspezifischen Resistenz (Abwehrfähigkeit gegenüber Infektionen) diskutiere, dann könne dies allenfalls nur für die ersten zwei postvaccinalen Wochen geschehen, womit sich kein realistischer Bezug zum klägerischen Fall ergibt. Prof.Dr.K. widerlegt auch die These von Prof.Dr.E. , dass es durch die DT-Impfung zu einer cerebralen Hypersensibilisierung bzw. einem hyperergischen Terrain gerade gegenüber Herpesviren und deswegen zu einer Herpes-Encephalitis bei der Klägerin gekommen sei, in für den Senat überzeugender Weise. Im Bereich der Immunologie beschreibt die Sensibilisierung den Vorgang, dass durch Zufuhr eines Antigens ein Zustand geschaffen werden kann, der nicht oder nicht nur spezifische Immunität bedeutet, sondern eine spezifische Überempfindlichkeit dahingehend hervorruft, dass bei Zweitzufuhr desselben Antigens mehr oder minder schwere Reaktionen (unter Umständen bis hin zu Schock und Tod) auftreten. Es ist dabei zweimal dasselbe Antigen im Spiel. Ausnahmsweise ist lediglich die sogenannte Kreuzreaktion im Falle immunologisch zwar nicht identischer, wohl aber in einem immunologisch wesentlichen Abschnitt gleicher bzw. ähnlicher Antigene hinzuweisen. Eine Kreuzreaktion zwischen Diphterie-Toxoid einerseits und Herpesviren andererseits ist aber nicht bekannt. Die These von Prof.Dr.E. , die DT-Impfung der Klägerin habe das Gehirn "sensibilisiert" für den Befall durch Herpesviren, ist immunologisch nicht zu stützen. Es handelt sich um den spekulativen Vortrag eines völlig neuen Typs von Impfschaden. Auch die weiter von Prof.Dr.E. in den Raum gestellte These, den im Kinderkrankenhaus S. beobachteten Krankheitsrückfall (mit Befall auch der Netzhaut des Auges) als impfbedingten Gefäßschaden zu interpretieren, obwohl er einen solchen impfbedingten Gefäßschaden zuvor verneint hatte, ist ausdrücklich zu widersprechen. Einschlägige Gefäßschäden sind im Kinderkrankenhaus S. nicht beschrieben worden. Die Retinaschäden sind erst am 10.10.1988 aufgetreten und damit am 38. postvaccinalen Tag, womit die nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit 2005 akzeptierte äußerste Spanne der postvaccinalen Inkubationszeit für zentralnervöse Diphterie-Impfschäden weit übeschritten war.

Abgesehen von dieser grundsätzlichen Fragwürdigkeit der von Prof.Dr.E. vertretenen Thesen zur Hyperimmunisierung und Hypersensibilisierung liegen jedenfalls im konkreten Fall der Klägerin keine Anhaltspunkte vor, dass es bei ihr zu einer Hyperimmunisierung bzw. Hypersensibilisierung gekommen ist. Prof.Dr.K. hat hierzu überzeugend dargelegt, dass zwar die Klägerin aus heutiger Sicht mit zuviel Diphterie-Impfstoff versorgt worden ist. Aus dieser aus heutiger Sicht technischen Überdosierung ist aber nicht zu schließen, dass es speziell im Falle der Klägerin zu einer Überimmunisierung im Sinne einer überhöhten Antikörperbildung durch den Impfling (besonders hoher Serumspiegel von Diphterie-Antikörpern) gekommen ist. Die Reaktionen auf eine solche Überdosierung sind von Impfling zu Impfling durchaus unterschiedlich, die tatsächliche immunologische Hyperimmunisierung müsste durch eine Serumuntersuchung nachgewiesen werden, was im Falle der Klägerin aber nicht geschehen ist. Ein Nachweis, dass die Klägerin durch die Impfung gegen Diphterie hyperimmunisiert wurde, ist auch heute serologisch nicht mehr zu führen (überdurchschnittlich hoher Titer gegen Diphterie). Die Klägerin hat mit sieben Jahren die 5. Diphterie-Impfung erhalten, seither sind 18 Jahre vergangen. Nach der von Prof.Dr.E. zitierten Arbeit von H.Kuhlwein und B.Küchenmeister ("Tetanus-Hyperimmunisierungsphänomen und Wehrdienstfähigkeit" Wehrmed. Mschr. 1983; 8: 320-325) fallen die einmal nachgewiesenen Titer der Abwehrstoffe gegen Erkrankungen jährlich um 30 %, so dass jetzt nach einem 18-jährigen Zeitabstand einer Untersuchung dieser Abwehrstoffe - sei es gegen Diphterie oder Tetanus - diese auf so niedrige Werte abgesunken sind, dass keine Aussage über den Wert im akuten Krankheitsstadium gemacht werden könnte. Im Übrigen hat Prof.R. von der Klinik und Poliklinik für Dermatolgie und Allergologie am B. des Klinikums rechts der Isar der Technischen Universität M. in der von Prof.Dr.E. vorgelegten Stellungnahme vom 07.11.2002 darauf hingewiesen, dass selbst beim Nachweis eines sehr hohen Antigen-Titers gegen Diphterie in erster Linie eine Vaskulitis ausgelöst worden wäre, während eine Verbindung zu einer Virusenzephalitis schwierig zu beweisen sein dürfte. Die Klägerin hat im Übrigen keinerlei klinische Zeichen einer tatsächlich erfolgten immunologischen Hyperimmunisierung gezeigt. Insbesondere fehlt es bei der Klägerin an jeglicher Symptomatik (Klinik, bildgebende Darstellung, Labor, Liquorzucker), die als Beleg für eine Diphterie-Impfencephalopathie dienen könnten, deren Schäden als Boden für eine anschließende Herpes-Encephalitis hätten dienen können. Auch würde offen bleiben, was eine Hyperimmunisierung, falls sie eingetreten sein sollte, bei der Klägerin bewirkt hätte bzw. hätte können. Des Weiteren bestehen auch keine Hinweise für eine "Hypersensibilisierung" gerade bei der Klägerin gegen Herpesviren. Hypersensibilisierung müsste nicht nur für Herpesviren bestehen, sondern auch erzeugt durch Herpesviren, nicht aber erzeugt durch vorangegangene andersartige Stimuli (z.B. DT-Impfung). Bei einem zentral-nervösen Diphterie-Impfschaden müsste sowohl die Hypersensibilisierung als auch die Krankheitsauslösung auf den Diphterie-Impfstoff zurückgehen. Die von Prof.Dr.E. aufgestellte These, im Falle der Klägerin hätten die vorangegegangenen Diphterie-Impfungen eine Hypersensibilisierung gerade gegenüber Herpes-Viren zustande gebracht, ist - wie bereits dargelegt - immunologisch nicht zu belegen. Soweit Prof. Dr.E. in diesem Zusammenhang die während des Aufenthalts im Städt.Krankenhaus M. aufgetretenen Symptome wie Hautausschläge und Lidödeme als allergische Diathese wertet und daraus schließt, dass die Klägerin auf albionide Bestandteile im Diphterie-Toxoid allergisch reagiert habe und das allergische Terrain für eine Herpes-Encephalitis geboten habe, ist auch dem zu widersprechen. Bei den passager aufgetretenen Exanthemen und Ödemen handelte es sich vielmehr entsprechend dem seinerzeitigen Bericht der Kinderklinik und Poliklinik der Technischen Universität M. im Städtischen Krankenhaus M. vom 19.12.1988 über den dortigen Aufenthalt der Klägerin vom 24.09.1988 bis 09.12.1988 um ein Arzneimittel-Exanthem und um Lid-Knöchel-Ödeme. An dieser Diagnose ist in Übereinstimmung mit Prof.Dr.K. im Hinblick auf den Zeitpunkt des Auftretens dieser Erscheinungen und nach der Art der Medikation nicht zu zweifeln und ein Zusammenhang mit der DT-Impfung vom 02.09.1988 auszuschließen. Im Übrigen sind impfbedingt-allergische Exantheme in aller Regel in der ersten Woche, nicht aber am 21. postvaccinalen Tag zu erwarten. Im Übrigen ist nicht belegt, dass Allergiker gehäuft zu zentralnervösen Impfkomplikationen neigen. Zu der von Prof.Dr.E. abgegebenen weiteren Begründung, dass die damals den hier zur Rede stehenden Impfstoffen zur Konservierung beigegebenen Beistoffe Thiomersal und Merthiolat eine allergische Reaktion ausgelöst hätten, hat Prof.Dr.K. überzeugend darauf hingewiesen, dass Allergien gegen diese Quecksilberverbindungen bei Impflingen äußerst selten gewesen sind. Noch sehr viel seltener erfolgt eine allergische Schockreaktion (Anaphylaxie), wie sie in Erweiterung der spekulativen These zum ursächlichen Zusammenhang von Prof. Dr.E. vorgetragen worden ist. Bei der Klägerin sind demgegenüber klinisch keine Schocksymptome, die über dies innerhalb weniger Stunden nach der angeschuldigten Impfung hätten auftreten müssen, zu beobachten gewesen. Im Übrigen hätten die den Impfstoffen beigegebenen Tiomersal-Mengen für toxische Reaktionen nicht ausgereicht. Allenfalls wäre in sehr seltenen Fällen mit allergischen Reaktionen zu rechnen gewesen, die in schwersten Fällen sich bis hin zu einer Schocksymptomatik hätten steigern können, dies aber nur in den ersten Stunden bis wenige Tage nach der Impfung. Hiervon kann im Falle der Klägerin keine Rede sein.

Insgesamt ist daher den von Prof.Dr.E. dargelegten Thesen zum ursächlichen Zusammenhang zwischen der DT-Impfung der Klägerin und der Herpes-Enzephalitis nicht zu folgen, weil sie grundsätzlich losgelöst vom Fall der Klägerin in der Literatur und auch nicht durch die von ihm beschriebenen Gutachtensfälle hinreichend belegt sind und speziell im Falle der Klägerin keine hinreichenden Anhaltspunkte für die von Prof.Dr.E. angedachten Ursachenketten vorliegen. Die Thesen von Prof. Dr.E. haben für den Senat in Übereinstimmung mit dem Gutacher Prof.Dr.K. zum Teil spekulativen Charakter, jedenfalls genügen diese Thesen aber nicht den notwendigen Beweisanforderungen. Dies wird nochmals in der letzten Stellungnahme von Prof. Dr.E. vom 24.10.2006 vor dem Verhandlungstermin am 14.11.2006 deutlich, wo er lediglich Möglichkeiten eines Ursachenzusammenhanges zwischen DT-Impfung und Herpesenzephalitis bei der Klägerin diskutiert, wenn er davon spricht, dass "im Falle der Klägerin vor Ausbruch bei der eigentlichen Herpesenzephalitis eine Enzephaolopathie bedingt durch die Diphteriekomponente der DT-Impfung vorgelegen haben könnte; eine solche symptomarme Enzephalopathie könnte durchaus das schwere Krankheitsbild der Herpesenzephalitis eingeleitet haben; weiter könnte es im Zusammenhang mit den vier vorausgegangenen Diphterie-Schutzimpfungen bei der Klägerin durch die 5. Diphterie-Schutzimpfung zu einer Hyperimmunisierung gekommen sein, die zu dem schweren Krankheitsbild geführt habe". Vor diesem medizinsichen Hintergrund kann zur Überzeugung des Senats nicht davon ausgegangen werden, dass die bei der Klägerin am 21.09.1988 bzw. 23.09.1988 einsetzende Herpesenzephalitis und der sich daraus ergebende schwerste Defektzustand mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf die 5. DT-Schutzimpfung am 02.09.1988 zurückzuführen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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