S 13 KR 71/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 13 KR 71/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Korrektur von 2 Narben mittels Laser-Behandlung.

Die 1965 geborene Klägerin ist von Beruf Operationsschwester. Nach einer im April 2005 durchgeführten Operation hat sie zwei große Narben zurückbehalten, die deutlich sichtbar sind. Die eine verläuft senkrecht vom Bauchnabel aufwärts und ist ca. 20 cm lang; die andere verläuft unter der linken Brust bis zum linken Schulterblatt und ist ca. 40 cm lang.

Im Juli 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Korrektur dieser Narben. Sie legte eine Bescheinigung der Hautärztin Dr. C. vom 09.05.2006 vor, in der diese u.a. eine Laserbehandlung empfahl, "da die Patientin unter diesen Hautveränderungen verständlicherweise erheblich leidet". Desweiteren legte die Klägerin einen psychologischen Befundbericht der Psychotherapeutin X. vom 11.07.2006 vor; diese berichtete von einer posttraumatischen Belastungsstörung, verbunden mit einer gegenwärtigen mittelgradigen depressiven Episode; das Selbstwertgefühl im körperlichen Erleben sei durch die dominanten Operationsnarben stark beeinträchtigt und defizitär; die Patientin leide unter einem ausgeprägten Schamgefühl, welches sie z.B. daran hindere, im Sommer unbeschwert ins Freibad zu gehen oder auch eine Sauna zu besuchen; aus psychologischer Sicht sei eine Narbenkorrektur ratsam.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Die beratende Ärztin T. kam am 03.08.2006 zum Ergebnis, bei der begehrten Narbenkorrektur handele es sich um keine Kassenleistung; wegen psychischer Probleme sei keine Operation möglich; im normalen Leben fielen die Narben nicht auf.

Gestützt hierauf lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15.08.2006 die Übernahme der Kosten für die Narbenkorrektur mittels Laserbehandlung ab.

Dagegen legte die Klägerin im August 2006 Widerspruch ein. Sie legte 5 Fotos vor, auf denen die Narben zu erkennen sind. Sie trug vor, sie könne keine Sauna, Schwimmbad usw. besuchen, ohne sich dafür zu schämen; es sei sehr frustrierend, die Narben im Spiegel nach der Dusche zu sehen; da würden leider auch keine psychologischen Gespräche mehr helfen.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 12.10.2006 als unbegründet zurück. Sie führte aus, es liege weder eine Funktionseinschränkung noch eine Entstellung der im täglichen Leben regelmäßig sichtbaren Körperteile vor. Der geplante Eingriff weise vorwiegend kosmetischen Charakter auf. Auch aus den ärztlichen Bescheinigungen gehe hervor, dass die Laserbehandlung lediglich aus psychologischen Gründen durchgeführt werden solle. Diesbezüglich steht jedoch als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung die Psychotherapie zur Verfügung.

Dagegen hat die Klägerin am 24.10.2006 Klage erhoben. Sie hält das von der Beklagten unterbreitete Angebot einer psychologischen Therapie für lächerlich. Als OP-Schwester und auf Grund ihres gesunden Menschenverstandes könne sie beurteilen, dass es immer nur die zweitbeste Lösung sei, ein Symptom zu bekämpfen anstatt seine Ursache. Sie habe Komplexe wegen der Entstellungen, die sich allmählich bereits tatsächlich zu Depressionen ausdehnten. Auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei es aus ihrer Sicht ein blanker Hohn, sie zu therapieren anstatt ihr zu helfen: Die Kosten für eine Laserbehandlung des vernarbten Gewebes lägen schätzungsweise bei 4.000 bis 5.000,00 EUR; eine permanente psychologische Betreuung sei sicherlich ungleich teurer; da die Narben durch Psychotherapie nicht verschwinden würden, werde sie wohl Dauerpatientin bleiben oder mindestens einige Jahre der Therapie bedürfen. Deshalb wolle sie eine Korrektur der Narben.

Die Klägerin beantragt dem Sinne ihres schriftsätzlichen Vorbringens nach,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbe- scheides vom 12.10.2006 zu verpflichten, ihr eine Laser-Behandlung zur Korrektur von zwei Narben im Bauch- und Brustbereich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf ihre in den angefochtenen Bescheiden vertretene Auffassung.

Mit Schreiben vom 06.11.2006 sind die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.

II.

Gemäß § 105 Abs. 1 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher angehört worden.

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Klägerin wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Sie hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Entfernung der 2 Narben im Bauch- und Brustbereich zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht erwirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Krankenbehandlung in Form der Korrektur der bei ihr bestehenden 2 großen Narben mittels Laser-Behandlung, weil diese nicht "notwendig" im Sinne der genannten Vorschriften ist.

Die Notwendigkeit der Narbenentfernung wird von der Klägerin damit begründet, dass auf diesem Wege eine psychische Störung, die die Psychotherapeutin X. bei ihr festgestellt hat, günstig beeinflusst werden könne. Die derart indizierte Operation stellt jedoch keine Leistung dar, die in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fällt. Sie ist nämlich nicht wegen einer Krankheit im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V notwendig. Für die Feststellung der Regelwidrigkeit des Körperzustandes im Sinne des Krankheitsbegriffs der gesetzlichen Krankenversicherung ist vom Leidbild des gesunden Menschen auszugehen, der zur Ausübung normaler körperlicher oder psychischer Funktionen in der Lage ist. Nicht jeder körperlicher Unregelmäßigkeit, kommt Krankheitswert im Rechtssinne zu; die Rechtssprechung hat diese Grundvoraussetzung für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht vielmehr dahingehend präzisiert, dass eine Krankheit nur vorliegt, wenn der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (BSG, Urteil vom 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R = BSGE 93,252 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 3 m.w.N.).

Unter dem Gesichtspunkt der körperlichen Fehlfunktion können die beiden Narben der Klägerin, auch wenn sie groß und im entkleideten Zustand sichtbar sind, schon deshalb nicht als behandlungsbedürftigte Krankheit bewertet werden, weil ihr die begehrte Behandlung auch im Erfolgsfall nur ein anderes Aussehen und keine anderen natürlich gewachsenen funktionsgerechten Körperfunktionen verschaffen würde.

Die Leistungspflicht der Beklagten lässt sich auch nicht damit begründen, dass die Klägerin wegen äußerlicher Entstellung als behandlungsbedürftig anzusehen wäre. Die Rechtssprechung hat eine Entstellung bei einer Frau ohne natürliches Kopfhaar oder bei Narben im Lippenbereich angenommen bzw. erörtert (BSG a.a.O.). Auf den von der Klägerin vorgelegten Fotos sind die beiden Narben als durchaus groß und deutlich sichtbar zu erkennen. Sie sind jedoch nicht als entstellend zu bezeichnen. Eine entstellende Wirkung kann allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn diese Narben auch im bekleideten Zustand der Klägerin sichtbar wären. Dies ist jedoch nur bei (seltenen) Ausnahmegelegenheiten der Fall, etwa beim Duschen (bei dem sie regelmäßig allein sein dürfte) oder in der Sauna. Im Schwimmbad kann sie einen die Narben verdeckenden Badeanzug tragen. Hinzu kommt, dass durch eine Laser-Behandlung die Narben nicht vollständig unsichtbar werden, sondern allenfalls weniger auffallend.

Die psychische Belastung der Klägerin rechtfertigt ebenfalls keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenkasse muss die Versicherten nicht mit jeglichem Mittel versorgen, das ihrer Gesundheit förderlich ist oder für sich in Anspruch nimmt, auf Krankheit einzuwirken. Versicherte haben keinen Leistungsanspruch auf Heilbehandlung in Form körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand im Sinne der dargestellten krankenversicherungsrechtlichen Grundsätze veranlasst werden (BSG a.a.O.).

Der Hinweis der Klägerin auf die (möglicherweise) geringeren Kosten einer Laser-Behandlung der Narben gegenüber einer u.U. langjährigen Psychotherapie ist zwar verständlich, jedoch rechtlich unbeachtlich. Denn unter dem Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkt können nur die Kosten notwendiger Behandlungsmaßnahmen verglichen werden. Die operative Behandlung der Narben mittels Laser ist jedoch aus den dargelegten Gründen nicht notwendig. Unabhängig davon lässt sich der Erfolg der Laserbehandlung nicht sichert prognostizieren. Wenn diese Behandlung nicht die von der Klägerin in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, bleiben u.U. die psychischen Störungen, möglicherweise noch in größerem Ausmaß als zuvor, weil nunmehr durch enttäuschte Erwartungen noch verstärkt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 105 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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