Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 25 R 359/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 13 R 161/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5a/4 R 29/07 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 8. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 2.034,31 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin einen Betrag i.H.v. 2.034,31 Euro zu erstatten hat, der ihr nach dem Tod des Rentenbeziehers (H.B.) auf deren Konto bei der Beklagten überwiesen worden war.
Der am 00.04.2005 verstorbene H.B. bezog von der Klägerin eine Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau (G.B.) i.H.v. zuletzt 676,64 Euro monatlich. Die Rente wurde in dieser Höhe auch nach dem Tod von H.B. für die Monate Mai, Juni und Juli 2005 auf sein Girokonto bei der Beklagten überwiesen. Unmittelbar vor der Rentengutschrift für Mai 2005 befand sich das Konto des Rentenempfängers mit 4.103,96 Euro im Soll, unmittelbar vor der Rentengutschrift für Juni 2005 mit 4.164,54 Euro im Soll und unmittelbar vor der Rentengutschrift für Juli 2005 mit 3.789,44 Euro im Soll.
Die Klägerin forderte die Beklagte zur Rückzahlung von insgesamt 2.034,31 Euro (überzahlte Rente nach Verrechnung der erstatteten Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung) auf. Bei Eingang dieser Rentenrückforderung befand sich das Konto des Rentenempfängers mit 3.682,58 Euro im Soll.
Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab, weil seit den Gutschriften der Rente hierüber wie folgt verfügt worden sei:
am 02.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 36,71 Euro zugunsten der Allianz-Versicherungs-AG Berlin;
am gleichen Tag durch Dauerauftrag i.H.v. 186,33 Euro zugunsten von Immobilien C (Vermieter); am 04.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 24,04 Euro zugunsten der Deutschen Telekom;
am gleichen Tag durch Geldautomaten-Verfügung mit Karte und PIN des verstorbenen Rentenempfängers i.H.v. 50 Euro; am 18.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 109,27 Euro zugunsten der Deutschen Herold Allgemeine Versicherung;
am 23.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 12,27 Euro zugunsten von Fernseh-D; am 25.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 34 Euro zugunsten der H Berlin;
am 30.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 65 Euro zugunsten der C-AG und Co KG; am gleichen Tag durch Dauerauftrag i.H.v. 186,33 Euro zugunsten Immobilien C;
am 31.05.2005 durch Geldautomaten-Verfügung mit Karte und PIN i.H.v. 250 Euro;
am 01.06.2005 durch Barauszahlung am Schalter mittels Verfügung mit Karte und PIN i.H.v. 650 Euro;
am 06.06.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 23,58 Euro zugunsten der Deutschen Telekom;
am 09.06.2005 durch Geldautomaten-Verfügung mit Karte und PIN i.H.v. 250 Euro;
am 13.06.2005 durch Barauszahlung am Schalter mittels Verfügung mit Karte und PIN i.H.v. 500 Euro;
am 24.06.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 12,27 Euro zugunsten von Fernseh-D;
am 27.06.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 34 Euro zugunsten der H Berlin;
am 30.05.2005 durch Dauerauftrag i.H.v. 186,33 Euro zugusten von Immobilien Braun;
am gleichen Tag durch Geldautomaten-Verfügung mit Karte und PIN i.H.v. 250 Euro;
am 01.07.2005 durch Dauerauftrag i.H.v. 29,45 Euro zugunsten der Stuttgarter Lebensversicherungs AG; am gleichen Tag durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 51,09 Euro zugunsten der GEZ;
am gleichen Tag durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 287,18 Euro zugunsten der B Versicherungs AG Berlin;
am 05.07.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 16,90 Euro zugunsten der Deutschen Telekom; am 07.07.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 36 Euro zugunsten des C Mietervereins e.V.;
am 22.07.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 12,27 Euro zugunsten von Fernseh-D; am 26.07.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 34 Euro zugunsten der H Berlin;
am 28.07.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 65 Euro zugunsten der C AG & Co KG;
am 01.08.2005 durch Dauerauftrag i.H.v. 186,33 Euro zugunsten von Immobilien C;
am 03.08.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 17,26 Euro zugunsten der Deutschen Telekom;
am 23.08.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 12,27 Euro zugunsten von Fernseh-D;
am 24.08.2005 durch Überweisung i.H.v. 357,79 Euro zugunsten des Finanzamts C;
am 25.08.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 34 Euro zugunsten der H Berlin;
am 30.08.2005 durch Dauerauftrag i.H.v. 186,33 Euro zugunsten von Immobilien C;
am 06.09.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 17,13 Euro zugunsten der Deutschen Telekom;
am 22.09.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 12,27 Euro zugunsten von Fernseh-D;
am 26.09.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 34 Euro zugunsten der H Berlin.
Die Klägerin hat am 07.12.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln auf Rückzahlung der überzahlten Witwerrente aus der Versicherung der verstorbenen G.B. i.H.v. insgesamt 2.034,31 Euro erhoben.
Das SG hat mit Urteil vom 08.05.2006 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 2.034,31 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus § 118 Abs. 3 S. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Die Beklagte könne sich nicht unter Hinweis auf die nach Eingang der Geldleistung erfolgen Kontenbewegungen auf den Einwand der Entreicherung nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI berufen, weil und soweit sich das Konto des Leistungsberechtigten bei Eingang des Rückforderungsverlangens im Soll befunden und zur Abdeckung der Rückforderung nicht genügt habe. Das Geldinstitut dürfe den Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden (§ 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI). Durch die Verringerung bzw. Beseitigung des Sollstandes infolge der Rentenzahlung würden die Verbindlichkeiten des Kontoinhabers gegenüber dem Geldinstitut vermindert. Das SG hat sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sowie des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) angeschlossen, Urteile vom 09.02.2002 ( B 4 RA 64/01 R), vom 08.06.2004 (B 4 RA 42/03 R), vom 14.07.2003 (L 3 (18) RJ 89/02, LSG NRW) und vom 15.10.2003 (L 8 RJ 15/03 LSG NRW).
Die Beklagte hat gegen das ihr am 19.05.2006 zugestellte Urteil am 19.06.2006 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie insbesondere vorträgt, der von der Rechtsprechung des BSG, vertretene Standpunkt, wonach anderweitige Verfügungen im Rahmen des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI außer Ansatz bleiben müssten, soweit sich das Konto bei Renteneingang im Soll befand, finde keine Stütze im Wortlaut des Gesetzes. Auch die historische Auslegung führe zu einem anderen Ergebnis. Es sei in der ursprünglichen Fassung des späteren § 118 Abs. 3 SGB VI (BT-Drucksache 11/5490) noch nicht von einer als unter Vorbehalt erbrachten Geldleistung die Rede. Die Änderung des Entwurfs sei auf Betreiben der Banken vorgenommen worden, die gewünscht hätten, dass Rentenbeträge, die nach dem Tode von Rentnern deren Erben gut geschrieben würden, unter dem Vorbehalt der Rückforderung stünden. § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI habe daher der Festigung der Rechtsposition der Banken gegenüber Kontenberechtigten gedient. Auch im Rahmen einer teleologischen Auslegung lasse sich nicht erkennen, dass die vom BSG vorgenommene Differenzierung zwischen den Rückforderungsfällen des Eingangs der Rentenleistung bei einem einerseits im Haben, andererseits im Soll stehenden Konto geboten und erforderlich sei. Außerdem bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Bei der dem Geldinstitut mit § 118 Abs. 3 SGB VI auferlegten Zahlungspflicht handele es sich um einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung, der unter Gesetzesvorbehalt stehe. Auch verletze die nach Kontostand differenzierte Anwendung des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen;
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte auf die als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage zu Recht verurteilt, der Klägerin den Betrag von 2.034,31 Euro zu zahlen.
Nach § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie nach Satz 2 der Vorschrift der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Der mit dieser Vorschrift entstandene öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Klägerin ist unstreitig entstanden und auch wirksam geltend gemacht worden. Die berechtigte Rentenempfängerin, I.A., ist vor Beginn des Bezugszeitraums der Rente, dem Februar 2005, verstorben. Die Klägerin hat die Rentenzahlung für diesen Monat auch als zu Unrecht erbracht von der Beklagten zurückgefordert.
Die Beklagte kann sich nicht auf den Entreicherungseinwand des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI berufen. Danach besteht keine Verpflichtung zur Rücküberweisung, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Dieser Entreicherungseinwand greift nur, soweit der Wert der Geldleistung sowohl aus der unmittelbaren Verfügungsmacht als auch aus der vertraglich begründeten Verwertungsbefugnis des Geldinstituts endgültig ausgeschieden ist und ein anderer als dieses durch ihm gegenüber rechtswirksame Verfügungen den Kontostand unter den Wert gesenkt haben. Die Voraussetzungen des Entreichungseinwandes hat das Geldinstitut darzulegen. Da voraussetzt, dass der Wert des überwiesenen Geldes nicht im Vermögen des Geldinstituts verblieben ist, wird dieses von der Erstattungspflicht so lange nicht frei, bis es den Wert der Geldleistung vollständig in das Vermögen des Kontoinhabers und dessen Verfügungsmacht übertragen hat. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des BSG, wie sie insbesondere in dem Urteil vom 13.12.2005 - B 4 RA 28/05 R - in SozR 4-2600 § 118 Nr. 2 zum Ausdruck kommt, sind die Regelungen des § 118 Abs. 3 SGB VI im Hinblick auf Zugriffsrechte und Schutzbetrag speziell öffentlich-rechtlicher Natur, die als staatliches Sonderrecht die privatrechtlichen Beziehungen zwischen dem Geldinstitut und dem Kontoinhaber überlagern. Der gegen das Geldinstitut gerichtete Rücküberweisungsanspruch aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI ist gegenüber dem Erstattungsanspruch gegen Dritte nach Abs. 4 S. 1 vorrangig. Dies ergibt sich aus dem Schutzzweck der Regelung, nämlich dem besonderen Interesse des Versicherungsträgers als Sachwalter der Mittel, die ihm seine Beitragszahler zur Finanzierung der Geldleistungen zur Verfügung gestellt haben. Dieser Schutzzweck begrenzt zugleich die Anwendbarkeit der Norm des § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI.
Sie soll nur einen der fehlgeschlagenen Rentenzahlung zuzordnenden Geldzufluss vom Geldinstitut zu einem Dritten rückabwickeln. Von einem ausreichenden Bezug der zu Lasten des Kontos getätigten Verfügungen nur dann ausgegangen werden, wenn hierdurch ein vorhandenes Guthaben unter einen dem Wert der Geldleistung oder Gutschrift entsprechenden Betrag gesenkt wurde und das Konto bei Eingang der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers kein ausreichendes Guthaben aufweist, um die Rücküberweisung zu finanzieren. Vorliegend wurde durch die Verfügungen vom 21.01.2005, 02.02.2005 und 18.02.2005 zu Lasten des Kontos der Rentenempfängerin nicht ein vorhandenes Guthaben unter den Wert der Rente gesenkt. Vielmehr befand sich das Girokonto bereits vor der Rentengutschrift für Februar 2005, am 31.01.2005, mit 2.014,10 Euro im Soll. Damit konnte durch die erfolgten Lastschriften sowie die Barabhebung der Wert der Rente nicht aus dem Vermögen der Klägerin übertragen werden. Aus den genannten Gründen besteht entgegen der Meinung der Beklagten eben doch ein für die Entscheidung wesentlicher Unterschied zwischen den Fallgestaltungen des Konto im Haben und denen des Konto im Soll.
Der Vortrag der Beklagten, das BSG (a.a.0.) habe keine überzeugende rechtliche Begründung dafür gegeben, dass dem Geldinstitut für den Zweck der Abschirmung der anderweitig Verfügenden die anspruchsvernichtende Einrede des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI versagt werde, überzeugt den Senat nicht. Eine Entlastung des Personenkreises des § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI durch beispielsweise eine teleologische Reduktion der Vorschrift würde zu dem Ergebnis führen, dass die Versichertengemeinschaft in Gestalt des Rentenversicherungsträgers belastet würde, weil sie die überzahlte Rente weder von dem Geldinstitut, noch von den Verfügenden zurückverlangen könnte. Die Beklagte übersieht zudem, dass es sehr wohl eine "überzeugende rechtliche Begründung" für die ständige Rechtsprechung des BSG gibt. Aus den gesetzlichen Vorschriften selbst folgt, dass das Geldinstitut den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden darf (§ 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI). Daher ist es gerechtfertigt,, die Bank bei Überweisung der Rente auf ein im Soll befindliches Girokonto besser zu stellen, als bei Überweisung auf ein im Haben befindliches.
Der durch die Rechtsprechung des BSG gewonnenen Auslegung des § 118 Abs. 3 SGG steht auch nicht entgegen, dass sein S. 1 - auch - der Festigung der Rechtsposition der Banken gegenüber Kontenberechtigten dienen mag. Dies steht nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass Voraussetzung für den Entreicherungseinwand eine Übertragung des Werts des überwiesenen Geldes in das Vermögen des Kontoinhabers und dessen Verfügungsmacht ist - (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 28.04.2006 (L 13 R 207/05).
Auch § 55 Abs. 1 S. 1 des ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Hiernach ist dann, wenn eine Geldleistung auf das Konto des Berechtigten beim Geldinstitut überwiesen wird, die Forderung, die durch die Gutschrift entsteht, für die Dauer von 7 Tagen seit der Gutschrift der Überweisung unpfändbar. Damit steht nach herrschender Auffassung die Vorschrift auch einer kontokorrentmäßigen Verrechnung bzw. Aufrechnung durch das Geldinstitut entgegen, weil nach § 394 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Aufrechnung ausgeschlossen ist, soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist (vgl. u.a. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 12.10.1987, II ZR 98/87 m.w.N.). § 55 Abs. 1 S. 1 SGB I ist aber bei nach dem Tode des Berechtigten überzahlten Renten auf Grund des § 118 Abs. 3 SGB VI nicht anwendbar, weil diese als lex specialis der Regelung des Pfändungs- bzw. Aufrechnungsschutzes vorgeht (BSG a.a.0.).
Auch dann, wenn man ein entsprechendes Aufrechnungsverbot nach § 55 Abs. 1 S. 1 SGB I für nach dem Tod des Berechtigten überzahlte Renten annähme, bedeutet dies nicht, dass die Regelungen des § 118 Abs. 3 SGB VI nicht einschlägig sind. Das BSG (a.a.0.) argumentiert nur hilfsweies mit den Auswirkungen des Bankkontokorrents auf § 118 Abs. 3 S. 1, 3 und Abs. 4 SGB VI. Zudem weist es ausdrücklich darauf hin, dass es gerade nicht darauf ankomme, dass die endgültige schuldumschaffende Wirkung der Saldierung erst zum Abschluss jedes Quartals erfolge, weil beim Bankkontokorrent die Verrechnungen mit jedem Buchungsvorgang permanent erfolgen und das Konto bei Verminderung eines Sollbetrags bei wirtschaftlicher Betrachtung einen Vermögenszuwachs erfährt. Zwar werde der Saldo erst durch die sogenannte Saldoanerkennung nach einer Rechnungsperiode am Ende des Quartals der Saldo im Wege des abstrakten Schuldanerkenntnisses nach § 781 BGB als neue Forderung festgestellt. Jedoch werde bereits zum Zeitpunkt der Gutschrift der Saldo rechnerisch dargestellt. Auch wenn diese Buchung im Unterschied zum späteren Saldoanerkenntnis nur deklaratorische Bedeutung habe, komme ihr auf Grund ihrer Beweiswirkung durchaus wirtschaftlicher Wert zu. Die rechtliche Befugnis des Geldinstituts, die auf das Konto eingegangene Rente im Kontokorrentverhältnis zu verrechnen (und in diesem Zusammenhang die Regelung des § 55 Abs. 1 S. 1 SGB I) ist für die Entscheidung mithin nicht erheblich.
Schließlich teilt der Senat die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten nicht. Es ist bereits nicht erkennbar, wie durch die mit § 118 Abs. 3 SGB VI auferlegte Zahlungspflicht in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen werden könnte. Auch wird die Beklagte mit einer nach Kontostand differenzierten Anwendung des § 118 Abs. 3 SGB VI nicht gegenüber einer vergleichbaren Gruppe von Normadressaten sachlich unberechtigt ungleich behandelt (Art. 3 Abs. 1 GG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt der Entscheidung in der Sache.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich von den bisher dem Senat zur Entscheidung vorliegenden Parallelsachen, weil es zu einer Rentenüberzahlung von mehr als einem Monat gekommen ist. Hierüber hat das BSG, insbesondere im Urteil vom 13.12.2005 (B 4 RA 28/05 R) noch nicht entschieden.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin einen Betrag i.H.v. 2.034,31 Euro zu erstatten hat, der ihr nach dem Tod des Rentenbeziehers (H.B.) auf deren Konto bei der Beklagten überwiesen worden war.
Der am 00.04.2005 verstorbene H.B. bezog von der Klägerin eine Witwerrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau (G.B.) i.H.v. zuletzt 676,64 Euro monatlich. Die Rente wurde in dieser Höhe auch nach dem Tod von H.B. für die Monate Mai, Juni und Juli 2005 auf sein Girokonto bei der Beklagten überwiesen. Unmittelbar vor der Rentengutschrift für Mai 2005 befand sich das Konto des Rentenempfängers mit 4.103,96 Euro im Soll, unmittelbar vor der Rentengutschrift für Juni 2005 mit 4.164,54 Euro im Soll und unmittelbar vor der Rentengutschrift für Juli 2005 mit 3.789,44 Euro im Soll.
Die Klägerin forderte die Beklagte zur Rückzahlung von insgesamt 2.034,31 Euro (überzahlte Rente nach Verrechnung der erstatteten Beitragsanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung) auf. Bei Eingang dieser Rentenrückforderung befand sich das Konto des Rentenempfängers mit 3.682,58 Euro im Soll.
Die Beklagte lehnte eine Erstattung ab, weil seit den Gutschriften der Rente hierüber wie folgt verfügt worden sei:
am 02.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 36,71 Euro zugunsten der Allianz-Versicherungs-AG Berlin;
am gleichen Tag durch Dauerauftrag i.H.v. 186,33 Euro zugunsten von Immobilien C (Vermieter); am 04.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 24,04 Euro zugunsten der Deutschen Telekom;
am gleichen Tag durch Geldautomaten-Verfügung mit Karte und PIN des verstorbenen Rentenempfängers i.H.v. 50 Euro; am 18.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 109,27 Euro zugunsten der Deutschen Herold Allgemeine Versicherung;
am 23.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 12,27 Euro zugunsten von Fernseh-D; am 25.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 34 Euro zugunsten der H Berlin;
am 30.05.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 65 Euro zugunsten der C-AG und Co KG; am gleichen Tag durch Dauerauftrag i.H.v. 186,33 Euro zugunsten Immobilien C;
am 31.05.2005 durch Geldautomaten-Verfügung mit Karte und PIN i.H.v. 250 Euro;
am 01.06.2005 durch Barauszahlung am Schalter mittels Verfügung mit Karte und PIN i.H.v. 650 Euro;
am 06.06.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 23,58 Euro zugunsten der Deutschen Telekom;
am 09.06.2005 durch Geldautomaten-Verfügung mit Karte und PIN i.H.v. 250 Euro;
am 13.06.2005 durch Barauszahlung am Schalter mittels Verfügung mit Karte und PIN i.H.v. 500 Euro;
am 24.06.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 12,27 Euro zugunsten von Fernseh-D;
am 27.06.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 34 Euro zugunsten der H Berlin;
am 30.05.2005 durch Dauerauftrag i.H.v. 186,33 Euro zugusten von Immobilien Braun;
am gleichen Tag durch Geldautomaten-Verfügung mit Karte und PIN i.H.v. 250 Euro;
am 01.07.2005 durch Dauerauftrag i.H.v. 29,45 Euro zugunsten der Stuttgarter Lebensversicherungs AG; am gleichen Tag durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 51,09 Euro zugunsten der GEZ;
am gleichen Tag durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 287,18 Euro zugunsten der B Versicherungs AG Berlin;
am 05.07.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 16,90 Euro zugunsten der Deutschen Telekom; am 07.07.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 36 Euro zugunsten des C Mietervereins e.V.;
am 22.07.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 12,27 Euro zugunsten von Fernseh-D; am 26.07.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 34 Euro zugunsten der H Berlin;
am 28.07.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 65 Euro zugunsten der C AG & Co KG;
am 01.08.2005 durch Dauerauftrag i.H.v. 186,33 Euro zugunsten von Immobilien C;
am 03.08.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 17,26 Euro zugunsten der Deutschen Telekom;
am 23.08.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 12,27 Euro zugunsten von Fernseh-D;
am 24.08.2005 durch Überweisung i.H.v. 357,79 Euro zugunsten des Finanzamts C;
am 25.08.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 34 Euro zugunsten der H Berlin;
am 30.08.2005 durch Dauerauftrag i.H.v. 186,33 Euro zugunsten von Immobilien C;
am 06.09.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 17,13 Euro zugunsten der Deutschen Telekom;
am 22.09.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 12,27 Euro zugunsten von Fernseh-D;
am 26.09.2005 durch Einzugsermächtigungslastschrift i.H.v. 34 Euro zugunsten der H Berlin.
Die Klägerin hat am 07.12.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln auf Rückzahlung der überzahlten Witwerrente aus der Versicherung der verstorbenen G.B. i.H.v. insgesamt 2.034,31 Euro erhoben.
Das SG hat mit Urteil vom 08.05.2006 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 2.034,31 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus § 118 Abs. 3 S. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI). Die Beklagte könne sich nicht unter Hinweis auf die nach Eingang der Geldleistung erfolgen Kontenbewegungen auf den Einwand der Entreicherung nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI berufen, weil und soweit sich das Konto des Leistungsberechtigten bei Eingang des Rückforderungsverlangens im Soll befunden und zur Abdeckung der Rückforderung nicht genügt habe. Das Geldinstitut dürfe den Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden (§ 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI). Durch die Verringerung bzw. Beseitigung des Sollstandes infolge der Rentenzahlung würden die Verbindlichkeiten des Kontoinhabers gegenüber dem Geldinstitut vermindert. Das SG hat sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sowie des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) angeschlossen, Urteile vom 09.02.2002 ( B 4 RA 64/01 R), vom 08.06.2004 (B 4 RA 42/03 R), vom 14.07.2003 (L 3 (18) RJ 89/02, LSG NRW) und vom 15.10.2003 (L 8 RJ 15/03 LSG NRW).
Die Beklagte hat gegen das ihr am 19.05.2006 zugestellte Urteil am 19.06.2006 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie insbesondere vorträgt, der von der Rechtsprechung des BSG, vertretene Standpunkt, wonach anderweitige Verfügungen im Rahmen des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI außer Ansatz bleiben müssten, soweit sich das Konto bei Renteneingang im Soll befand, finde keine Stütze im Wortlaut des Gesetzes. Auch die historische Auslegung führe zu einem anderen Ergebnis. Es sei in der ursprünglichen Fassung des späteren § 118 Abs. 3 SGB VI (BT-Drucksache 11/5490) noch nicht von einer als unter Vorbehalt erbrachten Geldleistung die Rede. Die Änderung des Entwurfs sei auf Betreiben der Banken vorgenommen worden, die gewünscht hätten, dass Rentenbeträge, die nach dem Tode von Rentnern deren Erben gut geschrieben würden, unter dem Vorbehalt der Rückforderung stünden. § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI habe daher der Festigung der Rechtsposition der Banken gegenüber Kontenberechtigten gedient. Auch im Rahmen einer teleologischen Auslegung lasse sich nicht erkennen, dass die vom BSG vorgenommene Differenzierung zwischen den Rückforderungsfällen des Eingangs der Rentenleistung bei einem einerseits im Haben, andererseits im Soll stehenden Konto geboten und erforderlich sei. Außerdem bestünden verfassungsrechtliche Bedenken. Bei der dem Geldinstitut mit § 118 Abs. 3 SGB VI auferlegten Zahlungspflicht handele es sich um einen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung, der unter Gesetzesvorbehalt stehe. Auch verletze die nach Kontostand differenzierte Anwendung des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen;
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte auf die als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage zu Recht verurteilt, der Klägerin den Betrag von 2.034,31 Euro zu zahlen.
Nach § 118 Abs. 3 S. 1 SGB VI gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht. Das Geldinstitut hat sie nach Satz 2 der Vorschrift der überweisenden Stelle oder dem Träger der Rentenversicherung zurückzuüberweisen, wenn diese sie als zu Unrecht erbracht zurückfordern. Der mit dieser Vorschrift entstandene öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Klägerin ist unstreitig entstanden und auch wirksam geltend gemacht worden. Die berechtigte Rentenempfängerin, I.A., ist vor Beginn des Bezugszeitraums der Rente, dem Februar 2005, verstorben. Die Klägerin hat die Rentenzahlung für diesen Monat auch als zu Unrecht erbracht von der Beklagten zurückgefordert.
Die Beklagte kann sich nicht auf den Entreicherungseinwand des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI berufen. Danach besteht keine Verpflichtung zur Rücküberweisung, soweit über den entsprechenden Betrag bei Eingang der Rückforderung bereits anderweitig verfügt wurde, es sei denn, dass die Rücküberweisung aus einem Guthaben erfolgen kann. Dieser Entreicherungseinwand greift nur, soweit der Wert der Geldleistung sowohl aus der unmittelbaren Verfügungsmacht als auch aus der vertraglich begründeten Verwertungsbefugnis des Geldinstituts endgültig ausgeschieden ist und ein anderer als dieses durch ihm gegenüber rechtswirksame Verfügungen den Kontostand unter den Wert gesenkt haben. Die Voraussetzungen des Entreichungseinwandes hat das Geldinstitut darzulegen. Da voraussetzt, dass der Wert des überwiesenen Geldes nicht im Vermögen des Geldinstituts verblieben ist, wird dieses von der Erstattungspflicht so lange nicht frei, bis es den Wert der Geldleistung vollständig in das Vermögen des Kontoinhabers und dessen Verfügungsmacht übertragen hat. Nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des BSG, wie sie insbesondere in dem Urteil vom 13.12.2005 - B 4 RA 28/05 R - in SozR 4-2600 § 118 Nr. 2 zum Ausdruck kommt, sind die Regelungen des § 118 Abs. 3 SGB VI im Hinblick auf Zugriffsrechte und Schutzbetrag speziell öffentlich-rechtlicher Natur, die als staatliches Sonderrecht die privatrechtlichen Beziehungen zwischen dem Geldinstitut und dem Kontoinhaber überlagern. Der gegen das Geldinstitut gerichtete Rücküberweisungsanspruch aus § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI ist gegenüber dem Erstattungsanspruch gegen Dritte nach Abs. 4 S. 1 vorrangig. Dies ergibt sich aus dem Schutzzweck der Regelung, nämlich dem besonderen Interesse des Versicherungsträgers als Sachwalter der Mittel, die ihm seine Beitragszahler zur Finanzierung der Geldleistungen zur Verfügung gestellt haben. Dieser Schutzzweck begrenzt zugleich die Anwendbarkeit der Norm des § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI.
Sie soll nur einen der fehlgeschlagenen Rentenzahlung zuzordnenden Geldzufluss vom Geldinstitut zu einem Dritten rückabwickeln. Von einem ausreichenden Bezug der zu Lasten des Kontos getätigten Verfügungen nur dann ausgegangen werden, wenn hierdurch ein vorhandenes Guthaben unter einen dem Wert der Geldleistung oder Gutschrift entsprechenden Betrag gesenkt wurde und das Konto bei Eingang der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers kein ausreichendes Guthaben aufweist, um die Rücküberweisung zu finanzieren. Vorliegend wurde durch die Verfügungen vom 21.01.2005, 02.02.2005 und 18.02.2005 zu Lasten des Kontos der Rentenempfängerin nicht ein vorhandenes Guthaben unter den Wert der Rente gesenkt. Vielmehr befand sich das Girokonto bereits vor der Rentengutschrift für Februar 2005, am 31.01.2005, mit 2.014,10 Euro im Soll. Damit konnte durch die erfolgten Lastschriften sowie die Barabhebung der Wert der Rente nicht aus dem Vermögen der Klägerin übertragen werden. Aus den genannten Gründen besteht entgegen der Meinung der Beklagten eben doch ein für die Entscheidung wesentlicher Unterschied zwischen den Fallgestaltungen des Konto im Haben und denen des Konto im Soll.
Der Vortrag der Beklagten, das BSG (a.a.0.) habe keine überzeugende rechtliche Begründung dafür gegeben, dass dem Geldinstitut für den Zweck der Abschirmung der anderweitig Verfügenden die anspruchsvernichtende Einrede des § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI versagt werde, überzeugt den Senat nicht. Eine Entlastung des Personenkreises des § 118 Abs. 4 S. 1 SGB VI durch beispielsweise eine teleologische Reduktion der Vorschrift würde zu dem Ergebnis führen, dass die Versichertengemeinschaft in Gestalt des Rentenversicherungsträgers belastet würde, weil sie die überzahlte Rente weder von dem Geldinstitut, noch von den Verfügenden zurückverlangen könnte. Die Beklagte übersieht zudem, dass es sehr wohl eine "überzeugende rechtliche Begründung" für die ständige Rechtsprechung des BSG gibt. Aus den gesetzlichen Vorschriften selbst folgt, dass das Geldinstitut den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden darf (§ 118 Abs. 3 S. 4 SGB VI). Daher ist es gerechtfertigt,, die Bank bei Überweisung der Rente auf ein im Soll befindliches Girokonto besser zu stellen, als bei Überweisung auf ein im Haben befindliches.
Der durch die Rechtsprechung des BSG gewonnenen Auslegung des § 118 Abs. 3 SGG steht auch nicht entgegen, dass sein S. 1 - auch - der Festigung der Rechtsposition der Banken gegenüber Kontenberechtigten dienen mag. Dies steht nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz, dass Voraussetzung für den Entreicherungseinwand eine Übertragung des Werts des überwiesenen Geldes in das Vermögen des Kontoinhabers und dessen Verfügungsmacht ist - (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 28.04.2006 (L 13 R 207/05).
Auch § 55 Abs. 1 S. 1 des ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Hiernach ist dann, wenn eine Geldleistung auf das Konto des Berechtigten beim Geldinstitut überwiesen wird, die Forderung, die durch die Gutschrift entsteht, für die Dauer von 7 Tagen seit der Gutschrift der Überweisung unpfändbar. Damit steht nach herrschender Auffassung die Vorschrift auch einer kontokorrentmäßigen Verrechnung bzw. Aufrechnung durch das Geldinstitut entgegen, weil nach § 394 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Aufrechnung ausgeschlossen ist, soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist (vgl. u.a. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 12.10.1987, II ZR 98/87 m.w.N.). § 55 Abs. 1 S. 1 SGB I ist aber bei nach dem Tode des Berechtigten überzahlten Renten auf Grund des § 118 Abs. 3 SGB VI nicht anwendbar, weil diese als lex specialis der Regelung des Pfändungs- bzw. Aufrechnungsschutzes vorgeht (BSG a.a.0.).
Auch dann, wenn man ein entsprechendes Aufrechnungsverbot nach § 55 Abs. 1 S. 1 SGB I für nach dem Tod des Berechtigten überzahlte Renten annähme, bedeutet dies nicht, dass die Regelungen des § 118 Abs. 3 SGB VI nicht einschlägig sind. Das BSG (a.a.0.) argumentiert nur hilfsweies mit den Auswirkungen des Bankkontokorrents auf § 118 Abs. 3 S. 1, 3 und Abs. 4 SGB VI. Zudem weist es ausdrücklich darauf hin, dass es gerade nicht darauf ankomme, dass die endgültige schuldumschaffende Wirkung der Saldierung erst zum Abschluss jedes Quartals erfolge, weil beim Bankkontokorrent die Verrechnungen mit jedem Buchungsvorgang permanent erfolgen und das Konto bei Verminderung eines Sollbetrags bei wirtschaftlicher Betrachtung einen Vermögenszuwachs erfährt. Zwar werde der Saldo erst durch die sogenannte Saldoanerkennung nach einer Rechnungsperiode am Ende des Quartals der Saldo im Wege des abstrakten Schuldanerkenntnisses nach § 781 BGB als neue Forderung festgestellt. Jedoch werde bereits zum Zeitpunkt der Gutschrift der Saldo rechnerisch dargestellt. Auch wenn diese Buchung im Unterschied zum späteren Saldoanerkenntnis nur deklaratorische Bedeutung habe, komme ihr auf Grund ihrer Beweiswirkung durchaus wirtschaftlicher Wert zu. Die rechtliche Befugnis des Geldinstituts, die auf das Konto eingegangene Rente im Kontokorrentverhältnis zu verrechnen (und in diesem Zusammenhang die Regelung des § 55 Abs. 1 S. 1 SGB I) ist für die Entscheidung mithin nicht erheblich.
Schließlich teilt der Senat die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten nicht. Es ist bereits nicht erkennbar, wie durch die mit § 118 Abs. 3 SGB VI auferlegte Zahlungspflicht in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen werden könnte. Auch wird die Beklagte mit einer nach Kontostand differenzierten Anwendung des § 118 Abs. 3 SGB VI nicht gegenüber einer vergleichbaren Gruppe von Normadressaten sachlich unberechtigt ungleich behandelt (Art. 3 Abs. 1 GG).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und folgt der Entscheidung in der Sache.
Die Streitwertentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich von den bisher dem Senat zur Entscheidung vorliegenden Parallelsachen, weil es zu einer Rentenüberzahlung von mehr als einem Monat gekommen ist. Hierüber hat das BSG, insbesondere im Urteil vom 13.12.2005 (B 4 RA 28/05 R) noch nicht entschieden.
Rechtskraft
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