Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 7474/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 AS 1/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 1. Dezember 2006 aufgehoben und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Anfechtungsklage angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Gründe:
I.
Der am geborene Beschwerdeführer (Bf) steht bei der Beschwerdegegnerin (Bg) seit 01.01.2005 im Leistungsbezug (Alg II). Die letzten Bewilligungsbescheide vom 19.06. und 17.08.2006 ergingen für den Zeitraum vom 01.07. bis 31.12.2006. Anlässlich einer Vorsprache des über Schmerzen im Rücken und Fuß klagenden Bf am 18.11.2005 bei der Bg wurde eine ärztliche Untersuchung zur Klärung seiner körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit bzw. Belastbarkeit beim Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart vereinbart, die auf Veranlassung der Bg im März bzw. April 2006 von Dr. E. durchgeführt wurde. Dieser teilte der Bg am 12.07.2006 auf telefonische Nachfrage mit, der Bf habe sich im Gespräch vom 07.04.2006 nicht mit der Weitergabe des Gutachtens an die Bg einverstanden erklärt. Daraufhin wies die Bg mit Schreiben vom 23.08.2006 den Bf auf seine Mitwirkungspflicht nach § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sowie auf die Folgen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 66 SGB I hin und forderte ihn auf, bis zum 18.09.2006 seine Zustimmung zur Weiterleitung des Gutachtens zu erklären. Dieser Aufforderung kam der Bf nicht nach. Mit Bescheid vom 05.10.2006 hob die Bg den Bescheid vom 17.08.2006 und die Bewilligung der Leistungen ab 01.10.2006 auf, wobei sie ihre Aufhebungsentscheidung auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sowie § 60 Abs. 1 Nr. 3 und § 66 SGB I stützte und ausführte, es liege eine Verletzung der Mitwirkungspflicht vor, weil auf Grund der fehlenden Zustimmung zur Weiterleitung des ärztlichen Gutachtens nicht geklärt werden könne, ob die Anspruchsvoraussetzungen für die weitere Gewährung von Alg II vorlägen. Den am 17.10.2006 erhobenen Widerspruch des Bf wies die Bg mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2006 zurück. Dagegen hat der Kläger am 03.01.2007 Klage zum SG (S 14 AS 80/07) erhoben.
Der Bf hat am 11.10.2006 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, den das SG mit Beschluss vom 01.12.2006 abgelehnt hat: die Voraussetzungen für die hier in Betracht kommende Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor, weil an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 05.10.2006 keine ernsthaften Zweifel bestünden. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung seien die Regelungen der §§ 60, 66 SGB I; auf § 31 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) könne nicht zurückgegriffen werden. Der Bf habe seine Mitwirkungspflichten verletzt, indem er die Weiterleitung des Gutachtens zur Feststellung seiner Leistungsfähigkeit an die Bg vereitelt habe.
Hiergegen richtet sich die am 02.01.2007 eingelegte Beschwerde des Bf, die er damit begründet hat, dass die Aufhebung der Bewilligung nicht auf § 48 SGB X gestützt werden könne; ebenso seien die Voraussetzungen nach § 66 SGB I nicht erfüllt. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 25.1.2007).
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß den §§ 172 Abs. 1 statthafte, 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 01.12.2006, der das SG nicht abgeholfen hat (§174 SGG), ist zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung des SG ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage anzuordnen.
Zutreffend hat das SG das Begehren des Bf als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gewertet, da vorliegend Widerspruch und (Anfechtungs-)Klage - abweichend von § 86a Abs. 1 SGG - gem. § 86a Abs 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung haben.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht entscheidet auf Grund einer Interessenabwägung, wobei aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) folgt, dass hinsichtlich des "Ob" des vorläufigen Rechtsschutzes kein Ermessen besteht, sondern nur hinsichtlich des "Wie" (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86b Rdnr. 12 m.w.H. - auch zu abweichenden Auffassungen). Bei der Entscheidung sind die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453; zur umstrittenen Frage, ob bei der Prüfung des Abs. 1 in den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG ein Regel-Ausnahmeverhältnis besteht, mit der Folge, dass im Zweifel das Vollziehungsinteresse Vorrang hat, vgl. auch Keller a.a.O. Rdnr. 12a m.w.H.). Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Aufl. 2005, RdNr. 195).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundsätze ergeben sich entgegen der Auffassung des SG bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Die Bg hat ihre aufhebende Entscheidung zunächst auf § 48 SGB X gestützt. Dabei ist jedoch weder dargelegt noch erkennbar, worin bei vorliegendem Sachverhalt eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen seit Erlass der die Leistungen für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2006 bewilligenden Bescheide vom 19.06. und 17.08.2006 eingetreten ist; allein der - möglicherweise begründete - Zweifel der Bg an der Erwerbsfähigkeit des Bf stellt keine derartige Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen dar. Soweit die Bg ihre Aufhebungsentscheidung auf § 66 SGB I gestützt hat, bestehen im Hinblick auf die - soweit ersichtlich - höchstrichterlich bisher nicht geklärte und im Schrifttum (s. unten) umstrittene Frage des Verhältnisses der §§ 60, 66 SGB I und des § 31 SGB II zueinander erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Ist das Verhalten des Bf nämlich als Meldeversäumnis im Sinne des § 31 Abs. 2 SGB II zu werten - wofür spricht, dass es keinen Unterschied macht, ob ein Hilfebedürftiger gar nicht zum Untersuchungstermin erscheint oder zwar erscheint, dann die Untersuchung ablehnt oder der Weiterleitung des Gutachtens nicht zustimmt (aA (aber ohne Begründung) Münder in LPK-SGB II § 31 Rdnr. 76) - käme eine vollständige Leistungsaufhebung als Sanktion nicht in Betracht, sondern nur eine Absenkung der Leistung in dem in § 31 Abs. 2 SGB II genannten Umfang (vgl. hierzu im Schrifttum: Steck/Kossens, Neuordnung von Arbeitslose- und Sozialhilfe durch Hartz IV, Rdnr. 510, die die im SGB II geregelten Sanktionen als lex specialis zu § 66 SGB I ansehen; ebenso wohl Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, Praxishandbuch II.10 Rdnr. 17, S.202; aA Münder a.a.O. Rdnr. 73; aus der Rechtsprechung: BVerwGE 98, 203 ff zu dem als Vorgängervorschrift zu § 31 Abs. 2 SGB II geltenden § 25 Bundessozialhilfegesetz (BSHG); BSG, Urt. vom 31.01.2006 - B 11a AL 5/05 R). Selbst wenn als Rechtsgrundlage für die Entziehung die §§ 60, 66 SGB I herangezogen werden könnten, bestehen weitere ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, weil die Bg entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut in § 66 SGB I kein Ermessen ausgeübt hat. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Die Notwendigkeit einer Ermessensausübung ist vorliegend auch nicht über § 40 SGB II i.V.m § 330 SGB III ausgeschlossen. Die Bg hat weder im Bescheid vom 05.10.2006 noch im Widerspruchsbescheid vom 14.12.2006 Ermessenserwägungen angestellt. Schließlich ist bei der Interessenabwägung auch zu berücksichtigen, dass dem Bf als dem Grunde nach § 7 SGB II Berechtigten zur Sicherung seines Lebensunterhalts die Inanspruchnahme des (nachrangigen) Grundsicherungssystems des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII, § 21 Satz 1) nicht möglich ist.
Aus den dargelegten Gründen hält der Senat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Klage für geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Gründe:
I.
Der am geborene Beschwerdeführer (Bf) steht bei der Beschwerdegegnerin (Bg) seit 01.01.2005 im Leistungsbezug (Alg II). Die letzten Bewilligungsbescheide vom 19.06. und 17.08.2006 ergingen für den Zeitraum vom 01.07. bis 31.12.2006. Anlässlich einer Vorsprache des über Schmerzen im Rücken und Fuß klagenden Bf am 18.11.2005 bei der Bg wurde eine ärztliche Untersuchung zur Klärung seiner körperlichen und psychischen Leistungsfähigkeit bzw. Belastbarkeit beim Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Stuttgart vereinbart, die auf Veranlassung der Bg im März bzw. April 2006 von Dr. E. durchgeführt wurde. Dieser teilte der Bg am 12.07.2006 auf telefonische Nachfrage mit, der Bf habe sich im Gespräch vom 07.04.2006 nicht mit der Weitergabe des Gutachtens an die Bg einverstanden erklärt. Daraufhin wies die Bg mit Schreiben vom 23.08.2006 den Bf auf seine Mitwirkungspflicht nach § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sowie auf die Folgen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 66 SGB I hin und forderte ihn auf, bis zum 18.09.2006 seine Zustimmung zur Weiterleitung des Gutachtens zu erklären. Dieser Aufforderung kam der Bf nicht nach. Mit Bescheid vom 05.10.2006 hob die Bg den Bescheid vom 17.08.2006 und die Bewilligung der Leistungen ab 01.10.2006 auf, wobei sie ihre Aufhebungsentscheidung auf § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sowie § 60 Abs. 1 Nr. 3 und § 66 SGB I stützte und ausführte, es liege eine Verletzung der Mitwirkungspflicht vor, weil auf Grund der fehlenden Zustimmung zur Weiterleitung des ärztlichen Gutachtens nicht geklärt werden könne, ob die Anspruchsvoraussetzungen für die weitere Gewährung von Alg II vorlägen. Den am 17.10.2006 erhobenen Widerspruch des Bf wies die Bg mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2006 zurück. Dagegen hat der Kläger am 03.01.2007 Klage zum SG (S 14 AS 80/07) erhoben.
Der Bf hat am 11.10.2006 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, den das SG mit Beschluss vom 01.12.2006 abgelehnt hat: die Voraussetzungen für die hier in Betracht kommende Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor, weil an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 05.10.2006 keine ernsthaften Zweifel bestünden. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung seien die Regelungen der §§ 60, 66 SGB I; auf § 31 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) könne nicht zurückgegriffen werden. Der Bf habe seine Mitwirkungspflichten verletzt, indem er die Weiterleitung des Gutachtens zur Feststellung seiner Leistungsfähigkeit an die Bg vereitelt habe.
Hiergegen richtet sich die am 02.01.2007 eingelegte Beschwerde des Bf, die er damit begründet hat, dass die Aufhebung der Bewilligung nicht auf § 48 SGB X gestützt werden könne; ebenso seien die Voraussetzungen nach § 66 SGB I nicht erfüllt. Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 25.1.2007).
Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie auf die Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß den §§ 172 Abs. 1 statthafte, 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 01.12.2006, der das SG nicht abgeholfen hat (§174 SGG), ist zulässig und begründet. Entgegen der Auffassung des SG ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage anzuordnen.
Zutreffend hat das SG das Begehren des Bf als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gewertet, da vorliegend Widerspruch und (Anfechtungs-)Klage - abweichend von § 86a Abs. 1 SGG - gem. § 86a Abs 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung haben.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht entscheidet auf Grund einer Interessenabwägung, wobei aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) folgt, dass hinsichtlich des "Ob" des vorläufigen Rechtsschutzes kein Ermessen besteht, sondern nur hinsichtlich des "Wie" (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86b Rdnr. 12 m.w.H. - auch zu abweichenden Auffassungen). Bei der Entscheidung sind die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung gegeneinander abzuwägen (Krodel, Der sozialgerichtliche Rechtsschutz in Anfechtungssachen, NZS 2001, 449, 453; zur umstrittenen Frage, ob bei der Prüfung des Abs. 1 in den Fällen des § 86a Abs. 2 SGG ein Regel-Ausnahmeverhältnis besteht, mit der Folge, dass im Zweifel das Vollziehungsinteresse Vorrang hat, vgl. auch Keller a.a.O. Rdnr. 12a m.w.H.). Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergeben sich in der Regel aus den konkreten Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung (Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 1. Aufl. 2005, RdNr. 195).
Unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundsätze ergeben sich entgegen der Auffassung des SG bei der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Die Bg hat ihre aufhebende Entscheidung zunächst auf § 48 SGB X gestützt. Dabei ist jedoch weder dargelegt noch erkennbar, worin bei vorliegendem Sachverhalt eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen seit Erlass der die Leistungen für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2006 bewilligenden Bescheide vom 19.06. und 17.08.2006 eingetreten ist; allein der - möglicherweise begründete - Zweifel der Bg an der Erwerbsfähigkeit des Bf stellt keine derartige Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen dar. Soweit die Bg ihre Aufhebungsentscheidung auf § 66 SGB I gestützt hat, bestehen im Hinblick auf die - soweit ersichtlich - höchstrichterlich bisher nicht geklärte und im Schrifttum (s. unten) umstrittene Frage des Verhältnisses der §§ 60, 66 SGB I und des § 31 SGB II zueinander erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids. Ist das Verhalten des Bf nämlich als Meldeversäumnis im Sinne des § 31 Abs. 2 SGB II zu werten - wofür spricht, dass es keinen Unterschied macht, ob ein Hilfebedürftiger gar nicht zum Untersuchungstermin erscheint oder zwar erscheint, dann die Untersuchung ablehnt oder der Weiterleitung des Gutachtens nicht zustimmt (aA (aber ohne Begründung) Münder in LPK-SGB II § 31 Rdnr. 76) - käme eine vollständige Leistungsaufhebung als Sanktion nicht in Betracht, sondern nur eine Absenkung der Leistung in dem in § 31 Abs. 2 SGB II genannten Umfang (vgl. hierzu im Schrifttum: Steck/Kossens, Neuordnung von Arbeitslose- und Sozialhilfe durch Hartz IV, Rdnr. 510, die die im SGB II geregelten Sanktionen als lex specialis zu § 66 SGB I ansehen; ebenso wohl Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, Praxishandbuch II.10 Rdnr. 17, S.202; aA Münder a.a.O. Rdnr. 73; aus der Rechtsprechung: BVerwGE 98, 203 ff zu dem als Vorgängervorschrift zu § 31 Abs. 2 SGB II geltenden § 25 Bundessozialhilfegesetz (BSHG); BSG, Urt. vom 31.01.2006 - B 11a AL 5/05 R). Selbst wenn als Rechtsgrundlage für die Entziehung die §§ 60, 66 SGB I herangezogen werden könnten, bestehen weitere ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids, weil die Bg entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut in § 66 SGB I kein Ermessen ausgeübt hat. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist (§ 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X). Die Notwendigkeit einer Ermessensausübung ist vorliegend auch nicht über § 40 SGB II i.V.m § 330 SGB III ausgeschlossen. Die Bg hat weder im Bescheid vom 05.10.2006 noch im Widerspruchsbescheid vom 14.12.2006 Ermessenserwägungen angestellt. Schließlich ist bei der Interessenabwägung auch zu berücksichtigen, dass dem Bf als dem Grunde nach § 7 SGB II Berechtigten zur Sicherung seines Lebensunterhalts die Inanspruchnahme des (nachrangigen) Grundsicherungssystems des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII, § 21 Satz 1) nicht möglich ist.
Aus den dargelegten Gründen hält der Senat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Klage für geboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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