L 4 KR 3431/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 1332/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3431/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. März 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit wird geführt über einen Anspruch der Klägerin auf eine Mammareduktionsplastik (im Folgenden: MRP).

Die am 1955 geborene Klägerin, die zunächst den Beruf der Erzieherin ausübte und nach Abschluss eines Studiums als Fachlehrerin für Sonderpädagogik in einer Behinderteneinrichtung beschäftigt ist, ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Durch Vorlage einer Bescheinigung der Krankengymnastin St. vom 16. September 2002 und eines Befundberichts der Frauenärztin Dr. Sch. vom 25. März 2003 beantragte sie die Bewilligung einer MRP. Des Weiteren befürwortete Orthopäde Dr. N. in einem Attest vom 07. August 2002 die Operation, um eine Besserung chronischer Wirbelsäulenbeschwerden zu erzielen. Arzt Dr. B. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg in F. legte in der gutachtlichen Stellungnahme vom 01. April 2003 dar, mangels wissenschaftlicher Erkenntnisse über die Auswirkungen der Brustgröße auf Affektionen im Bereich des Halte- und Stützapparates könne eine Indikation nicht erkannt werden; psychische Probleme stellten sogar eine Kontraindikation dar. Auf Einwendungen der Klägerin gegen diese Stellungnahme wurde sie am 12. Mai 2003 von Arzt Dr. S. vom MDK ambulant untersucht. Er beschrieb im Gutachten vom 13. Mai 2003 voluminöse Mammae, gemessen rechts ca. 1.600 ml, links ca. 1.500 ml bei einer Körpergröße von 165 cm und einem Gewicht von 82 kg und diagnostizierte eine Mammahypertrophie beidseits. Er führte weiter aus, keine fundierte Studie bestätige einen Zusammenhang zwischen Brustmasse und Wirbelsäulensymptomatik. Letztere lasse sich häufig auf Faktoren wie Übergewichtigkeit, berufliche Belastung, Bewegungsdefizit oder sonstige Wirbelsäulenerkrankungen zurückverfolgen. Bei der Klägerin bestehe neben berufsbedingten Fehlhaltungen im Erzieherinnenberuf ein Übergewicht (82 kg bei Körpergröße 165 cm). Eine Verbesserung könne durch eine intensive Rückenschulung, Haltungsverbesserung durch Korrekturen im Arbeitsleben sowie eine konsequente Gewichtsreduktion herbeigeführt werden. Unter Bezugnahme auf diese Beurteilung lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 23. Mai 2003 den Antrag ab. Den mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid griff die Klägerin nicht an.

Am 10. Februar 2004 legte die Klägerin der Beklagten den Arztbrief des Arztes für Plastische Chirurgie, Handchirurgie und Chirurgie Prof. Dr. K. vom Krankenhaus S. E. in R. vom 05. Februar 2004 über die vorgesehene Exzision eines veränderten Naevus an der Brust vor, der auch die Diagnose einer starken Mammahypertrophie nannte. Allgemeinarzt Dr. H. vom MDK vermochte keine neuen Erkenntnisse zu gewinnen. Die Beklagte erließ den neuen ablehnenden Bescheid vom 05. März 2004. Die Klägerin erhob unter Vorlage einer Empfehlung der Krankengymnastin St. vom 22. März 2004 Widerspruch. Sie betätige sich intensiv sportlich und arbeite an der Reduzierung ihres Gewichts. Der gesundheitliche Zustand sei trotzdem schlechter geworden. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2004. Mit der begehrten Leistung würde nicht unmittelbar an der eigentlichen Krankheit angesetzt, im Sinne der Regelwidrigkeit eines Zustands, der von der Norm des Leitbildes des gesunden Menschen abweiche. Der MDK habe die medizinische Notwendigkeit der MRP nicht gesehen.

Gegen den am 15. Mai 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 14. Juni 2004 zum Sozialgericht (SG) Konstanz Klage. Der Arzt des MDK habe ihre Beschwerden nicht ernst genommen. Inzwischen sei sie vom 14. Juli bis 11. August 2004 wegen Dysfunktionen der gesamten Wirbelsäule und eines psychovegetativen Erschöpfungszustands mit familiärer Konfliktsituation in der B.-Klinik Ü. behandelt worden (Arztbrief vom Entlassungstag). Der Arztbrief enthielt die Empfehlung einer MRP bei nachweislich statischen Problemen und erheblichem psychischem Leidensdruck. Der ausführliche Entlassungsbericht der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 15. August 2004 wiederholte die Empfehlung.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Allgemeinarzt Dr. Sc. nannte in der Aussage vom 23. August 2004 eine Behandlung nur bis 2001 und musste von einer verbindlichen Empfehlung für den jetzigen Zeitpunkt absehen. Ebenso verwies Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. Bü. in der Aussage vom 25. August 2004 auf die Kompetenz der Orthopäden und Psychiater. Frauenärztin Dr. Sch. verwies in der Auskunft vom 14. September 2004 auf das Schweregefühl beider Brüste sowie den offenbar daraus herrührenden Partnerschaftskonflikt. Sie vertrat die Auffassung, die alleinige Durchführung einer MRP werde die Beschwerden nicht beseitigen, aber im Zusammenspiel mit weiteren therapeutischen Maßnahmen hindern können. Orthopäde Dr. N. äußerte in der Aussage vom 22. September 2004 die Erwartung, dass sich durch die Operation die Wirbelsäulenbeschwerden besserten. Ähnlich formulierte dies Prof. Dr. K. in der Aussage vom 04. Oktober 2004 aus seiner Erfahrung trotz des Mangels exakter wissenschaftlicher Erkenntnisse. Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. F. (Praxisnachfolger von Dr. Sc.) gab in der Auskunft vom 13. Dezember 2004 an, von der Klägerin seien ihm gegenüber keine Beschwerden geäußert worden, die durch Größe und Gewicht ihrer Brüste verursacht worden seien. Schließlich verwies Oberarzt Dr. Fr. von der Frauenklinik der Kreisklinik B. in der Stellungnahme vom 28. Dezember 2004 wie zuvor Prof. Dr. K. auf die eigene Erfahrung, dass Probleme im Bereich des Halte- und Stützapparates sehr wohl deutlich gemildert und gebessert werden könnten.

Nachdem der MDK in der Stellungnahme vom 11. Januar 2005 (Name unleserlich) bei seiner Auffassung, eine MRP sei medizinisch nicht begründet, verblieb, beauftragte das SG Prof. Dr. W., Ärztlicher Leiter der Orthopädischen Universitätsklinik T., mit einem Gutachten. Dieser legte es nach Untersuchung vom 07. März 2005 unter dem 21. April 2005 vor. Es bestünden geringe paravertebrale Myogelosen der Brustwirbelsäule und deutliche muskuläre Verspannungen der Halswirbelsäule, keine Bewegungseinschränkungen im Bereich der Brustwirbelsäule, eine vermehrte Rundrückenbildung mit massiver muskulärer Schmerzhaftigkeit sowie kompensatorischer vermehrter Hohl-Rundrücken-Bildung im Bereich der Lendenwirbelsäule mit über die Normgrenzen hinausgehenden Winkelveränderungen aufgrund der Brüste mit jeweils 1.500 g pro Seite. Die Beschwerden seien durch das Gewicht der Brüste hervorgerufen und es bedürfe der operativen Verkleinerung. Zwar sei weltweit keine Studie mit der Fragestellung des Zusammenhangs zwischen Brustlast und Wirbelsäulenveränderungen bekannt. Jedoch gebe es eindeutige Hinweise, dass nach Brustverkleinerungen von 500 bis 600 g je Seite eine auffällige Verbesserung des Befundes, der Symptome und auch der psychischen Problemstellung zu beobachten sei. Dies alles bedinge eine signifikante Verbesserung der Lebenssituation. Auf Einwendungen der Beklagten (Dr. H. vom MDK, 26. Juli 2005) ergänzte Prof. Dr. W. in der Stellungnahme vom 15. November 2005, beim massiven Brustvolumen entstehe sehr naheliegend eine Wirbelsäulensymptomatik. Physiotherapie allein helfe hiergegen nicht. Arzt Dr. H. vom MDK verblieb unter dem 16. Dezember 2005 dabei, die Befunde an der Wirbelsäule seien durch Physiotherapie zu beseitigen.

Durch Urteil vom 29. März 2006 verpflichtete das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 05. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2004,die Kosten für eine MRP zu übernehmen. Zur Begründung legte es dar, die Brustlast sei (mit)verantwortlich für die Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelsäule und es bestehe begründete Aussicht, dass durch die operative Verkleinerung der Brüste eine deutliche Besserung der Schmerzsymptomatik zu erreichen sei und es sei nicht erkennbar, dass durch weniger "einschneidende" Maßnahmen diese Krankheitsbeschwerden nachhaltig zu lindern seien. Die Klägerin habe über lange Zeiträume Physiotherapie in Anspruch genommen, betreibe Sport und habe auch Versuche mit stationärer Rehabilitation unternommen. Die angestrebte Operation müsse daher als letztes Mittel im Sinne der Rechtsprechung angesehen werden.

Gegen das ihr am 26. Mai 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22. Juni 2006 beim SG Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, in klinischen Studien finde sich kein Hinweis, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Brustgröße und Wirbelsäulenbeschwerden bestehe. Selbst wenn demnach sich nach Operation die Beschwerden besserten, könne nicht im Umkehrschluss auf eine Ursächlichkeit gefolgert werden. Das SG habe nicht geklärt, worin und ob Behandlungsalternativen bestünden, sodass die angestrebte Operation nicht zwingend als letztes Mittel aufgefasst werden könne. Eine Makromastie wie bei der Klägerin sei nach ständiger Rechtsprechung keine Krankheit, sondern es handle sich um ein kosmetisches Defizit. Ein Anspruch könne sich auch nicht auf die Annahme stützen, die MRP beuge zu befürchtenden Wirbelsäulenschäden vor. Die mögliche Verhütung späterer Wirbelsäulenschäden begründe keine Leistungspflicht. Im Übrigen habe der Sachverständige keine mittelschweren oder schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Wirbelsäule vorgefunden. Bisher nicht hinreichend gewürdigt sei, dass die Klägerin am 17. April 2002 einen Wegeunfall erlitten habe, der zu einer Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule, multiplen Prellungen, Rippenbruch und ausgekugelter Schulter geführt habe (Unfallfragebogen vom 15. Mai 2002). Erst nach diesem Unfall habe sich die Klägerin in Physiotherapie begeben. Auch alle Atteste resultierten aus der Zeit nach dem Unfall. Nach alledem stelle der hier angeschuldigte Befund allenfalls eine untergeordnete Ursache der Beschwerden dar (altersgemäßer und berufsbedingter Verschleiß, Unfallfolgeschäden, psychische Belastung sowie Übergewicht). Mithin könne die Ursache der Beschwerden durch die begehrte Leistung nicht behoben werden. Damit bestehe auch keine begründete Aussicht, dass eine deutliche Besserung der Symptomatik zu erreichen sei, zumal zweifelhaft sei, ob konsequent alle orthopädischen Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft worden seien. Die Beklagte stützt sich auf die eingehende Stellungnahme der Ärztin Dr. B.-M. ihres Fachreferats Medizin vom 06. Juni 2006. Auch das Schreiben der Krankengymnastin L. vom 26. Juli 2006 könne keine Ursächlichkeit einer Besserung des Beschwerdebildes durch die MRP herstellen. Auch diese Stellungnahme müsse die Ursachenfrage letztlich offen lassen. Es sei keinesfalls ausgeschlossen, dass die Beschwerden eine Verstärkung durch den Arbeitsunfall neben den anderen bereits vorgetragenen Faktoren - erfahren hätten. Schließlich sei auf die gegebenenfalls behandlungsfähigen - psychischen Probleme zu verweisen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie entgegnet, gemäß den Darlegungen von Prof. Dr. W. sei nicht ausgeschlossen, dass es einen wesentlichen Zusammenhang zwischen Brustgewicht und Wirbelsäulenschädigung gebe. Den Unfall vom 17. April 2002 habe sie schon lange verarbeitet. Sie habe zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten wahrgenommen. Beschwerdefrei als Sportarten könne sie außer Gymnastik und Schwimmen allenfalls Nordic Walking leisten. Eine Gewichtsreduktion werde durch eine Stoffwechselerkrankung gehindert. Den Vorhalt psychischer Belastung weise sie von sich. Die Klägerin hat die Stellungnahme der Physiotherapeutin L. vom 26. Juli 2006 vorgelegt. Sie hat ausgeführt, sie sei durch langjährige Erfahrung davon überzeugt, dass die Makromastie eine Hauptursache für die Fehlhaltung und die chronischen Beschwerden sei. Sie löse die Rundrückenbildung im Bereich der Brustwirbelsäule aus, die sich in die anderen Abschnitte der Wirbelsäule fortsetze. Die Rückenstreckermuskeln seien auf Dauer überlastet.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache begründet. Der ablehnende Bescheid vom 05. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2004 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer operativen Maßnahme zur Brustverkleinerung (MRP) als Sachleistung. Die Auffassung des SG ist nicht zu bestätigen.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Behandlung ist § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Nr. 5 der Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung (notwendige) Krankenhausbehandlung im Sinne des § 39 SGB V. Krankheit im Sinne der Vorschrift ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Regelwidrig ist ein Zustand, der vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht. Eine Krankenbehandlung ist hierbei notwendig, wenn durch sie der regelwidrige Körper- oder Geisteszustand behoben, gebessert, vor einer Verschlimmerung bewahrt wird oder Schmerzen und Beschwerden gelindert werden können (ständige Rechtsprechung seit Bundessozialgericht - BSG - BSGE 26, 240). Eine Krankheit liegt nur vor, wenn der Versicherte in den Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (vgl. BSGE 82, 158, 163 f. = SozR 3-2500 § 39 Nr. 5; BSGE 93, 94 ff. = SozR 4-2500 § 13 Nr. 4).

Die bei der Klägerin vorhandene Makromastie stellt in diesem Sinne keine Krankheit dar. Ein Normgewicht der Brust lässt sich nicht bestimmen. Es besteht vielmehr ein großer Schwankungsbereich, der in Bezug auf Brustgröße und Brustgewicht unabhängig ist von Körperlänge und Körpergewicht. Daher verbietet es sich, von einer Krankheit dann zu sprechen, wenn die Brust ein gewisses Gewicht aufweist bzw. eine Gewichtsreduktion in einer bestimmten Größenordnung vorgenommen werden kann (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 18. Oktober 2002 - L 4 KR 4692/01 - und vom 23. Januar 2004 - L 4 KR 1609/02 -, beide veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Die Notwendigkeit des von der Klägerin begehrten operativen Eingriffs ergibt sich auch nicht aus ihrem Vorbringen, ihre Wirbelsäulenbeschwerden würden durch die begehrte Maßnahme merklich gelindert. Denn eine Krankenbehandlung durch ärztliche Behandlung muss an der Krankheit unmittelbar ansetzen. Liegt eine Krankheit vor, wird Behandlungsbedürftigkeit und -fähigkeit verlangt, die anhand der genannten Behandlungsziele zu beurteilen ist. Behandlungsbedürftigkeit liegt vor, wenn die Behandlungsziele ohne die beabsichtigte ärztliche Behandlung wahrscheinlich nicht und auch nicht mit Aussicht auf Erfolg zu erreichen sind. Die Prüfung der Wahrscheinlichkeit ist als Prognose unter Berücksichtigung aller Umstände vorzunehmen, wobei auch ein wissenschaftlich begründeter Nachweis der Wirksamkeit der begehrten Behandlung hinsichtlich des Behandlungsziels verlangt wird. Demnach ist den von der Klägerin geltend gemachten Rückenbeschwerden mit den Mitteln der anerkannten orthopädischen und physiotherapeutischen Therapiekonzepte zu begegnen. Wissenschaftliche Studien, die einen Zusammenhang zwischen der Größe der Brüste und dem Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden belegen würden, liegen demgegenüber nicht vor. Auch die den Anspruch der Klägerin befürwortenden Ärzte haben - wie die Beklagte zu Recht einwendet - einräumen müssen, dass gesicherte medizinische Erkenntnisse über eine lindernde Wirkung der hier begehrten Maßnahme auf die zweifellos bestehenden Wirbelsäulenbeschwerden fehlen. Sowohl Oberarzt Dr. Fr. in seiner Stellungnahme vom 28. Dezember 2004 als auch Prof. Dr. W. im Gutachten vom 21. April 2005 (mit Ergänzung vom 15. November 2005) haben sich, eben ohne gesicherte Erkenntnisse bieten zu können, auf entsprechende eigene Erfahrungen stützen wollen. Allein die Bejahung eines bestimmten, beispielsweise - wie hier - etwas über 500 g liegenden Resektionsgewichts rechtfertigt den Anspruch nicht, weil Wirbelsäulenbeschwerden insbesondere bei chronischer Ausprägung unterschiedlichste Ursachen haben können, wobei sich die Ursachen meist wechselseitig beeinflussen (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 18. Oktober 2002 - L 4 KR 4692/01 und vom 23. Januar 2004 - L 4 KR 1609/02 sowie Beschlüsse des erkennenden Senats vom 24. Februar 2005 - L 4 KR 3936/03 und vom 19. Januar 2007 - L 4 KR 3005/03; Bayerisches LSG, Urteile vom 10. April 2003 - L 4 KR 226/01 - und vom 19. Januar 2006 - L 4 KR 235/05). Den betreffenden Versicherten günstige Entscheidungen sind nur dann ergangen, wenn über solche ärztliche Erfahrungen hinausgehende Besonderheiten im Einzelfall festgestellt werden konnten, bei denen sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Brustgröße und Wirbelsäulenbeschwerden und damit ein dementsprechender hochgradiger Erfolg der begehrten Operation aufdrängt (Sächsisches LSG, Urteil vom 24. September 2003 - L 1 KR 84/01 - und Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Juni 2004 - L 5 KR 129/03).

Zu solchen Sonderfällen zählt derjenige der Klägerin nicht. Die Beklagte weist zu Recht auf eine Reihe weiterer in Betracht kommender Ursachen für die Wirbelsäulenbeschwerden der Klägerin hin. Diese hat am 17. April 2002 einen Verkehrsunfall erlitten, der zu einer Verstauchung und Zerrung der Halswirbelsäule, multiplen Prellungen, einem Rippenbruch und einer ausgekugelten Schulter geführt hat (Unfallfragebogen vom 15. Mai 2002). Alle ärztlichen Behandlungen, ebenso die Physiotherapie bei Krankengymnastin L. (Attest vom 26. Juli 2006) haben erst nach diesem Unfall begonnen; auch ist dieses Verfahren erst danach angestoßen worden. Hinzu kommt ein Übergewicht (bekannt 82 kg bei einer Körpergröße von 165 cm). Schließlich haben offenkundig berufsbedingte Fehlhaltungen im Erzieherinnenberuf bestanden. Soweit psychische Probleme eine weitere Ursachenbedingung bilden könnten - was die Klägerin allerdings bestreitet -, wären diese durch entsprechende Therapiemöglichkeiten anzugehen (vgl. die eingangs zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung). Insoweit bestehen deutliche Hinweise darauf, dass die Ausprägung der Beschwerden durch familiäre Konfliktsituationen wesentlich mitbedingt war und zur Bewilligung der Heilmaßnahme in der B.-Klinik Ü. vom 14. Juli bis 11. August 2004 durch den Träger der Rentenversicherung veranlasst hat. Auch insoweit (vgl. Entlassungsbericht vom 15. August 2004) wird eine Verschlimmerung der Wirbelsäulenbeschwerden seit 2002, also dem Verkehrsunfall, genannt. Nach alledem lässt sich ein signifikanter Einzelfall, der gegen die fehlenden allgemeinen medizinischen Erkenntnisse einen wahrscheinlichen Zusammenhang zwischen Brustgröße und Beschwerden und damit auch die hochgradige Erwartung einer wesentlichen Besserung durch die begehrte Maßnahme erkennen ließe, nicht begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

Gründe zur Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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