L 21 RJ 121/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 17 RJ 480/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 21 RJ 121/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit ab November 1999.

Der 1951 geborene Kläger absolvierte vom 01. September 1967 bis 30. April 1969 eine Lehre als Baufacharbeiter und arbeitete bis zu einem im Juli 1999 erlittenen Herzinfarkt auch in diesem Beruf als Baufacharbeiter für Betonbau und Bewehrungsarbeiten als Vorarbeiter. Im Oktober 1999 beantragte er die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit bei der Beklagten wegen einer erlittenen Herzinfarktes sowie wegen Angina pectoris. Die Beklagte zog Befundberichte sowie einen Heilentlassungsbericht vom 19. Oktober 1999 bei und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 15. November 1999 mit der Begründung ab, dass der Kläger mit dem vorhandenen Leistungsvermögen zwar nicht mehr den erlernten Beruf als Betonfacharbeiter ausüben könne, eine Tätigkeit, die unter Berücksichtigung des bisherigen Berufes zumutbar sei, könne er jedoch noch vollschichtig verrichten.

Mit dem hiergegen am 29. November 1999 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass es ihm nicht mehr möglich sei, mit seinen körperlichen Einschränkungen einer seiner Ausbildung entsprechenden Beschäftigung nachzugehen, und begehrte die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit. Die Beklagte zog ein vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung erstelltes sozialmedizinisches Gutachten vom 20. Januar 2000 und weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte bei und veranlasste die Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Orthopädie Dr. K. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 19. Mai 2000 die Diagnosen: 1. Zustand nach Herzinfarkt 1999 mit Gefäßerweiterung und Einsatz einer endoluminalen Gefäßprothese, 2. Hyperlipidämie, 3. belastungsabhängiges Lumbalsyndrom. Er hielt den Kläger für in der Lage, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen zu verrichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bestehe nicht, da der Kläger mit dem ärztlicherseits festgestellten Leistungsvermögen noch als Lagerverwalter für Baustoffe tätig sein könne. Da der Kläger nicht berufsunfähig sei, liege auch Erwerbsunfähigkeit nicht vor.

Am 11. August 2000 hat der Kläger hiergegen Klage zum Sozialgericht Potsdam erhoben, mit der er zuletzt nur noch eine Rente wegen Berufsunfähigkeit begehrt hat. Er hat geltend gemacht, insbesondere für den Verweisungsberuf eines Hausmeisters gesundheitlich nicht geeignet zu sein, weil dieser auch mittelschwere Arbeiten umfasse, er aber nur noch in der Lage sei, leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten zu verrichten. Auch dürfte er nach den medizinischen Feststellungen keinen Temperaturschwankungen ausgesetzt sein, dies ließe sich aber als Hausmeister in Havariefällen bei extremen Witterungen nicht vermeiden.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die im Widerspruchsbescheid genannte Verweisungstätigkeit des Lagerverwalters für Baustoffe nicht mehr für zumutbar gehalten und den Kläger auf die Tätigkeit eines Hausmeisters verwiesen. Hierzu hat sie Gutachten des berufskundlichen Sachverständigen K R vom 01. August 2002 in einem Verfahren vor dem Landessozialgericht für das Land Brandenburg sowie vom 15. März 2002 in einem Verfahren vor dem Sozialgericht Neuruppin zur Akte gereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Das Gericht hat eine Arbeitgeberauskunft der Firma H L vom 12. April 2001 sowie Befundberichte der behandelnden Ärzte Dr. M und Dr. G beigezogen und das internistische Gutachten der Fachärztin für Innere Medizin Dr. S vom 14. Februar 2002 veranlasst. Die Sachverständige hat nach körperlicher Untersuchung des Klägers am 05. Februar 2002 die folgenden Diagnosen gestellt: 1. Belastungskoronar-insuffizienz bei koronarer Herzkrankheit; Zustand nach PTCA und Zweifach Stent RCX 30.7.99, Zustand nach Re PTCA/RCX und PTCA/Stent RD1 19.3.2000; 2. geringgradige Bronchitis; 3. therapieresistente Fettstoffwechselstörung; 4. als Leiden auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet: beiderseitige mittel- bis schwergradige Innenohrschwerhörigkeit (nach Aktenlage); 5. als Leiden auf orthopädischem Fachgebiet: degeneratives Wirbelsäulenleiden (nach Aktenlage). Aufgrund dieser, nach Auffassung der Sachverständigen, bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegenen Erkrankungen, die eine progrediente Entwicklung nehmen würden, bestehe eine Leistungsfähigkeit nur noch über einen Zeitraum von fünf Stunden arbeitstäglich für leichte körperliche Arbeiten im Stehen oder Umhergehen und im Sitzen, bei Bevorzugung der sitzenden Körperhaltung. Wegen der vorliegenden koronaren Herzkrankheit mit Angina pectoris Beschwerden müsse auf extreme Temperaturschwankungen verzichtet werden. Nach Vorlage eines weiteren Befundberichts der Kardiologischen Praxisgemeinschaft G vom 02. September 2002 und auf den Einwand der Beklagten, dass bei einer beim Kläger festgestellten ergometrischen Belastbarkeit bis 150 W ohne sicheren Nachweis von Durchblutungsstörungen ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten gegeben sei und hieraus eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens nicht abzuleiten wäre, hat sich die gerichtliche Sachverständige ergänzend gutachtlich geäußert. Zusammenfassend hat sie ausgeführt, dass aufgrund des am 20. August 2002 durchgeführten Belastungs EKG mit Nachweis eines klinisch und formal negativen Belastungselektrokardiogramms bis 175 W bei adäquatem Blutdruck und Herzfrequenzverhalten nunmehr davon auszugehen sei, dass es bei dem Kläger zu einer Stabilisierung seines koronaren Herzleidens gekommen sei. Die Diagnose unter a) sollte daher wie folgt geändert werden: Zustand nach PTCA und Zweifach Stent RCX 30.7.1999, Zustand nach Re PTCA/RCX und PTCA/Stent RD1 19.3.2000.

Das Sozialgericht Potsdam hat mit Urteil vom 29. Juli 2003 den Bescheid vom 15. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 2000 insoweit aufgehoben, als er eine Rente wegen Berufsunfähigkeit versagt, und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab Antragstellung eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die von der Beklagten genannte Verweisungstätigkeit des Hausmeisters aus medizinischen Gründen nicht in Betracht komme, weil der Kläger nach den medizinischen Feststellungen nur noch leichte Arbeiten verrichten könne. Im Übrigen fehle dem Kläger auch die fachliche Kompetenz zur Ausübung der Verweisungstätigkeit innerhalb einer Einarbeitungszeit von drei Monaten, da ihm nach seinem beruflichen Werdegang organisatorische und kaufmännische Tätigkeiten, die ein Hausmeister verrichten müsse, fremd seien.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 04. September 2003 zugestellte Urteil am 17. September 2003 Berufung eingelegt, mit der sie weiter die Abweisung der Klage begehrt und an der Verweisungstätigkeit Hausmeister (nicht Hauswart) festhält. Nach der festgestellten Belastungsfähigkeit des Klägers bis zu 175 W sei eine Belastbarkeit für körperlich leichte bis gelegentlich mitteschwere Tätigkeiten gegeben. Zwar bestehe bei dem Kläger ein hohes Risiko für einen Progress der koronaren Herzkrankheit, ihm seien nach den vorliegenden Ergometriebefunden und der Echokardiografie aber auch mittelschwere Belastungen zwei Stunden bis unterhalbschichtig zumutbar. Der Kläger sei auch durchaus in der Lage, die Tätigkeiten eines Hausmeisters nach einer Einarbeitungszeit von drei Monaten vollwertig und konkurrenzfähig zu verrichten. Während seiner Tätigkeit als Baufacharbeiter sei er mit Zimmermanns-, Bewehrungs- und Betonierungsarbeiten betraut gewesen, es könnten daher Kenntnisse in den Bereichen Holz, Metall und Bau vorausgesetzt werden. Des Weiteren habe der Kläger mit den verschiedensten Handwerkzeugen umgehen müssen. Für die Tätigkeit Hausmeister/Hauswart werde lediglich handwerkliche Geschicklichkeit vorausgesetzt. Diese dürfte der Kläger mitbringen, so dass eine Einarbeitungszeit von maximal drei Monaten ausreichend sei. Die Beklagte hat eine schriftliche Aussage des berufskundlichen Sachverständigen KH R vom 15. Februar 2004 und eine Stellenbeschreibung der H mbH F (HGE mbH) (undatiert) zur Akte gereicht.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Juli 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und macht ergänzend geltend, dass er als gelernter Betonbauer keinerlei Vorkenntnisse für die Tätigkeit eines Hauswarts mitbringe. Im Übrigen sei er nur in der Lage, leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen zu verrichten. Angesichts der Stellenbeschreibung für Hauswarte dürfte diese Tätigkeit nicht realisierbar sein. Auch die in der von der Beklagten eingereichten Stellenbeschreibung der HGE mbH genannten Tätigkeiten auszuüben sei er nicht in der Lage. Die Übernahme der Entsorgung von Sperrmüll bis 1 m³, tägliche Kontrolle der Innen- und Außenbereiche, Säuberung der Müllstandsplätze und Bereitstellung der Müllgefäße zur Ziehung, technische Kontrollen sowie Ausführung von Kleinstreparaturen, Reinigung und Wartung der Regenwassereinläufe in Dächern, Loggien und Hauseingangsbereichen seien Tätigkeiten, die ihm nicht zumutbar seien.

Der Senat hat berufskundliche Stellungnahmen der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Bayern, vom 02. Februar 2005 an das Bayerische Landessozialgericht im Verfahren S 8 R 291/02, eines berufskundlichen Sachverständigen an das Landessozialgericht Niedersachsen Bremen im Verfahren L 10 RI 54/00 vom 18. Oktober 2001 und eines Sachverständigen an das Sozialgericht Braunschweig im Verfahren S 2 RJ 213/01 vom 14. März 2003 sowie die Berufsinformation der Arbeitsagentur zum Beruf Hausmeister/in (BERUFENET) in das Verfahren eingeführt. Ferner liegen dem Senat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers, und zwar des Facharztes für Allgemeinmedizin L vom 16. Juni 2005, des Facharztes für Innere Medizin Kardiologie/Angiologie vom 15. November 2006 und des HNO Arztes Dr. T vom 03. Januar 2006 vor. Des Weiteren hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme der gerichtlichen Sachverständigen Dr. S, Ärztin für Innere Medizin, vom 29. August 2006 eingeholt, in der diese nach Kenntnisnahme der von dem behandelnden Arzt übersandten kardiologischen Befunde ausgeführt hat, dass dem Kläger nur körperlich leichte Arbeiten zumutbar seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des rechts- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, den Verwaltungsvorgang der Beklagten, Az.: , sowie die Unfallakte der Bau Berufsgenossenschaft Hannover, Az.: , betreffend die Anerkennung der Erkrankung "Lärmschwerhörigkeit" als Berufskrankheit, Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gewesen sind ...

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Beklagte unter Aufhebung der insoweit ablehnenden Bescheide zur Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) verpflichtet.

Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit richten sich nach § 43 SGB VI in der zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ablehnungsentscheidung, d.h. in der bis zum 31. Dezember 2000 - geltenden Fassung SGB VI a. F. , weil der Kläger seinen Rentenantrag im Oktober 1999 gestellt hat und Rente (auch) für Zeiträume vor dem 01. Januar 2001 geltend macht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).

Die Vorschrift des § 43 SGB VI a. F. setzt zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der rentenrechtlich erheblichen Erwerbsminderung voraus (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 SGB VI a.F.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Versicherungsverlaufs vom 27. Oktober 1999 erfüllt. So hat der Kläger in dem maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vom 4. Oktober 1994 bis zum 3. Oktober 1999 mindestens drei Jahre mit Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt.

Darüber hinaus muss Berufsunfähigkeit vorliegen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI a.F.). Auch diese Voraussetzung liegt beim Kläger vor. Berufsunfähig nach § 43 Abs. 2 SGB VI a. F. sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit und Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Ausgangspunkt für die Beurteilung des Vorliegens von Berufsunfähigkeit ist der bisherige Beruf. Dies ist in der Regel die letzte, nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit.

Danach ist beim dem Kläger von der Tätigkeit des Betonbauers auszugehen. Diese Tätigkeit kann der Kläger mit seinem verbleibenden Leistungsvermögen nicht mehr ausüben. Dem Kläger sind nach den übereinstimmenden Gutachten im Verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren schwere Tätigkeiten nicht mehr zumutbar. Nach der vom Sozialgericht eingeholten Auskunft des letzten Arbeitgebers des Klägers handelte es sich bei den vom Kläger auszuübenden Arbeiten jedoch um mittelschwere bis schwere Arbeiten, die verbunden mit häufigem Klettern und Steigen im Freien unter Einfluss von Kälte, Nässe und Hitze und oft in gebückter Haltung zu verrichten waren. Der Kläger ist aber nach den insoweit auch von der Beklagten nicht in Frage gestellten Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen, denen der Senat folgt, nur noch in der Lage, Arbeiten bevorzugt im Sitzen und überwiegend in geschlossenen Räumen zu verrichten, da er aufgrund der koronaren Herzkrankheit auf extreme Temperaturschwankungen reagiert.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist dem Kläger auch eine Verweisung auf eine andere Berufstätigkeit nicht zumutbar.

Für die Frage der Verweisbarkeit ist bei dem Kläger im Rahmen des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas (vgl. BSGE 68, 277, 279) vom Facharbeiterstatus auszugehen. Zwar hat der Kläger lediglich eine Lehrzeit von einem Jahr und acht Monaten absolviert und war in seiner letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung in die Tarifgruppe V des Bezirkslohntarifvertrages für das Baugewerbe Berlin eingruppiert, bei der es sich nicht um eine reine Facharbeitertarifgruppe handelt. Ausgehend von den Ausführungen seiner letzten Arbeitgeberin, der L GmbH & Co., in dem Arbeitszeugnis vom 29. März 2006 ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger Tätigkeiten auf Facharbeiterniveau ausgeübt hat. Der Kläger hat nach Ausscheiden des Vorarbeiters die Betonbauerkolonne als Vorarbeiter übernommen. Aufgrund seiner Facharbeiterausbildung hat er sich schnell und sicher in das Aufgabengebiet eingearbeitet und seine Tätigkeiten selbständig und gewissenhaft ausgeführt. Er hat als Kolonnenführer selbständig Arbeitsabläufe erarbeitet und den Bauleiter bei den erforderlichen Betonprüfungen unterstützt. In der Zeit von Mai 1999 bis August 1999 ist ihm die Verantwortung für die Baustelle der Berliner Wasserbetriebe im Allendörfer Weg übertragen worden.

Der Kläger hat nicht der Gruppe mit dem Leitbild des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters angehört. Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion müssen Weisungsbefugnis gegenüber mehreren anderen Facharbeitern gehabt haben und dürfen selbst nicht an Weisungen eines anderen Beschäftigen im Arbeiterverhältnis gebunden gewesen sein (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 44, 145 m. w. N.). Schlichte Vorarbeiter, die keine wesentlich anderen Arbeiten als die der Gruppe der Facharbeiter angehörenden Arbeitskollegen verrichten, fallen allerdings nicht in die Gruppe der Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion (BSG, Urteil vom 30. März 1977 5 RJ 98/75 SozR 2200 § 1246 Nr. 16). So liegt es hier. Der Kläger hat insoweit in der Berufungsverhandlung angegeben, er habe die gleiche Arbeit ausgeübt, wie die anderen Mitarbeiter "seiner" Kolonne. Auch als Verantwortlicher für eine Baustelle in der Zeit von Mai bis Juli/August 1999 habe er (lediglich) dafür sorgen müssen, dass die anderen Mitarbeiter dort erschienen, habe die ihm vom Bauleiter gegebenen Arbeitsaufträge an die anderen Mitarbeiter weitergeleitet und sei Ansprechpartner für die Wasserbetriebe gewesen. Der Kläger ist daher grundsätzlich sozial zumutbar auf Tätigkeiten eines Facharbeiters und auf solche der nächstniedrigeren Gruppe des Mehrstufenschemas mit dem Leitberuf des Angelernten verweisbar.

Der Senat konnte offen lassen, ob eine Verweisung des Klägers auf die von der Beklagten benannte Tätigkeit eines Hausmeisters bereits daran scheitert, dass diese Arbeit dem Kläger gesundheitlich nicht zumutbar ist. Die Tätigkeit eines Hausmeisters wird von den in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Stellungnahmen und Unterlagen übereinstimmend als leicht bis mittelschwer beschrieben. Ob den Feststellungen der Fachärztin für innere Krankheiten Dr. Swonach dem Kläger nur körperlich leichte Arbeiten zumutbar sind, zu folgen ist, bedurfte jedoch keiner Entscheidung. Denn eine Verweisung des Klägers auf den Beruf des Hausmeisters scheidet aus, weil der Kläger nicht über die fachliche Kompetenz zur Ausübung der Verweisungstätigkeit innerhalb einer Einarbeitungszeit von drei Monaten verfügt (hierzu s. u.).

Eine Zumutbarkeit nur körperlich leichter Arbeiten ist nach den Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen für den Senat allerdings nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Die Sachverständige begründet ihre Auffassung damit, dass neben der bei dem Kläger bestehenden koronaren Herzkrankheit eine fortbestehende ausgeprägte Fettstoffwechselstörung als eindeutiger Risikofaktor zu berücksichtigen sei. Dies gelte insbesondere in Kenntnis der Familienanamnese des Klägers, dessen Vater im Alter von 41 Jahren an einem Herzinfarkt verstarb, dessen Mutter wegen einer koronaren Herzkrankheit drei Bypässe erhielt und bei dem zwei Brüder und eine Schwester väterlicherseits gleichfalls Bypässe wegen einer koronaren Herzkrankheit trügen und bereits Herzinfarkte erlitten hätten. Zu bedenken sei darüber hinaus, dass mit zunehmendem Lebensalter Erkrankungen des Herzens und des Gefäßsystems eine progrediente Entwicklung nähmen, insbesondere bei weiteren Risikofaktoren wie Fettstoffwechselstörungen bei Übergewicht.

Diese Ausführungen erscheinen nicht schlüssig, denn aus der bestehenden Fettstoffwechselstörung resultiert nach den für den Senat im Übrigen nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen zwar ein Risiko zum Progress der koronaren Herzkrankheit, es folgt hieraus jedoch keine gegenwärtige quantitative Leistungsminderung. Vielmehr spricht ausweislich der Ergebnisse des Ergometriebefunds von 2004 und der Echokardiografien von 2003, 2004 und 2005, bei denen der Kläger ergometrisch bis zu 150 W (2003) bzw. 125 W (2004) belastbar war, viel dafür, dass bei diesem eine Leistungsfähigkeit auch für gelegentlich mittelschwere Arbeiten bestand und besteht. Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Sachverständige nach Vorlage des am 20. August 2002 durchgeführten Belastungs EKG mit ergänzender Stellungnahme vom 7. November 2002 angegeben hat, bei dem Kläger sei es zu einer Stabilisierung seines koronaren Herzleidens gekommen, von einer Belastungskoronarinsuffizienz werde nicht mehr ausgegangen. Wenn die Sachverständige gleichwohl ausführt, dass sich – trotz der Stabilisierung und Wegfalls der Diagnose "Belastungskoronarinsuffizienz" – am Umfang der Leistungsfähigkeit des Klägers nichts geändert haben soll, ist dies für den Senat nicht nachvollziehbar. Ob dem Kläger daher nur leichte oder auch, wie es der Sachverständige Dr. K in seinem Gutachten vom 19. Mai 2000 vertreten hat, gelegentlich mittelschwere Arbeiten zumutbar sind, konnte aber letztlich dahin stehen.

Offen bleiben konnten auch Zweifel an der gesundheitlichen Zumutbarkeit des von der Beklagten benannten Verweisungsberufes im Hinblick darauf, dass der Kläger nach den gutachterlichen Feststellungen aufgrund seiner Angina pectoris nicht in der Lage ist, unter stärkeren Temperaturschwankungen bzw. in Nässe und Kälte zu arbeiten. Gegen eine Zumutbarkeit spricht, dass nach den vom Senat in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Stellungnahmen in den Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht, dem Sozialgericht Braunschweig sowie dem Landessozialgericht Niedersachsen Bremen bei der Tätigkeit eines Hausmeisters auch die Ausführung des Winterdienstes nicht auszuschließen ist. Auch werden sich – worauf der Prozessbevollmächtigte des Klägers zutreffend hinweist - in Havariefällen bei extremen Witterungen Arbeiten unter Temperaturschwankungen und in Nässe und Kälte nicht ausschließen lassen.

Zweifel hinsichtlich der gesundheitlichen Zumutbarkeit der Verweisungstätigkeit bestehen im Übrigen auch im Hinblick auf die mittel- bis schwergradige Innenohrschwerhörigkeit des Klägers. Ob diese Schwerhörigkeit durch die dem Kläger verordneten Hörgeräte soweit ausgeglichen ist, dass ein im Rahmen der Hauswartstätigkeit erforderlicher Publikumsverkehr mit den Mietern (auch telefonisch) unbeeinträchtigt durchgeführt werden könnte, brauchte der Senat jedoch ebenfalls nicht aufzuklären.

Denn eine Verweisung des Klägers auf den Beruf des Hausmeisters scheidet aus, weil der Kläger nicht über die fachliche Kompetenz zur Ausübung der Verweisungstätigkeit innerhalb einer Einarbeitungszeit von drei Monaten verfügt.

Der Kläger war tätig als "Betonwerker für Bewehrungsbau". Diese stellen aus Beton größere Bauteile her, mischen den Beton, fertigen Schalungen aus Holz oder Kunststoff an und bringen den frischen Beton in die Schalungen ein. Größere Betonteile verstärken sie ggf. mit Stahleinlagen (so genannte Bewehrungen). Nach dem Erhärten des Betons entfernen sie die Schalungen (Quelle: BERUFENET, Stand: Januar 2007). Die für die Ausübung dieses Berufes erforderlichen Fähigkeiten stellen keine für die Ausübung einer Hausmeistertätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten dar. Dies folgt u. a. aus den von der Beklagten in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Aussagen des K R vom 01. Oktober 2002 und vom 15. Februar 2004. Danach muss zwischen der Tätigkeit eines Hausmeisters und eines Hauswarts unterschieden werden. Nach den Ausführungen des berufskundlichen Sachverständigen liegt die Tätigkeit eines Hauswarts auf leicht gehobenem Niveau. Hauswarte sind in Firmen beschäftigt, die Hausmeisterdienste anbieten, in Unternehmen mit Aufträgen im Gebäudemanagement, bei Haus- und Immobilienverwaltungen, bei Wohnungsbaugesellschaften und Kommunen. Sie müssen Alleskönner sein, die nicht nur technisch, praktisch und organisatorisch begabt sind und mit Menschen umgehen können, sondern auch moderne Kommunikations- und Datenverarbeitungsgeräte wie Telefon, Fax und PC handhaben können. Oft haben Hauswarte in Wohnanlagen an zentraler Stelle einen Büroraum und zu vorgegebenen Zeiten bieten sie Sprechstunden für Mieter an. Sie sind Mittler zwischen den Mietern und der Hausverwaltung. Neben beratenden und betreuenden Aufgaben werden Wohnungsabnahmen und Wohnungsübergaben durchgeführt, Mängel sind in Berichten festzuhalten. Dazu kommen kaufmännische Aufgaben, beispielsweise im Rahmen der Auftragsvergabe an Wartungs- und Reparaturdienste. In weniger großen Hausmeistereien ist es üblich, dass der Hauswart kleinere Reparaturen selbst ausführen.

Der Kläger, der durchgängig auf Baustellen tätig war und nicht aus einem der typischen Zugangsberufe für Hausmeister (Berufsausbildung im Elektrotechniker-, Installateur- und Heizungsbauerhandwerk) kommt, wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Nach seinem beruflichen Werdegang sind ihm organisatorische und kaufmännische Tätigkeiten fremd, Kenntnisse im Umgang mit Kommunikations- und Datenverarbeitungsgeräten können nicht erwartet werden. Es ist zur Überzeugung des Senats nicht davon auszugehen, dass sich der Kläger die notwendigen Kenntnisse in einer Einarbeitungszeit von drei Monaten aneignen kann, zumal spezielle Hausmeister-Lehrgänge oder Weiterbildungen nach den in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Stellungnahmen und allgemein zugänglichen Quellen (Internet) mit einer Dauer von sechs bis zwölf Monaten angeboten werden; nach Kenntnis des Senats aus anderen Verfahren hat die Beklagte selbst in den Jahren 2002/2003 gelernten Maurer-Facharbeitern im Rahmen von Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation Lehrgänge mit dem Ziel der Weiterbildung zum "Hausmeister" mit einer Dauer von zwölf Monaten angeboten.

Die Beklagte hält auch an dem Verweisungsberuf "Hauswart" nicht mehr fest, sondern meint unter Berufung auf die berufskundliche Stellungnahme des Sachverständigen R vom 15. Februar 2004, dass der Kläger auf den Beruf des "Hausmeisters" zu verweisen sei.

Der Sachverständige hat hierzu in der genannten Stellungnahme ausgeführt, die Anforderungen an einen "Hausmeister" seien unterschiedlich, es komme auf die jeweilige Aufgabenstellung an. So werde für die Tätigkeit an Schulen erfahrungsgemäß nach Bewerbern mit Berufsabschlüssen als Tischler oder Zimmermann gefragt. Schwerpunkt sei häufig die Reparatur von Schulmöbeln. Sollten vorrangig Versorgungseinrichtungen mit modernen elektronischen Steuerungsanlagen gewartet, gepflegt und bedient werden, so werde nach ausgebildeten Elektrikern oder Heizungs- und Lüftungsbauern gefragt, die auch Kenntnisse im Kundenservice hätten. Sei eine Hausmeisterstelle zu besetzen für die Pflege von Gartenanlagen, für Baumschnitt und Blumenpflege, so werde nach einem ausgebildeten Gärtner gefragt.

Tatsächlich sei es so, dass sich in großen Hausmeistereien sowohl Hauswarte wie auch Hausmeister mit Abschlüssen als Elektriker, Maurer, Sanitärmonteur, Heizungsbauer und Tischler fänden. Für körperlich schwere und fachlich einfache Arbeiten stünden in großen Hausmeistereien Hausarbeiter zur Verfügung. In kleinen Haumeistereien sei der "Alleskönner" gefragt. Solche Hausmeister arbeiteten dann auch gelegentlich mittelschwer, selten schwer.

Eine Verweisung des Klägers auf diese Tätigkeiten scheidet danach aus. Der Kläger verfügt aus seinem bisherigen Berufsleben und nach dem vom Senat festgestellten Inhalt des von ihm erlernten und ausgeübten Berufs über keine der nach den Angaben des berufskundlichen Sachverständigen für die Ausübung des Verweisungsberufs erforderlichen fachlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, auf die er in einer Einarbeitungszeit, diese auf einen Zeitraum von drei Monaten verkürzend, zurückgreifen könnte. Zumal auch hier zu berücksichtigen ist, dass die Beklagte selbst Versicherten aus artfremden Zugangsberufen (z.B. Maurern) Lehrgänge zum Erwerb der Qualifikation "Hausmeister" anbietet bzw. angeboten hat, die sich über die Dauer von 12 Monaten erstrecken.

Eine Verweisung des Klägers im Rahmen des Hausmeisterberufs auf Tätigkeiten, die spezielle handwerkliche Kenntnisse aus den typischen Zugangsberufen nicht voraussetzen, den handwerklich begabten "Alleskönner", scheidet bereits deswegen aus, weil solche Tätigkeiten dem körperlichen Leistungsvermögen des Klägers nicht gerecht werden. Insoweit fallen nach den Angaben des zitierten Sachverständigen auch – wenn auch selten – schwere Arbeiten an.

Die Feststellungen des Senats auf der Grundlage der in das Verfahren eingeführten berufskundlichen Feststellungen decken sich insoweit mit der Einschätzung des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein in seiner Entscheidung vom 28. Februar 2006 – L 7 RJ 61/03 - (juris), in der dieses unter Bezugnahme auf die dort eingeholten berufskundlichen Stellungnahmen und Angaben von Wohnungsbaugesellschaften ausgeführt hat, dass "die Anforderungen an das (körperliche) Leistungsvermögen um so höher seien, je weniger spezielle handwerkliche Kenntnisse aus den typischen Zugangsberufen der jeweilige Versicherte mitbringe. Hausmeister, deren Einsatz nicht auf spezielle Fachkenntnisse ausgerichtet seien, würden nahezu ausschließlich mit Arbeiten betraut, die weitgehend mittelschwere Arbeiten erforderten " (juris-Abdruck Rn 39). Dem Kläger sind aber allenfalls gelegentlich mittelschwere Arbeiten gesundheitlich zumutbar.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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