L 2 U 918/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 2814/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 918/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beider Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Versicherungsfalls nach § 551 i.V.m. § 555a Reichsversicherungsordnung (RVO) streitig.

Die am 1969 geborene Klägerin, die nach der mittleren Reife den Beruf der Verwaltungsangestellten erlernte und als solche ca. zweieinhalb Jahre tätig war, bezieht seit Dezember 1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und seit August 1997 Leistungen nach Pflegestufe I.

Sie wandte sich mit Schreiben vom 23.07.1999 an die Beklagte und teilte mit, ihre Mutter sei während der Schwangerschaft mit ihr in einer Chemiefabrik (ICI Fibres in Ö.) beschäftigt und dabei Perchlorethylen (Per) und Trichlorethylen (Tri) ausgesetzt gewesen. Kurz nach ihrer Geburt sei sie "schwer an den Nieren erkrankt" und bis zum heutigen Tag durchgehend krank. Ihr Arzt habe auf einen möglichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit der Mutter hingewiesen.

Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen auf, indem sie die Klägerin und ihre Mutter persönlich befragte, die Akte des Versorgungsamtes Freiburg, die ärztlichen Unterlagen der Universitäts-Kinderklinik Heidelberg ab 1970, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), der BEK und die - die Mutter betreffenden - Unterlagen der AOK Rhein-Neckar beizog, Anfragen bei ICI durchführte und den Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) mit arbeitsplatzbezogenen Erhebungen beauftragte. Nach dem abschließenden Bericht des TAD/Dr. W. vom 02.05.2002 ist die Mutter der Klägerin als Maschinenbedienerin - neben Spitzenbelastungen bei ganztätiger Generalreinigung der Maschinen - im Durchschnitt etwa 30 bis 40 Minuten pro Tag dermal und pulmonal gegenüber Tri und Per exponiert gewesen; auf Grund der Reinigungstätigkeiten mit lösungsmittelgetränktem Putzlappen ohne Ergreifung von Schutzmaßnahmen müsse von einer Grenzwertüberschreitung ausgegangen werden. Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. S. führte unter dem 25.07.2002 aus, nach den ärztlichen Unterlagen sei die Klägerin fünf Monate nach der Geburt ambulant, zeitweise auch stationär, wegen einer Viruspneumonie und einer Nierenbeckenentzündung, welche einen chronischen Verlauf genommen, jedoch zu keiner Nierenschädigung geführt habe, behandelt worden. In der aktuellen Krankheitsgeschichte stehe das Krankheitsbild eines chronischen Ermüdungssyndroms im Vordergrund. Dies habe jedoch nichts mit der Exposition gegenüber Tri oder Per zu tun. Dieser Auffassung schloss sich auch die Staatliche Gewerbeärztin Dr. E. in ihrer Stellungnahme vom 20.08.2002 an. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.10.2002 die Anerkennung einer BK nach § 551 Abs. 1 und 2 RVO a.F. ab. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte den Befundbericht der Habichtswaldklinik vom 30.07.2002 ein und veranlasste eine Begutachtung (auf Vorschlag der Klägerin) durch Dipl.-Chem. und Facharzt für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin Dr. P. sowie zusätzlich durch Neurologe und Psychiater Dr. K ... Letzterer verneinte in seinem Gutachten vom 24.04.2003 Störungen auf neurologischem Fachgebiet. Eine Schädigung des zentralen oder peripheren Nervensystems durch eine vorgeburtliche toxische Schädigung bestehe nicht; weder eine Enzephalopathie noch eine Polyneuropathie lägen vor. Die schwere neurotische Störung sei durch anlagebedingte Wesenszüge, vor allem aber durch die frühkindliche Entwicklung hervorgerufen worden. Dr. P. führte unter Berücksichtigung des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Dr. K. in seinem Gutachten vom 26.05.2003 u.a. aus, insgesamt ergäben sich zwar Hinweise für fruchtschädigendes Potential beider Stoffe bei hoher Exposition. Diese führten aber in erster Linie zu frühzeitigen Schädigungen der Leibesfrucht mit der Folge des Aborts. Organschäden, insbesondere Immunstörungen würden nicht berichtet und ergäben sich auch aus den MAK-Wert-Begründungen nicht. Nachdem eine Polyneuropathie und eine Enzephalopathie nicht vorlägen und die neurotische Fehlentwicklung in keiner Weise einer pränatalen Einwirkung durch Lösemittel zugeordnet werden könne, sei eine wahrscheinliche Verursachung der weiter vorliegenden Leiden (erhöhte Infektanfälligkeit, Allergieerkrankung und Nahrungsmittelintoleranz) durch die pränatale Lösemitteleinwirkung nicht gegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 11.08.2003 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und ausgeführt, das eingeholte arbeitsmedizinische Gutachten berücksichtige nicht in vollem Umfang die bei ihr bestehenden Erkrankungen, es seien vielmehr weitere Ermittlungen notwendig (ein toxikologisches bzw. humangenetisches Zusatzgutachten). Das SG hat den Bericht des Krankenhauses Lahnhöhe vom 28.07.2004 über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 03.06. bis 15.07.2004 beigezogen; hierin wird ausgeführt, Grundlage der Erkrankung sei "wohl" eine toxische Belastung der Mutter in der Schwangerschaft. Mit Urteil vom 20.01.2005 hat das SG die Klage abgewiesen, weil die Erkrankungen der Klägerin, soweit sie nachgewiesen seien, nicht auf eine pränatale toxische Einwirkung zurückgeführt werden könnten. Gegen das am 09.02.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 28.02.2005 eingelegte Berufung der Klägerin. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie sich auf ihr gesamtes bisheriges Vorbringen bezogen und zur Begründung das Konvolut "Anlage 2" übergeben.

Die Klägerin beantragt - teilweise sinngemäß - ,

(1) das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Januar 2005 sowie den Bescheid vom 10. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Juli 2003 aufzuheben, (2) die Beklagte zu verurteilen, ihre Erkrankung als Berufskrankheit nach §§ 555a, 551 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO), 213 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) in Verbindung mit Nr. 9 der Anlage 1 zur 7. Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 anzuerkennen oder wie eine Berufskrankheit nach §§ 555a, 551 Abs. 2 RVO, 213 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen und in gesetzlicher Höhe zu entschädigen bzw. als eine beruflich verursachte Erkrankung nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen und zu entschädigen, hilfsweise, (1) ein toxikologisches und humangenetisches Gutachten von Amts wegen einzuholen, (2) Herrn G. S. (ehemaliger Vorgesetzter der Mutter) und Herrn S. (ehemaliger Sicherheitsbeauftragter) als Zeugen zu der beruflichen Belastung durch Tri- und Perchlorethylen und deren Zersetzungsprodukte unter Einwirkung von Hitze während der Schwangerschaft ihrer Mutter zu befragen, (3) die Beweislast unter Hinweis der Nichteinhaltung der Sicherheitsregeln für den Umgang mit alipathischen Chlorkohlenwasserstoffen des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften von 1968, insbesondere Punkt 5.6.5.und des Mutterschutzgesetzes umzukehren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat Dr. P. ergänzend befragt. In seiner Stellungnahme vom 23.03.2006 hat er u.a. darauf hingewiesen, dass Per zwischenzeitlich von der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe 2005 nicht mehr in Kategorie 3 eingestuft werde, sodass nicht mehr von einem Risiko der Fruchtschädigung durch diesen Stoff ausgegangen werde. Der Annahme einer möglichen BK 1310 stehe entgegen, dass nach dem Bericht des TAD kein Hinweis dafür gegeben sei, dass die Mutter der Klägerin in nennenswertem Maße chlorierten Dibenodioxinen und -furanen ausgesetzt gewesen sei. Besondere Expositionen gegenüber anderen BK-Ziffern seien nicht erkennbar.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gem. den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, gem. § 151 SGG frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung und Entschädigung eines Versicherungsfalls nach den §§ 551 Abs. 1 oder 2 RVO i.V.m. § 555a RVO.

Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 10.10.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.07.2003, mit dem sie die Feststellung einer BK - und daraus folgender Entschädigungsleistung - abgelehnt hat.

Auf diesen im Wege der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) i.V.m. einer Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG) geltend gemachten Anspruch kommen nach § 212 i.V.m. §§ 213 Abs. 3, 214 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - die bis 31. Dezember 1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) zur Anwendung, da - bei Vorliegen der Voraussetzungen - der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1997 eingetreten und über die Gewährung von Entschädigungsleistungen auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten des SGB VII zu entscheiden ist; ferner ist die Siebente Berufskrankheiten-Verordnung vom 20.06.1968 (BKV; gültig vom 01.07.1968 bis 31.12.1976) zu beachten.

Anspruchsgrundlage für das geltend gemachte Begehren sind die §§ 555a Satz 1, 551 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 RVO. Danach steht die/der als Leibesfrucht durch einen Arbeitsunfall der Mutter während der Schwangerschaft Geschädigte einem Versicherten gleich, der einen Arbeitsunfall erlitten hat. Als Arbeitsunfall gilt ferner eine BK; dabei handelt es sich um Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Hierzu zählen nach Nr. 9 der Anlage 1 zur BKV Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe oder halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxyde oder -sulfide. Nach ständiger Rechtssprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) und der Gesundheitsschaden, dessentwegen Entschädigung begehrt wird, erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 128). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 129); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSGE 45, 285, 286; BSG SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 280). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Die Mutter der Klägerin hat - zwischen den Beteiligten unumstritten - während der Schwangerschaft (mit der Klägerin) als Maschinenbedienerin eine versicherte Tätigkeit ausgeübt. Nach den Feststellungen des TAD (Bericht vom 02.05.2005) ist die Mutter während der Schwangerschaft mit der Klägerin von Juni/Juli 1968 bis zur Geburt der Klägerin Anfang März 1969 in der "Texturierung" gegenüber Tri exponiert gewesen, und zwar in einem Grenzwert überschreitenden Ausmaß. Dagegen kann eine Exposition gegenüber Per während der Schwangerschaft nur dann vorgelegen haben, wenn die Umstellung von Tri auf Per bereits zu Beginn des Jahres 1969 erfolgte. Der genaue Zeitpunkt der Umstellung ist nicht bekannt; der Senat nimmt jedoch zu Gunsten der Klägerin - unter Berücksichtigung von Mutterschutzfrist (6 Wochen) und Geburtstermin - eine kurzfristige, ebenfalls Grenzwert überschreitende Exposition gegenüber Per an. Die nach der Geburt der Klägerin bestehende Exposition der Mutter mit Per, wie sie sich aus dem TAD-Bericht für 1970 bis 1971 ergibt, ist hier, weil es um die Schädigung als Leibesfrucht geht, irrelevant. Für den Versicherungsschutz der Leibesfrucht ist eine bei der Schwangeren stattgehabte Exposition von Schadstoffen ausreichend, die nach Dauer und Intensität generell geeignet ist, eine BK der Mutter zu verursachen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 96). Dies ist vorliegend im Hinblick auf die vom TAD festgestellte regelmäßige durchschnittliche und Grenzwert überschreitende Exposition der Mutter der Klägerin zu bejahen. Die Beklagte hat deshalb auch zu Recht das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen bejaht. Als Gesundheitsschaden hat die Klägerin ein Chronic-Fatigue-Syndrom (CFS), eine Polyneuropathie (PNP), eine generalisierte Muskelatrophie, eine Schädigung des Gehirns (Enzephalopathie), eine psychische Störung, eine verringerte Reaktionsbereitschaft der Stresshormonachse, eine Störung der Nebennierenrindenfunktion sowie eine Narbe an der rechten Niere geltend gemacht. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen weder eine PNP noch eine Enzephalopathie oder generalisierte Muskelatrophie vor. Das ergibt sich für den Senat aus dem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten des Dr. K. vom 24.04.2003. Auf Grund der am 15.04.2003 durchgeführten Untersuchungen (EEG, VEP, SEP, sensible und motorische Neurographie sowie Elektromyographie) mit durchgehend normalen Befunden hat der Sachverständige für den Senat überzeugend eine sensible und motorische PNP sowie eine Muskelerkrankung ausgeschlossen; insbesondere hat der Sachverständige keine Atrophien feststellen können. Der Befundbericht des Dr. R. vom 28.06.1999 ist bereits in sich widersprüchlich (vgl. hierzu Gutachten Dr. K. S. 5), der vom 10.10.2001 steht der Beurteilung von Dr. K. nicht entgegen, denn Dr. R. hat darin eine deutliche Besserung der von ihm (noch) diagnostizierten PNP festgestellt. Auf Grund der dokumentierten Untersuchungsbefunde hat Dr. K. zum Zeitpunkt seiner Untersuchung (15.04.2003) überzeugend eine PNP ausgeschlossen. Daran ändert auch der Bericht des Dr. R. vom 17.01.2004 nichts; der dort mitgeteilte - als pathologisch gewertete - Befund der NLG für den Nervus peronaeus rechts sowie die Erwähnung polyphasischer Potentiale im EMG vermögen die ausführlichen Untersuchungsergebnisse von Dr. K. nicht zu widerlegen. Der Befundbericht des Dr. B. vom 18.06.2001 begründet ebenfalls keine andere Beurteilung, denn hierin sind technische Untersuchungsbefunde, die eine PNP belegen könnten, nicht mitgeteilt. Ebenso wenig haben sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Hinweise auf eine Enzephalopathie ergeben. Die kognitiven und hirnlokalen Funktionen zeigten keine organischen Störungen, das EEG ergab keinen Hinweis auf eine Allgemeinveränderung, die klinisch-neurologische Untersuchung keine Herdsymptome und auch die festgestellten psychischen Störungen ergaben ausdrücklich keinen Anhalt für eine organische Schädigung im Sinne einer Enzephalopathie oder vorgeburtlichen Hirnschädigung. Die zahlreichen von der Klägerin hiergegen vorgebrachten Einwände (s. S. 8 ff ihrer in der mündlichen Verhandlung übergebenen Begründung) ziehen für den Senat die Richtigkeit der Beurteilung von Dr. K. nicht in Zweifel, weil die vorliegende diffuse Beschwerdesymptomatik der Klägerin - wie der Sachverständige dargelegt hat - gut mit der vordiagnostizierten neurotischen Störung vereinbar sind; sie zwingen deshalb nicht zu der von der Klägerin gewünschten Schlussfolgerung, bei ihr liege eine Enzephalopathie vor. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang die fehlende Durchführung psychologischer Tests gerügt hat, ist darauf hinzuweisen, dass diese Testverfahren dazu dienen, die bei der klinischen Untersuchung objektiv festgestellten psychopathologischen Befunde zu verifizieren. Wenn aber - wie bei Dr. K. - hinsichtlich Bewusstseinlage, Vigilanz, Orientierung, Gedächtnis, Konzentration und Merkfähigkeit kein pathologischer Befund festgestellt wird, erübrigt sich die Durchführung dem entsprechender Testverfahren; darüber hinaus wäre ihre Aussagekraft stets kritisch zu hinterfragen, da die Ergebnisse von der subjektiven Mitarbeit des Getesteten abhängen. Soweit die Klägerin auf Grund des Berichts des Dipl.-Psych. G. vom 18.04.2000 eine "verringerte Reaktionsbereitschaft der Stresshormonachse" geltend macht, handelt es sich nicht um eine der ICD-10-GM 2007 entsprechende diagnostische Feststellung; schon deshalb ist insoweit ein Gesundheitsschaden nicht nachgewiesen. Darüber hinaus hat Prof. Dr. S. auf Grund der Untersuchungen der Klägerin in Trier, auf denen auch der o.g. Bericht des Dipl.-Psych. G. beruht, eine primäre oder sekundäre Nebenniereninsuffizienz sowie einen Wachstumshormonmangel - und damit eine Nebennierenrindenfunktionsstörung - ausgeschlossen. Das CSF ist nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen erstmals während der stationären Behandlung der Klägerin in der Spezialklinik H. vom 31.01. bis 07.06.1996 diagnostiziert worden und von den die Klägerin in der nachfolgenden Zeit behandelnden Ärzten übernommen worden, so insbesondere von den Ärzten der H.-Klinik, in der die Klägerin ausweislich der Akten 1997, 1998, 1999, 2002 und 2003 stationär behandelt worden ist. Im Hinblick auf diese ärztlichen Unterlagen sieht der Senat es als erwiesen an, dass bei der Klägerin ein CFS gegeben ist. Daneben ist ausweislich der vorliegenden ärztlichen Unterlagen durchgehend seit 1988 eine neurotische Fehlentwicklung dokumentiert (vgl.: Bericht der Klin.-Psych. J. vom 15.04.1995, Attest Dr. H. vom 15.05.1995, Berichte der Klinik für Psychosomatische Medizin G. vom 23.02.1993, des Paracelsus Krankenhaus/Bad L. vom 01.01.1994, der Spezialklinik H. vom 06.07.1996, der H.-Klinik vom 11.08.1997, 30.07.2002 und 16.07.2003, des Krankenhauses L. vom 28.07.2004). Schließlich ist auf Grund der Untersuchung von Dr. V. am 12.04.1999 eine narbige Einziehung an der rechten Nieren - bei Ausschluss einer chronisch persistierenden Nierenerkrankung - nachgewiesen (vgl. Bericht Dr. V. vom 19.04.1999).

Der geltend gemachte Anspruch scheitert daran, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den nachgewiesenen Gesundheitsschäden und der Exposition der Mutter in der Schwangerschaft nicht wahrscheinlich zu machen ist. Der Senat stützt seine Entscheidung auf das Gutachten des Dr. P., in dem dieser nachvollziehbar dargelegt hat, dass sich für beide Stoffe bei hoher Exposition (was nicht gleichzusetzen ist mit MAK-Wert-Überschreitung) zwar Hinweise auf ein fruchtschädigendes Potential ergeben, insoweit aber in erster Linie frühzeitige Schädigungen der Leibesfrucht mit der Folge des Aborts beim Menschen beobachtet wurden. Es ergeben sich - so der Sachverständige - aus den MAK-Wert-Begründungen keine Hinweise für eine fruchtschädigende Wirkung im Sinne einer nachhaltigen Störung des Immunsystems, wie es die Klägerin im Hinblick auf das festgestellte CFS geltend macht. In der Literatur finden sich nach Darstellung des Sachverständigen keine Daten, die einen Kausalzusammenhang zwischen Tri und/oder Per und gravierenden Störungen des Immunsystems als Folge einer pränatalen Exposition belegen. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige auch zutreffend darauf hingewiesen, dass im Fall der Klägerin eine durch reproduktionstoxische Agenzien ausgelöste typische Störung, die als Brückensymptom gewertet werden könnte, nicht vorliegt; insbesondere kann auf Grund der aktenkundigen ärztlichen Berichte sowie der Angaben der Mutter der Klägerin gegenüber dem Sachverständigen weder von einem verminderten Geburtsgewicht noch von einer postnatalen Wachstums- und Entwicklungsverzögerung ausgegangen werden. Die Klägerin, die bei Geburt 50 cm groß war und ein Gewicht von 3.200g hatte, war damit ein normal entwickelter Säugling - und keinesfalls klein und schwach. Auch ihre Behauptung, sie sei von Geburt an in der Entwicklung zurückgeblieben, lässt sich anhand der vorliegenden ärztlichen Unterlage nicht bestätigen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: im Bericht der Universitäts-Kinderklinik vom 26.01.1970 (über den stationären Aufenthalt vom 24.11 bis 18.12.1969) wird sie als 8 Monate alter Säugling "in gutem A- und EZ" beschrieben, der Bericht vom 24.06.1970 weist den damaligen krankhaften Befund auf, enthält jedoch keinen Hinweis auf eine Entwicklungsverzögerung, im Bericht vom 27.08.1970 ist im Aufnahmebefund ein "psychisch und körperlich altersgemäß entwickeltes" Mädchen mit grazilem Körperbau beschrieben, der einen Monat später erstellte Bericht vom 12.09.1970 bestätigt einen "guten AZ und EZ", im Bericht vom 14.12.1970 wird sie als "organisch unauffälliges Kind" beurteilt und schließlich enthält auch der Befundbericht vom 27.03.1973 keinen Hinweis auf eine retardierte Entwicklung. Eine Gesamtwürdigung dieser Befunde lässt den Schluss auf eine postnatale Entwicklungsstörung nicht zu. Für die nachfolgende Zeit bis 1988 liegen überhaupt keine ärztlichen Unterlagen vor, sodass der Senat den von der Klägerin behaupteten, aber nicht ärztlich dokumentierten, durchgehenden Erschöpfungszustand nicht festzustellen vermag. Schließlich kann auch die seit 1988 dokumentierte neurotische Fehlentwicklung nicht in einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang mit einer pränatalen toxischen Schädigung der Klägerin gebracht werden. Der Sachverständige Dr. K. hat in seinem nervenärztlichen Gutachten ausgeführt, dass ein Zusammenhang der neurotischen Störung mit einer vorgeburtlichen Schädigung nicht gegeben, diese vielmehr auf dem Boden einer frühkindlichen Traumatisierung entstanden sei. Diese Beurteilung wird bestätigt durch die vorliegenden Befundberichte der psychosomatisch-psychotherapeutisch orientierten Kliniken. Den Berichten z. B. der Klinik für Psychosomatische Medizin G. (1993), der Spezialklinik H. (1996), der H.-Klinik aus den Jahren 1997 und später ist zu entnehmen, dass die neurotische Entwicklung der Klägerin psychodynamisch mit einer - dort im Einzelnen beschriebenen - früh gestörten Eltern-Kind-Beziehung zu erklären ist. Daran ändern auch die im Berufungsverfahren vorgelegten Berichte der H.-Klinik vom 16.07.2003 und des Krankenhauses L. vom 28.07.2004 nichts. Zwar vertreten die Ärzte nunmehr die Auffassung, "mit ursächlich für das komplexe Krankheitsbild scheint wohl - so zeichnet es sich ab - eine schwere Vergiftung der Mutter während der Schwangerschaft mit Per- und Trichlorethylen gewesen zu sein" (H.-Klinik) bzw. "Als Grundlage der Erkrankung lässt sich wohl die Belastung der Mutter mit Toxinen während der Schwangerschaft als Ursache benennen."; aber bereits die Formulierung macht deutlich, dass hier auf der Grundlage der Angaben der Klägerin - lediglich eine Vermutung über die Ursache des Krankheitsbildes geäußert wird. Da die Angaben der Klägerin in Bezug auf ihre seit Geburt bestehende "Gedeihstörung" - wie oben dargelegt - objektiv nicht zutreffen, stützt sich diese Vermutung zudem auf einen unrichtigen Sachverhalt. Als Entscheidungsgrundlage für den Senat scheiden diese Berichte somit aus. Die narbige Einziehung an der rechten Niere ist - wie Dr. V. in seinem Bericht vom 19.04.1999 ausgeführt hat - wahrscheinlich das Korrelat der alten abgelaufenen Pyelonephritis. Ein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang mit der pränatalen Schadstoffeinwirkung bestünde nur dann, wenn ein solcher auch für die in den Unterlagen der Kinderklinik dokumentierte Pyelonephritis hergestellt werden kann. Ein solcher Ursachenzusammenhang ist jedoch ärztlicherseits nicht festgestellt worden. Dagegen spricht auch die Ätiologie dieser Erkrankung, nämlich die Verursachung durch pathogene Keime (vgl. K./Walb/Luft, Nephrologie - Pathophysiologie - Klinik - Praxis, 3. Aufl., S. 330). Die in diesem Punkt von der Klägerin vorgebrachte Argumentationskette - pränatale Schadstoffeinwirkung mit daraus resultierender Immunschwäche - überzeugt unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. P. nicht (s.o.). Der Hinweis der Klägerin auf das Schadstoffdossier des HVBG vom Oktober 2002, dem zufolge nach akuter inhalativer Intoxikation beim Menschen entzündliche Veränderungen an der Niere aufgetreten seien, zwingt zu keiner anderen Beurteilung, weil er an der oben aufgezeigten Ätiologie der Pyelonephritis nichts ändert. Soweit die Klägerin in ihrer in der mündlichen Verhandlung übergebenen Berufungsbegründung in der Tatsache, dass damals ein Erregernachweis nicht gelang, einen Hinweis auf eine durch Lösungsmittel ausgelöste Nierenentzündung sieht, bewegt sie sich als medizinischer Laie im Bereich der Spekulation; ein wahrscheinlich ursächlicher Zusammenhang ist damit nicht zu begründen. In diesem Zusammenhang weist der Senat im Übrigen ausdrücklich darauf hin, dass bei der Klägerin keine persistierende Nierenerkrankung vorliegt, eine Niereninsuffizienz hat Dr. V. durch seine Untersuchungen im April 1999 ausgeschlossen.

Eine Anerkennung des Krankheitsbildes der Klägerin als "Quasi-BK" kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil ein ursächlicher Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden konnte (s.o.).

Aus den dargelegten Gründen ist die Berufung der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.

Den Hilfsanträgen der Klägerin hat der Senat nicht stattgegeben. Der medizinische Sachverhalt ist ausreichend geklärt. Dr. P., der im Übrigen auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin von der Beklagten zum Gutachter bestellt worden ist, ist zwar kein Toxikologe, verfügt jedoch als Dipl.-Chem. und Facharzt für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin über die generelle Kompetenz zur Beantwortung der hier streitigen Fragen. Die Notwendigkeit eines humangenetischen Gutachtens vermag der Senat im Hinblick darauf, dass das Fachgebiet der Humangenetik die menschliche Vererbungslehre betrifft (Roche Lexikon Medizin, 4. Aufl., S. 775) nicht zu erkennen. Der Vernehmung der Zeugen Seemann und Schottmüller bedurfte es nicht, weil beide Zeugen zu der Frage der beruflichen Belastung der Mutter der Klägerin im Verwaltungsverfahren gehört worden sind (vgl. Bericht des TAD vom 25.05.2001 und 02.05.2002 sowie Aktenvermerk der Beklagten vom 14.01.2002), diese Zeugen die Frage nach der beruflichen Belastung der Mutter durch "Zersetzungsprodukte von Tri und Per unter Einwirkung von Hitze" nicht auf Grund ihrer tatsächlichen Wahrnehmung während der damaligen Zeit beantworten können und im Übrigen das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen von der Beklagten nicht bestritten und vom Senat bejaht worden ist. Der Hilfsantrag Nr. 3 ist im Rahmen der begehrten Feststellung (und Entschädigung) einer BK kein sachdienlicher Antrag im Sinne der §§ 106 Abs. 1, 112 Abs. 2 SGG; einen materiell-rechtlichen "Anspruch auf Umkehr der Beweislast" gibt es nicht. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber im Bereich der haftungsbegründenden und -ausfüllenden Kausalität die Anforderungen an den Beweismaßstab zugunsten der Versicherten dadurch generell herabgesetzt hat, dass eine "hinreichende Wahrscheinlichkeit" genügt. Eine besondere Konstellation, die im Fall der Klägerin eine Beweislastumkehr erfordern könnte, ist für den Senat nicht erkennbar. Auch ein Beweisnotstand liegt - wie das SG zutreffend ausgeführt hat - nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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