Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 2640/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 3647/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) sowie über die Rückforderung von im Zeitraum vom 27. März 2002 bis 26. März 2003 überzahlten Leistungen von 2.795,90 Euro.
Die am in K. (Kasachstan) geborene Klägerin gelangte als Spätaussiedlerin im Dezember 1994 mit ihren beiden Kindern (geb. 1979 und 1985) in das Bundesgebiet; in ihrem Heimatort war sie zuletzt von Mitte April 1993 bis Anfang November 1994 als Fachmännin (Warenkundlerin) im Ersatzteillager für Landmaschinen beschäftigt. Vom 12. Dezember 1994 bis 10. Juni 1995 bezog die Klägerin von der Beklagten Eingliederungshilfe für Spätaussiedler. Später war die Klägerin, die sich am 9. Dezember 2000 wiederverheiratet hatte, von Februar bis Mai 1996 als Küchenhelferin, von Mitte September 1996 bis Ende März 1997 als Putzfrau sowie vom 24. März 1997 bis 31. März 2001 als Kunststoffwerkerin und Versandarbeiterin beschäftigt; im letztgenannten Beschäftigungsverhältnis hatte sich das im Zeitraum vom 1. April 2000 bis 31. März 2001 abgerechnete Arbeitsentgelt ausweislich der Arbeitsbescheinigung vom 6. April 2001 auf insgesamt 37.135,93 Euro (einschließlich Urlaubsgeld (960,00 Euro) und Weihnachtsgeld (2.485,00 Euro)) belaufen.
Auf den am 2. April 2001 beim Arbeitsamt Nagold (ArbA) mit der Arbeitslosmeldung gestellten Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin - auf der Grundlage eines (dynamisierten) Bemessungsentgelts von 710,00 DM, der Leistungsgruppe D und dem Prozentsatz von 67 (entsprechend der auf der Lohnsteuerkarte 2001 eingetragenen Steuerklasse V sowie dem Kinderfreibetrag) - ab 1. April 2001 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von wöchentlich 237,37 DM (Bescheid vom 2. Mai 2001). Ab 1. Januar 2002 bis zur Erschöpfung des Anspruchs mit dem 26. März 2002 wurde das Alg - nach Umrechnung des Bemessungsentgelts auf 365,00 Euro (übrige Berechnungsfaktoren wie bisher) - auf der Grundlage der Leistungsentgeltverordnung 2002 nach einem Leistungssatz von wöchentlich 121,80 Euro (täglich 17,40 Euro) gewährt (Änderungsbescheid vom 8. Januar 2002).
Am 5. März 2002 beantragte die Klägerin, auf deren Lohnsteuerkarte auch 2002 die Steuerklasse V eingetragen war, beim ArbA Alhi; im Formantrag bestätigte sie gleichfalls am 5. März 2002 unterschriftlich, dass sie vom Inhalt des Merkblatts 1b "Arbeitslosenhilfe" Kenntnis genommen habe. Durch Bescheid vom 27. März 2002 bewilligte die Beklagte die Leistung ab 27. März 2002 nach einem wöchentlichen Leistungsbetrag von 133,70 Euro (täglich 19,10 Euro); bei der Leistungsberechnung, bei der sie von einem wöchentlichen Leistungssatz von 149,66 Euro ausgegangen war, war ein Anrechnungsbetrag von wöchentlich 15,97 Euro (aus dem Einkommen des Ehemanns), ferner das Kindermerkmal, ein (ohne Urlaubs- und Weihnachtsgeld) mit 330,00 Euro ermitteltes Bemessungsentgelt (ungerundet 331,27 Euro) sowie - entgegen der auf der Steuerkarte der Klägerin eingetragenen Steuerklasse und deren Angaben im Formantrag - die Leistungsgruppe C berücksichtigt. Auch bei dem nach der Leistungsentgeltverordnung 2003 ergangenen Änderungsbescheid vom 18. Januar 2003 wurde bei der Leistungsberechnung wiederum die Leistungsgruppe C herangezogen (übrige Berechnungsfaktoren sowie Anrechnungsbetrag wie zuvor), so dass die Klägerin ab 1. Januar 2003 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts (26. März 2003) Alhi von wöchentlich 132,93 Euro (täglich 18,99 Euro) erhielt.
Erst nachdem die Klägerin am 4. März 2003 die Fortzahlung der Alhi beantragt und hierzu am 17. März 2003 den Formantrag sowie die Lohnsteuerkarte 2003 vorgelegt hatte, wurde die fehlerhafte Zuordnung der Leistungsgruppe C bei der Bewilligung ab 27. März 2002 bemerkt. Wegen des den wöchentlichen Leistungssatz von 95,27 Euro übersteigenden Einkommens des Ehemanns lehnte die Beklagte die Bewilligung der Alhi ab 27. März 2003 im (bestandskräftig gewordenen) Bescheid vom 2. Mai 2003 ab. Auf das Anhörungsschreiben vom 2. Mai 2003 äußerte sich die Klägerin am 10. Mai 2003 dahingehend, dass dem ArbA von Beginn ihrer Arbeitslosigkeit bekannt gewesen sei, dass sie die Lohnsteuerklasse V gehabt habe; sie habe davon ausgehen können, dass die Berechnung der Alhi ebenfalls korrekt gewesen sei, nachdem es in den Jahren 2001 und 2002 keine Beanstandungen gegeben habe. Wenn das ArbA nunmehr sage, dass die Berechnung falsch gewesen sei, sei es Sache des zuständigen Mitarbeiters oder der zuständigen Mitarbeiterin, sich zu verantworten, nicht jedoch die ihre.
Durch Bescheid vom 3. Juni 2003 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 27. März 2002 bis 26. März 2003 unter Heranziehung der Vorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) teilweise auf und forderte gemäß § 50 Abs. 1 SGB X die Erstattung der Überzahlung von 2.795,90 Euro; sofern die Klägerin die fehlerhafte Bewilligung nicht erkannt habe, weil sie das ihr ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" bzw. das ergänzende Merkblatt für Alhi nicht gelesen habe, sei dies als grobe Fahrlässigkeit zu bewerten. Mit ihrem Widerspruch verwies die Klägerin erneut darauf, dass sie im Antrag auf Alhi die Lohnsteuerklasse V angegeben habe und machte weiter geltend, dass sie als so genannte Russlanddeutsche der deutschen Sprache nicht so mächtig gewesen sei, dass sie das Merkblatt für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" habe in allen Einzelheiten lesen und verstehen können. Im Übrigen sei ihrer Auffassung nach das Nichtlesen eines einem Bescheid beigefügten Merkblatts als solches nicht schon als grobe Fahrlässigkeit zu bewerten. Sie habe auf die Richtigkeit des Bescheids vertraut und danach ihre Lebensführung ausgerichtet; aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse sei sie nicht in der Lage, den Erstattungsbetrag zurückzuzahlen. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen; die Klägerin habe die fehlerhafte Zuordnung der Leistungsgruppe C erkennen können, denn im Merkblatt, dessen Erhalt und Kenntnisnahme die Klägerin mit ihrer Unterschrift im Antragsformular bestätigt habe, seien verständliche Hinweise dazu enthalten, dass bei der Lohnsteuerklasse V die Leistungsgruppe D maßgebend sei. Von der Klägerin habe auch eine Prüfung des Bewilligungsbescheids erwartet werden können; hierbei hätte sie bei Anstellung einfachster Überlegungen erkennen können, dass die Alhi bei einem verminderten Bemessungsentgelt, einem Anrechnungsbetrag und einem generell niedrigeren Prozentsatz nicht höher als das Alg sein könne, sodass sie in dessen Folge auch die fehlerhafte Leistungsgruppe habe erkennen können.
Deswegen hat die Klägerin am 10. September 2003 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie habe keine Veranlassung gehabt, die Richtigkeit des Bescheids zu überprüfen; der Fehler habe ausschließlich in der Interessenssphäre der Beklagten gelegen. Hinsichtlich des Unterschiedsbetrags von "monatlich" etwa 10,00 Euro sei sie davon ausgegangen, dass zwischenzeitlich Gesetzesänderungen stattgefunden hätten oder aber sich an der Berechnungsweise der Alhi etwas geändert haben könnte. Die Art und Weise der Berechnung habe sie nicht nachvollziehen können. Das von der Beklagten zitierte Merkblatt liege ihr im Übrigen nicht vor. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten; wenn die Klägerin davon ausgegangen sei, dass die Bewilligung der die Höhe des Alg übersteigenden Alhi auf eine zwischenzeitliche Gesetzesänderung oder auf die Berechnung der Alhi zurückzuführen sei, ohne sich z.B. durch Rückfrage bei ihr über die Richtigkeit ihrer Vermutung zu überzeugen, habe sie zumindest grob fahrlässig gehandelt. Mit Urteil vom 28. Juli 2005 hat das SG die Klage abgewiesen; in den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei einem derart offenkundigen Fehler - die Klägerin habe mehr Alhi als zuvor Alg erhalten - habe sie keinesfalls blind darauf vertrauen dürfen, dass die Alhi-Berechnung korrekt gewesen sei, weshalb sie als Empfängerin einer Sozialleistung verpflichtet gewesen sei, ihre Zweifel dem ArbA mitzuteilen.
Gegen dieses ihrem Bevollmächtigten am 5. August 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 1. September 2005 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Sie sei nicht in der Lage gewesen, die Abrechnung selbst nachzuvollziehen, und habe sich über die Höhe der Bewilligung überhaupt keine Gedanken gemacht, weil sie schlichtweg von der Richtigkeit der Berechnungsweise ausgegangen sei und auf diese vertraut habe. Sie habe ja kein völlig unverständliches Schreiben einer Behörde erhalten, bei dem sie überhaupt nicht gewusst habe, worum es gegangen sei und deshalb offenkundig die Pflicht bestanden habe, sich Klarheit über den Inhalt zu verschaffen. Sie sei zwar deutsche Staatsbürgerin, der deutschen Sprache jedoch nicht so mächtig, dass das Merkblatt, dessen Erhalt sie unterschriftlich bestätigt habe, habe lesen und verstehen können. Das nunmehr von der Beklagten vorgelegte Merkblatt 1 für Arbeitslose habe sie zudem nicht erhalten. Die Klägerin hat u.a. Kopien der Änderungsbescheide vom 8. Januar 2002 und 18. März 2003 zu den Akten gereicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Die Klägerin habe grob fahrlässig gehandelt, indem sie den übersandten Bescheid nicht zur Kenntnis genommen und einer einfachen Schlüssigkeitsprüfung unterzogen habe. Bei Wahrung der von ihr verlangten Sorgfalt hätte sie erkennen können, dass ihr Alhi nach der Leistungsgruppe C bewilligt worden sei und diese Leistungsgruppe der Steuerklasse III entspreche, obwohl sie der Steuerklasse V und damit der Leistungsgruppe D zuzuordnen gewesen sei. Auch bei Prüfung des Leistungssatzes hätte der Klägerin auffallen müssen, dass dieser deutlich höher als das Alg gewesen sei; die Differenz habe sich auf wöchentlich 11,90 Euro und nicht auf monatlich 10,00 Euro belaufen. Die Klägerin habe im Übrigen ausweislich der Angaben im Anmeldebogen vom 15. Dezember 1994 bereits seinerzeit über gute Deutschkenntnisse verfügt; selbst wenn dies aber nicht der Fall gewesen wäre, hätte sie sich Klarheit über den Inhalt der ihr übersandten behördlichen Schreiben verschaffen müssen. Die Beklagte hat eine Ablichtung des Merkblatts 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" (Stand April 2001) sowie zwei Muster von Bescheiden vorgelegt, wie sie im Jahr 2002 im Rahmen der Bewilligung von Alhi Verwendung gefunden haben.
Der Senat hat der Klägerin noch Kopie des Merkblatts 1b "Arbeitslosenhilfe" (Stand Februar 2002) übersandt (vgl. Verfügung vom 6. März 2007).
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als EUR 500,00 beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.
Verfahrensrechtliche Grundlage der kassatorischen Entscheidung der Beklagten ist hier mit Blick auf den von Anfang an teilweise rechtswidrigen Bescheid vom 27. März 2002 die Bestimmung des § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in der Modifikation durch § 330 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III), während bezüglich des auf der Grundlage der Leistungsentgeltverordnung 2003 ergangenen Bescheids vom 18. Januar 2003 auf die Vorschrift des § 48 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III zurückzugreifen ist (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1300 § 45 Nr. 42 S. 138). § 45 SGB X ist - in Abgrenzung zu § 48 SGB X - dann anzuwenden, wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid bereits zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig war (vgl. BSGE 74, 20, 23 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32; BSG, Urteil vom 14. März 1996 - 7 RAr 84/94 - (juris)). Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach den tatsächlichen und materiellrechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsakts (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Da § 330 Abs. 2 und 3 Satz 1 SGB III die Rücknahme (Aufhebung) unter den Voraussetzungen der §§ 45 Abs. 2 Satz 3, 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zwingend vorschreiben (vgl. z.B. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 13; SozR a.a.O. § 152 Nr. 8), ist es unschädlich, dass sich die angefochtenen Bescheide allein auf § 45 SGB X bezogen haben (vgl. hierzu auch BSGE 87, 4 ff. = SozR 3-4100 § 152 Nr. 9). Nach § 45 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Abs. 2 und 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Ein gleichgelagerter Aufhebungstatbestand findet sich in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit ist der Erlass des zurückzunehmenden begünstigenden Bescheides (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 24 S. 82; SozR a.a.O. Nr. 39 S. 127; Wiesner in von Wulffen u.a., SGB X, 5. Auflage, § 45 Rdnr.23)
Die vorgenannten Voraussetzungen für eine teilweise Kassation der Bescheide vom 27. März 2002 und 18. Januar 2003 in der Zeit vom 27. März 2002 bis 26. März 2003 liegen vor.
Nach § 195 Satz 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - SGB III - (in der hier noch anwendenden Fassung des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2970)) betrug die Alhi für Arbeitslose - wie die Klägerin -, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben (vgl. hierzu § 129 Nr. 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266)), 57 Prozent des Leistungsentgelts. Leistungsentgelt ist das um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt (vgl. hierzu § 198 Satz 2 Nr. 4 SGB III (in der Fassung des 1. SGB III-Änderungsgesetzes) i.V.m. § 136 Abs. 1 SGB III (in der Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 - AFRG -, BGBl. I S. 594)). Die insoweit als gewöhnlicher Abzug zugrunde zu legende Steuer richtet sich nach der Leistungsgruppe, der der Arbeitsnehmer zuzuordnen ist (vgl. § 198 Satz 1 Nr. 4 SGB III i.V.m. § 137 Abs. 1 SGB III (in der Fassung des AFRG)), wobei sich die jeweils maßgebliche Leistungsgruppe regelmäßig (zu der - hier nicht einschlägigen - Ausnahme des Steuerklassenwechsels unter Ehegatten vgl. § 137 Abs. 4 SGB III (in der Fassung des AFRG)) an der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse orientiert (vgl. § 137 Abs. 2 SGB III; zur Tatbestandswirkung des Eintrags auf der Steuerkarte BSGE 61, 45, 50 = SozR 4100 § 113 Nr. 5; BSG, Urteil vom 30. Mai 1990 - 11 RAr 95/89 - (juris)). Bemessungsentgelt für die Alhi war nach § 200 Abs. 1 SGB III (Fassung durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1971)) das Bemessungsentgelt, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden war, vermindert um den Betrag, der auf einmalig gezahltem Arbeitsentgelt beruht (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen bei der Alhi-Bemessung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 26. September 2005 - 1 BvR 1773/03 - NZS 2006, 247 ff.; BSG SozR 4-4300 § 434c Nr. 3; BSG, Urteil vom 5. September 2006 - B 7a AL 66/05 R - (juris)).
Maßgebliche Berechnungsgrundlagen für die Alhi waren mithin das gerundete Bruttoarbeitsentgelt (Bemessungsentgelt), das hieraus - unter Zugrundelegung der sich an der Lohnsteuerklasse orientierenden Leistungsgruppe zu errechnende - pauschalierte hypothetische Nettoentgelt (Leistungsentgelt) sowie der, je nachdem, ob Kinder vorhanden sind oder nicht, zu bestimmende Prozentsatz. Während die Beklagte den Prozentsatz von 57 zutreffend herangezogen und auch das Bemessungsentgelt der Alhi (vgl. hierzu auch BSG SozR 3-4100 § 136 Nr. 12) auf der Grundlage des bei der Alg-Bemessung berücksichtigten Bruttoarbeitsentgelts ohne Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld (insgesamt 33.690,93 Euro) im Rahmen ihrer Rechenoperationen jedenfalls nicht zu Ungunsten der Klägerin mit gerundet 330,00 Euro (vgl. § 132 Abs. 3 SGB III in der Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983)) ermittelt hat, traf das auf die als weiteren Faktor zugrunde gelegte Leistungsgruppe nicht zu. Denn vorliegend war im streitbefangenen Zeitraum auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin durchgehend die Steuerklasse V eingetragen, sodass nach § 137 Abs. 2 Nr. 4 SGB III eine Zuordnung zur Leistungsgruppe D hätte erfolgen müssen; stattdessen ist im Bescheid vom 27. März 2002 sowie im Folgebescheid vom 18. Januar 2003 zu Unrecht ein Rückgriff auf die (günstigste) Leistungsgruppe C erfolgt, welche für die Steuerklasse III gilt (vgl. Nr. 3 Buchst. a a.a.O.).
Aus all dem hätte sich - bei richtiger Zuordnung der Klägerin zur Leistungsgruppe D - unter Heranziehung der auf der Ermächtigung des § 151 Abs. 2 SGB III beruhenden SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2002 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 4036) ab 27. März 2002 ein konkreter Leistungssatz von wöchentlich 96,04 Euro (täglich 13,72 Euro) sowie unter Anwendung der gleichfalls ermächtigungskonformen SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2003 vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4673) ab 1. Januar 2003 ein Leistungssatz von 95,27 Euro (täglich 13,61 Euro) ergeben müssen; stattdessen hat die Beklagte mit den Bescheiden vom 27. März 2002 und 18. Januar 2003 - ab 27. März 2002 auf der Grundlage eines wöchentlichen Leistungssatzes von 149,66 Euro (täglich 21,38 Euro) und ab 1. Januar 2003 von 148,89 Euro (täglich 21,27 Euro) sowie unter Berücksichtigung des Anrechnungsbetrags von lediglich 15,97 Euro (§ 194 Abs. 1 und 2 SGB III in den jeweiligen Fassungen bis 31. Dezember 2004) - fehlerhaft einen Leistungsbetrag von wöchentlich 133,70 Euro bzw. 132,93 Euro zuerkannt, so dass sich in rechtwidriger Weise eine tägliche Differenz zu ihren Lasten von 7,66 Euro (wöchentlich 53,62 Euro) ergeben hat.
In diesem Umfang standen die vorgenannten Bescheide mit der materiellen Rechtslage nicht im Einklang. Auch wenn der Klägerin mit Blick auf ihre zutreffenden Angaben im Alhi-Antrag vom 5. März 2002 zur Lohnsteuerklasse V ein Verstoß gegen ihre Mitteilungspflichten nicht vorgehalten werden kann und damit hinsichtlich des Bescheids vom 27. März 2002 die Vorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X - bezüglich des Folgebescheids vom 18. Januar 2003 § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X - ausscheidet, vermag sie sich dennoch auf Grundsätze des Vertrauensschutzes nicht zu berufen. Denn sie hat die (Teil-)Rechtswidrigkeit der Bewilligung jedenfalls auf Grund grober Fahrlässigkeit nicht erkannt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X; § 48 Abs. 2 Nr. 4 SGB X); maßgeblicher Zeitpunkt für die grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit ist der Erlass des zurückzunehmenden begünstigenden Verwaltungsakts (vgl. hierzu nochmals BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn. 24 und 39). Bösgläubigkeit im Sinne der vorgenannten Vorschriften bedeutet nicht, dass die Begünstigte die Rechtswidrigkeit der Überzahlung betragsmäßig genau gekannt oder grob fahrlässig nicht erkannt hat; ausreichend ist vielmehr, dass sie hinsichtlich eines bestimmten Teils des Verwaltungsakts, auf dessen Korrektur sich die Rücknahmeentscheidung bezieht, bösgläubig war (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 42 S. 137). Dies war hier mit Bezug auf die der Bemessung fälschlicherweise zugrunde gelegte Leistungsgruppe C der Fall. Grobe Fahrlässigkeit setzt eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Maßes, d.h. eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung voraus; es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR a.a.O. Nr. 10 S. 33). Insoweit ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere an der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen der Betroffenen sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Missachtet die Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise im Bescheid oder in einem Merkblatt und konnte sie dies nach ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrem Bildungsstand erkennen, so begründet dies im Regelfall, wenn nicht gar Kenntnis, so zumindest grobe Fahrlässigkeit (vgl. BSGE 44, 264, 273; BSG, Urteil vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96 - (juris)).
Die der Alhi-Bewilligung ab 27. März 2003 fehlerhaft zugrunde gelegte Leistungsgruppe C führte - trotz des Anrechnungsbetrags von 15,97 Euro - zu wöchentlichen Leistungsbeträgen, die ihrer Höhe nach (133,70 Euro bzw. ab 1. Januar 2003 132,93 Euro) sogar deutlich über dem zuletzt bewilligten Alg von wöchentlich 121,80 Euro lagen. Diese erhebliche Diskrepanz in der Leistungshöhe, die auf der fehlerhaften Zuordnung der Leistungsgruppe C beruhte, hätte die Klägerin beim genaueren Durchlesen des Bescheids vom 27. März 2002 ohne weitere Überlegungen sofort erkennen können (vgl. hierzu BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 S. 154 ff.); sofern sie dies nicht getan haben sollte, gereicht ihr dies zum Vorwurf eines besonders schweren Sorgfaltsverstoßes. Von der Rechtmäßigkeit der Höhe der Alhi konnte sie ohne jegliche Nachprüfung bei einem solchen ganz offensichtlichen Unterschied in der Leistungshöhe nicht ausgehen, denn, wie bereits vom SG zutreffend ausgeführt, war Leistungsbeziehern - aber nicht nur diesen, sondern auch in weiten Kreisen der Bevölkerung - allgemein bekannt, dass die Alhi stets deutlich niedriger als das Alg gewesen ist. Der Klägerin hätte es daher ins Auge springen müssen, dass mit der ihr ab 27. März 2002 bewilligten Alhi, die wöchentlich um über 11,00 Euro über dem zuletzt mit dem Änderungsbescheid vom 8. Januar 2002 zuerkannten wöchentlichen Leistungsbetrag des Alg von 121,80 Euro lag, etwas nicht in Ordnung war. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich auch, dass ihr dieses Missverhältnis durchaus aufgefallen war, denn anders lässt sich nicht erklären, dass sie sich Gedanken darüber gemacht hatte, ob die Höhe der das Alg übersteigenden Alhi auf Gesetzesänderungen oder auf eine geänderte Berechnungsweise der Leistung zurückzuführen sei. Bei den sich ihr aufdrängenden Zweifeln wäre sie daher gehalten gewesen, sich an eine fachkundige Stelle, insbesondere an das ArbA, zu wenden, um die Angelegenheit zu klären (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 2005 - L 7 AL 1109/05 - (unveröffentlicht)). Dass sie dies nicht getan hat, ist ihr hier vorzuwerfen.
Beim einfachen Durchlesen des Bescheids vom 27. März 2002 hätte ihr zudem ohne weitere Überlegungen auffallen müssen, worauf der Fehler der überhöhten Zahlung beruhte. Die der Alhi-Bewilligung zugrunde gelegte Leistungsgruppe C war ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Musters eines Alhi-Bewilligungsbescheids (Anlage 1 des Schriftsatzes vom 26. Februar 2007) - ebenso wie in dem von der Klägerin eingereichten Änderungsbescheid vom 18. Januar 2003 - unter der Überschrift "Berechnungsgrundlagen" deutlich aufgeführt. Weitere eindeutige und unmissverständliche Erläuterungen zur Abhängigkeit der Leistungsgruppe von der auf der Steuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse ergeben sich aus den Hinweisen auf der Rückseite des vorgelegten Musterbescheids, um dessen Beachtung auf der Vorderseite des Bescheidsvordrucks gebeten worden war. Dort ist unter Punkt 1. "Allgemeines" ausgeführt, dass aus dem Bemessungsentgelt in Abhängigkeit zur Lohnsteuerklasse - Leistungsgruppe - das Leistungsentgelt bestimmt wird. Unter Punkt 3. "Leistungsgruppe" ist nochmals darauf verwiesen, dass die Zuordnung zur Leistungsgruppe ( ... vorzunehmender Feldeintrag) aufgrund der Lohnsteuerklasse ( ... Eintrag) erfolgt sei. Die Bedeutung der Lohnsteuerklasse für die Leistungsgruppenzuordnung scheint der Klägerin im Übrigen durchaus nicht unbekannt gewesen zu sein. Sie ergibt sich auch klar und ohne Weiteres nachvollziehbar aus dem Merkblatt 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" (Stand April 2001) in Verbindung mit dem Merkblatt 1b "Arbeitslosenhilfe" (Stand Februar 2002), deren Erhalt sowie die Kenntnisnahme die Klägerin mit den Anträgen über Alg am 24. April 2001 sowie über Alhi am 5. März 2002 unterschriftlich bestätigt hat; soweit die Klägerin nunmehr behaupten sollte, diese Merkblätter nicht erhalten zu haben, erachtet Senat diesen unsubstantiierten Vortrag schon angesichts ihrer Unterschriftsleistung für nicht glaubhaft. Im Merkblatt 1b ist Seite 2 bezüglich der Informationen zur Höhe der Alhi auf das Merkblatt 1 für Arbeitslose verwiesen. Dort wiederum ist unter Punkt 4. "Höhe der Leistung" auf S. 26 aufgeführt, welche Faktoren für die Bemessung des Alg und der Alhi maßgeblich sind. Unter Punkt 4.2 "Die Bedeutung der Lohnsteuerklasse" ist auf S. 29 erläutert, dass die Leistungssätze je nach Lohnsteuerklassen getrennt berechnet werden und in den Leistungstabellen nach Leistungsgruppen ausgewiesen sind. Die Zuordnung der Leistungsgruppen zu den Lohnsteuerklassen ist sodann durch ein Schema übersichtlich dargestellt, aus welchem sich ergibt, dass die Leistungsgruppe C der Steuerklasse III und die Leistungsgruppe D der Steuerklasse V entspricht. Außer dem unzweckmäßigen Steuerklassenwechsel findet sich im Merkblatt keine weitere Ausnahme von der Maßgeblichkeit der Lohnsteuerklasse beschrieben; eine solche gibt es auch nicht (vgl. nochmals § 137 Abs. 4 SGB III (Fassung durch das AFRG)).
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, auf die Richtigkeit der Bescheide vertraut zu haben, vermag sie sich damit nicht zu entlasten. Wenn sie den Bescheid vom 27. März 2002 nicht angeschaut und auf seine - sofort erkennbare - Unrichtigkeit überprüft hat, ist ihr dies als grobe Sorgfaltspflichtverletzung anzulasten; auf die Rechtmäßigkeit der Höhe der Alhi konnte sie sich nach dem oben Gesagten schlechterdings nicht verlassen. Dass die Bewilligungs- und Änderungsbescheide der Beklagten ebenso wie die Merkblätter - in deutscher Sprache abgefasst waren, ändert daran nichts (vgl. auch § 19 Abs. 1 SGB X). Vielmehr wäre die Klägerin bei mangelnder Beherrschung der deutschen Sprache - freilich hatte sie im Anmeldebogen der Zentralen Aufnahmestelle für Aussiedler vom 15. Dezember 1994 im Lesen und Schreiben gute deutsche Sprachkenntnisse angegeben - gehalten gewesen, sich notfalls mit Hilfe einer des Deutschen und ihrer Muttersprache kundigen Person Klarheit über deren Inhalt zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 1997 a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 2001 - L 13 AL 113/00 - (unveröffentlicht)). Der Werdegang der Klägerin sowie die sich aus den Akten erschließende Persönlichkeitsstruktur bieten keinen Anhalt dafür, dass ihr Einsichts-, Kritik- und Beurteilungsvermögen auf Grund subjektiver Merkmale beeinträchtigt gewesen sein könnte.
Nach allem ist der Klägerin ein - den Vertrauensschutz ausschließendes - Fehlverhalten im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vorzuwerfen; da § 330 Abs. 2 SGB III unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes im Umfang seiner Rechtwidrigkeit zwingend vorschreibt, ist ein Mitverschulden der Beklagten an der Leistungsüberzahlung ohne Bedeutung. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit hinsichtlich der (unzutreffenden) Leistungsgruppe C setzt sich im Bescheid vom 18. Januar 2003 über § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X fort (vgl. hierzu BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 42 S. 138). Die in § 45 Abs. 3 und 4 sowie § 48 Abs. 4 SGB X genannten Fristen sind eingehalten. All das hat zur Folge, dass die Klägerin nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet ist, die im Zeitraum vom 27. März 2002 bis 26. März 2003 überzahlten Leistungen zu erstatten. Den Rückforderungsbetrag hat die Beklagte mit 2.795,90 Euro zutreffend berechnet. Diesen Betrag hat die Klägerin zu erstatten. Über die Modalitäten der Rückzahlung war vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. BSG SozR 1200 § &61492;2 Nr. 4 S. 18; SozR 3-1300 § 48 Nr. 3 S.84).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die teilweise Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) sowie über die Rückforderung von im Zeitraum vom 27. März 2002 bis 26. März 2003 überzahlten Leistungen von 2.795,90 Euro.
Die am in K. (Kasachstan) geborene Klägerin gelangte als Spätaussiedlerin im Dezember 1994 mit ihren beiden Kindern (geb. 1979 und 1985) in das Bundesgebiet; in ihrem Heimatort war sie zuletzt von Mitte April 1993 bis Anfang November 1994 als Fachmännin (Warenkundlerin) im Ersatzteillager für Landmaschinen beschäftigt. Vom 12. Dezember 1994 bis 10. Juni 1995 bezog die Klägerin von der Beklagten Eingliederungshilfe für Spätaussiedler. Später war die Klägerin, die sich am 9. Dezember 2000 wiederverheiratet hatte, von Februar bis Mai 1996 als Küchenhelferin, von Mitte September 1996 bis Ende März 1997 als Putzfrau sowie vom 24. März 1997 bis 31. März 2001 als Kunststoffwerkerin und Versandarbeiterin beschäftigt; im letztgenannten Beschäftigungsverhältnis hatte sich das im Zeitraum vom 1. April 2000 bis 31. März 2001 abgerechnete Arbeitsentgelt ausweislich der Arbeitsbescheinigung vom 6. April 2001 auf insgesamt 37.135,93 Euro (einschließlich Urlaubsgeld (960,00 Euro) und Weihnachtsgeld (2.485,00 Euro)) belaufen.
Auf den am 2. April 2001 beim Arbeitsamt Nagold (ArbA) mit der Arbeitslosmeldung gestellten Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin - auf der Grundlage eines (dynamisierten) Bemessungsentgelts von 710,00 DM, der Leistungsgruppe D und dem Prozentsatz von 67 (entsprechend der auf der Lohnsteuerkarte 2001 eingetragenen Steuerklasse V sowie dem Kinderfreibetrag) - ab 1. April 2001 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von wöchentlich 237,37 DM (Bescheid vom 2. Mai 2001). Ab 1. Januar 2002 bis zur Erschöpfung des Anspruchs mit dem 26. März 2002 wurde das Alg - nach Umrechnung des Bemessungsentgelts auf 365,00 Euro (übrige Berechnungsfaktoren wie bisher) - auf der Grundlage der Leistungsentgeltverordnung 2002 nach einem Leistungssatz von wöchentlich 121,80 Euro (täglich 17,40 Euro) gewährt (Änderungsbescheid vom 8. Januar 2002).
Am 5. März 2002 beantragte die Klägerin, auf deren Lohnsteuerkarte auch 2002 die Steuerklasse V eingetragen war, beim ArbA Alhi; im Formantrag bestätigte sie gleichfalls am 5. März 2002 unterschriftlich, dass sie vom Inhalt des Merkblatts 1b "Arbeitslosenhilfe" Kenntnis genommen habe. Durch Bescheid vom 27. März 2002 bewilligte die Beklagte die Leistung ab 27. März 2002 nach einem wöchentlichen Leistungsbetrag von 133,70 Euro (täglich 19,10 Euro); bei der Leistungsberechnung, bei der sie von einem wöchentlichen Leistungssatz von 149,66 Euro ausgegangen war, war ein Anrechnungsbetrag von wöchentlich 15,97 Euro (aus dem Einkommen des Ehemanns), ferner das Kindermerkmal, ein (ohne Urlaubs- und Weihnachtsgeld) mit 330,00 Euro ermitteltes Bemessungsentgelt (ungerundet 331,27 Euro) sowie - entgegen der auf der Steuerkarte der Klägerin eingetragenen Steuerklasse und deren Angaben im Formantrag - die Leistungsgruppe C berücksichtigt. Auch bei dem nach der Leistungsentgeltverordnung 2003 ergangenen Änderungsbescheid vom 18. Januar 2003 wurde bei der Leistungsberechnung wiederum die Leistungsgruppe C herangezogen (übrige Berechnungsfaktoren sowie Anrechnungsbetrag wie zuvor), so dass die Klägerin ab 1. Januar 2003 bis zum Ende des Bewilligungsabschnitts (26. März 2003) Alhi von wöchentlich 132,93 Euro (täglich 18,99 Euro) erhielt.
Erst nachdem die Klägerin am 4. März 2003 die Fortzahlung der Alhi beantragt und hierzu am 17. März 2003 den Formantrag sowie die Lohnsteuerkarte 2003 vorgelegt hatte, wurde die fehlerhafte Zuordnung der Leistungsgruppe C bei der Bewilligung ab 27. März 2002 bemerkt. Wegen des den wöchentlichen Leistungssatz von 95,27 Euro übersteigenden Einkommens des Ehemanns lehnte die Beklagte die Bewilligung der Alhi ab 27. März 2003 im (bestandskräftig gewordenen) Bescheid vom 2. Mai 2003 ab. Auf das Anhörungsschreiben vom 2. Mai 2003 äußerte sich die Klägerin am 10. Mai 2003 dahingehend, dass dem ArbA von Beginn ihrer Arbeitslosigkeit bekannt gewesen sei, dass sie die Lohnsteuerklasse V gehabt habe; sie habe davon ausgehen können, dass die Berechnung der Alhi ebenfalls korrekt gewesen sei, nachdem es in den Jahren 2001 und 2002 keine Beanstandungen gegeben habe. Wenn das ArbA nunmehr sage, dass die Berechnung falsch gewesen sei, sei es Sache des zuständigen Mitarbeiters oder der zuständigen Mitarbeiterin, sich zu verantworten, nicht jedoch die ihre.
Durch Bescheid vom 3. Juni 2003 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 27. März 2002 bis 26. März 2003 unter Heranziehung der Vorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) teilweise auf und forderte gemäß § 50 Abs. 1 SGB X die Erstattung der Überzahlung von 2.795,90 Euro; sofern die Klägerin die fehlerhafte Bewilligung nicht erkannt habe, weil sie das ihr ausgehändigte Merkblatt für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" bzw. das ergänzende Merkblatt für Alhi nicht gelesen habe, sei dies als grobe Fahrlässigkeit zu bewerten. Mit ihrem Widerspruch verwies die Klägerin erneut darauf, dass sie im Antrag auf Alhi die Lohnsteuerklasse V angegeben habe und machte weiter geltend, dass sie als so genannte Russlanddeutsche der deutschen Sprache nicht so mächtig gewesen sei, dass sie das Merkblatt für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" habe in allen Einzelheiten lesen und verstehen können. Im Übrigen sei ihrer Auffassung nach das Nichtlesen eines einem Bescheid beigefügten Merkblatts als solches nicht schon als grobe Fahrlässigkeit zu bewerten. Sie habe auf die Richtigkeit des Bescheids vertraut und danach ihre Lebensführung ausgerichtet; aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse sei sie nicht in der Lage, den Erstattungsbetrag zurückzuzahlen. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. August 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen; die Klägerin habe die fehlerhafte Zuordnung der Leistungsgruppe C erkennen können, denn im Merkblatt, dessen Erhalt und Kenntnisnahme die Klägerin mit ihrer Unterschrift im Antragsformular bestätigt habe, seien verständliche Hinweise dazu enthalten, dass bei der Lohnsteuerklasse V die Leistungsgruppe D maßgebend sei. Von der Klägerin habe auch eine Prüfung des Bewilligungsbescheids erwartet werden können; hierbei hätte sie bei Anstellung einfachster Überlegungen erkennen können, dass die Alhi bei einem verminderten Bemessungsentgelt, einem Anrechnungsbetrag und einem generell niedrigeren Prozentsatz nicht höher als das Alg sein könne, sodass sie in dessen Folge auch die fehlerhafte Leistungsgruppe habe erkennen können.
Deswegen hat die Klägerin am 10. September 2003 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Sie habe keine Veranlassung gehabt, die Richtigkeit des Bescheids zu überprüfen; der Fehler habe ausschließlich in der Interessenssphäre der Beklagten gelegen. Hinsichtlich des Unterschiedsbetrags von "monatlich" etwa 10,00 Euro sei sie davon ausgegangen, dass zwischenzeitlich Gesetzesänderungen stattgefunden hätten oder aber sich an der Berechnungsweise der Alhi etwas geändert haben könnte. Die Art und Weise der Berechnung habe sie nicht nachvollziehen können. Das von der Beklagten zitierte Merkblatt liege ihr im Übrigen nicht vor. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten; wenn die Klägerin davon ausgegangen sei, dass die Bewilligung der die Höhe des Alg übersteigenden Alhi auf eine zwischenzeitliche Gesetzesänderung oder auf die Berechnung der Alhi zurückzuführen sei, ohne sich z.B. durch Rückfrage bei ihr über die Richtigkeit ihrer Vermutung zu überzeugen, habe sie zumindest grob fahrlässig gehandelt. Mit Urteil vom 28. Juli 2005 hat das SG die Klage abgewiesen; in den Entscheidungsgründen hat es im Wesentlichen ausgeführt, bei einem derart offenkundigen Fehler - die Klägerin habe mehr Alhi als zuvor Alg erhalten - habe sie keinesfalls blind darauf vertrauen dürfen, dass die Alhi-Berechnung korrekt gewesen sei, weshalb sie als Empfängerin einer Sozialleistung verpflichtet gewesen sei, ihre Zweifel dem ArbA mitzuteilen.
Gegen dieses ihrem Bevollmächtigten am 5. August 2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 1. September 2005 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Sie sei nicht in der Lage gewesen, die Abrechnung selbst nachzuvollziehen, und habe sich über die Höhe der Bewilligung überhaupt keine Gedanken gemacht, weil sie schlichtweg von der Richtigkeit der Berechnungsweise ausgegangen sei und auf diese vertraut habe. Sie habe ja kein völlig unverständliches Schreiben einer Behörde erhalten, bei dem sie überhaupt nicht gewusst habe, worum es gegangen sei und deshalb offenkundig die Pflicht bestanden habe, sich Klarheit über den Inhalt zu verschaffen. Sie sei zwar deutsche Staatsbürgerin, der deutschen Sprache jedoch nicht so mächtig, dass das Merkblatt, dessen Erhalt sie unterschriftlich bestätigt habe, habe lesen und verstehen können. Das nunmehr von der Beklagten vorgelegte Merkblatt 1 für Arbeitslose habe sie zudem nicht erhalten. Die Klägerin hat u.a. Kopien der Änderungsbescheide vom 8. Januar 2002 und 18. März 2003 zu den Akten gereicht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28. Juli 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11. August 2003 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Die Klägerin habe grob fahrlässig gehandelt, indem sie den übersandten Bescheid nicht zur Kenntnis genommen und einer einfachen Schlüssigkeitsprüfung unterzogen habe. Bei Wahrung der von ihr verlangten Sorgfalt hätte sie erkennen können, dass ihr Alhi nach der Leistungsgruppe C bewilligt worden sei und diese Leistungsgruppe der Steuerklasse III entspreche, obwohl sie der Steuerklasse V und damit der Leistungsgruppe D zuzuordnen gewesen sei. Auch bei Prüfung des Leistungssatzes hätte der Klägerin auffallen müssen, dass dieser deutlich höher als das Alg gewesen sei; die Differenz habe sich auf wöchentlich 11,90 Euro und nicht auf monatlich 10,00 Euro belaufen. Die Klägerin habe im Übrigen ausweislich der Angaben im Anmeldebogen vom 15. Dezember 1994 bereits seinerzeit über gute Deutschkenntnisse verfügt; selbst wenn dies aber nicht der Fall gewesen wäre, hätte sie sich Klarheit über den Inhalt der ihr übersandten behördlichen Schreiben verschaffen müssen. Die Beklagte hat eine Ablichtung des Merkblatts 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" (Stand April 2001) sowie zwei Muster von Bescheiden vorgelegt, wie sie im Jahr 2002 im Rahmen der Bewilligung von Alhi Verwendung gefunden haben.
Der Senat hat der Klägerin noch Kopie des Merkblatts 1b "Arbeitslosenhilfe" (Stand Februar 2002) übersandt (vgl. Verfügung vom 6. März 2007).
Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als EUR 500,00 beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet.
Verfahrensrechtliche Grundlage der kassatorischen Entscheidung der Beklagten ist hier mit Blick auf den von Anfang an teilweise rechtswidrigen Bescheid vom 27. März 2002 die Bestimmung des § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in der Modifikation durch § 330 Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III), während bezüglich des auf der Grundlage der Leistungsentgeltverordnung 2003 ergangenen Bescheids vom 18. Januar 2003 auf die Vorschrift des § 48 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III zurückzugreifen ist (vgl. hierzu Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1300 § 45 Nr. 42 S. 138). § 45 SGB X ist - in Abgrenzung zu § 48 SGB X - dann anzuwenden, wenn der ursprüngliche Bewilligungsbescheid bereits zum Zeitpunkt seiner Bekanntgabe rechtswidrig war (vgl. BSGE 74, 20, 23 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32; BSG, Urteil vom 14. März 1996 - 7 RAr 84/94 - (juris)). Die Beurteilung der Rechtswidrigkeit bestimmt sich hierbei nach den tatsächlichen und materiellrechtlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des begünstigenden Verwaltungsakts (vgl. BSG SozR 3-1500 § 54 Nr. 18). Da § 330 Abs. 2 und 3 Satz 1 SGB III die Rücknahme (Aufhebung) unter den Voraussetzungen der §§ 45 Abs. 2 Satz 3, 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zwingend vorschreiben (vgl. z.B. BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 13; SozR a.a.O. § 152 Nr. 8), ist es unschädlich, dass sich die angefochtenen Bescheide allein auf § 45 SGB X bezogen haben (vgl. hierzu auch BSGE 87, 4 ff. = SozR 3-4100 § 152 Nr. 9). Nach § 45 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III ist ein begünstigender Verwaltungsakt unter Beachtung der Einschränkungen der Abs. 2 und 4 von § 45 SGB X ganz oder teilweise zurückzunehmen. Auf Vertrauensschutz (vgl. § 45 Abs. 2 Sätze 1 und 2 SGB X) kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Ein gleichgelagerter Aufhebungstatbestand findet sich in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bösgläubigkeit ist der Erlass des zurückzunehmenden begünstigenden Bescheides (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 24 S. 82; SozR a.a.O. Nr. 39 S. 127; Wiesner in von Wulffen u.a., SGB X, 5. Auflage, § 45 Rdnr.23)
Die vorgenannten Voraussetzungen für eine teilweise Kassation der Bescheide vom 27. März 2002 und 18. Januar 2003 in der Zeit vom 27. März 2002 bis 26. März 2003 liegen vor.
Nach § 195 Satz 1 Nr. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - SGB III - (in der hier noch anwendenden Fassung des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2970)) betrug die Alhi für Arbeitslose - wie die Klägerin -, die mindestens ein Kind im Sinne des § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes haben (vgl. hierzu § 129 Nr. 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266)), 57 Prozent des Leistungsentgelts. Leistungsentgelt ist das um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderte Bemessungsentgelt (vgl. hierzu § 198 Satz 2 Nr. 4 SGB III (in der Fassung des 1. SGB III-Änderungsgesetzes) i.V.m. § 136 Abs. 1 SGB III (in der Fassung des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 - AFRG -, BGBl. I S. 594)). Die insoweit als gewöhnlicher Abzug zugrunde zu legende Steuer richtet sich nach der Leistungsgruppe, der der Arbeitsnehmer zuzuordnen ist (vgl. § 198 Satz 1 Nr. 4 SGB III i.V.m. § 137 Abs. 1 SGB III (in der Fassung des AFRG)), wobei sich die jeweils maßgebliche Leistungsgruppe regelmäßig (zu der - hier nicht einschlägigen - Ausnahme des Steuerklassenwechsels unter Ehegatten vgl. § 137 Abs. 4 SGB III (in der Fassung des AFRG)) an der auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse orientiert (vgl. § 137 Abs. 2 SGB III; zur Tatbestandswirkung des Eintrags auf der Steuerkarte BSGE 61, 45, 50 = SozR 4100 § 113 Nr. 5; BSG, Urteil vom 30. Mai 1990 - 11 RAr 95/89 - (juris)). Bemessungsentgelt für die Alhi war nach § 200 Abs. 1 SGB III (Fassung durch Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1971)) das Bemessungsentgelt, nach dem das Alg zuletzt bemessen worden war, vermindert um den Betrag, der auf einmalig gezahltem Arbeitsentgelt beruht (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Nichtberücksichtigung von Einmalzahlungen bei der Alhi-Bemessung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 26. September 2005 - 1 BvR 1773/03 - NZS 2006, 247 ff.; BSG SozR 4-4300 § 434c Nr. 3; BSG, Urteil vom 5. September 2006 - B 7a AL 66/05 R - (juris)).
Maßgebliche Berechnungsgrundlagen für die Alhi waren mithin das gerundete Bruttoarbeitsentgelt (Bemessungsentgelt), das hieraus - unter Zugrundelegung der sich an der Lohnsteuerklasse orientierenden Leistungsgruppe zu errechnende - pauschalierte hypothetische Nettoentgelt (Leistungsentgelt) sowie der, je nachdem, ob Kinder vorhanden sind oder nicht, zu bestimmende Prozentsatz. Während die Beklagte den Prozentsatz von 57 zutreffend herangezogen und auch das Bemessungsentgelt der Alhi (vgl. hierzu auch BSG SozR 3-4100 § 136 Nr. 12) auf der Grundlage des bei der Alg-Bemessung berücksichtigten Bruttoarbeitsentgelts ohne Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld (insgesamt 33.690,93 Euro) im Rahmen ihrer Rechenoperationen jedenfalls nicht zu Ungunsten der Klägerin mit gerundet 330,00 Euro (vgl. § 132 Abs. 3 SGB III in der Fassung des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983)) ermittelt hat, traf das auf die als weiteren Faktor zugrunde gelegte Leistungsgruppe nicht zu. Denn vorliegend war im streitbefangenen Zeitraum auf der Lohnsteuerkarte der Klägerin durchgehend die Steuerklasse V eingetragen, sodass nach § 137 Abs. 2 Nr. 4 SGB III eine Zuordnung zur Leistungsgruppe D hätte erfolgen müssen; stattdessen ist im Bescheid vom 27. März 2002 sowie im Folgebescheid vom 18. Januar 2003 zu Unrecht ein Rückgriff auf die (günstigste) Leistungsgruppe C erfolgt, welche für die Steuerklasse III gilt (vgl. Nr. 3 Buchst. a a.a.O.).
Aus all dem hätte sich - bei richtiger Zuordnung der Klägerin zur Leistungsgruppe D - unter Heranziehung der auf der Ermächtigung des § 151 Abs. 2 SGB III beruhenden SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2002 vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 4036) ab 27. März 2002 ein konkreter Leistungssatz von wöchentlich 96,04 Euro (täglich 13,72 Euro) sowie unter Anwendung der gleichfalls ermächtigungskonformen SGB III-Leistungsentgeltverordnung 2003 vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4673) ab 1. Januar 2003 ein Leistungssatz von 95,27 Euro (täglich 13,61 Euro) ergeben müssen; stattdessen hat die Beklagte mit den Bescheiden vom 27. März 2002 und 18. Januar 2003 - ab 27. März 2002 auf der Grundlage eines wöchentlichen Leistungssatzes von 149,66 Euro (täglich 21,38 Euro) und ab 1. Januar 2003 von 148,89 Euro (täglich 21,27 Euro) sowie unter Berücksichtigung des Anrechnungsbetrags von lediglich 15,97 Euro (§ 194 Abs. 1 und 2 SGB III in den jeweiligen Fassungen bis 31. Dezember 2004) - fehlerhaft einen Leistungsbetrag von wöchentlich 133,70 Euro bzw. 132,93 Euro zuerkannt, so dass sich in rechtwidriger Weise eine tägliche Differenz zu ihren Lasten von 7,66 Euro (wöchentlich 53,62 Euro) ergeben hat.
In diesem Umfang standen die vorgenannten Bescheide mit der materiellen Rechtslage nicht im Einklang. Auch wenn der Klägerin mit Blick auf ihre zutreffenden Angaben im Alhi-Antrag vom 5. März 2002 zur Lohnsteuerklasse V ein Verstoß gegen ihre Mitteilungspflichten nicht vorgehalten werden kann und damit hinsichtlich des Bescheids vom 27. März 2002 die Vorschrift des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X - bezüglich des Folgebescheids vom 18. Januar 2003 § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X - ausscheidet, vermag sie sich dennoch auf Grundsätze des Vertrauensschutzes nicht zu berufen. Denn sie hat die (Teil-)Rechtswidrigkeit der Bewilligung jedenfalls auf Grund grober Fahrlässigkeit nicht erkannt (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X; § 48 Abs. 2 Nr. 4 SGB X); maßgeblicher Zeitpunkt für die grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit ist der Erlass des zurückzunehmenden begünstigenden Verwaltungsakts (vgl. hierzu nochmals BSG SozR 3-1300 § 45 Nrn. 24 und 39). Bösgläubigkeit im Sinne der vorgenannten Vorschriften bedeutet nicht, dass die Begünstigte die Rechtswidrigkeit der Überzahlung betragsmäßig genau gekannt oder grob fahrlässig nicht erkannt hat; ausreichend ist vielmehr, dass sie hinsichtlich eines bestimmten Teils des Verwaltungsakts, auf dessen Korrektur sich die Rücknahmeentscheidung bezieht, bösgläubig war (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 42 S. 137). Dies war hier mit Bezug auf die der Bemessung fälschlicherweise zugrunde gelegte Leistungsgruppe C der Fall. Grobe Fahrlässigkeit setzt eine Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Maßes, d.h. eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung voraus; es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR a.a.O. Nr. 10 S. 33). Insoweit ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere an der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen der Betroffenen sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Missachtet die Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise im Bescheid oder in einem Merkblatt und konnte sie dies nach ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrem Bildungsstand erkennen, so begründet dies im Regelfall, wenn nicht gar Kenntnis, so zumindest grobe Fahrlässigkeit (vgl. BSGE 44, 264, 273; BSG, Urteil vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96 - (juris)).
Die der Alhi-Bewilligung ab 27. März 2003 fehlerhaft zugrunde gelegte Leistungsgruppe C führte - trotz des Anrechnungsbetrags von 15,97 Euro - zu wöchentlichen Leistungsbeträgen, die ihrer Höhe nach (133,70 Euro bzw. ab 1. Januar 2003 132,93 Euro) sogar deutlich über dem zuletzt bewilligten Alg von wöchentlich 121,80 Euro lagen. Diese erhebliche Diskrepanz in der Leistungshöhe, die auf der fehlerhaften Zuordnung der Leistungsgruppe C beruhte, hätte die Klägerin beim genaueren Durchlesen des Bescheids vom 27. März 2002 ohne weitere Überlegungen sofort erkennen können (vgl. hierzu BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 45 S. 154 ff.); sofern sie dies nicht getan haben sollte, gereicht ihr dies zum Vorwurf eines besonders schweren Sorgfaltsverstoßes. Von der Rechtmäßigkeit der Höhe der Alhi konnte sie ohne jegliche Nachprüfung bei einem solchen ganz offensichtlichen Unterschied in der Leistungshöhe nicht ausgehen, denn, wie bereits vom SG zutreffend ausgeführt, war Leistungsbeziehern - aber nicht nur diesen, sondern auch in weiten Kreisen der Bevölkerung - allgemein bekannt, dass die Alhi stets deutlich niedriger als das Alg gewesen ist. Der Klägerin hätte es daher ins Auge springen müssen, dass mit der ihr ab 27. März 2002 bewilligten Alhi, die wöchentlich um über 11,00 Euro über dem zuletzt mit dem Änderungsbescheid vom 8. Januar 2002 zuerkannten wöchentlichen Leistungsbetrag des Alg von 121,80 Euro lag, etwas nicht in Ordnung war. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich auch, dass ihr dieses Missverhältnis durchaus aufgefallen war, denn anders lässt sich nicht erklären, dass sie sich Gedanken darüber gemacht hatte, ob die Höhe der das Alg übersteigenden Alhi auf Gesetzesänderungen oder auf eine geänderte Berechnungsweise der Leistung zurückzuführen sei. Bei den sich ihr aufdrängenden Zweifeln wäre sie daher gehalten gewesen, sich an eine fachkundige Stelle, insbesondere an das ArbA, zu wenden, um die Angelegenheit zu klären (vgl. Senatsurteil vom 16. Juni 2005 - L 7 AL 1109/05 - (unveröffentlicht)). Dass sie dies nicht getan hat, ist ihr hier vorzuwerfen.
Beim einfachen Durchlesen des Bescheids vom 27. März 2002 hätte ihr zudem ohne weitere Überlegungen auffallen müssen, worauf der Fehler der überhöhten Zahlung beruhte. Die der Alhi-Bewilligung zugrunde gelegte Leistungsgruppe C war ausweislich des von der Beklagten vorgelegten Musters eines Alhi-Bewilligungsbescheids (Anlage 1 des Schriftsatzes vom 26. Februar 2007) - ebenso wie in dem von der Klägerin eingereichten Änderungsbescheid vom 18. Januar 2003 - unter der Überschrift "Berechnungsgrundlagen" deutlich aufgeführt. Weitere eindeutige und unmissverständliche Erläuterungen zur Abhängigkeit der Leistungsgruppe von der auf der Steuerkarte eingetragenen Lohnsteuerklasse ergeben sich aus den Hinweisen auf der Rückseite des vorgelegten Musterbescheids, um dessen Beachtung auf der Vorderseite des Bescheidsvordrucks gebeten worden war. Dort ist unter Punkt 1. "Allgemeines" ausgeführt, dass aus dem Bemessungsentgelt in Abhängigkeit zur Lohnsteuerklasse - Leistungsgruppe - das Leistungsentgelt bestimmt wird. Unter Punkt 3. "Leistungsgruppe" ist nochmals darauf verwiesen, dass die Zuordnung zur Leistungsgruppe ( ... vorzunehmender Feldeintrag) aufgrund der Lohnsteuerklasse ( ... Eintrag) erfolgt sei. Die Bedeutung der Lohnsteuerklasse für die Leistungsgruppenzuordnung scheint der Klägerin im Übrigen durchaus nicht unbekannt gewesen zu sein. Sie ergibt sich auch klar und ohne Weiteres nachvollziehbar aus dem Merkblatt 1 für Arbeitslose "Ihre Rechte - Ihre Pflichten" (Stand April 2001) in Verbindung mit dem Merkblatt 1b "Arbeitslosenhilfe" (Stand Februar 2002), deren Erhalt sowie die Kenntnisnahme die Klägerin mit den Anträgen über Alg am 24. April 2001 sowie über Alhi am 5. März 2002 unterschriftlich bestätigt hat; soweit die Klägerin nunmehr behaupten sollte, diese Merkblätter nicht erhalten zu haben, erachtet Senat diesen unsubstantiierten Vortrag schon angesichts ihrer Unterschriftsleistung für nicht glaubhaft. Im Merkblatt 1b ist Seite 2 bezüglich der Informationen zur Höhe der Alhi auf das Merkblatt 1 für Arbeitslose verwiesen. Dort wiederum ist unter Punkt 4. "Höhe der Leistung" auf S. 26 aufgeführt, welche Faktoren für die Bemessung des Alg und der Alhi maßgeblich sind. Unter Punkt 4.2 "Die Bedeutung der Lohnsteuerklasse" ist auf S. 29 erläutert, dass die Leistungssätze je nach Lohnsteuerklassen getrennt berechnet werden und in den Leistungstabellen nach Leistungsgruppen ausgewiesen sind. Die Zuordnung der Leistungsgruppen zu den Lohnsteuerklassen ist sodann durch ein Schema übersichtlich dargestellt, aus welchem sich ergibt, dass die Leistungsgruppe C der Steuerklasse III und die Leistungsgruppe D der Steuerklasse V entspricht. Außer dem unzweckmäßigen Steuerklassenwechsel findet sich im Merkblatt keine weitere Ausnahme von der Maßgeblichkeit der Lohnsteuerklasse beschrieben; eine solche gibt es auch nicht (vgl. nochmals § 137 Abs. 4 SGB III (Fassung durch das AFRG)).
Soweit die Klägerin sich darauf beruft, auf die Richtigkeit der Bescheide vertraut zu haben, vermag sie sich damit nicht zu entlasten. Wenn sie den Bescheid vom 27. März 2002 nicht angeschaut und auf seine - sofort erkennbare - Unrichtigkeit überprüft hat, ist ihr dies als grobe Sorgfaltspflichtverletzung anzulasten; auf die Rechtmäßigkeit der Höhe der Alhi konnte sie sich nach dem oben Gesagten schlechterdings nicht verlassen. Dass die Bewilligungs- und Änderungsbescheide der Beklagten ebenso wie die Merkblätter - in deutscher Sprache abgefasst waren, ändert daran nichts (vgl. auch § 19 Abs. 1 SGB X). Vielmehr wäre die Klägerin bei mangelnder Beherrschung der deutschen Sprache - freilich hatte sie im Anmeldebogen der Zentralen Aufnahmestelle für Aussiedler vom 15. Dezember 1994 im Lesen und Schreiben gute deutsche Sprachkenntnisse angegeben - gehalten gewesen, sich notfalls mit Hilfe einer des Deutschen und ihrer Muttersprache kundigen Person Klarheit über deren Inhalt zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 24. April 1997 a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Januar 2001 - L 13 AL 113/00 - (unveröffentlicht)). Der Werdegang der Klägerin sowie die sich aus den Akten erschließende Persönlichkeitsstruktur bieten keinen Anhalt dafür, dass ihr Einsichts-, Kritik- und Beurteilungsvermögen auf Grund subjektiver Merkmale beeinträchtigt gewesen sein könnte.
Nach allem ist der Klägerin ein - den Vertrauensschutz ausschließendes - Fehlverhalten im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vorzuwerfen; da § 330 Abs. 2 SGB III unter den Voraussetzungen dieser Bestimmung die Rücknahme des begünstigenden Verwaltungsaktes im Umfang seiner Rechtwidrigkeit zwingend vorschreibt, ist ein Mitverschulden der Beklagten an der Leistungsüberzahlung ohne Bedeutung. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit hinsichtlich der (unzutreffenden) Leistungsgruppe C setzt sich im Bescheid vom 18. Januar 2003 über § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X fort (vgl. hierzu BSG SozR 3-1300 § 45 Nr. 42 S. 138). Die in § 45 Abs. 3 und 4 sowie § 48 Abs. 4 SGB X genannten Fristen sind eingehalten. All das hat zur Folge, dass die Klägerin nach § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet ist, die im Zeitraum vom 27. März 2002 bis 26. März 2003 überzahlten Leistungen zu erstatten. Den Rückforderungsbetrag hat die Beklagte mit 2.795,90 Euro zutreffend berechnet. Diesen Betrag hat die Klägerin zu erstatten. Über die Modalitäten der Rückzahlung war vorliegend nicht zu entscheiden (vgl. BSG SozR 1200 § &61492;2 Nr. 4 S. 18; SozR 3-1300 § 48 Nr. 3 S.84).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
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