L 7 AS 2511/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 2453/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 2511/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 4. April 2006 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im Streit ist die Zahlung von höherem Arbeitslosgeld II (Alg II) für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2005 wegen höherer Unterkunfts- und Heizungskosten (zusätzlich 41,23 EUR monatlich).

Der Kläger zu 1 und die Klägerin zu 2 waren im streitigen Zeitraum verheiratet und bewohnten im gleichen Haus auf verschiedenen Stockwerken jeweils 1-Zimmer-Wohnungen mit Küche und Bad. Insgesamt hatten sie tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft, Heizung und Nebenkosten in Höhe von 418,73 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 18. Dezember 2004 wurde für die Bedarfsgemeinschaft Alg II in Höhe von 548,75 EUR monatlich für die Zeit von Januar bis Mai 2005 bewilligt. Den Widerspruch wegen Abzug einer Warmwasserpauschale wies die Beklagte mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2005 zurück.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2005 wies die Beklagte den Kläger zu 1 darauf hin, dass die tatsächliche Miete vorläufig für drei Monate anerkannt werde und in diesem Zeitraum Bemühungen zur Senkung der Kosten der Unterkunft erforderlich und durch Nachweise zu belegen seien. Die angemessenen Mietaufwendungen ohne Neben- und Heizkosten lägen bei 330,00 EUR. Mit Bescheid vom gleichen Tag bewilligte die Beklagte Alg II in Höhe von monatlich 550,22 EUR für die Zeit vom 1. Juni bis 31. August 2005 sowie 508,99 EUR für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2005. Auf Widerspruch des Klägers änderte die Beklagte mit Bescheid vom 13. September 2005 die Bewilligung ab und sah vom Abzug einer Warmwasserpauschale ab. Die Leistungen erhöhten sich dadurch für Juni bis August auf 563,22 EUR und für September bis November auf 521,99 EUR monatlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2005 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück. Aus der Pauschalmiete errechne sich eine Kaltmiete von monatlich 371,23 EUR. Die angemessene Miete ergebe sich aus dem durchschnittlich gezahlten Mietpreis einer entsprechenden Wohnung für einen Zweipersonenhaushalt (örtliches Mietniveau), der auf Basis der aktuellen Höchstbeträge für die zuschussfähige Miete entsprechend § 8 Wohngeldgesetz festgesetzt worden sei. Für eine abstrakt angemessene Wohnung eines Zweipersonenhaushalts im Landkreis K. , die zwischen 1966 und 1992 bezugsfertig gewesen sei, ergebe sich ein Mietpreis von 330,00 EUR. Ab dem 1. September 2005 habe nur eine Kaltmiete von 330,00 EUR anerkannt werden können, so dass zuzüglich Heiz- und Nebenkosten ein Gesamtbedarf für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 377,50 EUR zugrunde gelegt werde.

Am 20. September 2005 hat der Kläger zu 1 beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben, diese jedoch nicht begründet. Mit Gerichtsbescheid vom 4. April 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf höhere als die bewilligten Alg II-Leistungen. Anhaltspunkte dafür, dass eine Senkung der Kosten der Unterkunft nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei, seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Hiergegen richtet sich die am 15. Mai 2006 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung. Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Beklagte nicht lediglich eine fiktive Kaltmiete von 330,00 EUR berücksichtigen dürfe. Vielmehr müsse anhand einer einzelfallbezogenen Bewertung der für den jeweiligen örtlichen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehenden Informationen entschieden werden, in welcher genauen Höhe Aufwendungen für eine Unterkunft nach den Umständen des Einzelfalles noch angemessen seien. Der Träger dürfe die Angemessenheitsprüfung nicht darauf beschränken, ausgehend vom Bedarf des Hilfebedürftigen mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse zu bestimmen, welcher Kostenaufwand für die Unterkunft an sich abstrakt angemessen sei. Da der Hilfebedürftige einen Anspruch auf Deckung seines Unterhaltsbedarfs habe, müsse sich die Angemessenheitsprüfung auch auf die Frage erstrecken, ob dem Hilfeempfänger im Bedarfszeitraum eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Wohnung konkret verfügbar und zugänglich sei. Bestehe eine derartige Unterkunftsalternative nicht, seien die Aufwendungen für die inne gehabte Wohnung angemessen und vom Leistungsträger zu übernehmen. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass der Beklagte eine entsprechende Einzelfallprüfung vorgenommen habe. Besonders im Raum K. und Umgebung sei festzustellen, dass Kaltmieten der von der Beklagtenseite angesetzten Art zum Teil bereits für einfache Studentenzimmer verlangt und bezahlt würden.

Die Kläger beantragen (teilweise sinngemäß):

1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 4. April 2006 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 25. Mai 2005 und 30. September 2005 (gemeint 13. September 2005), beide in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2005 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1. September bis 30. November 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch unter Berücksichtigung einer Kaltmiete von monatlich 371,23 EUR zu gewähren.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 13. Februar 2007 darauf hingewiesen, dass ein Verwerfung der Berufung als unzulässig durch Beschluss nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beabsichtigt ist. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Leistungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist nicht statthaft. Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 500,00 EUR nicht übersteigt. Diese Beschwerdesumme wird im vorliegenden Fall nicht erreicht.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht nur eine Klage des Klägers zu 1, sondern auch der Klägerin zu 2. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sind für eine Übergangszeit (bis 30. Juni 2007) Klageanträge wegen der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeit und daraus resultierenden Zweifel in Erweiterung der üblichen Auslegungskriterien danach zu beurteilen, in welcher Weise die an einer Bedarfsgemeinschaft beteiligten Personen die Klage hätten erheben müssen, um die für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt gewünschten höheren Leistungen zu erhalten, es sei denn, einer solchen Auslegung wird durch die betroffenen Personen widersprochen bzw. eine Bedarfsgemeinschaft bestritten oder einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind offensichtlich vom Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ausgeschlossen (etwa §§ 7 Abs. 4, 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II - BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7 AS 8/06 R - (juris)). Die Kläger Ziffer 1 und 2 waren bis November 2005 eine Bedarfsgemeinschaft, wobei Anspruchsinhaber jeweils alle einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (BSG a.a.O.). Das BSG hat insoweit ausgeführt, das einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft könne schon deshalb nicht mit einer eigenen Klage die Ansprüche aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verfolgen. Deshalb sei sogar in den Fällen, in denen das Einkommen einzelner Personen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft zur Deckung ihrer eigenen Bedarfe, nicht jedoch zur Deckung des Gesamtbedarfs der Bedarfsgemeinschaft genügt, ein Vorgehen aller Bedarfsgemeinschaftsmitglieder erforderlich, um die "für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt höchstmögliche Leistung" zu erlangen (BSG a.a.O.). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Entsprechend war hier von Amts wegen im Berufungsverfahren das Rubrum zu ändern und die Klägerin zu 2 zusätzlich aufzunehmen. Die Beteiligten haben hiergegen nach Anhörung zu der beabsichtigten Vorgehensweise keine Einwendungen erhoben.

Streitgegenstand ist vorliegend der Bescheid vom 25. Mai 2005, abgeändert durch Bescheid vom 13. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2005. Dabei ist die Klage, wie sich der Berufungsbegründung entnehmen lässt und auch dem Vorbringen im Widerspruchsverfahren entspricht, ausdrücklich auf die Gewährung höherer Unterkunftskosten (§ 22 SGB II) beschränkt. Denn mit der Berufungsbegründung hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger ausdrücklich klar gestellt, dass alleiniges Klageziel ist, die Leistungen unter Berücksichtigung einer Kaltmiete von monatlich 371,23 EUR zu erhalten. Diese tatsächliche Kaltmiete ist um 41,23 EUR höher, als die von der Beklagten zugrunde gelegte Kaltmiete in Höhe von 330,00 EUR monatlich. Diese Beschränkung des Streitgegenstandes ist insoweit zulässig, als es sich bei der Verfügung über Unterkunfts- und Heizungskosten um eine abtrennbare Verfügung des Gesamtbescheides handelt und damit das Gericht bei entsprechendem Antrag auch lediglich über diese Position des Alg II-Anspruchs befinden muss (BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - a.a.O.). Der hier streitige Zeitraum ab Zugrundelegung einer Kaltmiete von 330,00 EUR betrifft nur die Zeit vom 1. September bis 30. November 2005. Für diese drei Monate hat die Beklagte die Neben- und Heizungskosten in tatsächlicher Höhe übernommen, bezüglich der Miete liegt eine Unterdeckung von 123,69 EUR (41,23 EUR x 3) vor. Damit ist die Berufungssumme nicht erreicht.

Zwar ist es für die Frage der Zulässigkeit der Berufung nicht maßgeblich, dass der am 13. Dezember 2005 ergangene Bescheid betreffend den Zeitraum Dezember 2005 bis Mai 2006 nicht in analoger Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens vor dem SG geworden ist. Denn selbst wenn man diesen Zeitraum unter Außerachtlassung der Tatsache, dass die Klägerin zu 2 ab Dezember 2005 nicht mehr Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war, hinzurechnen würde, ergäbe sich eine Beschwer lediglich in Höhe von 371,07 EUR (41,23 EUR x 9), so dass die Berufungssumme noch immer nicht erreicht wäre. Zur Klarstellung des Streitgegenstands ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Folgebescheide vom 13. Dezember 2005 sowie vom 3. Mai 2006 nicht Gegenstand des Klage- bzw. Berufungsverfahren geworden sind. Eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume im Rahmen des SGB II ist nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich nicht gerechtfertigt, da anders als im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses im Bereich des Arbeitsförderungsrechts regelmäßig kürzere Bewilligungszeiträume vorliegen, Änderungen bei der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen sind und zudem eine Abhängigkeit von der jeweiligen Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft besteht (BSG, Urteile vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - und vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R (beide juris)).

Die Berufung ist daher entgegen der Rechtsmittelbelehrung des SG unstatthaft. Eine (gleichzeitige) Berufungszulassung kann in der Rechtsmittelbelehrung nicht gesehen werden (Beschluss des Senats vom 29. Mai 2006 - L 7 SO 3997/05 -). Der Senat macht deshalb nach Anhörung der Beteiligten von der Möglichkeit des § 158 SGG Gebrauch und verwirft die unzulässige Berufung durch Beschluss. Diese Möglichkeit ist auch bei einer Berufung gegen einen Gerichtsbescheid gegeben, denn § 158 SGG enthält anders als § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG keine Einschränkung (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage § 158 Rdnr. 6). Wegen der falschen Rechtsmittelbelehrung im Gerichtsbescheid des SG haben die Kläger allerdings die Möglichkeit, innerhalb eines Jahres nach Zustellung des Gerichtsbescheids vom 04. April 2006 beim SG Antrag auf mündliche Verhandlung zu stellen oder beim Landessozialgericht Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung einzulegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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