L 8 RJ 9/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 30 RJ 424/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RJ 9/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. Dezember 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht eine Rente wegen Minderung seiner Erwerbsfähigkeit.

Der 1952 geborene Kläger ist ausgebildeter Elektroinstallateur (Gesellenbrief vom 16. September 1971), anschließend war er seit 1971 durchgehend im erlernten Beruf beschäftigt. Nach einer (erneuten) Arbeitsunfähigkeit bezog er bis zum 14 November 1999 Arbeitsentgelt und wegen einer weiteren Arbeitsunfähigkeit (ab 17. Januar 2000) ab 18. Januar 2000 bis zur Aussteuerung Krankengeld und ab 01. April 2001 Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe (bis 02. Mai 2004, anschließend Übergangsgeld). Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung zum 31. Juli 2002, nachdem zum 31. Dezember 2001 die Betriebseinstellung erfolgte. Laut Auskunft und Zeugnis seines Arbeitgebers (A E N GmbH) war er im Rahmen seiner Berufstätigkeit mit den vielfältigen Aufgaben eines Elektroinstallateurs beschäftigt und arbeitete zuletzt im Akkord. Hierbei handelte es sich um schwere körperliche Tätigkeiten, die häufig im Stehen, Knien oder mit Überkopfarbeit auszuführen waren.

Im März 2000 befand sich der Kläger wegen seiner Wirbelsäulenbeschwerden (er hatte 1996 einen Bandscheibenvorfall erlitten) in stationärer Behandlung und unterzog sich anschließend vom 23. März bis 20. April 2000 einer Anschlussheilbehandlung. Ausweislich des Entlassungsberichtes vom 08. August 2000 wurde der Kläger mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung ohne häufiges Bücken oder Zwangshaltungen entlassen; gleichzeitig wurde angekreuzt, dass der Kläger in seinem bisherigen Beruf vollschichtig leistungsfähig sei, aber abschließend in der sozialmedizinischen Beurteilung ausgeführt, der Kläger sei arbeitsunfähig für seine Tätigkeit als Elektroinstallateur und es sollten zur ggf. innerbetrieblichen Umsetzung berufsfördernde Leistungen geprüft werden.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag des Klägers vom 18. August 2000 dennoch ab und führte zur Begründung aus, der Kläger verfüge noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für den erlernten Beruf als Elektroinstallateur (Bescheid vom 06. September 2000).

Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte ein chirurgisch-orthopädisches Gutachten von der Diplommedizinerin B vom 17. Januar 2001, in dem diese zu der Einschätzung gelangte, dass der Kläger zwar als Elektroinstallateur nur noch unter drei Stunden täglich tätig sein, er jedoch leichte körperliche Arbeiten vollschichtig im gelegentlichen Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen verrichten könne. Unter Hinweis auf diese ärztlichen Feststellungen bestätigte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08. Februar 2001 ihre ablehnende Entscheidung und führte ergänzend aus, der Kläger sei mit dem verbliebenen Leistungsvermögen zumutbar auf Tätigkeiten eines Prüffeldmonteurs und eines Qualitätskontrolleurs verweisbar.

Mit seiner dagegen zum Sozialgericht – SG – Berlin erhobenen Klage hat der Kläger seinen Rentenantrag weiterverfolgt und dazu geltend gemacht, sein Gesundheitszustand lasse auch leichte Tätigkeiten vollschichtig nicht zu. Im Übrigen seien die benannten Verweisungstätigkeiten nicht zumutbar, da sie nicht seinen fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten entsprächen.

Nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte, die sämtlich ein vollschichtiges Leistungsvermögen auch nur für leichte Tätigkeiten verneinten (allerdings orientierte sich der behandelnde Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. R offenbar nur an dem Begriff der Arbeitsunfähigkeit, da er eine Umschulung in einen anderen Beruf für unumgänglich hielt), veranlasste das SG über den Gesundheitszustand und das Leistungsvermögen des Klägers ein Gutachten durch den Arzt für Allgemeinmedizin und Arbeitsmedizin L. Dieser kam in seinem Gutachten vom 04. März 2002 zu der Feststellung, dass bei dem Kläger chronische Wirbelsäulenbeschwerden mit wiederkehrenden Reizerscheinungen bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und ein psychisches Leiden mit erheblicher Tendenz zur Psychomatisierung vorlägen. Auf der Grundlage der daraus resultierenden Beschwerden ist er zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger noch körperlich leichte Arbeiten im Freien oder in geschlossenen Räumen, jedoch nicht überwiegend im Freien, auch unter Einfluss von üblichen Witterungsbedingungen, jedoch ohne Zugluft im Wechsel der Haltungsarten verrichten könne. Schichtarbeit und Arbeit an laufenden Maschinen sei möglich. Zu vermeiden seien Arbeiten in ausgesprochener Kälte oder Zugluft, mit einseitiger körperlicher Belastung, Überkopfarbeiten, auf Leitern oder Gerüsten und mit besonderen Anforderungen an die Belastbarkeit der Wirbelsäule. Der Kläger könne noch vollschichtig arbeiten; Besonderheiten für den Weg zur Arbeitstelle seien nicht zu beachten.

Auf die Anregung des Sachverständigen L hat das SG außerdem ein psychiatrisches Gutachten vom 22. Juli 2002 von Dr. B erstatten lassen. Dieser hat eine Somatisierungsstörung von mittelgradiger Ausprägung diagnostiziert und darüber hinaus nachvollziehbar bestehende "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" bei Verdacht auf eine leichte Wurzelschädigung im Segment L 4 links und eine leichte Abschwächung des Achillessehnenreflexes rechter Seite genannt; neue Befunde hat er gegenüber den vorliegenden Unterlagen nicht erhoben. Auf der Grundlage der danach bestehenden Beschwerden ist er (ebenfalls) zu der Einschätzung gelangt, der Kläger könne noch regelmäßig vollschichtig leichte körperliche Arbeiten in geschlossenen Räumen und im Freien verrichten, insofern er sich vor nasskalter Witterung schützen könne. Das Heben und Tragen sei auf leichte Lasten zu begrenzen. Eine Zwangshaltung in gebückter Stellung sei zu vermeiden; ein Wechsel der Haltungsart müsse möglich sein. Zu vermeiden seien Arbeiten unter Zeitdruck im Akkord oder in Nachtschicht. Einschränkungen der Belastbarkeit der Wirbelsäule und Extremitäten werde durch Gewichtsbegrenzung und den Ausschluss einseitiger körperlicher Belastungen begegnet. In der Ausübung geistiger Arbeiten sei der Kläger seinem Ausbildungsstand entsprechend nicht beschränkt; das gelte auch im Hinblick auf die kognitiven und sozialkommunikativen Leistungsmerkmale. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Die üblichen Pausen reichten aus. Er stimme dem Vorgutachter in dessen Einschätzung zu.

Die Beklagte hat zu der für den Kläger für zumutbar erachteten Verweisungstätigkeit als Prüffeldmonteur auf ein Urteil des LSG Berlin vom 22. Oktober 1999 – L 5 RJ 85/96- verwiesen; der Kläger hat eine Vergleichbarkeit wegen einer seines Erachtens abweichenden Berufsbiographie des dortigen Klägers verneint.

Sodann hat das SG mit Urteil vom 05. Dezember 2002 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht zu. Weder stehe ihm nach – den näher dargelegten – Vorschriften des § 43 SGB VI noch nach § 44 SGB VI – jeweils in der Fassung bis zum 31. Dezember 2000 – eine Rente zu. Zwar stehe dem Kläger als ausgebildeter Elektroinstallateur Berufsschutz zu und er sei aus gesundheitlichen Gründen auch nicht mehr in der Lage, die bisher ausgeübten Verrichtungen seines Berufes zu erbringen. Gleichwohl bestehe kein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Zwar könne er nicht in der von der Beklagten genannten Tätigkeit als Prüffeldmonteur eingesetzt werden. Denn er verfüge hierzu nicht über die notwendigen beruflichen Fachkenntnisse. Er habe insofern während des ersten Jahres nur eine Grundausbildung durchlaufen, an die sich ab dem 2. Lehrjahr eine spezielle Installationsausbildung angeschlossen habe, die ihn nicht befähige, die an einen Monteur oder Qualitätskontrolleur gestellten beruflichen Anforderungen zu erfüllen. Das von der Beklagten zitierte Urteil des LSG Berlin vom 22. Oktober 1999 führe insofern nicht weiter, da dort eine Elektromonteurin auf die Tätigkeit einer Prüffeldmonteurin verwiesen worden sei, die jedoch anders als ein Elektroinstallateur die hierfür notwendigen Fachkenntnisse habe. Trotzdem bestehe bei dem Kläger keine Berufsunfähigkeit, da er mit dem verbliebenen Leistungsvermögen Tätigkeiten eines Elektroinstallateurs ausüben könne. Der Kläger verfüge nach den gutachterlichen Feststellungen über ein Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeit in geschlossenen Räumen oder unter Ausschluss nasskalter Witterung. Er könne in wechselnder Körperhaltung tätig sein und an laufenden Maschinen arbeiten. Die Fingergeschicklichkeit sei nicht herabgesetzt. Mit diesem Leistungsvermögen sei der Kläger in der Lage, in Teilbereichen des Elektroinstallateurhandwerks tätig zu sein. Er könne z. B. im Innendienst bzw. in der Fabrikation tätig sein, so sei er beispielsweise wohl aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse und nach den vorhandenen Leistungseinschränkungen in der Lage, Schaltschränke herzustellen. Er könne ferner im Innendienst, in Reparaturwerkstätten von Elektro- und Haushaltsgeräten eingesetzt werden. Sowohl die Herstellung von Schaltkästen/Schaltschränken als auch die Wartung/Reparatur von Elektro- und Haushaltsgeräten in Werkstätten stellten leichte körperliche Tätigkeiten dar, die der Kläger unter Zuhilfenahme technischer Einrichtungen in wechselnder Körperhaltung verrichten könne (Hinweis auf Scholz/Wittkens, Arbeitsmedizinische Berufskunde, 2. Auflage 1992, Seite 288). Verfüge der Kläger jedoch für einen Teilbereich seines Berufes über ein ausreichendes Leistungsvermögen und könne mithin weiterhin als Elektroinstallateur tätig sein, so liege Berufsunfähigkeit nicht vor. Der Nichteintritt der Berufsunfähigkeit im Sinne von § 43 Abs. 2 SGB VI schließe die Annahme des Eintritts von Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB VI aus. Denn Erwerbsunfähigkeit im Sinne dieser Regelung setze eine weitergehende Leistungseinschränkung als bei Berufsunfähigkeit voraus. Eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI in der Fassung des Artikel 1 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (Bundesgesetzblatt 1, Seite 1827) sei ebenfalls nicht ersichtlich, denn auch nach dem 01. Januar 2001 sei nicht erkennbar, dass der Kläger nicht zumindest für 6 Stunden täglich über ein ausreichendes Leistungsvermögen verfüge. Nach den Gutachten bestehe vielmehr noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen, dass heißt für mindestens 8 Stunden täglich.

Gegen das dem Kläger am 04. Februar 2003 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 04. März 2003 eingelegte Berufung, mit der er weiterhin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit ab 01. August 2000 beansprucht. Er rügt eine unzutreffende Würdigung seines Gesundheitszustandes. Auch wenn bei ihm möglicherweise noch relativ günstige Prognosen im Hinblick auf eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben bestehen sollten, so sei bei ihm als "Schmerzpatient" doch davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung ein aufgehobenes Leistungsvermögen vorgelegen habe. Die angeführten Verweisungstätigkeiten kämen für ihn nicht in Betracht. Er sei Elektroinstallateur und nicht Elektromonteur.

Im Übrigen seien die den von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten zugrunde liegenden Auskünfte veraltet bzw. nicht passend und Verbandauskünfte unqualifiziert und nicht verwertbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 05. Dezember 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 06. September 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08. Februar 2001 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01. August 2000 bis zum 29. April 2005 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, das der Sach- und Rechtslage entspreche. Der Kläger komme aufgrund seiner Qualifikation durchaus für die bezeichneten Verweisungstätigkeiten in Betracht. Nach der Broschüre der "Berufsprofile für die arbeitsmedizinische Praxis" handele es sich bei der Bezeichnung Elektromonteur um ein Synonym für den Beruf des Elektroinstallateurs. Auch der Kläger selbst habe sich im Rentenantrag als Elektromonteur bezeichnet. Neben dem Prüffeldmonteur komme der Kläger auch zumutbar für Tätigkeiten als Verdrahtungselektriker beziehungsweise in der Schaltschrankmontage in Betracht, wie sich insbesondere dem Urteil des LSG Berlin vom 03. Mai 2002 – L 5 RJ 38/99 –, dem vom LSG Baden-Württemberg mit dem Zentralverband der Deutschen Elektrohandwerker geführten Schriftwechsel aus dem Jahre 1998 sowie dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 26. Februar 2002 – L 5 RJ 170/01 – entnehmen lasse.

Im Hinblick auf den klägerischen Vortrag, der dem Gutachten des Sachverständigen L als qualitative Einschränkung die Notwendigkeit eines paritätischen Wechsels der Haltungsarten entnommen hat, hat der Gutachter auf gerichtliche Nachfrage mit ergänzender Stellungnahme vom 28. Mai 2003 mitgeteilt, dass die Leiden des Klägers einen fixen, paritätischen oder auch einen regelmäßigen Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen nicht erforderlich machten, sondern man ihnen auch gerecht werde, wenn die Arbeiten überwiegend in einer Haltungsart stattfänden und der Kläger aber die Möglichkeit eines Haltungswechsels habe, sich also zwischenzeitlich durchbewegen könne.

Die Beklagte hat dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form eines Lehrganges zur "Fachkraft für Büroorganisation" mit Buchhaltung vom 03. Mai 2004 bis 29. April 2005 bei der L Q- und W mbH gewährt, an dem der Kläger erfolgreich teilgenommen hat.

Der Senat hat aus dem beigezogenen Verfahren L 6 RJ 63/00 des LSG Berlin das am 31. Mai 2005 ergangene Urteil sowie die diesem zugrunde liegenden berufskundlichen Unterlagen zu Einsatzmöglichkeiten eines Elektroinstallateurs den Beteiligten zur Kenntnis gegeben.

Ferner hat der Senat den Beteiligten die Antwort des VME Berlin-Brandenburg vom 01.02.2007 auf die gerichtliche Anfrage vom 15.01.2007 zur beruflichen Qualifikation der Verbandsingenieure Dr. J und O, die auf klägerische Äußerungen erging, zur Kenntnis gegeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte, die von der Beklagten vorgelegten Renten- und Reha-Akten sowie die beigezogene Gerichtsakte des Verfahrens L 6 RJ 63/00 des LSG Berlin, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Streitgegenstand ist – insofern in Übereinstimmung mit dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen, die ein noch ausreichendes nur qualitativ eingeschränktes Leistungsvermögen für vollschichtige Arbeiten ergeben haben – aufgrund des in der mündlichen Verhandlung begrenzten Antrages nur noch die Gewährung einer (im Hinblick auf die erfolgreich durchlaufene berufliche Rehabilitation) zeitlich begrenzten Rente wegen Berufsunfähigkeit, die im Ergebnis noch eine Einschränkung durch die während des gesamten streitigen Zeitraumes erhaltenen Sozialleistungen (Krankengeld, Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Übergangsgeld) erführe.

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht nicht. Er erfüllt aber auch nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach dem ab 01. Januar 2001 geltenden Recht.

Mit dem im August 2000 gestellten Rentenantrag macht der Kläger den Eintritt eines Versicherungsfalles bis zum 30. November 2000 und damit einen Rentenanspruch mit einem Beginn vor dem 01. Januar 2001 geltend, sodass sich der Anspruch noch nach § 43 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert) richtet (§ 300 Abs. 2 SGB VI).

Voraussetzung für einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 43 SGB VI ist zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (§§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von 3 Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten 5 Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalles (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 u. 3 SGB VI). Darüber hinaus muss Berufsunfähigkeit vorliegen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI). Berufsunfähig sind nach § 43 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen in ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger war und ist nicht berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI.

Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf" eines Versicherten. Grundsätzlich ist dies die letzte, nicht nur vorübergehend ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Danach ist als bisheriger Beruf des Klägers sein erlernter und bis zuletzt ausgeübter Beruf als Elektroinstallateur der rentenrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Diesen Beruf, den der Kläger bis zur letzten am 17. Januar 2000 einsetzenden Arbeitsunfähigkeit ausgeübt hat, kann er nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen aus gesundheitlichen Gründen auf Dauer nicht mehr verrichten. Dies ist zwischen den Beteiligten auch zu Recht nicht streitig. Denn der Kläger kann die mit den Installateurarbeiten verbundenen zum Teil schweren körperlichen Belastungen und Zwangshaltungen nicht mehr leisten, da er nur noch körperlich leichte Tätigkeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen verrichten kann.

Gleichwohl ist der Kläger nicht berufsunfähig. Denn ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit steht einem Versicherten nicht schon dann zu, wenn er seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Hinzukommen muss vielmehr, dass für den Versicherten auch keine andere sozial zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI mehr vorhanden ist, die er mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch ausführen kann. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich danach nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen unterteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Im Rahmen dieses sogenannten Mehrstufenschemas werden die Arbeiterberufe dabei in verschiedene "Leitberufe" untergliedert. Diese werden durch den Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. den besonders hochqualifizierten Facharbeiter, den Facharbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), den angelernten Arbeiter (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als 3 Monaten bis zu 2 Jahren) und den ungelernten Arbeiter charakterisiert (siehe z. B. SozR 3-2200 § 1246 Nr. 62). Ein Versicherter darf im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf grundsätzlich auf die nächst niedrigere Gruppe verwiesen werden.

Da der Kläger bis zuletzt in seinem erlernten Facharbeiterberuf als Elektroinstallateur gearbeitet hat, kann er jedenfalls auf Arbeiten des angelernten Bereiches sozial zumutbar verwiesen werden. Entsprechende Tätigkeiten sind im Laufe des Verfahrens benannt worden.

In dem von der Beklagten angeführten Urteil des LSG Berlin vom 22. Oktober 1999 – L 5 RJ 85/99 – sind einer in ihrem Leistungsvermögen vergleichbar eingeschränkten Klägerin unter Hinweis auf VME-Auskünfte vom Januar 1999 Tätigkeiten als Prüffeldmonteur, in der Qualitätskontrolle und in der Montage elektrotechnischer Kleinteile als zumutbar benannt worden. Soweit der Kläger dazu geltend macht, mit seiner Ausbildung als Elektroinstallateur entspreche er nicht der Ausbildung als Elektromonteur in dem entschiedenen Fall, greift dieser Einwand nicht. In jenem Verfahren handelte es sich um eine Versicherte, die in der DDR den – mit dieser allgemeinen Bezeichnung in der (alten) Bundesrepublik nicht vorhandenen – Ausbildungsberuf "Elektromonteur" erlernt hatte. Der Elektromonteur ist der dem Installateur entsprechende DDR-Beruf (vgl. berufenet.de, Stichwort "Elektromonteur"); im Übrigen werden Elektromonteur und Elektroinstallateur als Synonyme benutzt (vgl. auch die von der Beklagten eingereichte Kopie aus einem entsprechenden Informationsheft – Bl. 183 GA).

In dem Urteil des LSG vom 03. Mai 2002 – L 5 RJ 38/99 – wird darüber hinaus der Schaltschrankverdrahter als sozial und fachlich zumutbare Verweisungstätigkeit für einen gelernten Fernmeldebauhandwerker genannt. Dabei handelte es sich ebenso wie in dem vorangegangenen Rechtsstreit um einen Kläger, der nur noch für körperlich leichte Arbeiten in Betracht kam. Dass der VME in seiner dazu herangezogenen Auskunft für diese Tätigkeit eine leichte bis mittelschwere Belastung nannte, hielt das LSG für unschädlich, da es ausweislich der Auskünfte nur um Werkstücke bis max. 5 Kg ging.

Das von der Beklagten weiter angeführte Urteil des sächsischen LSG vom 26. Februar 2002 – L 5 RJ 170/01 – bezieht sich zur Verweisungstätigkeit des Verdrahtungselektrikers auf berufskundliche Erkenntnisse aus dem Verfahren des LSG Nordrhein-Westfalen vom März 1998 zum Verfahren L 8 RJ 139/95.

Als sozial und gesundheitlich zumutbare Verweisungstätigkeit kommt jedenfalls eine dem Leitberuf des angelernten Arbeiters zuzuordnende Tätigkeit als Verdrahtungs- bzw. Montageelektriker in Betracht.

Zu dessen Tätigkeitsbereich gehört nach den eingeführten berufskundlichen Unterlagen die Verdrahtung von Elektrokleingeräten (z. B. Dreh- und Messgeräte für Schienenfahrzeuge, elektronische und elektrische Geräte für den Schulunterricht, Niederspannungsschaltgeräte, Lichtrufsysteme und Steckdosenpakete – vgl. LSG Berlin vom 31. Mai 2005 – L 6 RJ 63/00 sowie die aus diesem Verfahren eingeführten Unterlagen). Solche Arbeitsplätze gibt es nach den Bekundungen des vom LSG Nordrhein-Westfalen im Verfahren L 8 RJ 180/99 schriftlich und dann mündlich am 08. November 2000 gehörten Sachverständigen B, der beim A K als Verbandsingenieur tätig ist, bei zahlreichen Mitgliedsfirmen dieses Arbeitgeberverbandes. Entgegen der Auffassung des Klägers, der meint, Verbandsauskünfte seien unerheblich, besteht kein Anlass, dessen Auskünfte der Entscheidung nicht zugrunde zu legen. Der Sachverständige hat sich durch Besichtigung von Werken, Befragung von Werksleitern und Geschäftsführern über die aus seiner Funktion als Verbandsingenieur hinaus bekannten "allgemeinen" Kenntnisse einen persönlichen Eindruck von dieser Tätigkeit verschafft. Die beigezogenen Arbeitgeberauskünfte bestätigen, dass entsprechende Arbeitsplätze mit Verdrahtungstätigkeiten in vielfältiger Form in unterschiedlicher Ausgestaltung und auch im Bereich des angelernten Arbeiters in beachtlicher Zahl vorhanden sind. Aus den Bekundungen des am 25. März 1998 vor dem LSG Nordrhein-Westfalen im Verfahren L 8 RJ 139/95 gehörten Sachverständigen D ergeben sich weitere Arbeitsplätze in der Verdrahtung von Schalttafeln für den Wohnungsbau, der solche Arbeitsplätze seinerzeit kurz vor seiner Anhörung besichtigt hatte.

Bei diesen von den Sachverständigen benannten Tätigkeiten fallen durchweg leichte körperliche Arbeiten an, die einen Wechsel der Haltungsart ermöglichen; die Werkstücke bzw. herzustellenden Produkte weisen ein Gewicht zwischen 2 Kg und max. 5 Kg auf. Soweit der Kläger die Auskünfte der Sachverständigen als überholt bezeichnet und deshalb als unbeachtlich ablehnt, ist dem entgegenzuhalten, dass der Rechtsstreit einen Rentenantrag aus dem Jahre 2000 betrifft, mithin die Erkenntnisse der Sachverständigen nicht Jahre zurückliegen, sondern aus jüngerer Zeit vor den Bekundungen – und dem begehrten Rentenbeginn – stammen. Ähnliches gilt im Übrigen für die in den erwähnten Urteilen angeführten – und dem Kläger wohl bekannten – Auskünfte des VME Berlin-Brandenburg, die zwar mittlerweile einige Zeit zurückliegen, aber bezogen auf den erstrebten Rentenbeginn durchaus noch Aktualität besitzen. Zudem sind auch nach den zwischenzeitlich eingeholten Auskünften die Bekundungen der Sachverständigen nicht überholt. Die Werkstücke liegen danach vielfach im Gewichtsbereich bis 5 Kg, auch wenn es in verschiedenen Betrieben deutlich schwerere Werkstücke zu bearbeiten und zu bewegen gilt. So wiegen die bei der Fa. L D GmbH produzierten elektronischen Geräte bis höchstens 5 Kg und werden an einer handelsüblichen Werkbank verdrahtet. Hierbei können die Beschäftigten im Sitzen oder Stehen arbeiten, wobei die Arbeitshaltung überwiegend wählbar ist. Die von der Fa. D-Werke herzustellenden Aggregate wiegen maximal 3 Kg, die Werkstücke sind an Arbeitstischen im Sitzen zu bearbeiten, wobei ein Teil der Arbeitsgänge auch im Stehen durchgeführt werden kann und Gehen im Rahmen des Materialtransports erforderlich ist. Gleiches gilt für die vom Sachverständigen D beschriebenen Arbeitsplätze in der Herstellung von Schalttafeln für den Wohnungsbau, die maximal 5 Kg wiegen und bei der die Arbeitshaltungen Sitzen oder Stehen frei gewählt werden können mit einem Gehanteil bis zu 20%. Die von der Firma S AG produzierten Hochspannungsleistungsschalter wiegen höchstens 4 Kg, lediglich bis zu zweimal täglich müssen Lasten in der Spitze bis zu 20 Kg ohne kompletten Einsatz von Transporthilfen gehoben werden; Montage- und Verdrahtungsarbeiten werden überwiegend im Sitzen ausgeführt, zum Teil im Stehen; Gehen fällt in der Regel im Zusammenhang mit Transportarbeiten (Materialbeschaffung, fertiges Gerät zum Prüfstand bringen) an, der Mitarbeiter kann den Wechsel der Haltung in weiten Bereichen selbst bestimmen. Eine andere Einschätzung bezüglich der einen Haltungswechsel zulassenden Tätigkeiten ergibt sich auch nicht dadurch, dass nach den eingeholten Auskünften im Bereich des konventionellen Schalttafel- und Schaltschrankbaus viele Arbeitsplätze noch Tätigkeiten überwiegend im Stehen beinhalten, wobei offen bleiben kann, ob der nach der ergänzenden Auskunft des medizinischen Sachverständigen L nur eingeschränkt erforderliche Haltungswechsel solche Tätigkeiten, sofern nur leichte Arbeiten anfallen, nicht ohnehin zulassen würde. Denn neben dem Bereich der Schaltschrankverdrahtung im engeren Sinne gibt es die zuvor beschriebene Berufstätigkeit des Verdrahtungs- und Montageelektrikers, die ebenfalls mit der Sammelbezeichnung "Schaltschrankverdrahter/Verdrahtungselektriker" erfasst wird.

Die festgestellten qualitativen Einschränkungen des Leistungsvermögens des Klägers stehen der Ausübung einer Tätigkeit als Verdrahtungs- und Montageelektriker nicht entgegen. Wie sich aus den Bekundungen der Sachverständigen sowie zum Teil den eingeholten Auskünften der Betriebe ergibt, werden diese leichten Arbeiten in geschlossenen Räumen und damit geschützt vor nasskalter Witterung und Zugluft verrichtet. Auch wird dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen dadurch entsprochen, dass er dabei nicht mit Zwangshaltung in gebückter Stellung sowie unter besonderem Zeitdruck in Akkord oder in Nachtschicht, mit einseitiger körperlicher Belastung arbeiten muss und keine Überkopfarbeiten oder Leiter/Gerüstarbeit anfallen. Auch ist dem Kläger das Tragen und Heben von Lasten bis 5 Kg möglich; eine Dauerbelastung in dieser Hinsicht fällt nach den eingeholten Auskünften nicht an.

Der Kläger ist aufgrund seiner fachlichen Vorkenntnisse als gelernter Elektroinstallateur auch in der Lage, eine entsprechende Tätigkeit als Verdrahtungs- bzw. Montageelektriker innerhalb einer Einarbeitungszeit von 3 Monaten auszuüben. Dies ergibt sich sowohl aus den Angaben der Sachverständigen als auch von Arbeitgeberauskünften (z. B. Fa. S und A). Dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen zu einer entsprechenden Einarbeitung nicht in der Lage wäre, kann nicht angenommen werden. Der gerichtliche Gutachter Dr. B hat in seinem psychiatrischen Gutachten dazu ausgeführt, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger durch eine Einschränkung seiner Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit daran gehindert sein könnte, eine seinem Ausbildungsstand entsprechende Tätigkeit auszuüben. Es besteht auch kein Anhalt, dieser ärztlichen Einschätzung nicht zu folgen. Die vom 03. Mai 2004 bis 29. April 2005 erfolgreich durchlaufene Bildungsmaßnahme zur "Fachkraft für Büroorganisation" – d. h. in einem ihm fremden Arbeitsfeld – spricht im Gegenteil dafür, dass die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit in einem ihm jedenfalls im Wesentlichen bekannten Berufsbereich vorhanden ist.

Da dem Kläger somit keine Rente wegen Berufsunfähigkeit zusteht, weil er nicht berufsunfähig ist, steht ihm auch nach der ab 01. Januar 2001 geltenden Übergangsregelung des § 240 SGB VI (n. F.) ein Rentenanspruch nicht zu. Denn diese Vorschrift greift bezüglich des Merkmals der Berufsunfähigkeit auf die bisher in § 43 SGB VI genannten Voraussetzungen zurück.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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