L 25 B 1243/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 94 AS 10530/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 B 1243/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 01. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin beansprucht einstweiligen Rechtsschutz zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Die Antragstellerin studiert im Studiengang Diplom-Biologie an der Humboldt-Universität zu B. Ausweislich einer Bescheinigung der Humboldt-Universität vom 14. Dezember 2006 hat sie dort die Voraussetzungen für die Diplomprüfung nachgewiesen. Ein Prüfungstermin ist nicht bekannt.

Mit Bescheid vom 04. Oktober 2006 hat die Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts abgelehnt. In ihrer Widerspruchsbegründung gegen den Bescheid hat die Antragstellerin vorgetragen, die Höchstförderungsdauer für BAföG sei überschritten. Sie habe keinerlei Einkünfte und befinde sich in der Examensphase. Ein besonderer Härtefall komme in Betracht, da ihr Studium aufgrund der Pflege ihrer Mutter länger gedauert habe, als es durch das BAföG gefördert werden könne. Der erfolgreiche Abschluss wäre wegen fehlender finanzieller Mittel erheblich gefährdet.

Durch Widerspruchsbescheid vom 01. November 2006 hat die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 04. Oktober 2006 zurückgewiesen. Ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sei abzulehnen, weil die Ausbildung der Antragstellerin, ein Studium an der Humboldt-Universität Berlin dem Grunde nach nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz förderungsfähig sei. Daran ändere nichts, dass sie keinen Anspruch auf Förderung (BAföG) habe. Nach § 7 Abs. 5 SGB II erhielten Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig sei, keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Bei der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beruhe der grundsätzliche Ausschluss von Hilfeleistungen darauf, dass die Ausbildungsförderung durch Sozialleistungen, die die Kosten der Ausbildung und den Lebensunterhalt umfassten, sondergesetzlich im BAföG und im SGB II abschließend geregelt seien. Im Einzelfall müssten bestimmte Umstände hinzutreten, die auch unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks einen Ausschluss von der Hilfeleistung als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen ließen. Der Gesetzgeber habe in Kenntnis der Rechtsprechung den Wortlaut des § 26 BSHG in das SGB II übernommen und damit zum Ausdruck gebracht, dass eine abweichende Regelung nicht beabsichtigt sei. Eine besondere Härte sei nicht ersichtlich.

Eine Klage zur Hauptsache ist beim Sozialgericht (SG) Berlin rechtshängig.

Mit dem am 16. November 2006 beim SG Berlin gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Antragstellerin vorgetragen, sie sei nicht in der Lage, ohne Unterstützung der Antragsgegnerin ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie hat beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr, der Antragstellerin, umgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu bewilligen und zu zahlen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 01. Dezember 2006 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 86 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien nicht glaubhaft gemacht. Ein Anordnungsanspruch komme nur nach Maßgabe von § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II in Betracht, wonach in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen erbracht werden könnten. Einen solchen Härtefall habe die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Zwar habe sie behauptet, dass sie sich in der Examensphase befinde und dass sie die Regelstudienzeit nur wegen der Notwendigkeit, ihre Mutter zu pflegen, überschritten habe. Keine dieser beiden Behauptungen habe sie trotz Aufforderungen durch das Gericht glaubhaft gemacht.

Am 01. Dezember 2006 ging beim SG Berlin der Schriftsatz der Antragstellerin ein, in dem sie vortrug, ihre Mutter sei querschnittsgelähmt und bekomme Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegestufe II. Pflegekräfte in der Pflegeeinrichtung pflegten ihre Mutter immer dann, wenn sie in der Uni sei. Da sie zu Hause wohne, sei es logisch, dass die meiste Arbeit von ihr verrichtet werde. Das nicht von den Pflegekräften verbrauchte und der Mutter anteilig ausgezahlte Geld verwende die Mutter größtenteils für Heil- und Hilfsmittel. Gegen den der Antragstellerin am 06. Dezember 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 18. Dezember 2006 beim SG eingegangene Beschwerde der Antragstellerin. Zur Begründung der Beschwerde wird vorgetragen, sie habe Unterlagen über die Pflegetätigkeiten eingereicht. Härtegründe lägen vor.

Mit Schriftsatz vom 6. März 2007 wurde vorgetragen, ein Prüfungstermin sei noch nicht bekannt gegeben worden. Ein Abschluss der Prüfungen sei in ca. 3 Monaten zu erwarten.

Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, die Beschwerdeführerin habe immer noch keine neuen entscheidungsdienlichen Unterlagen eingesandt. Aufgrund der fehlenden Unterlagen könne sie weiterhin nicht einschätzen, ob sich die Beschwerdeführerin in einer akuten Phase des Abschlussexamens befinde. Eine darlehensweise Gewährung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts könne somit nicht erfolgen. Eine Existenz bedrohende Notlage sei nicht nachgewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten.

II.

Die zulässige und im Übrigen statthafte Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat zu Recht den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, nämlich ein materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, ebenso voraus wie einen Anordnungsgrund, einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet. Sowohl Anordnungsanspruch als Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen.

Hiervon ausgehend war dem Antrag der Antragstellerin nicht zu entsprechen, denn Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nicht glaubhaft gemacht. Ein Anspruch auf Leistungen besteht gemäß § 7 Abs. 5 S. 1 SGB VII nicht. Die Antragsgegnerin hat dies bereits zutreffend begründet. Es kommt nur darauf an, dass die Ausbildung dem Grunde nach gefördert werden kann, auch wenn der Betroffene konkret (aus den unterschiedlichsten Gründen) keinen Anspruch auf BAföG hat (Eicher/Spellbrink, Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II), 8.Auflage, § 7 Rdz 43).

Allerdings können nach § 7 Abs. 5 SGB II in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen geleistet werden, so wenn sich der Student in der Examensphase befindet (Eicher/Spellbrink, aaO § 7 SGB II Rdnr. 47). Diese Voraussetzung hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, obgleich ihr dazu insbesondere auch im Beschwerdeverfahren dazu Gelegenheit gegeben worden ist. Die eingereichten Ablichtungen von Prüfungsmeldungen enthalten keine Angaben zum Prüfungszeitraum.

Auch ist ein Anordnungsgrund nicht feststellbar. Gegenwärtig ist nicht glaubhaft gemacht, dass das Existenzminimum der Antragstellerin ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht gedeckt und ihr das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist. Nach ihrem Vortrag mit Schriftsatz vom 6. März 2007 ist ein Abschluss der Prüfungen in 3 Monaten zu erwarten. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie nicht in der Lage ist, bis dahin ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten.

Die Antragstellerin verfügt, worauf bereits das SG in seiner Entscheidung über die Nichtabhilfe der Beschwerde hingewiesen hat, über Guthaben bei der S Bank. Nach der mit Schriftsatz vom 6.März 2007 eingereichten Kontenübersicht beträgt dieses seit Januar 2007 2.101,94 Euro. Anfang September 2006 betrug der Kontostand 2.241,25 Euro. Seither ist der Kontostand nur unwesentlich reduziert worden. Ihr Wohnbedarf wird in der Wohnung der Mutter gedeckt, ohne dass sie hierfür Zahlungen zu erbringen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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