L 8 R 1051/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 RJ 2970/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 R 1051/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2006 wird abgeändert. Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aufgrund eines am 27. März 2006 eingetretenen Leistungsfalles für die Zeit ab 1. April 2006 bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren trägt die Beklagte ein Drittel.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1949 geborene Kläger ist kroatischer Staatsangehöriger. Er kam 1969 aus dem damaligen Jugoslawien nach Deutschland und hat hier seitdem seinen Wohnsitz. Rentenversicherungsbeiträge zu einem ausländischen Versicherungsträger wurden nicht entrichtet. Einen Beruf erlernte der Kläger nicht; zuletzt arbeitete er als ungelernter Lagerarbeiter. Im Zeitraum vom 27.01.1997 bis zum 28.01.2002 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder für Lohnersatzleistungen wie Krankengeld oder Arbeitslosengeld gezahlt; insgesamt wurden für den Kläger mehr als fünf Jahre Beiträge für eine versicherungspflichtige Beschäftigung gezahlt. Seit 26.06.2000 ist der Kläger als schwerbehinderter Mensch anerkannt.

Im November 1994 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt. Er war deshalb ab 11.11.1994 zunächst arbeitsunfähig krank. Bis zum 22.12.1994 erhielt der Kläger noch Arbeitslohn, anschließend bezog er bis 26.07.1998 Sozialleistungen (Krankengeld, Arbeitslosengeld). Im Januar, Juni und September 1995 wurde bei ihm eine PTCA (perkutane transluminale coronare Angioplastie; d. i. ein Verfahren zur Erweiterung verengter Herzkranzgefäße) durchgeführt, zusätzlich wurde ihm im September 1995 ein Stent (Gefäßstütze zur Aufdehnung von Gefäßverengungen) implantiert. Anfang 1996 wurden außerdem hohe Blutzuckerwerte (Diabetes M.itus) festgestellt.

Wegen dieser Erkrankungen stellte der Kläger am 23.02.1996 einen ersten Antrag auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) bzw. Erwerbsunfähigkeit (EU). Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte und Einholung von Gutachten ihrer Ärztlichen Untersuchungsstelle mit Bescheid vom 11.04.1996 und Widerspruchsbescheid vom 17.02.1997 ab. Die hiergegen zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage (S 3 J 578/97) nahm der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 23.06.1998 zurück. Das SG hatte auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Internisten und Kardiologen Dr. Rudolph gutachtlich gehört. Der Sachverständige war in seinem Gutachten vom 24.03.1998 zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger könne trotz der vorhandenen Gesundheitsstörungen noch leichte Arbeiten vollschichtig ausführen.

Vom 27.07.1998 bis zum 28.03.2001 war der Kläger wiederum bei seinem bisherigen Arbeitgeber als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 15.02.2001 ist er wegen der koronaren Herzerkrankung erneut arbeitsunfähig und war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr berufstätig; ab 20.04.2001 bezog er Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis wurde formal im April 2003 beendet. Vom 22.02.2001 bis zum 10.03.2001 musste der Kläger wegen einer deutlichen Zunahme der kardiologischen Beschwerden erneut stationär behandelt werden. Eine Koronarangiographie ergab eine deutliche Progredienz der koronaren Herzkrankheit. Während des stationären Aufenthaltes im R.-B.-Krankenhaus wurde deshalb eine 4-fach Myocardrevaskularisation (Methode der Gefäßerweiterung) durchgeführt. Die Operation verlief ohne Komplikationen.

Den streitgegenständlichen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung stellte der Kläger am 28.01.2002. Vom 19.02. bis zum 26.02.2002 befand sich der Kläger im Zentrum für Innere Medizin des R.-B.-Krankenhauses in S. in stationärer Behandlung zur Blutzuckereinstellung. Dabei konnte festgestellt werden, dass bei ihm derzeit keine Folgeschäden von Seiten des Diabetes bestehen. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung des Klägers auf internistischem und nervenärztlichen Fachgebiet. Die Internistin Dr. H.-Z. gelangte in ihrem Gutachten vom April 2002 zu dem Ergebnis, dass der Kläger als Lagerarbeiter zwar nur noch unter 3 Stunden täglich arbeiten könne. Dagegen seien ihm leichte Arbeiten unter Beachtung gewisser Einschränkungen noch 6 Stunden und mehr täglich zumutbar. Der Arzt für Neurochirurgie und Neurologie Dr. W. schloss sich in seinem Gutachten vom September 2002 dieser Auffassung an. Mit Bescheid vom 10.04.2002 und Widerspruchsbescheid vom 22.10.2002 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab mit der Begründung, der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert, auch liege keine BU vor.

Am 12.11.2002 hat der Kläger Klage beim SG erhoben. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen schriftlich befragt und anschließend bei Dr. H., Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie & Psychotherapie Klinikum am W., ein auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers beruhendes Gutachten eingeholt. Der Sachverständige hat beim Kläger ein anhaltendes somatoformes Schmerzsyndrom diagnostiziert und die Auffassung vertreten, der Kläger könne noch ohne Gefährdung seiner Gesundheit leichte körperliche Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ca. 8 Stunden täglich verrichten. Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das SG außerdem den Arzt für Anästhesie Dr. M. gutachtlich gehört. Dieser hat wie Dr. H. in seinem Gutachten vom 06.08.2004 die Ansicht vertreten, dass beim Kläger eine somatoforme Schmerzstörung besteht, allerdings war er der Meinung, dass der Kläger nur noch eine leichte körperliche Arbeit bis zu 4 Stunden täglich ausüben könne. Mit Urteil vom 23.11.2004, dem Kläger zugestellt am 14.02.2005, hat das SG die Klage abgewiesen.

Am 14.03.2005 hat der Kläger Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, dass er voll erwerbsgemindert ist.

Während des Berufungsverfahrens ist beim Kläger am 13.01.2006 ein Prostatakarzinom diagnostiziert worden.

Der Senat hat zunächst ein internistisches Gutachten bei Prof. Dr. St., Chefarzt der Inneren Klinik II (u.a. Kardiologie) des K.-O.-Krankenhauses in S. eingeholt. Dieser hat im Gutachten vom 26.04.2006 ausgeführt, aufgrund des aktuellen Belastungs-EKG könne der Kläger noch ganzschichtig leichte Arbeiten verrichten. Aufgrund der Diabetes-Erkrankung sei eine Schichtarbeit sowie Nacht- und Akkordarbeit nicht durchführbar. Im Vergleich zur Situation im Juni 2003 habe sich die kardiale Situation allerdings weiter verschlechtert, so dass nunmehr die Indikation für einen Eingriff an der linken Arteria carotis interna (Halsschlagader) gegeben sei. Die Beeinträchtigung der körperlichen Belastbarkeit sei vom postoperativen Verlauf abhängig. Die Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit durch die vorgesehene Prostataoperation sei ebenfalls noch nicht absehbar.

Die Operation an der Halsschlagader erfolgte im Rahmen einer stationären Behandlung vom 27.03.2006 bis zum 31.03.2006 und am 05.07.2006 wurde eine radikale Prostatektomie (vollständige Entfernung der gesamten Prostata) durchgeführt. Vom 21.08. bis zum 11.09.2006 befand sich der Kläger in einem stationären Heilverfahren in der Federseeklinik in Bad Buchau. Im Entlassungsbericht dieser Klinik wird ausgeführt, dem Kläger seien noch leichte Tätigkeiten im zeitlichen Umfang von 3 bis unter 6 Stunden möglich.

Anschließend hat der Senat beim Leitenden Oberarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie des Kreiskrankenhauses P. Dr. G. ein Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet eingeholt. Dieser hat aufgrund von zwei im Oktober 2006 durchgeführten ambulanten Untersuchungen des Klägers im Gutachten vom 29.10.2006 dargelegt, dass seiner Meinung nach beim Kläger eine chronische Anpassungsstörung mit depressiven und ängstlichen Beschwerden nach Myokardinfarkt bei fehlender Aussicht auf einen Arbeitsplatz bestehe. Eine somatoforme Schmerzstörung liege nicht vor, auch bestehe keine Depression. Aus psychiatrischer Sicht könne der Kläger noch leichte Tätigkeiten 3 bis 6 Stunden täglich verrichten. Aufgrund der Aktenlage gehe er davon aus, dass die Leistungseinsschränkung seit mindestens 2004 bestehe. Mit einer nachhaltigen Besserung sei nicht zu rechnen.

Die Beklagte hat nach erneuter Überprüfung des Sachverhalts anerkannt, dass der Kläger seit 27.03.2006 voll erwerbsgemindert ist. Da er aber noch mindestens 3 Stunden am Tag arbeiten könne, liege volle Erwerbsminderung nur aufgrund der Arbeitsmarktlage vor. Die volle Rente wegen Erwerbsminderung sei daher zu befristen. Dieses Anerkenntnis hat der Kläger nicht angenommen. Er ist der Meinung, dass mindestens seit der Untersuchung durch Dr. M. am 28.07.2004 die Voraussetzungen für eine Teil-Erwerbsminderungsrente erfüllt sind. Er hat deshalb auch mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16.01.2007 eine weitere Anhörung seiner behandelnden Ärzte Dr. P. und Dr. W. sowie eine ergänzende Befragung der gerichtlichen Sachverständigen Dr. M. und Dr. G. beantragt. Mit Rentenbescheid vom 06.12.2006 hat die Beklagte ihr Anerkenntnis ausgeführt und dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.10.2006 bewilligt. Die Rente ist bis zum 31.03.2008 befristet worden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. November 2004 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm mindestens Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab 1. Juli 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage gegen den Bescheid vom 6. Dezember 2006 abzuweisen.

Sie verweist für ihre Ansicht auf die ärztliche Stellungnahme ihres sozialmedizinischen Dienstes vom 03.01.2007.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur noch der Bescheid der Beklagten vom 06.12.2006, mit dem diese dem Kläger für die Zeit vom 01.10.2006 bis zum 31.03.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt und gleichzeitig (konkludent) eine Rentengewährung vor diesem Zeitpunkt abgelehnt hat. Dieser Bescheid ersetzt den Bescheid vom 10.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.10.2002. Er ist deshalb gemäß den §§ 153, 96 SGG Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Über diesen Bescheid entscheidet der Senat auf Klage.

Der Bescheid vom 06.12.2006 ist teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger insoweit in seinen Rechten. Der Kläger hat zwar keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung für eine Zeit vor dem 01.10.2006. Die Klage gegen diesen Bescheid ist daher insoweit unbegründet. Der Kläger hat aber Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.04.2006. Für die Zeit, für die dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zusteht, ist allerdings nur diese Rente und nicht auch zusätzlich eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen. Dies folgt aus § 89 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) - Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) idF der Bekanntmachung vom 19.02.2002 (BGBl I S. 754).

Nach § 43 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie u.a. voll erwerbsgemindert sind und Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann (§ 240 Abs. 2 S. 4 SGB VI). Da der Kläger keinen Beruf erlernt hat und zuletzt als ungelernter Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt war, sind ihm in sozialer Hinsicht alle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommenden Tätigkeiten zumutbar. Sein von ihm jetzt noch geltend gemachter Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vor dem 01.10.2006 ist deshalb nach allen in Betracht kommenden Vorschriften zu verneinen, wenn er vor Eintritt des von der Beklagten anerkannten Leistungsfalls am 27.03.2006 Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens für sechs Stunden täglich verrichten konnte.

Dazu war der Kläger nach Ansicht des Senats noch in der Lage. Dies folgt insbesondere aus dem Gutachten des Prof. Dr. St., das auf einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 08.03.2006, also wenige Tage vor der Operation an der Halsschlagader, beruht. In diesem Gutachten hat der Sachverständige die Auffassung vertreten, dass der Kläger trotz der inzwischen eingetretenen Verschlechterung der Herzerkrankung aus kardiologischer Sicht zum damaligen Zeitpunkt noch in der Lage war, leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden an 5 Tagen in der Woche zu verrichten. Diese Leistungsbeurteilung überzeugt den Senat, weil sie nicht nur auf eine körperliche Untersuchung des Klägers gestützt wird. Der Sacherverständige hat neben Laboruntersuchungen auch eine Elektrokardiographie, eine Echokardiographie, ein Belastungs-EKG, eine Lungenfunktionsmessung und eine Röntgenuntersuchung des Brustbereichs vorgenommen. Das Belastungs-EKG ergab bis zu einer Belastung von 100 Watt keinen Hinweis auf das Vorliegen einer koronaren Belastungsinsuffizienz. Bei der Lungenfunktionsmessung wurden keine Hinweise auf Obstruktion oder Restriktion gefunden. Die Lungenfunktionsparameter waren normal. Auch Elektrokardiographie und Echokardiographie ergaben keine krankhaften Befunde. Damit ist die Wertung des Sachverständigen anhand der erhobenen Befunde schlüssig belegt und nachvollziehbar begründet. Allein der Umstand, dass die Indikation für eine Operation der Halsschlagader bereits am 15.02.2006 gestellt wurde, bedingt keine andere Einschätzung. Zum einen war die Verengung der Halsschlagader zu diesem Zeitpunkt klinisch noch beschwerdefrei, wie sich aus dem Arztbrief des Katharinenhospitals der Stadt Stuttgart vom 15.02.2006 (Bl. 57 der LSG-Akte) ergibt, und zum anderen hat Prof. Dr. St. seine Leistungsbeurteilung in Kenntnis dieser Operationsindikation getroffen und die berufliche Leistungsfähigkeit nur vom Ausgang der Operation abhängig gemacht. Der insulinpflichtige Diabetes erfordert zwar regelmäßige Pausen zur Einnahme von kleinen Zwischenmahlzeiten zur Vermeidung eines Unterzuckers sowie zur Messung des Blutzuckers. Dadurch wird aber noch keine Notwendigkeit für betriebsunübliche Pausen begründet. Dies wird indirekt durch die Tatsche bestätigt, dass der Diabetes seit Anfang 1996 bekannt ist, der Kläger seitdem aber noch einige Jahre berufstätig gewesen ist.

Auf psychiatrischem Fachgebiet liegt nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. G. eine chronifizierte Anpassungsstörung vor. Daraus ergeben sich aber keine Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit des Klägers, die über diejenigen hinausgehen, die bereits als Folge der internistischen Erkrankungen zu beachten sind. Dr. G. hat in seinem Gutachten lediglich bestätigt, dass aus psychiatrischer Sicht keine Feststellungen getroffen werden können, die "den bisher festgestellten beruflichen Einschränkungen bezüglich Arbeitsschwere, Arbeitshaltung und Leistungsbild grundsätzlich widersprechen." (Gutachten Seite 13). Die Einschränkungen seien in erster Linie den internistischen Erkrankungen geschuldet (Gutachten Seite 14). Er hat der Einschätzung des Dr. M. ausdrücklich widersprochen, weil dessen Beurteilung auf der Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung beruhe, die nach Ansicht von Dr. G. gar nicht gegeben ist. Die Auffassung von Dr. G. überzeugt den Senat. Nach der im Gutachten wiedergegebenen Beschwerdeschilderung hat der Kläger als Hauptbeschwerde angegeben, er sei ständig nervös und kraftlos, er könne nichts mehr aushalten. Damit lässt sich eine Schmerzstörung nicht begründen. Der Senat ist deshalb mit Dr.G. der Ansicht, dass die vom Kläger geschilderten reduzierten Tätigkeiten im Tagesablauf keiner Krankheit zugesprochen werden können, sondern als Reaktion auf die internistischen Krankheiten und seine Lebenssituation gewertet werden müssen. Daraus können über die sich bereits aus den internistischen Krankheiten sich ergebenden Leistungseinschränkungen hinaus keine weiteren Einschränkungen abgeleitet werden.

Da die internistischen Krankheiten eine Erwerbsminderung aber erst ab dem 27.03.2006 begründen, ergibt sich aus den psychiatrischen Befunden kein früherer Leistungsfall. Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass auch nach der Auskunft des behandelnden Nervenarztes Dr. W. vom 12.04.2006 kein Grund besteht, von einem früheren Leistungsfall der Erwerbsminderung auszugehen. Denn nach Auffassung von Dr. W. lagen in psychiatrischer Hinsicht lediglich eine Dysthymie (depressive Verstimmung) und Spannungskopfschmerzen vor. Dr. Stark vom Ärztlichen Dienst der Beklagten, dessen Ausführungen der Senat als sachverständiges Parteivorbringen wertet, führt hierzu überzeugend aus, dass diese Störung noch nicht einmal einer Depression leichten Grades entspricht und daher eine quantitative Leistungseinschränkung nicht begründet werden kann.

Die im Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16.01.2007 gestellten Anträge des Klägers lehnt der Senat ab. Zum Nachweis, dass er bereits seit dem 28.07.2004 keine leichte Tätigkeit von mehr als 6 Stunden verrichten kann, ist der Zeugenbeweis - darum handelt es sich bei der beantragten Anhörung der behandelnden Ärzte - als Beweismittel ungeeignet. Denn insoweit handelt es sich um eine vom Sachverständigen und nicht vom Zeugen zu klärende Frage, weil es darum geht, Schlussfolgerungen aus einem bestimmten Sachverhalt (Befunde) zu ziehen. Ergänzende Anfragen bei den Sachverständigen Dr. M. und Dr. G. sind nicht notwendig, weil sich beide Sachverständige zu dieser Frage bereits geäußert haben und es nur noch darum geht, inwieweit sich das Gericht den Ausführungen der Sachverständigen anschließt. Die Gutachten sind nicht lückenhaft, weil die Sachverständigen alle Fragen des Senats beantwortet haben und deshalb nicht mehr der Ergänzung bedürfen.

Der Senat ist allerdings der Auffassung, dass dem Kläger auch eine (unbefristete) Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung aufgrund des am 27.03.2006 eingetretenen Leistungsfalls zusteht. Diese Rente ist ab 01.04.2006 zu zahlen (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).

Gemäß § 102 Abs 2 Satz 1 SGB VI in der hier anwendbaren Fassung (der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002, BGBl I 754, Text insoweit unverändert seit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (RRErwerbG) vom 20. Dezember 2000, BGBl I 1827, in Kraft getreten am 1. Januar 2001), werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Nach Satz 4 dieser Vorschrift werden solche Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, nur dann unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Erwerbsminderung behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen.

Eine solche Ausnahme vom Regelfall der Gewährung der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nur auf Zeit liegt beim Kläger vor. Denn es ist "unwahrscheinlich", dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit bei ihm behoben werden kann. Die Frage der Wahrscheinlichkeit der Beseitigung einer Leistungsminderung ist vom Versicherungsträger bei Bescheiderteilung prognostisch zu beurteilen. Dabei kommt es bei ihrer Beantwortung auf die Besserungsaussichten unter Berücksichtigung aller vorhandenen therapeutischen Möglichkeiten an (BSG Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R - SozR 4-2600 § 102 Nr. 2). Aus dem Gutachten des Dr. G., dem sich der Senat auch insoweit anschließt, ergibt sich, dass mit keiner nachhaltigen Besserung im Gesundheitszustand des Klägers zu rechnen ist, welche die Leistungseinschränkungen ganz oder teilweise aufheben würde. Aus dem internistischen Gutachten des Prof. Dr. St. folgt zudem, dass sich der kardiologische Zustand in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert hat. Es ist nicht erkennbar, durch welche therapeutischen Maßnahmen die Leistungsminderung behoben werden könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat sieht es als sachgerecht an, dass die Beklagte Kosten nur teilweise zu erstatten hat. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass sich die Sachlage während des Berufungsverfahrens geändert hat und die Beklagte diesem Umstand - im Hinblick auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - unverzüglich Rechnung getragen hat. Erlässt die Behörde - wie im vorliegenden Fall - einen den Kläger (teilweise) klaglos stellenden Bescheid, ist zu unterscheiden: War die Klage von Anfang an (teilweise) begründet, trägt die Behörde die Kosten, und zwar auch dann, wenn sie sofort nach Vorlage des Beweisergebnisses ein Anerkenntnis oder ein entsprechendes Vergleichsangebot abgibt. Sie trägt das Risiko, dass sich die Unrechtmäßigkeit ihres Handelns erst nachträglich herausstellt. Beruht der (Teil-)Erfolg der Klage dagegen auf dem Umstand, dass sich die Sachlage erst nach Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts geändert hat und trägt die Behörde dem unverzüglich Rechnung (sofortiges Anerkenntnis), braucht sie die Kosten nicht zu tragen (ständige Rspr des erkennenden Senats vgl. Beschluss vom 10.04.2006 - L 8 R 5579/05 AK-B - , ebenso HessLSG 30. 3. 1994 Breith 1995, 166; LSG Hamburg 15. 3. 1978 Breith 1979, 936, 937f; aA BayLSG 10. 10. 1996 SGb 1997, 269: keine Freistellung, aber Minderung der Kostenlast; LSG Nds 17. 1. 1984 Breith 1984, 634, 636; vgl auch BayLSG 9. 8. 1985 Breith 1986, 365 und 2.6.1998 Breith 1998, 948). Ausgehend hiervon sind Kosten nur zu einem Drittel zu erstatten. Denn zum einen hat die Beklagte einen Leistungsfall nach Auswertung des Gutachtens des Dr. G. ab 27.03.2006 anerkannt und zum anderen war die Klage bzw. Berufung im Übrigen nur teilweise erfolgreich. Keinen Erfolg hatten Klage und Berufung soweit sie darauf gerichtet waren, einen früheren Leistungsfall festzustellen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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