L 9 U 683/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 4116/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 683/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. November 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligen, ob der Kläger am 23. 02. 2002 einen Arbeitsunfall erlitten hat. Beim Kläger bestand bereits vor dem 23.02.2002 ein Zustand nach in Fehlstellung verheilter Femur-Fraktur links 1952 und ausgeprägter Gonarthrose des linken Kniegelenks mit aufgehobener Beweglichkeit.

Am 21.11.2002 meldete die Krankenkasse des Klägers, die AOK - Die Gesundheitskasse Tuttlingen - wegen eines Unfalls, den der Kläger am 23.2.2002 um 19.30 Uhr auf dem Verbindungsweg zwischen B. und K. erlitten hatte, bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an. In dem von der AOK vorgelegten Unfallfragebogen schilderte der Kläger unter dem 25.03.2002 den Unfall wie folgt: Herr K. D. (K.D.) kam mit seinem Auto von der Straße ab. Beim Versuch, ihm durch Schieben Hilfe zu leisten, wurde ich von dessen Auto umgestoßen und stürzte. Hier zog ich mir eine Oberschenkelfraktur zu und wurde ins Krankenhaus gebracht. Der Unfall habe sich neben der Straße außerhalb der geschlossenen Ortschaft ereignet und es habe Schneefall geherrscht.

Die Beklagte leitete hierauf Ermittlungen ein. Der Kläger gab im Fragebogen vom 08.02.2003 ergänzend an, er habe zusammen mit seinen Söhnen F. (F.F.) und P. (P.F.) versucht, durch Schieben Hilfe zu leisten. K.D. teilte der Beklagten schriftlich unter dem 20.10.2003 mit, als ihn der Kläger gefragt habe, ob man ihn herausschieben solle, habe er dies verneint und hinzugefügt: "Du mit deinem Bein sowieso nicht". Dann sei er in sein Auto gestiegen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Kläger noch auf der Straße befunden. Als er einige Zeit später (aus dem Graben) wieder oben an der Straße angekommen und aus seinem Fahrzeug ausgestiegen sei, habe er gesehen, dass der Kläger, von seinen Söhnen gestützt, die Böschung hinaufgeschleppt worden sei. Der Kläger habe auf seine Frage, was passiert sei, geantwortet: "Nichts, ich bin ausgerutscht" Dann habe er noch gesagt: "Du kannst nichts dafür". Danach seien alle nach Hause gefahren. Am nächsten Tag habe er durch ein Telefongespräch mit der Tochter des Klägers erfahren, dass der Fuß gebrochen sei.

Unter Vorlage des Teilurteils des Landgerichts Rottweil (LG) vom 20.02.2004 (Geschäftsnr.: 2 0 222/3) und der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG) vom 13.07.2004 (Az.: 10 U 73/04) meldete der Kläger das Unfallereignis vom 23.02.2002 bei der Beklagten als Versicherungsfall an. Das Teilurteil war im Rechtstreit des Klägers gegen K.D. und dessen Haftpflichtversicherung, die R + V Versicherungs AG, ergangen, und betraf die anlässlich des Unfallereignisses erhobene Schmerzensgeldforderung des Klägers. Das LG hatte den Kläger und K.D. angehört sowie P.F., F.F. und die Ehefrau des K.D. als Zeugen vernommen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 09.12.2003 erklärte der Kläger, K.D. sei seiner Erinnerung nach beim ersten Zusammentreffen im Auto gesessen. K.D. sei der Ansicht gewesen, dass er einen Traktor brauche, wenn er nicht selbst hinauskomme. Er habe K.D. aber (bei geöffnetem Fenster) gesagt, dass es gehen müsste, wenn sie zu dritt schieben würden. Unmittelbar nach dieser Äußerung sei K.D. losgefahren. Zu diesem Zeitpunkt habe er sich auf dem Weg nach hinten entlang der Beifahrerseite des Fahrzeugs zu dem dort schon stehenden P.F. befunden. K.D. sei ihm praktisch mit dem Hinterrad über die Zehen gefahren. Demgegenüber gab K.D. an, er sei aus seinem Auto über die Beifahrerseite ausgestiegen, als sich der Kläger und seine Söhne noch oben an der Strasse befunden hätten. Sie hätten gesagt, dass sie schieben wollten. Er habe zu dem Kläger und seinen Söhnen gesagt, Schieben habe keinen Wert; er wolle es selbst noch einmal probieren. Als er wieder zu seinem Auto hinunter gegangen sei, habe sich der Kläger mit seinen Söhnen noch oben an der Straße aufgehalten. Nachdem es ihm dann gelungen sei, frei zu kommen, habe er oben an der Straße bemerkt, dass der Kläger von seinen Söhnen die Böschung hoch gezogen worden sei. Ihm sei gesagt worden, der Kläger sei hingefallen bzw. ausgerutscht. P.F. gab zum Hergang an, vor dem Unfall habe man gesagt, dass man es probiere (das Herausschieben). Er habe nichts Gegenteiliges gehört, sonst wäre er ja nicht - als Zweiter nach K.D.- nach unten zu dem Auto gelaufen. Er habe allein von hinten geschoben und könne nicht sagen, wo sein Vater zu diesem Zeitpunkt gewesen sei. Daher habe er auch nicht gesehen, wie es zu dem Fall seines Vaters gekommen sei. Keiner der Anwesenden, auch nicht K.D., habe gesagt, sein Vater solle das Anschieben sein lassen, weil es nichts für ihn sei. Der andere Sohn des Klägers, F.F., erklärte, das Gespräch mit K.D. habe oben an der Straße stattgefunden. Sie hätten gesagt, dass sie den Wagen herausziehen würden. Sie hätten aber kein Seil gehabt. Daher hätten sie gesagt, dass sie eben schieben würden. Er und sein Vater seien erst vorne zu dem Auto des K.D. gelaufen und hätten geschaut, was passiert sei. Dann hätten sie von hinten schieben wollen. Da sei K.D. aber auch schon losgefahren. Als sein Vater zu Fall gekommen sei, habe er ihn nicht gesehen. Er stelle sich aber vor, dass sein Vater irgendwie von dem Auto erfasst worden und nicht etwa ausgerutscht sei. K.D. habe schon mitbekommen, dass sie schieben wollten. K.D. habe nicht gesagt, dass sie dies lassen sollten und er einen Traktor holen wolle. Die Ehefrau des K.D. berichtete noch von einem Telefongespräch, das sie am Unfalltag mit der Tochter des Klägers, Karin Dreher, geführt habe. Diese habe erklärt, K.D. könne nichts für den Unfall, ihr Vater habe gesagt, er sei ausgerutscht.

Im Teilurteil vom 20.02.2004 gelangte das LG zu dem Ergebnis, es sei kein schuldhaftes Verhalten des K.D. als Voraussetzung eines Schmerzensgeldanspruchs nachgewiesen. Er habe bei seinem Versuch aus dem Graben zu fahren, nicht damit gerechnet, dass sich Personen an seinem Fahrzeug aufhielten und hiermit auch nicht rechnen müssen, nachdem er die vom Kläger angebotene Hilfe abgelehnt habe. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2003 sei nicht auszuschließen, dass der Entschluss anzuschieben nicht gegenüber K.D. geäußert worden sei. Das LG ging nach den insoweit übereinstimmenden Angaben des K.D. und der Zeugen P.F. und F.F. davon aus, dass ein Gespräch zwischen dem Kläger und K.D. nicht bei dem im Graben stehenden PKW, sondern oben auf der Straße stattgefunden habe. Da K.D. als erster hinunter zu seinem PKW gegangen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Entschluss anzuschieben zwar vom Kläger und seinen Söhnen gefasst und auch verbalisiert worden sei, K.D. dies jedoch nicht mehr mitbekommen habe, wofür spreche, dass er schon losgefahren sei, bevor die Zeugen P.F. und F.F. das Fahrzeug erreicht gehabt hätten. Gegen das Teilurteil vom 20.02.2004 legte der Kläger Berufung zum OLG ein ( Az. 10 U 73/04), das den Rechtsstreit durch Beschluss vom 24.08.2004 gemäß § 108 Abs. 2 SGB VII bis zur unanfechtbaren Entscheidung des Sozialversicherungsträgers bzw. des Sozialgerichts darüber, ob ein Versicherungsfall vorliege, aussetzte.

Mit Bescheid vom 17.08.2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Versicherungsfalles ab. Den Angaben des Klägers stünden die Angaben des K.D. gegenüber, wonach der Kläger zu keiner Zeit vom Auto berührt worden sei und selbst mitgeteilt habe, er sei ausgerutscht und K.D. könne nichts dafür. Eine Pannenhilfe im unfallversicherungsrechtlichen Sinne habe nicht vorgelegen, da ein Anschieben nicht im Sinne des K.D. gewesen wäre. Vielmehr habe dieser dem Kläger ausdrücklich mitgeteilt, er wolle selbst noch einmal versuchen aus eigener Kraft aus dem Graben zu kommen.

Demgegenüber vertrat der Kläger in seinem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 02.09.2004 die Auffassung, die Voraussetzungen einer Pannenhilfe seien erfüllt. Er habe tatsächlich Hilfe geleistet und sogar das Fahrzeug mit angeschoben. Dies habe K.D. nicht sehen können. Außerdem habe K.D. der Äußerung, man wolle versuchen das Fahrzeug aus dem Graben zu schieben, nicht widersprochen, so dass er das Einverständnis des K.D. habe unterstellen dürfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Trotz Schilderung beider Parteien und Beiziehung der Akten des OLG hätten die rechtserheblichen Tatsachen nicht eindeutig bewiesen werden können. Aber selbst wenn der Kläger das Fahrzeug des K.D. angeschoben hätte, und dabei ausgerutscht sei, sei dies gegen den Willen des K.D. geschehen, da dieser ja dem Kläger und seinen Söhnen gegenüber geäußert habe, er wünsche ein Anschieben nicht.

Hiergegen erhob der Kläger am 23.12.2004 Klage zum Sozialgericht (SG) Reutlingen, mit der er die Anerkennung des Unfalls als Versicherungsfall weiter verfolgte. Zur Begründung wiederholte er sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren und trug ergänzend vor, als er hinter das im Schnee steckengebliebene Fahrzeug habe gehen wollen und gerade "halb am Auto gewesen sei", sei K.D. losgefahren. Hierbei habe er soviel Gas gegeben, dass er den Kläger umgefahren habe und dieser seitlich eingeknickt sei.

Nach Beiziehung der Akten 10 U 73/04 vom OLG Stuttgart stellte das SG mit Urteil vom 10.11.2005 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide fest, dass die am 23. Februar 2002 vom Kläger erlittene Fraktur des linken Oberschenkels Folge eines Arbeitsunfalls ist. Zur Begründung führte es unter Verwertung der in den beigezogenen Akten des OLG enthaltenen Erklärungen des Klägers, des K.D. und der vernommenen Zeugen aus, bei dem Unfallereignis vom 23.02.2002 sei der Kläger wie ein Beschäftigter tätig geworden und daher versichert gewesen. Dass der Kläger im Zusammenhang mit dem Versuch, seinem Nachbarn K.D. Pannenhilfe zu leisten, verunglückt sei, stehe außer Frage, auch wenn nicht ganz geklärt sei, wodurch er konkret zu Fall gekommen sei, insbesondere, ob er von dem Jeep des K.D. erfasst worden sei, als dieser angefahren sei oder ob er im Schnee einfach ausgerutscht sei. Die Handlungstendenz des Klägers sei jedoch eindeutig darauf gerichtet gewesen, mittels Anschieben des Jeeps K.D. zu helfen, mit seinem Fahrzeug wieder auf die Straße zu kommen. Ob K.D. dem eindeutig widersprochen habe, lasse sich nicht feststellen. Da beide Söhne des Klägers ausgesagt hätten, eine entsprechende Äußerung des K.D. nicht gehört zu haben, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger, sofern K.D. sich entsprechend geäußert habe, diese Äußerung mitbekommen habe und damit subjektiv gegen den erklärten Willen des K.D. gehandelt habe. Der Kläger sei zumindest subjektiv der Meinung gewesen, die seinem Nachbarn angebotene Hilfe diene auch dessen Interessen und erfolge nicht gegen seinen Willen.

Gegen das am 24.01.2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 13. 02.2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, für sie stehe es fest, dass K.D. unmissverständlich klargemacht habe, er wünsche keine Hilfe. Dies werde insbesondere dadurch deutlich, dass er sich unmittelbar nach dem Wortwechsel auf der Straße sofort zu seinem Auto begeben und versucht habe loszufahren, was ihm dann auch gelungen sei. Das LG habe deshalb in seinem Teilurteil vom 20.02.2004 ausgeführt, K.D. sei aus seinem Verhalten kein Vorwurf zu machen, da er nach Ablehnung der angebotenen Hilfe nicht damit habe rechnen müssen, dass sich Personen an seinem PKW befänden. Demgegenüber habe das LG die Aussagen des Klägers als widersprüchlich bezeichnet.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Wie das SG ausgeführt habe, sei nicht feststellbar, ob K.D. dem Angebot zum Anschieben eindeutig widersprochen habe. Es lasse sich der Gerichtsakte entnehmen, dass seine Söhne eine entsprechende Äußerung des K.D. nicht gehört hätten, andernfalls hätte es für sie und den Kläger auch keinen Grund gegeben nach unten zu gehen, um anzuschieben. Der Kläger sei zumindest subjektiv der Meinung gewesen, die seinem Nachbarn angebotene Hilfe diene dessen Interessen und erfolge nicht gegen seinen Willen.

Der Kläger hat zu den Akten die Berichte der Kreisklinik T. vom 23.02.2002 über die notfallmäßige ambulante Behandlung des Klägers am 23.02.2002 und vom 25.02.2002 über die stationäre Behandlung vom 23. bis 25.02.2002 sowie den Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. über die stationäre Behandlung des Klägers vom 25.02. bis 13.03.2002 vorgelegt. In der Anamnese der Berichts vom 23.02.2002 ist festgehalten: Patient ist aus dem Auto gestiegen, weil er einem Fahrer helfen wollte, der gegen einen Baum an der Böschung gefahren war. Dabei ist Patient ausgerutscht und selbst die Böschung hinuntergefallen.

In der mündlichen Verhandlung vom 20. März 2007 hat der Senat K.D. und die Söhne des Klägers F.F. und P.F. als Zeugen vernommen sowie den Kläger angehört.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und derjenigen des Senats, insbesondere die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 20. März 2007, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben gewesen, da die Beklagte zutreffend in dem mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 17.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2004 die Anerkennung des Unfallereignisses vom 23.02.2002 als Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt hat.

Arbeitsunfälle sind gem. § 8 Abs. 1 S. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Zunächst ist festzustellen, dass kein Versicherungsschutz des Klägers wegen einer Hilfeleistung bei einem Unglücksfall bestand.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII stehen unter dem Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung auch Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Ein Unglücksfall ist bei einer plötzlich eintretenden Situation mit einem Schaden oder seiner naheliegenden Möglichkeit (d.h. einer erheblichen Gefahr) gegeben. Zum Zeitpunkt der Hilfeleistung darf der Schaden noch nicht abgeschlossen sein oder ein weiterer Schaden muss drohen (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, Bd.2, Stand 09/2006, § 7 SGB VII, Rdnr. 64,65). Nicht ausreichend ist daher, wenn nach Eintritt und Abschluss eines Schadensereignisses ein betriebsunfähiges Kraftfahrzeug angeschoben wird und die Tätigkeit lediglich der Behebung des bereits eingetretenen Schadens dient (BSGE 35, 140, 141).

Gemessen an diesen Kriterien war der Schaden hier bereits eingetreten, als der Kläger und sein Sohn P.F. mit ihrem PKW an der Straße anhielten, weil sie bemerkt hatten, dass der Geländewagen des K.D. in den Graben gerutscht war. Eine Gefährdung für K.D. oder für andere Verkehrteilnehmer lag aufgrund dieser Sachlage nicht mehr vor. Die (beabsichtigte) Hilfeleistung des Klägers sollte daher der Behebung eines bereits abgeschlossenen Schadens dienen, sodass kein Versicherungsschutz gem. § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII bestand.

Der Kläger war auch nicht aufgrund arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit versichert.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind auch Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 dieser Vorschrift, d.h. wie Beschäftigte tätig werden. Voraussetzungen für einen Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift sind: (1.) Die Tätigkeit hat wirtschaftlichen Wert und dient einem Unternehmen, in dem der Handelnde nicht bereits als Beschäftigter versichert ist, (2.) die Tätigkeit entspricht dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers, (3.) die Tätigkeit kann ihrer Art nach von Arbeitnehmern verrichtet werden und (4.) die Tätigkeit wird konkret unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen (vgl. Ricke, aaO, § 2 SGB VII, Rdnr. 104 unter Hinweis auf Rechtsprechung des BSG). Hierbei ist weder eine persönliche noch wirtschaftliche Abhängigkeit zum Unternehmer erforderlich, noch sind die Beweggründe des Handelnden für das Tätigwerden maßgeblich. Auch bei Gefälligkeitsdiensten kann daher ein Versicherungsschutz bestehen.

Eine arbeitnehmerähnliche Verrichtung ist dann zu verneinen, wenn die unfallbringende Handlung nach dem Bild des Gesamtvorhabens so deutlich von familiären oder auch engen nachbarschaftlichen Verhältnissen geprägt ist, dass sie als (bloße) Gefälligkeitshandlung erscheint (vgl. Wiester in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd.3, Gesetzl. Unfallversicherung, Std. 06/2005, § 2 SGB VII, Rdnr.854ff).

Um einen aufgrund der Bekanntschaft bzw. Nachbarschaft des Klägers mit K.D. geradezu selbstverständlichen Freundschaftsdienst (vgl. Urteil des BSG vom 26.04.1990, 2 RU 39/89) handelte es sich hier zur Überzeugung des Senats jedoch nicht. Dies ergibt sich aus dem Umständen (Dunkelheit, Schneefall) und dem Umfang und der zeitlichen Dauer der nach den Angaben des Klägers beabsichtigten Hilfeleistung (Schieben eines von der Strasse abgekommenen und unterhalb einer Böschung stehenden PKW).

Die für einen Versicherungsschutz bei arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit genannten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Wäre es zu dem vom Kläger behaupteten Schieben des von der Strasse abgekommenen und unterhalb einer Böschung stehenden PKW des K.D. gekommen, wäre dies zweifelsfrei eine Tätigkeit gewesen, die ihrer Art nach von Arbeitnehmern verrichtet wird (Voraussetzung 3). Der Kläger wäre daher -bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen- zum Zeitpunkt des Unfallereignisses wie ein Beschäftigter in der privaten Kraftfahrzeughaltung des K.D. aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden. Die Pannenhilfe hätte auch unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen werden sollen (Voraussetzung 4).

Der Senat vermag jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festzustellen, dass der Kläger tatsächlich eine dem Unternehmen des K.D. dienende Tätigkeit entfaltet hat (Voraussetzung 1), welche dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des K.D. entsprach (Voraussetzung 2).

Grundsätzlich liegt eine einem Unternehmen dienende Tätigkeit vor, wenn sie wirtschaftlich als Arbeit anzusehen und dadurch für das unterstützte Unternehmen von wirtschaftlichem Wert ist. Hierzu hat die Rechtsprechung die Pannenhilfe, z.B. durch Anschieben eines liegengebliebenen Fahrzeugs gezählt (BSGE 35, S.140, 142). Mit dem Hinweis auf den ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers soll eine Abgrenzung vor allem zu den Fällen vorgenommen werden, in denen die Tätigkeit als den Interessen des Unternehmens offensichtlich zuwiderlaufend oder als unsinnig anzusehen ist (vgl. Wiester in Brackmann, aaO, Rdnr.868). Dabei kommt es vorrangig auf den Willen des Unternehmers an, der zur Zeit der unfallbringenden Tätigkeit erkennbar ist. Liegt eine bestimmte Willensbekundung nicht vor, ist der mutmaßliche Wille entscheidend. Dieser ist aus dem allgemeinen Unternehmenszweck und der Interessenlage zu entnehmen. Daher besteht kein Versicherungsschutz, wenn sich der Handelnde bei verständiger Würdigung aller Umstände sagen müsste, dass sein Handeln vom Unternehmer nicht gebilligt werde (Brackmann, aaO, Rdnr. 870). Nicht versichert ist auch, wer seine Unterstützung nur anbietet oder anbieten will, da der einseitige Wille, eine Beschäftigung auszuüben, den Versicherungsschutz nicht begründet (Urteil des BSG vom 08.05.1980 in SGb 1981, S.70 ff). Lehnt der Unternehmer die Unterstützung ab, bleibt der Anbietende unversichert. Reagiert der Unternehmer auf das Angebot nicht, dann kann nur aus den Umständen auf den mutmaßlichen Willen geschlossen werden. Als Anzeichen der Zustimmung kann gewertet werden, wenn der Unternehmer in voller Kenntnis die Hilfeleistung unwidersprochen geschehen lässt ( Dr. Wickenhagen, Anmerkung zum Urteil des BSG vom 08.05.1980 in SGb 1981,S.72).

Eine dem Unternehmen des K.D. dienende Tätigkeit hatten der Kläger und seine Söhne, die Zeugen P.F. und F.F., zwar beabsichtigt, als sie mit ihren Fahrzeugen an der Stelle anhielten, wo K.D. mit seinem Fahrzeug von der Strasse abgekommen war. Der Senat ist auf der Grundlage der Angaben der Zeugen F.F., P.F. und K.D. auch davon überzeugt, dass K.D. den Zeugen F.F., der ebenso wie K.D. mit einem Geländewagen unterwegs war, um Pannenhilfe bat, indem er ihn fragte, ob er ein Abschleppseil habe, um seinen PKW aus dem Graben zu ziehen. Für den Senat steht nach den Zeugenaussagen auch fest, dass der Kläger und seine Söhne K.D. auch noch behilflich sein wollten, als geklärt war, dass ein Abschleppen wegen des Fehlens eines Abschleppseils und der Tatsache, dass der Geländewagen des F.F. bereits Sommerreifen aufgezogen hatte, nicht möglich war. Allerdings lässt sich schon nicht feststellen, dass es in der Folge zwischen dem Kläger, seinen Söhnen und K.D. tatsächlich zu einer Verabredung dahingehend kam, dass der Kläger und seine Söhne das Fahrzeug des K.D. zu dritt schieben sollten.

Den Angaben des Zeugen F.F. entnimmt der Senat, dass dieser an das folgende Gespräch keine Erinnerung mehr hat und noch vor K.D., seinem Vater und seinem Bruder, die noch auf der Strasse standen, "vor allem aus Neugier" die Böschung hinabgestiegen war, um nach dem PKW des K.D. zu sehen. Abweichend davon hat sein Bruder, der Zeuge P.F. bekundet, K.D. sei als erster die Böschung hinuntergegangen, nachdem man beratschlagt habe, wie man sonst helfen könne. Allein der Kläger hat angegeben, er und seine Söhne hätten gesagt, dass sie zu dritt schieben würden und dass sie gleichzeitig mit K.D. zu dessen PKW hinuntergestiegen seien. Dagegen hat der Zeuge K.D. ausgesagt, er habe gesagt, er versuche aus eigener Kraft wieder auf die Strasse zu kommen. Das Schieben durch den Kläger und seine Söhne habe er angesichts der Schneehöhe für sinnlos gehalten und die angebotene Hilfe abgelehnt. Für seine Aussage spricht sein Verhalten im weiteren Verlauf. Nach der übereinstimmenden Aussage sämtlicher Beteiligten ist er nämlich wieder die Böschung hinuntergegangen, -über den Beifahrersitz- wieder in sein Fahrzeug eingestiegen, hat dieses angestellt und ist losgefahren, bevor der Kläger oder einer seiner beiden Söhne das Fahrzeug erreicht hatten, um dieses anzuschieben.

Nach der Aussage des Zeugen K.D. hatte er im Zeitpunkt des Anfahrens nicht bemerkt, dass der Kläger und seine beiden Söhne schon die Böschung hinabgestiegen waren. Nach der Aussage des F.F. stand dieser im Zeitpunkt des Anfahrens durch K.D. auf der Höhe der Fahrerseite, der Kläger auf der Höhe der Beifahrerseite und der Zeuge P.F. hinter dem Fahrzeug, ohne dass er dieses - auch nach den eigenen Angaben des P.F. - bereits erreicht hatte.

Selbst wenn unterstellt wird, dass der Kläger dem K.D. seine Hilfe anbieten wollte, indem er die Böschung hinunterstieg, wäre dies angesichts der von K.D. bekundeten Äußerungen und insbesondere angesichts seines Verhaltens ein einseitiger Wille des Klägers gewesen, der Versicherungsschutz nicht begründen kann. Auch kann mangels feststellbarer Verabredung und nach dem dargestellten Geschehensablauf nicht festgestellt werden, dass K.D. eine Hilfeleistung des Klägers unwidersprochen hätte geschehen lassen.

Für ein versichertes Tätigwerden als arbeitnehmerähnlicher Beschäftigter bestand daher kein Raum. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger und seine Söhne F.F. und P.F. möglicherweise die Äußerungen des K.D. -evtl. rein akustisch- nicht verstanden hatten, oder ob sie trotz dieser Äußerung ihre Hilfsbereitschaft zeigen wollten, da sie anders als K.D. das gemeinsame Anschieben des liegengebliebenen Fahrzeugs für erfolgversprechend hielten. In jedem Fall handelten sie nicht entsprechend dem durch sein Verhalten kund getanen Willen des K.D.

Da für den Kläger somit kein Versicherungsschutz als arbeitnehmerähnlicher Beschäftigter gem. § 2 Abs. 2 SGB VII und auch nicht als Hilfeleistender bei Unglücksfällen gem. § 2 Abs.1 Nr. 13a SGB VII bestand, handelt es sich bei dem Unfallereignis mit Fraktur des Oberschenkelknochens links nicht um einen Arbeitsunfall. Aus diesem Grund kann der genaue Unfallhergang offen bleiben. Dieser wurde vom Kläger bei verschiedenen Befragungen unterschiedlich geschildert (ausgerutscht beim Aussteigen aus dem eigenen PKW; K.D. sei ihm über die Zehen gefahren; er sei vom Kotflügel des Fahrzeugs des K.D. umgedrückt worden).

Nach alledem hat der Senat das mit der Berufung angefochtene Urteil des SG aufgehoben und die Klage gegen die Bescheide der Beklagten abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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