Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
11
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 9 SB 204/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 11 SB 3/05 -26
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 07. Dezember 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des dem Kläger zuzuerkennenden Grades der Behinderung (GdB).
Der 1949 geborene Kläger beantragte mit Schreiben vom 16. Oktober 2001 formlos unter Benennung der ihn behandelnden Ärzte die Feststellung von Behinderungen, die er im Antragsvordruck als beidseitige Lärmschwerhörigkeit, koronare Herzkrankheit (Herzinfarkt), degenerative Brust- und Lendenwirbelsäulenerkrankung sowie als Schilddrüsenadenom und Hämaturie konkretisierte. Der Beklagte veranlasste daraufhin ärztliche Auskünfte von dem behandelnden Internisten und Kardiologen Dr. H vom 8. November 2001 (als Anlage Echokardiographie vom 15. Oktober 2001), von dem HNO-Arzt Dipl.-Med. H vom 28. November 2001 (als Anlage Sprach- und Tonaudiogramm 2001) und von dem Internisten Dr. K vom 19. Januar 2002 mit weiteren medizinischen Unterlagen aus dem Zeitraum von 1991 bis 2001.
Mit Bescheid vom 18. März 2002 stellte der Beklagten einen GdB von 20 unter Zugrundelegung der in der ärztlichen Stellungnahme von Dr. S vom 02. März 2002 festgestellten Beeinträchtigungen: 1) Schwerhörigkeit – Einzel-GdB 20, 2) Coronardilatation, Bluthochdruck – Einzel-GdB 10, 3) Funktionsstörung der Wirbelsäule – Einzel-GdB 10, 4) Nierensteinleiden – Einzel-GdB 10, fest. Die festgestellte Schilddrüsenfunktionsstörung und die Sehstörungen bedingten keinen GdB von wenigstens 10 und würden bei der Bildung des GdB nicht berücksichtigt.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, nicht alle seine Gesundheitsstörungen hätten in entsprechendem Umfang Berücksichtigung gefunden, so dass er um erneute Überprüfung der Entscheidung bitte.
Der Beklagte veranlasste weitere ärztliche Auskünfte von dem Nuklearmediziner Dr. med. W W vom 1. Mai 2002 sowie von dem Facharzt für Urologie Dr. W vom 21. Mai 2002, bei dem der Kläger letztmalig am 7. April 1997 in Behandlung gestanden hatte, sowie von dem Facharzt für Innere Medizin Dr. med. P K vom 9. Juni 2002, der auf seinen Befundbericht vom 19. Januar 2002 verwies, da keine neuen Gesichtspunkte vorlägen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2002 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus, die Auswertung der vorliegenden Befundunterlagen habe bestätigt, dass die Festsetzung des GdB dem derzeitigen Gesundheitszustand des Klägers entspreche und nicht zu beanstanden sei. Nach § 69 Abs.1 Satz 3 Sozialgesetzbuch 9. Buch (SGB IX) erfolge die Beurteilung des GdB nach den Maßstäben, die sich aus § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" (AHP) ergäben. Er bestimme sich nach dem Funktionsausfall infolge der Behinderung. Gesundheitsstörungen, die keine Funktionsausfälle verursachten, könnten deshalb nicht als Behinderung festgestellt werden. Die Gesundheitsstörungen "Schilddrüsenfunktionsstörung, Sehstörungen" seien keine Beeinträchtigungen, da diese keinen GdB von wenigstens 10 verursachen würden. Der Feststellung des vom Kläger beantragten Merkzeichens "RF" für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen bedürfe es nicht, da der GdB nicht wenigstens 50 betrage.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger die Zuerkennung eines GdB von mindestens 30 begehrt. Er hat dazu vorgetragen, der Beklagte habe die Auswirkungen gerade der Schwerhörigkeit und der Coronardilatation im Hinblick auf den GdB fehlerhaft bewertet. Er leide bereits seit 1976 unter einer anerkannten Lärmschwerhörigkeit im Bereich des rechten Ohres, die seinerzeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 v.H. bedingt habe. In den Folgejahren habe sich das Hörvermögen im Bereich des rechten Ohres zusehends verschlechtert, so dass er hier fast taub und seit 1993 gezwungen sei, ein Hörgerät zu tragen. Aufgrund der Schwerhörigkeit des rechten Ohres habe sich wegen Überlastung des linken eine Verschlechterung des Hörvermögens in diesem Bereich ergeben. Aufgrund der drastischen Verschlechterung des Hörvermögens habe sich seine Lebensqualität erheblich eingeschränkt. Auch die Herzerkrankung sei in Bezug auf den GdB nicht korrekt ermittelt worden. Er habe 1993 ein Hinterwandinfarkt erlitten. Die dabei aufgetretenen drei Verschlüsse hätten mittels Ballonkathetern wieder aufgeweitet werden können. Er sei aufgrund dieses Leidens in seinem beruflichen Leistungsvermögen sowie im privaten Bereich deutlichen Einschränkungen unterlegen.
In dem von dem Sozialgericht veranlassten Befundbericht von Dr. H vom 7. April 2003 teilte dieser mit, der aktuelle gesundheitliche Zustand des Klägers sei für ihn nicht beurteilbar, da der letzte Patientenkontakt am 15. Oktober 2001 erfolgt sei. In einem weiteren Befundbericht vom 12. Mai 2003 führte der behandelnde HNO-Arzt Dipl.-Med. H aus, es liege ein asymmetrische pancochleäre Innenohrschwerhörigkeit vor, die einen GdB von 15 bis 20 begründe. Der behandelnde Internist und Kardiologe Dr. med. B. E gab in seinem Bericht vom 3. September 2003 an, der Kläger sei aktuell dem Herzleistungsstadium NYHA I-II zuzuordnen, da eine gute ergometrische Belastungsfähigkeit und nur grenzwertige diastolische Dysfunktionen vorlägen.
Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung insbesondere des Hörvermögens des Klägers ein HNO-ärztliches Gutachten von Dr. med. H, Oberärztin der HNO-Klinik, Klinikum E B vom 17. Mai 2004 eingeholt. Die Sachverständige ist zu folgender abschließender Beurteilung und Zusammenfassung gelangt: Bei dem Kläger sei es im Rahmen seiner 10jährigen lärmexponierten Tätigkeit zu einer Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts stärker als links gekommen. Obwohl dies retrospektiv aufgrund der Asymmetrie nicht ganz eindeutig erscheine, sei diese Schwerhörigkeit 1977 als berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit mit einer MdE von 10 v.H. anerkannt worden. Seit diesem Zeitpunkt seien 30 Jahre vergangen und der Kläger habe subjektiv das Gefühl, dass seit 10 Jahren die Hörstörung langsam fortschreite. Hierfür finde sich in dem heutigen Tonschwellenaudiogramm nur ein dezentes Korrelat. Das Tonschwellenaudiogramm von 2001 zeige eine geringe Schallleitungsschwerhörigkeit, die vermutlich infektbedingt nur zu diesem Zeitpunkt vorgelegen habe. Das Sprachaudiogramm von 2001 sei nicht nach gutachterlichen Gesichtspunkten angefertigt worden. Für die MdE-Berechnung sei im Wesentlichen auf das aktuelle, dem heutigen Hörvermögen entsprechende Sprachaudiogramm abzustellen, das eine MdE von 10 v. H. ergebe. Das Tonschwellenaudiogramm von 2004 bedinge eine MdE von 20 v.H., so dass in der Zusammenschau eine MdE von 15 v.H. für die Hörstörung gewährt werden könne. Es bestehe linksseitig nicht einmal eine geringgradige und rechtsseitig eine mittelgradige Schwerhörigkeit. Die "interdisziplinäre" Gesamt-MdE liege bei 20 v.H., die sich zusammensetze aus der Durchblutungsstörung des Herzens/ dem Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 20 v.H., der Schwerhörigkeit mit einem Einzel-GdB von 15 v.H., einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit 10 v.H. und einem Nierensteinleiden mit 10 v.H. Für sämtliche Behinderungen sei unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen ein Gesamt-GdB von 20 v.H. gegeben.
Der Kläger hat sich dem Gutachtenergebnis nicht anzuschließen vermocht und geltend gemacht, die Gutachterin sei im Gegensatz zu den vorbehandelnden Ärzten zu abweichenden Ergebnissen gelangt, die nicht nachvollziehbar seien. Sie unterstelle in ihrer Zusammenfassung, dass im Bereich des linken Ohrs nicht einmal eine geringgradige Schwerhörigkeit vorliege. Dies stehe im Gegensatz zu der Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. G sowie zu sämtlichen Ergebnissen der vorliegenden Befundberichte. Auch habe er zu keinem Zeitpunkt - wie die Gutachterin annehme - auch nur ansatzweise unter einem Infekt gelitten. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die erstmalige Feststellung der Hörschädigung mittlerweile fast 30 Jahre zurückliege, sei - abgesehen von dem subjektiven Beschwerdebild - auch nach medizinischer Erfahrung und nicht zuletzt unter Berücksichtigung des fortschreitenden Alters von einer dauernden Belastung beider Ohren und einer Verschlechterung des Hörvermögens auszugehen.
Auf Ersuchen des Gerichts hat die Sachverständige in einer ergänzenden Stellungnahme vom 13. August 2004 zu den Einwendungen des Klägers Stellung genommen und die Methoden zur Einschätzung des Hörvermögens erläutert.
Der Kläger hat zur weiteren Stützung seines Vorbringens einen aktuellen Befundbericht der behandelnden HNO-Ärztin C K vom 4. November 2004 vorgelegt, zu dem die Sachverständige Dr. med. H eine ergänzende Stellungnahme vom 3. Dezember 2004 (Eingangsdatum) vorgelegt hat.
Durch Urteil vom 7. Dezember 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme leide der Kläger an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit beiderseits - Einzel-GdB 20 -, an Durchblutungsstörungen des Herzens bei Bluthochdruck - Einzel-GdB 20 -, an einer Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule - Einzel-GdB 10 - und einem Nierensteinleiden - Einzel-GdB 10 -. Diese Bewertungen entsprächen den Anhaltspunkten. Nach dem Sachverständigengutachten von Dr. H sei das Sprachaudiogramm entscheidend für die Bewertung der Hörstörung und nicht das Tonaudiogramm, das von Dr. K am 4. November 2004 erstellt worden sei. Die Kammer folge der Bewertung durch die Sachverständige. Für die übrigen Funktionsbeeinträchtigungen ergäben sich keine höheren, als die festgestellten GdB-Werte. Eine Verschlechterung sei nicht vorgetragen worden. Wegen des Herzbefundes befinde sich der Kläger in jährlichen Kontrollen. Aus den eingereichten und beigezogenen Unterlagen sei zu entnehmen, dass keine Durchblutungsstörungen des Herzens vorlägen. Dr. E habe als behandelnder Arzt eine gute ergometrische Belastungsfähigkeit bis 150 Watt mit einer grenzwertigen diastolischen Dysfunktion attestiert. Schon 1999 und 2000 habe der Kläger bis zu 150 bzw. 200 Watt belastet werden können. Der mit 20 angesetzte GdB sei hierfür schon hoch bewertet. Insgesamt sei unter Berücksichtigung der AHP Nr. 19 ein zutreffender Gesamt-GdB gebildet worden.
Gegen das am 22. Dezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. Januar 2005 eingelegte Berufung des Klägers. Er macht geltend, die Einschätzung der behandelnden HNO-Ärztin C K vom 4. November 2004 stehe im krassen Widerspruch zu den ermittelten Ergebnissen der Gerichtsgutachterin vom 17. Mai 2004. Das Ausgangsgericht sei diesen Diskrepanzen trotz Antrages nicht nachgegangen. Das Verfahren sei noch nicht entscheidungsreif gewesen und habe weiterer Ermittlungen von Amts wegen bedurft. Die von Dr. H aufgestellte Behauptung, er habe im Zeitpunkt der Untersuchung an einem Infekt gelitten, der zu einer vorübergehenden geringgradigen Verschlechterung des Hörvermögens geführt habe, beruhe auf einer aus der Luft gegriffenen Behauptung der Gerichtsgutachterin.
Im Ergebnis sei in Abweichung von den gutachterlichen Stellungnahmen nach seiner Ansicht festzustellen, dass im Bereich des rechten Ohres von einer hochgradigen Schwerhörigkeit mit einer Einzelminderung der Erwerbsfähigkeit von 45 % und im Bereich des linken Ohres von einer mittelgradigen Schwerhörigkeit mit einer Einzelminderung der Erwerbsfähigkeit von 25 % auszugehen sei. Dabei habe der Beklagte unberücksichtigt gelassen, dass seine Lebensqualität aufgrund der drastischen Verschlechterung des Hörvermögens ganz erheblichen Einschränkungen unterliege.
Der Senat hat zur Aktualisierung der Angaben zum Gesundheitszustand des Klägers Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, so der HNO-Ärztin C K vom 30. Juni 2005, die eine einmalige Untersuchung vom 4. November 2004 mit Audiogramm und Hörgeräteverordnung bescheinigte, des Internisten und Kardiologen Dr. med. E vom 25. Juli 2005, der hinsichtlich der koronaren Zweigefäßerkrankung einen stabilen Zustand und keine Verschlechterung feststellte, sowie des Facharztes für Innere Medizin Dr. med. PK vom 9. September 2005.
In der von dem Beklagten zu den eingeholten Befundberichten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme hat Dr. med. W ausgeführt, diese rechtfertigten keine Änderung in der Beurteilung der vorliegenden Behinderungen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat ein HNO-ärztliches Gutachten von Frau Dr. D-S, Chefärztin der Klinik für HNO-Krankheiten, Gesichts- und Halschirurgie – Klinikum B vom 10. Mai 2006 eingeholt. Die Sachverständige hat folgende Behinderungen festgestellt:
1. Schwerhörigkeit beidseits. 2. Koronardilatation/Bluthochdruck. 3. Funktionsstörung LWS. 4. Nierensteinleiden.
Zu den hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen hat die Sachverständige ausgeführt, der körperliche Allgemeinzustand des Klägers weise keine wesentlichen vom Normalzustand abweichenden Verhältnisse auf. Die Leistungsuntersuchung bezüglich der koronaren Herzerkrankung habe keine gravierenden Funktionseinbußen ergeben. Die Funktionsbehinderung durch die Wirbelsäulenerkrankung und die Nierensteine sei ebenfalls nur leicht. Die Hörbehinderung stelle für den Kläger ein bedeutsames Problem dar. Hier komme es zu Diskriminationsstörungen, insbesondere wenn viele Leute durcheinander sprächen. Für die Schwerhörigkeit sei ein GdB von 20 gerechtfertigt. Die Funktionseinschränkung der LWS bedinge einen GdB von 10, das Nierensteinleiden ebenfalls einen GdB von 10 und die Koronardilatation nach Herzinfarkt und der Bluthochdruck seien mit einem GdB von 20 zu bewerten. Der Gesamt-GdB sei mit 20 einzuschätzen. Hierbei sei berücksichtigt, dass das Hörvermögen den größten Körperschaden für den Kläger darstelle mit einer deutlichen täglichen Beeinträchtigung des Verstehens seiner Umwelt. Die koronare Herzerkrankung mit Dilatation und der Bluthochdruck erlaubten eine Bewertung mit einem GdB von 20, da die in den Unterlagen vermerkte ergometrische Belastungsfähigkeit und die nur grenzwertige diastolische Dysfunktion diese Einschätzung zuließen. Die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule und das Nierensteinleiden stellten nur eine sehr geringe Beeinträchtigung dar und seien jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten. Neben der Hörverminderung führten die übrigen Erkrankungen nicht zu einer zusätzlichen gravierenden Minderung der Belastung bzw. Reduzierung der Lebensqualität.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. Dezember 2004 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18. März 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2002 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 30 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sieht keine Möglichkeit, von der bisherigen Beurteilung abzuweichen und beruft sich auf das nach seiner Auffassung zutreffende Urteil des Sozialgerichts Potsdam.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Schwerbehindertenakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 30.
Nach § 69 Abs.1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), dessen Regelungen ab dem 1. Juli 2001 anwendbar sind, stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX ist unter Behinderung im Sinne dieses Gesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden, d.h. mehr als sechs Monate andauernden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht und zur Beeinträchtigung in Beruf und Gesellschaft führt, zu verstehen. Bei mehreren sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei ist zu beachten, dass die Auswirkungen von einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen einander verstärken, sich überschneiden, aber auch gänzlich unabhängig voneinander sein können (so BSG SozR 3870 § 3 Nr.4).
Der GdB ist als Ausmaß der Behinderung unter Heranziehung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) in der jeweiligen gesetzlichen Fassung festzulegen. Zwar beruhen die AHP weder auf dem Gesetz, noch auf einer Verordnung oder auch nur einer Verwaltungsvereinbarung, so dass sie keinerlei Normqualität haben. Dennoch sind sie als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Anwendung wie untergesetzliche Normen anzuwenden sind (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts –BSG - vgl. Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe rechtfertigen die beim Kläger bestehenden Behinderungen nach Auffassung des Senats keinen höheren GdB als 20. Nach Auswertung aller medizinischen Unterlagen und Gutachten – insbesondere des im Berufungsverfahren eingeholten HNO-Ärztlichen Gutachtens von Frau Dr. med. D-S vom 10. Mai 2006 - liegen bei dem Kläger die folgenden Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen mit den jeweiligen Einzel-GdB vor: 1. Schwerhörigkeit beiderseits – Einzel-GdB 20 – 2. Koronardilatation/Bluthochdruck – Einzel-GdB 20 – 3. Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule – Einzel-GdB 10 – 4. Nierensteinleiden – Einzel-GdB 10 – Der GdB für die Gesamtheit der Behinderungen ist nach den Feststellungen der Sachverständigen mit 20 zu bewerten. Der Senat schließt sich in seiner Einschätzung des Sachverhalts dem Gutachten der Sachverständigen Dr. med. D-S an, das in Übereinstimmung steht mit dem Ergebnis des im Klageverfahren eingeholten HNO-Ärztlichen Gutachtens von Frau Dr. med. H. Die Sachverständige geht in ihrem Gutachten mit nachvollziehbarer Begründung davon aus, dass das Schwergewicht der Behinderungen in der bei dem Kläger vorhandenen Hörstörung liegt, die eine deutliche tägliche Beeinträchtigung des Verstehens seiner Umwelt beinhaltet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der GdB aufgrund der vorgeschriebenen Berechnungsweise kein wirkliches Spiegelbild des Leidensdruckes des Klägers wiedergeben kann. Diese Hörstörung begründet jedoch auch unter Berücksichtigung der von der Sachverständigen auf Seite 8 ihres Gutachtens erstellten Gegenüberstellung der im Rahmen der bisherigen Ton- und Sprachaudiogramme festgestellten Hörverluste nur einen Einzel-GdB von 20, der auch den Gesamt-GdB darstellt.
Nach Nr. 26.5 der AHP 1996, 2004 / 2005 ist bei Hörstörungen für die Bewertung des GdB die Herabsetzung des Sprachgehörs maßgebend, dessen Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Zur Beurteilung ist die von der deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgen empfohlene Tabelle D (Seite 59 der AHP 2004) zugrunde zu legen.
Die Sachverständige Frau Dr. med. D-S ist unter zutreffender Anwendung der in den AHP vorgeschriebenen Verfahrensweisen zu dem Ergebnis gelangt, dass der GdB für die Schwerhörigkeit mit 20 empfehlenswert und gerechtfertigt ist. Dazu hat sie ausgeführt, der durchschnittliche GdB unter Berücksichtigung aller Audiogramme betrage 20. Die sprachaudiometrische Ermittlung mit einem GdB von 10 erscheine zu niedrig, da zum Zeitpunkt der Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit 1976 schon eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit linksseitig vorgelegen habe. Entgegen der Angabe des Klägers, der eine infektbedingte Hörbeeinträchtigung verneint, hat auch Frau Dr. D-S bei der aktuellen Untersuchung eine kombinierte Schwerhörigkeit festgestellt und dazu die Ansicht vertreten, der geringe Schalleitungsanteil sei den anamnestisch angegebenen Mittelohrentzündungen geschuldet.
Hinsichtlich der festgestellten koronaren Herzerkrankung mit Dilatation und des Bluthochdrucks ist angesichts der von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Belastungswerte lediglich ein GdB von 20 angemessen. Die in den Unterlagen vermerkte ergometrische Belastungsfähigkeit erlaubt insbesondere unter Berücksichtigung des Befundberichtes des behandelnden Kardiologen Dr. med. E vom 25. Juli 2005 den Rückschluss auf eine weiterhin stabile kardiale Leistungsfähigkeit des Klägers trotz der vorhandenen koronaren Zweigefäßerkrankung. Die Echokardiographie vom 06. Januar 2005 zeigte einen normalen Klappenapparat, noch normal große Herzhöhlen und keine Hypertrophie oder Dilatation. Es lagen eine normale systolische Funktion und lediglich Hinweise für eine diastolische Relaxationsstörung vor.
Nach den AHP Nr. 26. 9 ist bei Leistungsbeeinträchtigungen des Herzens und Kreislaufs bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen 5-6 km/h, mittelschwerer körperlicher Arbeit) mit Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung von 75 Watt (wenigstens 2 Minuten) ein GdB von 20 bis 40 anzunehmen. Im vorliegenden Fall ist bei den von den behandelnden Internisten und Kardiologen angegebenen Werten ein höherer GdB als 20 nicht begründet. Der für das Wirbelsäulen- und Nierensteinleiden zugrunde gelegte GdB von jeweils 10 vermag eine Erhöhung des Gesamt-GdB nicht zu rechtfertigen, denn nach den in den AHP Nr. 19 Abs. 3 u. 4 aufgeführten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur ein GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach – wie im vorliegenden Fall - nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des dem Kläger zuzuerkennenden Grades der Behinderung (GdB).
Der 1949 geborene Kläger beantragte mit Schreiben vom 16. Oktober 2001 formlos unter Benennung der ihn behandelnden Ärzte die Feststellung von Behinderungen, die er im Antragsvordruck als beidseitige Lärmschwerhörigkeit, koronare Herzkrankheit (Herzinfarkt), degenerative Brust- und Lendenwirbelsäulenerkrankung sowie als Schilddrüsenadenom und Hämaturie konkretisierte. Der Beklagte veranlasste daraufhin ärztliche Auskünfte von dem behandelnden Internisten und Kardiologen Dr. H vom 8. November 2001 (als Anlage Echokardiographie vom 15. Oktober 2001), von dem HNO-Arzt Dipl.-Med. H vom 28. November 2001 (als Anlage Sprach- und Tonaudiogramm 2001) und von dem Internisten Dr. K vom 19. Januar 2002 mit weiteren medizinischen Unterlagen aus dem Zeitraum von 1991 bis 2001.
Mit Bescheid vom 18. März 2002 stellte der Beklagten einen GdB von 20 unter Zugrundelegung der in der ärztlichen Stellungnahme von Dr. S vom 02. März 2002 festgestellten Beeinträchtigungen: 1) Schwerhörigkeit – Einzel-GdB 20, 2) Coronardilatation, Bluthochdruck – Einzel-GdB 10, 3) Funktionsstörung der Wirbelsäule – Einzel-GdB 10, 4) Nierensteinleiden – Einzel-GdB 10, fest. Die festgestellte Schilddrüsenfunktionsstörung und die Sehstörungen bedingten keinen GdB von wenigstens 10 und würden bei der Bildung des GdB nicht berücksichtigt.
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, nicht alle seine Gesundheitsstörungen hätten in entsprechendem Umfang Berücksichtigung gefunden, so dass er um erneute Überprüfung der Entscheidung bitte.
Der Beklagte veranlasste weitere ärztliche Auskünfte von dem Nuklearmediziner Dr. med. W W vom 1. Mai 2002 sowie von dem Facharzt für Urologie Dr. W vom 21. Mai 2002, bei dem der Kläger letztmalig am 7. April 1997 in Behandlung gestanden hatte, sowie von dem Facharzt für Innere Medizin Dr. med. P K vom 9. Juni 2002, der auf seinen Befundbericht vom 19. Januar 2002 verwies, da keine neuen Gesichtspunkte vorlägen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2002 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus, die Auswertung der vorliegenden Befundunterlagen habe bestätigt, dass die Festsetzung des GdB dem derzeitigen Gesundheitszustand des Klägers entspreche und nicht zu beanstanden sei. Nach § 69 Abs.1 Satz 3 Sozialgesetzbuch 9. Buch (SGB IX) erfolge die Beurteilung des GdB nach den Maßstäben, die sich aus § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" (AHP) ergäben. Er bestimme sich nach dem Funktionsausfall infolge der Behinderung. Gesundheitsstörungen, die keine Funktionsausfälle verursachten, könnten deshalb nicht als Behinderung festgestellt werden. Die Gesundheitsstörungen "Schilddrüsenfunktionsstörung, Sehstörungen" seien keine Beeinträchtigungen, da diese keinen GdB von wenigstens 10 verursachen würden. Der Feststellung des vom Kläger beantragten Merkzeichens "RF" für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen bedürfe es nicht, da der GdB nicht wenigstens 50 betrage.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger die Zuerkennung eines GdB von mindestens 30 begehrt. Er hat dazu vorgetragen, der Beklagte habe die Auswirkungen gerade der Schwerhörigkeit und der Coronardilatation im Hinblick auf den GdB fehlerhaft bewertet. Er leide bereits seit 1976 unter einer anerkannten Lärmschwerhörigkeit im Bereich des rechten Ohres, die seinerzeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 10 v.H. bedingt habe. In den Folgejahren habe sich das Hörvermögen im Bereich des rechten Ohres zusehends verschlechtert, so dass er hier fast taub und seit 1993 gezwungen sei, ein Hörgerät zu tragen. Aufgrund der Schwerhörigkeit des rechten Ohres habe sich wegen Überlastung des linken eine Verschlechterung des Hörvermögens in diesem Bereich ergeben. Aufgrund der drastischen Verschlechterung des Hörvermögens habe sich seine Lebensqualität erheblich eingeschränkt. Auch die Herzerkrankung sei in Bezug auf den GdB nicht korrekt ermittelt worden. Er habe 1993 ein Hinterwandinfarkt erlitten. Die dabei aufgetretenen drei Verschlüsse hätten mittels Ballonkathetern wieder aufgeweitet werden können. Er sei aufgrund dieses Leidens in seinem beruflichen Leistungsvermögen sowie im privaten Bereich deutlichen Einschränkungen unterlegen.
In dem von dem Sozialgericht veranlassten Befundbericht von Dr. H vom 7. April 2003 teilte dieser mit, der aktuelle gesundheitliche Zustand des Klägers sei für ihn nicht beurteilbar, da der letzte Patientenkontakt am 15. Oktober 2001 erfolgt sei. In einem weiteren Befundbericht vom 12. Mai 2003 führte der behandelnde HNO-Arzt Dipl.-Med. H aus, es liege ein asymmetrische pancochleäre Innenohrschwerhörigkeit vor, die einen GdB von 15 bis 20 begründe. Der behandelnde Internist und Kardiologe Dr. med. B. E gab in seinem Bericht vom 3. September 2003 an, der Kläger sei aktuell dem Herzleistungsstadium NYHA I-II zuzuordnen, da eine gute ergometrische Belastungsfähigkeit und nur grenzwertige diastolische Dysfunktionen vorlägen.
Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung insbesondere des Hörvermögens des Klägers ein HNO-ärztliches Gutachten von Dr. med. H, Oberärztin der HNO-Klinik, Klinikum E B vom 17. Mai 2004 eingeholt. Die Sachverständige ist zu folgender abschließender Beurteilung und Zusammenfassung gelangt: Bei dem Kläger sei es im Rahmen seiner 10jährigen lärmexponierten Tätigkeit zu einer Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts stärker als links gekommen. Obwohl dies retrospektiv aufgrund der Asymmetrie nicht ganz eindeutig erscheine, sei diese Schwerhörigkeit 1977 als berufsbedingte Lärmschwerhörigkeit mit einer MdE von 10 v.H. anerkannt worden. Seit diesem Zeitpunkt seien 30 Jahre vergangen und der Kläger habe subjektiv das Gefühl, dass seit 10 Jahren die Hörstörung langsam fortschreite. Hierfür finde sich in dem heutigen Tonschwellenaudiogramm nur ein dezentes Korrelat. Das Tonschwellenaudiogramm von 2001 zeige eine geringe Schallleitungsschwerhörigkeit, die vermutlich infektbedingt nur zu diesem Zeitpunkt vorgelegen habe. Das Sprachaudiogramm von 2001 sei nicht nach gutachterlichen Gesichtspunkten angefertigt worden. Für die MdE-Berechnung sei im Wesentlichen auf das aktuelle, dem heutigen Hörvermögen entsprechende Sprachaudiogramm abzustellen, das eine MdE von 10 v. H. ergebe. Das Tonschwellenaudiogramm von 2004 bedinge eine MdE von 20 v.H., so dass in der Zusammenschau eine MdE von 15 v.H. für die Hörstörung gewährt werden könne. Es bestehe linksseitig nicht einmal eine geringgradige und rechtsseitig eine mittelgradige Schwerhörigkeit. Die "interdisziplinäre" Gesamt-MdE liege bei 20 v.H., die sich zusammensetze aus der Durchblutungsstörung des Herzens/ dem Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 20 v.H., der Schwerhörigkeit mit einem Einzel-GdB von 15 v.H., einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit 10 v.H. und einem Nierensteinleiden mit 10 v.H. Für sämtliche Behinderungen sei unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen ein Gesamt-GdB von 20 v.H. gegeben.
Der Kläger hat sich dem Gutachtenergebnis nicht anzuschließen vermocht und geltend gemacht, die Gutachterin sei im Gegensatz zu den vorbehandelnden Ärzten zu abweichenden Ergebnissen gelangt, die nicht nachvollziehbar seien. Sie unterstelle in ihrer Zusammenfassung, dass im Bereich des linken Ohrs nicht einmal eine geringgradige Schwerhörigkeit vorliege. Dies stehe im Gegensatz zu der Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. G sowie zu sämtlichen Ergebnissen der vorliegenden Befundberichte. Auch habe er zu keinem Zeitpunkt - wie die Gutachterin annehme - auch nur ansatzweise unter einem Infekt gelitten. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die erstmalige Feststellung der Hörschädigung mittlerweile fast 30 Jahre zurückliege, sei - abgesehen von dem subjektiven Beschwerdebild - auch nach medizinischer Erfahrung und nicht zuletzt unter Berücksichtigung des fortschreitenden Alters von einer dauernden Belastung beider Ohren und einer Verschlechterung des Hörvermögens auszugehen.
Auf Ersuchen des Gerichts hat die Sachverständige in einer ergänzenden Stellungnahme vom 13. August 2004 zu den Einwendungen des Klägers Stellung genommen und die Methoden zur Einschätzung des Hörvermögens erläutert.
Der Kläger hat zur weiteren Stützung seines Vorbringens einen aktuellen Befundbericht der behandelnden HNO-Ärztin C K vom 4. November 2004 vorgelegt, zu dem die Sachverständige Dr. med. H eine ergänzende Stellungnahme vom 3. Dezember 2004 (Eingangsdatum) vorgelegt hat.
Durch Urteil vom 7. Dezember 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme leide der Kläger an einer Schallempfindungsschwerhörigkeit beiderseits - Einzel-GdB 20 -, an Durchblutungsstörungen des Herzens bei Bluthochdruck - Einzel-GdB 20 -, an einer Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule - Einzel-GdB 10 - und einem Nierensteinleiden - Einzel-GdB 10 -. Diese Bewertungen entsprächen den Anhaltspunkten. Nach dem Sachverständigengutachten von Dr. H sei das Sprachaudiogramm entscheidend für die Bewertung der Hörstörung und nicht das Tonaudiogramm, das von Dr. K am 4. November 2004 erstellt worden sei. Die Kammer folge der Bewertung durch die Sachverständige. Für die übrigen Funktionsbeeinträchtigungen ergäben sich keine höheren, als die festgestellten GdB-Werte. Eine Verschlechterung sei nicht vorgetragen worden. Wegen des Herzbefundes befinde sich der Kläger in jährlichen Kontrollen. Aus den eingereichten und beigezogenen Unterlagen sei zu entnehmen, dass keine Durchblutungsstörungen des Herzens vorlägen. Dr. E habe als behandelnder Arzt eine gute ergometrische Belastungsfähigkeit bis 150 Watt mit einer grenzwertigen diastolischen Dysfunktion attestiert. Schon 1999 und 2000 habe der Kläger bis zu 150 bzw. 200 Watt belastet werden können. Der mit 20 angesetzte GdB sei hierfür schon hoch bewertet. Insgesamt sei unter Berücksichtigung der AHP Nr. 19 ein zutreffender Gesamt-GdB gebildet worden.
Gegen das am 22. Dezember 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. Januar 2005 eingelegte Berufung des Klägers. Er macht geltend, die Einschätzung der behandelnden HNO-Ärztin C K vom 4. November 2004 stehe im krassen Widerspruch zu den ermittelten Ergebnissen der Gerichtsgutachterin vom 17. Mai 2004. Das Ausgangsgericht sei diesen Diskrepanzen trotz Antrages nicht nachgegangen. Das Verfahren sei noch nicht entscheidungsreif gewesen und habe weiterer Ermittlungen von Amts wegen bedurft. Die von Dr. H aufgestellte Behauptung, er habe im Zeitpunkt der Untersuchung an einem Infekt gelitten, der zu einer vorübergehenden geringgradigen Verschlechterung des Hörvermögens geführt habe, beruhe auf einer aus der Luft gegriffenen Behauptung der Gerichtsgutachterin.
Im Ergebnis sei in Abweichung von den gutachterlichen Stellungnahmen nach seiner Ansicht festzustellen, dass im Bereich des rechten Ohres von einer hochgradigen Schwerhörigkeit mit einer Einzelminderung der Erwerbsfähigkeit von 45 % und im Bereich des linken Ohres von einer mittelgradigen Schwerhörigkeit mit einer Einzelminderung der Erwerbsfähigkeit von 25 % auszugehen sei. Dabei habe der Beklagte unberücksichtigt gelassen, dass seine Lebensqualität aufgrund der drastischen Verschlechterung des Hörvermögens ganz erheblichen Einschränkungen unterliege.
Der Senat hat zur Aktualisierung der Angaben zum Gesundheitszustand des Klägers Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, so der HNO-Ärztin C K vom 30. Juni 2005, die eine einmalige Untersuchung vom 4. November 2004 mit Audiogramm und Hörgeräteverordnung bescheinigte, des Internisten und Kardiologen Dr. med. E vom 25. Juli 2005, der hinsichtlich der koronaren Zweigefäßerkrankung einen stabilen Zustand und keine Verschlechterung feststellte, sowie des Facharztes für Innere Medizin Dr. med. PK vom 9. September 2005.
In der von dem Beklagten zu den eingeholten Befundberichten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme hat Dr. med. W ausgeführt, diese rechtfertigten keine Änderung in der Beurteilung der vorliegenden Behinderungen.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat ein HNO-ärztliches Gutachten von Frau Dr. D-S, Chefärztin der Klinik für HNO-Krankheiten, Gesichts- und Halschirurgie – Klinikum B vom 10. Mai 2006 eingeholt. Die Sachverständige hat folgende Behinderungen festgestellt:
1. Schwerhörigkeit beidseits. 2. Koronardilatation/Bluthochdruck. 3. Funktionsstörung LWS. 4. Nierensteinleiden.
Zu den hieraus resultierenden Funktionsbeeinträchtigungen hat die Sachverständige ausgeführt, der körperliche Allgemeinzustand des Klägers weise keine wesentlichen vom Normalzustand abweichenden Verhältnisse auf. Die Leistungsuntersuchung bezüglich der koronaren Herzerkrankung habe keine gravierenden Funktionseinbußen ergeben. Die Funktionsbehinderung durch die Wirbelsäulenerkrankung und die Nierensteine sei ebenfalls nur leicht. Die Hörbehinderung stelle für den Kläger ein bedeutsames Problem dar. Hier komme es zu Diskriminationsstörungen, insbesondere wenn viele Leute durcheinander sprächen. Für die Schwerhörigkeit sei ein GdB von 20 gerechtfertigt. Die Funktionseinschränkung der LWS bedinge einen GdB von 10, das Nierensteinleiden ebenfalls einen GdB von 10 und die Koronardilatation nach Herzinfarkt und der Bluthochdruck seien mit einem GdB von 20 zu bewerten. Der Gesamt-GdB sei mit 20 einzuschätzen. Hierbei sei berücksichtigt, dass das Hörvermögen den größten Körperschaden für den Kläger darstelle mit einer deutlichen täglichen Beeinträchtigung des Verstehens seiner Umwelt. Die koronare Herzerkrankung mit Dilatation und der Bluthochdruck erlaubten eine Bewertung mit einem GdB von 20, da die in den Unterlagen vermerkte ergometrische Belastungsfähigkeit und die nur grenzwertige diastolische Dysfunktion diese Einschätzung zuließen. Die Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule und das Nierensteinleiden stellten nur eine sehr geringe Beeinträchtigung dar und seien jeweils mit einem GdB von 10 zu bewerten. Neben der Hörverminderung führten die übrigen Erkrankungen nicht zu einer zusätzlichen gravierenden Minderung der Belastung bzw. Reduzierung der Lebensqualität.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 7. Dezember 2004 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18. März 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2002 zu verurteilen, bei ihm einen GdB von mindestens 30 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er sieht keine Möglichkeit, von der bisherigen Beurteilung abzuweichen und beruft sich auf das nach seiner Auffassung zutreffende Urteil des Sozialgerichts Potsdam.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Schwerbehindertenakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mindestens 30.
Nach § 69 Abs.1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), dessen Regelungen ab dem 1. Juli 2001 anwendbar sind, stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX ist unter Behinderung im Sinne dieses Gesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden, d.h. mehr als sechs Monate andauernden Funktionsbeeinträchtigung, die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht und zur Beeinträchtigung in Beruf und Gesellschaft führt, zu verstehen. Bei mehreren sich gegenseitig beeinflussenden Funktionsbeeinträchtigungen ist deren Gesamtauswirkung maßgeblich (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei ist zu beachten, dass die Auswirkungen von einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen einander verstärken, sich überschneiden, aber auch gänzlich unabhängig voneinander sein können (so BSG SozR 3870 § 3 Nr.4).
Der GdB ist als Ausmaß der Behinderung unter Heranziehung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) in der jeweiligen gesetzlichen Fassung festzulegen. Zwar beruhen die AHP weder auf dem Gesetz, noch auf einer Verordnung oder auch nur einer Verwaltungsvereinbarung, so dass sie keinerlei Normqualität haben. Dennoch sind sie als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Anwendung wie untergesetzliche Normen anzuwenden sind (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts –BSG - vgl. Urteil vom 18. September 2003 – B 9 SB 3/02 R). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe rechtfertigen die beim Kläger bestehenden Behinderungen nach Auffassung des Senats keinen höheren GdB als 20. Nach Auswertung aller medizinischen Unterlagen und Gutachten – insbesondere des im Berufungsverfahren eingeholten HNO-Ärztlichen Gutachtens von Frau Dr. med. D-S vom 10. Mai 2006 - liegen bei dem Kläger die folgenden Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen mit den jeweiligen Einzel-GdB vor: 1. Schwerhörigkeit beiderseits – Einzel-GdB 20 – 2. Koronardilatation/Bluthochdruck – Einzel-GdB 20 – 3. Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule – Einzel-GdB 10 – 4. Nierensteinleiden – Einzel-GdB 10 – Der GdB für die Gesamtheit der Behinderungen ist nach den Feststellungen der Sachverständigen mit 20 zu bewerten. Der Senat schließt sich in seiner Einschätzung des Sachverhalts dem Gutachten der Sachverständigen Dr. med. D-S an, das in Übereinstimmung steht mit dem Ergebnis des im Klageverfahren eingeholten HNO-Ärztlichen Gutachtens von Frau Dr. med. H. Die Sachverständige geht in ihrem Gutachten mit nachvollziehbarer Begründung davon aus, dass das Schwergewicht der Behinderungen in der bei dem Kläger vorhandenen Hörstörung liegt, die eine deutliche tägliche Beeinträchtigung des Verstehens seiner Umwelt beinhaltet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der GdB aufgrund der vorgeschriebenen Berechnungsweise kein wirkliches Spiegelbild des Leidensdruckes des Klägers wiedergeben kann. Diese Hörstörung begründet jedoch auch unter Berücksichtigung der von der Sachverständigen auf Seite 8 ihres Gutachtens erstellten Gegenüberstellung der im Rahmen der bisherigen Ton- und Sprachaudiogramme festgestellten Hörverluste nur einen Einzel-GdB von 20, der auch den Gesamt-GdB darstellt.
Nach Nr. 26.5 der AHP 1996, 2004 / 2005 ist bei Hörstörungen für die Bewertung des GdB die Herabsetzung des Sprachgehörs maßgebend, dessen Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen ist. Zur Beurteilung ist die von der deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgen empfohlene Tabelle D (Seite 59 der AHP 2004) zugrunde zu legen.
Die Sachverständige Frau Dr. med. D-S ist unter zutreffender Anwendung der in den AHP vorgeschriebenen Verfahrensweisen zu dem Ergebnis gelangt, dass der GdB für die Schwerhörigkeit mit 20 empfehlenswert und gerechtfertigt ist. Dazu hat sie ausgeführt, der durchschnittliche GdB unter Berücksichtigung aller Audiogramme betrage 20. Die sprachaudiometrische Ermittlung mit einem GdB von 10 erscheine zu niedrig, da zum Zeitpunkt der Feststellung einer Lärmschwerhörigkeit 1976 schon eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit linksseitig vorgelegen habe. Entgegen der Angabe des Klägers, der eine infektbedingte Hörbeeinträchtigung verneint, hat auch Frau Dr. D-S bei der aktuellen Untersuchung eine kombinierte Schwerhörigkeit festgestellt und dazu die Ansicht vertreten, der geringe Schalleitungsanteil sei den anamnestisch angegebenen Mittelohrentzündungen geschuldet.
Hinsichtlich der festgestellten koronaren Herzerkrankung mit Dilatation und des Bluthochdrucks ist angesichts der von den behandelnden Ärzten mitgeteilten Belastungswerte lediglich ein GdB von 20 angemessen. Die in den Unterlagen vermerkte ergometrische Belastungsfähigkeit erlaubt insbesondere unter Berücksichtigung des Befundberichtes des behandelnden Kardiologen Dr. med. E vom 25. Juli 2005 den Rückschluss auf eine weiterhin stabile kardiale Leistungsfähigkeit des Klägers trotz der vorhandenen koronaren Zweigefäßerkrankung. Die Echokardiographie vom 06. Januar 2005 zeigte einen normalen Klappenapparat, noch normal große Herzhöhlen und keine Hypertrophie oder Dilatation. Es lagen eine normale systolische Funktion und lediglich Hinweise für eine diastolische Relaxationsstörung vor.
Nach den AHP Nr. 26. 9 ist bei Leistungsbeeinträchtigungen des Herzens und Kreislaufs bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen 5-6 km/h, mittelschwerer körperlicher Arbeit) mit Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung von 75 Watt (wenigstens 2 Minuten) ein GdB von 20 bis 40 anzunehmen. Im vorliegenden Fall ist bei den von den behandelnden Internisten und Kardiologen angegebenen Werten ein höherer GdB als 20 nicht begründet. Der für das Wirbelsäulen- und Nierensteinleiden zugrunde gelegte GdB von jeweils 10 vermag eine Erhöhung des Gesamt-GdB nicht zu rechtfertigen, denn nach den in den AHP Nr. 19 Abs. 3 u. 4 aufgeführten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur ein GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach – wie im vorliegenden Fall - nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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