Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 2905/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 U 1520/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 22. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 Sozialgesetbuch Zehntes Buch (SGB X) die Feststellung eines Arbeitsunfalls (AU) streitig.
Die 1946 geborene Klägerin erlitt als Fahrradfahrerin in M. an der Kreuzung B. Straße am Morgen des 16. November 2001 (Freitag) gegen 7:45 Uhr einen Fahrradunfall, als sie die B. Straße von Süden kommend befuhr und mit einem aus der Rastatter Straße von rechts kommenden und vorfahrtsberechtigten Pkw zusammenstieß. Dabei erlitt sie ein schweres Schädelhirntrauma mit Gehirnblutungen; sie ist seitdem pflegebedürftig und erinnert sich nicht daran, weshalb sie dort fuhr.
Laut Durchgangsarztbericht des PD Dr. O. vom 16. November 2001 wusste die um 8:24 Uhr eingetroffene Klägerin nicht, ob sie auf dem Weg zur Arbeit gewesen sei; der begleitende Sanitäter gab dies jedoch an. Der Arbeitgeber, die F. AG in M., teilte der Beklagten unter dem 17. Dezember 2001 mit, dass die Klägerin bis zum 19. November 2001 (Montag) krank gemeldet gewesen sei. Regulärer Arbeitsbeginn sei 6:00 Uhr, der Unfall habe sich gegen 8:20 Uhr ereignet. Nach Rücksprache mit der BKK liege kein Wegeunfall vor. Auf telefonische Anfrage der Beklagten gab die BKK Rhein-Neckar an, die Klägerin sei bis 16. November 2001 arbeitsunfähig geschrieben gewesen; ferner, der Ehemann der Klägerin habe in einem persönlichem Gespräch mitgeteilt, dass sich seine Ehefrau auf dem Weg zum behandelnden Arzt befunden habe, als sich der Unfall ereignete. Der mit Beschluss des Amtsgerichts M. vom 10. Juni 2002 zum Betreuer bestellte Ehemann berichtete unter dem 30. Dezember 2001, seine Ehefrau habe ihm donnerstags abends ihre Absicht mitgeteilt, wegen noch vorhandener Schmerzen in der Schulter zu Dr. R. gehen und auch fragen zu wollen, wie lange sie noch krankgeschrieben bleibe. Mit - bestandkräftigem - Bescheid vom 22. Januar 2002 stellte die Beklagte fest, ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Der Weg zu Dr. R. habe in keinem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden, so dass keine versicherte Tätigkeit vorliege.
Am 6. Juni 2003 stellte die Klägerin einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X mit der Begründung, der Weg zum Arzt zum Zwecke der Ausstellung einer weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung diene vorrangig einem betrieblichen Zweck, weshalb Versicherungsschutz vorgelegen habe. Auf Nachfrage teilte die Arbeitgeberin sodann mit, die Meldungen über die Arbeitsunfähigkeit seien unverzüglich vorgelegt worden. Die erste Meldung habe eine Arbeitsunfähigkeit vom 8. bis 12. November 2001, die zweite eine solche vom 12. bis 16. November 2001 bescheinigt. Mit Bescheid vom 11. November 2003 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab: Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass die Fahrt zum Arzt zum Zwecke der Ausstellung einer ärztlichen Bescheinigung über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit unter Versicherungsschutz stehe (Urteil vom 31. Januar 1974; Az. 2 RU 99/72). Die Klägerin habe sich aber während der bereits bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zur Ärztin begeben wollen, um sich untersuchen und ggfs. eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen. Diese Fahrt stelle eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar, da sie wesentlich zum Zwecke der Untersuchung unternommen worden sei. Im Widerspruchsverfahren ermittelte die Beklagte sodann vor Ort und wies den Widerspruch. mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2004 mit der Begründung zurück, die Klägerin habe sich zum Unfallzeitpunkt auf einem unversicherten Umweg oder Abweg befunden.
Am 22. September 2004 hat der von der nunmehrigen Betreuerin (s. Beschluss des AG M. vom 25. September 2003) bevollmächtigte Rechtsanwalt für die Klägerin Klage zum Sozialgericht M. (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Klägerin habe sich im Sinne des Gesetzes auf dem direkten Weg zur Arztpraxis befunden. Die Beklagte hat sich auf ein ihr mittlerweile bekannt gewordenes Gutachten des Dipl.-Ing. F. - erstattet im Verfahren der Pflegekasse der Klägerin gegen den Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherer vor dem Landgericht M. - Az. 8 O 465/03 - bezogen, aus dem sich ergebe, dass die Klägerin nicht die Absicht gehabt haben könne, von der B. in die R. Straße abzubiegen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Klägerin habe geradeaus fahren wollen, weshalb sie nicht auf dem Weg zur Praxis Dr. R. gewesen sei. Das SG hat die Akten des Landgerichts M. beigezogen sowie Auskünfte der Stadt M. vom dem 15. September 2005 (Blatt 59 SG-Akte) sowie der Dr. R. vom 21. September 2005 (Blatt 60 SG-Akte) eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Am 6. September 2005 hat es mit den Beteiligten die verschiedenen Wegemöglichkeiten von der Wohnung der Klägerin in der K. Straße 50 (über B. Straße zur R.r Straße 16 (Arztpraxis Dr. R.)); über F./Z. Straße zur R. Straße 16; über Z. Straße zur R. Straße 16) in Augenschein genommen. Der Ehemann der Klägerin hat hierbei erklärt, dass der Unfallgegner ihnen gegenüber angegeben habe, dass er nach links habe abbiegen wollen, um nach Hause in den B. Weg zu fahren. Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung hat das SG am 22. Februar 2006 die Klage abgewiesen und ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Weg zum Arzt zur Ausstellung einer Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung als versicherte Tätigkeit zu qualifizieren sei, da sich die Klägerin auf einem unversicherten Umweg befunden habe. Die Wohnung der Eheleute R. habe nur wenige Meter von der Kreuzung der K./Z. Straße entfernt gelegen. Bei natürlicher Betrachtung hätte die Klägerin das Fahrrad die wenigen Meter bis zur Kreuzung schieben und dann über die Z. Straße direkt in die R. Straße zur Arztpraxis fahren können. Warum die Klägerin gerade bei noch bestehender Arbeitsunfähigkeit den erheblich längeren und auch unangenehmeren Weg gewählt habe, sei nicht erklärlich. Zweifel an der Absicht, zu Dr. R. zu fahren, ergäben sich auch aus dem Gutachten des Dipl.-Ing. F., der beschreibe, dass der Unfallablauf eigentlich voraussetze, dass die Klägerin nicht nach rechts abbiegen, sondern geradeaus fahren wollte. Dies gelte auch dann, wenn der Unfallgegner entgegen der Annahme des Sachverständigen nach links hätte abbiegen wollen.
Gegen das der Klägerin am 2. März 2006 zugestellte Urteil hat sie am 24. März 2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, die natürliche Betrachtung des SG sei nicht zwingend. Die Entscheidung, das gewählte Verkehrsmittel auch verkehrsgerecht zu nutzen, sei von der Wahlfreiheit gedeckt. Es habe sich für Fahrradfahrer nicht um einen ganz erheblichen Umweg gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts M. vom 22. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 11. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2004 zu verurteilen, den Bescheid vom 22. Januar 2002 zurückzunehmen und ihren Unfall vom 16. November 2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen sowie Leistungen aus der gesetzlichen Unfallsversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung sprechen die Feststellungen im Urteil des Landgerichts M. dafür, dass die Klägerin nicht nach rechts habe abbiegen wollen. Spätestens ab der Stelle, an welcher die Radfahrerin die Fluchtlinie der Badener Straße überfahren habe (s. Skizze 3 im Gutachten vom 11. November 2004), sei klar gewesen, dass sie nicht nach rechts abbiegen, sondern die Fahrbahn kreuzen würde.
Der Senat hat Aussagen der Dr. R. (Eingang 2. August 2006) und der F. AG vom 11. und 19. Juli 2006 eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Blatt 34/35, 38 und 39 SG-Akte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des Landgerichts M. 8 o 465/03 sowie die Prozessakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) sowie frist- und formgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat zurecht die Klage abgewiesen. Der angefochtene (negative Zugunsten-)Bescheid vom 11. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2004 ist rechtmäßig, denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, den - bestandkräftigen - Bescheid vom 22. Januar 2002 zurückzunehmen. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung ihres Fahrradunfalls vom 16. November 2001 als Arbeitsunfall.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der (negative Zugunsten-)Bescheid vom 11. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2004, mit dem die Beklagte die Rücknahme des - bestandkräftigen - Bescheids vom 22. Januar 2002 und die Feststellung des Fahrradunfalls als Arbeitsunfall abgelehnt hat.
Richtige Klageart zur Erreichung des klägerischen Ziels (den Unfall vom 16. November 2001 als Arbeitsunfall "anzuerkennen") ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 46/03 R).
Ausgangspunkt für die rechtliche Überprüfung ist im Hinblick auf die Bestandskraft des Bescheids vom 22. Januar 2002 § 44 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die Beklagte ist bei Erlass des Bescheids vom 22. Januar 2002 weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Arbeitsunfälle sind gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist es danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77; 61, 127, 128). Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf den Weg zu und von der Arbeit sonst gewöhnlich benutzt (u.a. BSG SozR 2200 § 550 Nr. 60 und Nr. 62). Der innere Zusammenhang ist gegeben, wenn der zurückgelegte Weg wesentlich dazu diente, die versicherte Tätigkeit aufzunehmen (BSGE 58, 76, 70). Wer sich während einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit zum Arzt begibt, um ggfs. die vom Arbeitgeber geforderte Arbeitsfähigkeitsbescheinigung bzw. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen, steht ebenfalls unter Unfallversicherungsschutz (s. Urteil des BSG vom 31. Januar 1974 - 2 RU 99/72). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 128). Innerhalb dieser Wertung stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 19). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten (BSG SozR 3; 2200 § 550 Nr. 4 und 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 90 und SozR 3-2200 § 550 Nr. 14).
Zur Ermittlung, ob der von der Klägerin zurückgelegte Weg ihrer betrieblichen Tätigkeit oder dem privaten - und damit unversicherten - Bereich zuzurechnen ist, ist auf das Motiv der Klägerin abzustellen, nämlich den Zweck, den sie im Zeitpunkt des Unfalls verfolgte. Dies ist eine innere Tatsache, an die sich die Klägerin nicht mehr erinnert. Unfallbedingte Erinnerungslücken können einen Verletzten daran hindern, bei der Aufklärung der entscheidungserheblichen Tatsachen mitzuwirken. Das haben der Unfallversicherungsträger und die Tatsachengerichte dann dadurch angemessen zu berücksichtigen, dass sie umso mehr alle Anhaltspunkte aufklären, die geeignet sein können, wenigstens mittelbare Hinweise auf die unerforschten Tatsachen zu geben (vgl. BSG, Urteil vom 27. März 1990 - 2 RU 45/89 -). Nachgewiesene Anknüpfungstatsachen sind vorliegend, dass die Klägerin am Vorabend ihrem Ehemann erklärt hat, wegen noch bestehender Schmerzen am nächsten Tag zu Dr. R. gehen und wegen weiterer Krankschreibung fragen zu wollen. Ferner steht der Unfallort fest. Dieser lag an der Kreuzung B. Straße in M.-S ... Diese Anknüpfungstatsachen reichen jedoch nicht aus, um als feststehend anzusehen, dass sich die Klägerin beim Unfall tatsächlich auf dem Weg zu Dr. R. befunden hat. Aus der Äußerung am Vorabend gegenüber ihrem Mann ergibt sich nicht zwingend, dass die Klägerin auch noch am nächsten Tag zur Ärztin fahren wollte. Ein Terminsvereinbarung mit der Ärztin ist nicht vorgetragen worden und auf Grund fehlender Unterlagen der Ärztin nicht nachweisbar (s. Zeugenaussage Dr. R. vom 21. September 2005 und 2. August 2006). Möglicherweise hat die Klägerin am Morgen des 16. November 2001 kein Bedürfnis mehr gesehen, zur Ärztin zu fahren, möglicherweise wollte sie aber auch zunächst etwas Anderes erledigen und später zu Dr. R. zu fahren. Da eine Krankschreibung noch am Montag, den 19. November 2001, rechtzeitig möglich gewesen wäre, käme auch in Betracht, dass die Klägerin dies auf den Montag verschieben wollte. Des Weiteren ist nicht gesichert, dass die Klägerin am Morgen des 16. November 2001 sich (ggf.) noch. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat ausstellen lassen wollen. Möglicherweise wollte sie sich nur noch behandeln lassen, worauf auch Dr. R. hingewiesen hat. Da Dr. R. Ärztin für Anästhesiologie ist und damit die Schulterbeschwerden erkennbar behandeln konnte, ist auch dies nicht fernliegend. Auch der Unfallort ist kein eindeutiges Indiz dafür, dass sich die Klägerin auf dem Weg zu Dr. R. befunden hat. Denn ein Blick in den Stadtplan (Blatt 14 und 74 VerwA) zeigt, dass es am naheliegensten gewesen wäre, das Fahrrad wenige Meter zur Kreuzung K. /Z. Straße zu schieben, um dann den direkten Weg über die Z. Straße nach rechts abbiegend in die R. Straße 16 zu nehmen, anstatt sich zunächst vom Zielort zu entfernen um über die K. Straße, B.Straße, zur Ärztin in der R. Straße zu gelangen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin das Fahrrad nicht schieben und die K. Straße (Einbahnstraße) fahren wollte, hätte sie spätestens an der F. Straße nach rechts abbiegen können, um so wieder auf den naheliegendsten Weg über die Z. Straße zu gelangen. Zwar ist dem Klägerbevollmächtigte darin zuzustimmen, dass die Versicherten nicht verpflichtet sind, den kürzesten Weg zu nehmen. Doch geht es hier nicht um die Frage, ob bei nachweislich betrieblicher Handlungstendenz ein Weg gewählt wurde, der nicht mehr als direkter Weg gewertet werden kann, sondern darum, ob sich aus dem gewählten Weg Hinweise auf eine Handlungstendenz der Klägerin ergeben. Das ist hier nicht der Fall, weil zum Einen der gewählte Weg bei natürlicher Betrachtung nicht naheliegend war und zum Anderen - und das ist der entscheidende Gesichtspunkt - unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dipl.-Ing. F. nichts dafür spricht, dass die Klägerin an dieser Kreuzung nach rechts in die R. Straße abbiegen wollte, was sie hätte tun müssen, wenn sie auf dem Weg zur Ärztin gewesen wäre. Dipl.-Ing. F. hat auf Grund des Beschädigungsbildes und der Endlage des Fahrrads den wahrscheinlichen Anstoßpunkt nachvollziehbar in der Mitte der Kreuzung angenommen (s. Skizze 3 des Gutachtens vom 4. November 2004). Dies lässt - normales Fahrverhalten der Klägerin vorausgesetzt (für etwas Anderes gibt es objektiv keinen Anhaltspunkt) - nur den Schluss zu, dass sie im Begriff war, die Kreuzung zu überqueren oder - was nach den Ausführungen des Sachverständigen auch "vorstellbar erscheint" -, die ihr gegenüber, links liegende Kreuzungsecke anfahren wollte. Ein Abbiegen nach rechts in die Straße, aus der der Unfallgegner kam, und ein hierbei verursachter Zusammenstoß ist unter Berücksichtigung des Gutachten von Dipl.-Ing. F. ausgeschlossen; dabei hätte der Unfall - so wie er sich tatsächlich zugetragen hat - nicht geschehen können. Daran ändert auch die Angabe des Ehemanns der Klägerin nichts, ihm gegenüber habe der Unfallgegner gesagt, er habe nach links abbiegen wollen. Damit ergeben sich bei der Gesamtwürdigung keine objektiven Hinweise darauf, dass die Klägerin im Unfallzeitpunkt eine der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung ausgeübt hat. Es lässt sich in vernünftiger Weise anhand der Umstände nicht ausschließen, dass sie zum Unfallzeitpunkt eine rein private Verrichtungen erledigte. Bei Unaufklärbarkeit eines Umstandes fallen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit dem, der hieraus eine ihm günstige Rechtsfolge gelten macht, zur Last (BSG, Urteil vom 7. September 2004, B 2 U 25/03 R). Da die Klägerin sich auf das Vorliegen eines Arbeitsunfalls beruft, muss sie die Folgen der objektiven Beweislosigkeit tragen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzung für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG) liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 Sozialgesetbuch Zehntes Buch (SGB X) die Feststellung eines Arbeitsunfalls (AU) streitig.
Die 1946 geborene Klägerin erlitt als Fahrradfahrerin in M. an der Kreuzung B. Straße am Morgen des 16. November 2001 (Freitag) gegen 7:45 Uhr einen Fahrradunfall, als sie die B. Straße von Süden kommend befuhr und mit einem aus der Rastatter Straße von rechts kommenden und vorfahrtsberechtigten Pkw zusammenstieß. Dabei erlitt sie ein schweres Schädelhirntrauma mit Gehirnblutungen; sie ist seitdem pflegebedürftig und erinnert sich nicht daran, weshalb sie dort fuhr.
Laut Durchgangsarztbericht des PD Dr. O. vom 16. November 2001 wusste die um 8:24 Uhr eingetroffene Klägerin nicht, ob sie auf dem Weg zur Arbeit gewesen sei; der begleitende Sanitäter gab dies jedoch an. Der Arbeitgeber, die F. AG in M., teilte der Beklagten unter dem 17. Dezember 2001 mit, dass die Klägerin bis zum 19. November 2001 (Montag) krank gemeldet gewesen sei. Regulärer Arbeitsbeginn sei 6:00 Uhr, der Unfall habe sich gegen 8:20 Uhr ereignet. Nach Rücksprache mit der BKK liege kein Wegeunfall vor. Auf telefonische Anfrage der Beklagten gab die BKK Rhein-Neckar an, die Klägerin sei bis 16. November 2001 arbeitsunfähig geschrieben gewesen; ferner, der Ehemann der Klägerin habe in einem persönlichem Gespräch mitgeteilt, dass sich seine Ehefrau auf dem Weg zum behandelnden Arzt befunden habe, als sich der Unfall ereignete. Der mit Beschluss des Amtsgerichts M. vom 10. Juni 2002 zum Betreuer bestellte Ehemann berichtete unter dem 30. Dezember 2001, seine Ehefrau habe ihm donnerstags abends ihre Absicht mitgeteilt, wegen noch vorhandener Schmerzen in der Schulter zu Dr. R. gehen und auch fragen zu wollen, wie lange sie noch krankgeschrieben bleibe. Mit - bestandkräftigem - Bescheid vom 22. Januar 2002 stellte die Beklagte fest, ein Arbeitsunfall liege nicht vor. Der Weg zu Dr. R. habe in keinem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gestanden, so dass keine versicherte Tätigkeit vorliege.
Am 6. Juni 2003 stellte die Klägerin einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X mit der Begründung, der Weg zum Arzt zum Zwecke der Ausstellung einer weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung diene vorrangig einem betrieblichen Zweck, weshalb Versicherungsschutz vorgelegen habe. Auf Nachfrage teilte die Arbeitgeberin sodann mit, die Meldungen über die Arbeitsunfähigkeit seien unverzüglich vorgelegt worden. Die erste Meldung habe eine Arbeitsunfähigkeit vom 8. bis 12. November 2001, die zweite eine solche vom 12. bis 16. November 2001 bescheinigt. Mit Bescheid vom 11. November 2003 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab: Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass die Fahrt zum Arzt zum Zwecke der Ausstellung einer ärztlichen Bescheinigung über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit unter Versicherungsschutz stehe (Urteil vom 31. Januar 1974; Az. 2 RU 99/72). Die Klägerin habe sich aber während der bereits bescheinigten Arbeitsunfähigkeit zur Ärztin begeben wollen, um sich untersuchen und ggfs. eine weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen. Diese Fahrt stelle eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar, da sie wesentlich zum Zwecke der Untersuchung unternommen worden sei. Im Widerspruchsverfahren ermittelte die Beklagte sodann vor Ort und wies den Widerspruch. mit Widerspruchsbescheid vom 8. September 2004 mit der Begründung zurück, die Klägerin habe sich zum Unfallzeitpunkt auf einem unversicherten Umweg oder Abweg befunden.
Am 22. September 2004 hat der von der nunmehrigen Betreuerin (s. Beschluss des AG M. vom 25. September 2003) bevollmächtigte Rechtsanwalt für die Klägerin Klage zum Sozialgericht M. (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, die Klägerin habe sich im Sinne des Gesetzes auf dem direkten Weg zur Arztpraxis befunden. Die Beklagte hat sich auf ein ihr mittlerweile bekannt gewordenes Gutachten des Dipl.-Ing. F. - erstattet im Verfahren der Pflegekasse der Klägerin gegen den Unfallgegner und dessen Haftpflichtversicherer vor dem Landgericht M. - Az. 8 O 465/03 - bezogen, aus dem sich ergebe, dass die Klägerin nicht die Absicht gehabt haben könne, von der B. in die R. Straße abzubiegen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass die Klägerin habe geradeaus fahren wollen, weshalb sie nicht auf dem Weg zur Praxis Dr. R. gewesen sei. Das SG hat die Akten des Landgerichts M. beigezogen sowie Auskünfte der Stadt M. vom dem 15. September 2005 (Blatt 59 SG-Akte) sowie der Dr. R. vom 21. September 2005 (Blatt 60 SG-Akte) eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Am 6. September 2005 hat es mit den Beteiligten die verschiedenen Wegemöglichkeiten von der Wohnung der Klägerin in der K. Straße 50 (über B. Straße zur R.r Straße 16 (Arztpraxis Dr. R.)); über F./Z. Straße zur R. Straße 16; über Z. Straße zur R. Straße 16) in Augenschein genommen. Der Ehemann der Klägerin hat hierbei erklärt, dass der Unfallgegner ihnen gegenüber angegeben habe, dass er nach links habe abbiegen wollen, um nach Hause in den B. Weg zu fahren. Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung hat das SG am 22. Februar 2006 die Klage abgewiesen und ausgeführt, es könne offen bleiben, ob der Weg zum Arzt zur Ausstellung einer Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung als versicherte Tätigkeit zu qualifizieren sei, da sich die Klägerin auf einem unversicherten Umweg befunden habe. Die Wohnung der Eheleute R. habe nur wenige Meter von der Kreuzung der K./Z. Straße entfernt gelegen. Bei natürlicher Betrachtung hätte die Klägerin das Fahrrad die wenigen Meter bis zur Kreuzung schieben und dann über die Z. Straße direkt in die R. Straße zur Arztpraxis fahren können. Warum die Klägerin gerade bei noch bestehender Arbeitsunfähigkeit den erheblich längeren und auch unangenehmeren Weg gewählt habe, sei nicht erklärlich. Zweifel an der Absicht, zu Dr. R. zu fahren, ergäben sich auch aus dem Gutachten des Dipl.-Ing. F., der beschreibe, dass der Unfallablauf eigentlich voraussetze, dass die Klägerin nicht nach rechts abbiegen, sondern geradeaus fahren wollte. Dies gelte auch dann, wenn der Unfallgegner entgegen der Annahme des Sachverständigen nach links hätte abbiegen wollen.
Gegen das der Klägerin am 2. März 2006 zugestellte Urteil hat sie am 24. März 2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, die natürliche Betrachtung des SG sei nicht zwingend. Die Entscheidung, das gewählte Verkehrsmittel auch verkehrsgerecht zu nutzen, sei von der Wahlfreiheit gedeckt. Es habe sich für Fahrradfahrer nicht um einen ganz erheblichen Umweg gehandelt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts M. vom 22. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 11. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2004 zu verurteilen, den Bescheid vom 22. Januar 2002 zurückzunehmen und ihren Unfall vom 16. November 2001 als Arbeitsunfall anzuerkennen sowie Leistungen aus der gesetzlichen Unfallsversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung sprechen die Feststellungen im Urteil des Landgerichts M. dafür, dass die Klägerin nicht nach rechts habe abbiegen wollen. Spätestens ab der Stelle, an welcher die Radfahrerin die Fluchtlinie der Badener Straße überfahren habe (s. Skizze 3 im Gutachten vom 11. November 2004), sei klar gewesen, dass sie nicht nach rechts abbiegen, sondern die Fahrbahn kreuzen würde.
Der Senat hat Aussagen der Dr. R. (Eingang 2. August 2006) und der F. AG vom 11. und 19. Juli 2006 eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Blatt 34/35, 38 und 39 SG-Akte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Akte des Landgerichts M. 8 o 465/03 sowie die Prozessakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Die statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) sowie frist- und formgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat zurecht die Klage abgewiesen. Der angefochtene (negative Zugunsten-)Bescheid vom 11. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2004 ist rechtmäßig, denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, den - bestandkräftigen - Bescheid vom 22. Januar 2002 zurückzunehmen. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung ihres Fahrradunfalls vom 16. November 2001 als Arbeitsunfall.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der (negative Zugunsten-)Bescheid vom 11. November 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. September 2004, mit dem die Beklagte die Rücknahme des - bestandkräftigen - Bescheids vom 22. Januar 2002 und die Feststellung des Fahrradunfalls als Arbeitsunfall abgelehnt hat.
Richtige Klageart zur Erreichung des klägerischen Ziels (den Unfall vom 16. November 2001 als Arbeitsunfall "anzuerkennen") ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG (vgl. hierzu: BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 46/03 R).
Ausgangspunkt für die rechtliche Überprüfung ist im Hinblick auf die Bestandskraft des Bescheids vom 22. Januar 2002 § 44 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, denn die Beklagte ist bei Erlass des Bescheids vom 22. Januar 2002 weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt. Arbeitsunfälle sind gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist es danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77; 61, 127, 128). Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf den Weg zu und von der Arbeit sonst gewöhnlich benutzt (u.a. BSG SozR 2200 § 550 Nr. 60 und Nr. 62). Der innere Zusammenhang ist gegeben, wenn der zurückgelegte Weg wesentlich dazu diente, die versicherte Tätigkeit aufzunehmen (BSGE 58, 76, 70). Wer sich während einer Zeit der Arbeitsunfähigkeit zum Arzt begibt, um ggfs. die vom Arbeitgeber geforderte Arbeitsfähigkeitsbescheinigung bzw. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen, steht ebenfalls unter Unfallversicherungsschutz (s. Urteil des BSG vom 31. Januar 1974 - 2 RU 99/72). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können (BSGE 58, 80, 83; 61, 127, 128). Innerhalb dieser Wertung stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 19). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten (BSG SozR 3; 2200 § 550 Nr. 4 und 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 90 und SozR 3-2200 § 550 Nr. 14).
Zur Ermittlung, ob der von der Klägerin zurückgelegte Weg ihrer betrieblichen Tätigkeit oder dem privaten - und damit unversicherten - Bereich zuzurechnen ist, ist auf das Motiv der Klägerin abzustellen, nämlich den Zweck, den sie im Zeitpunkt des Unfalls verfolgte. Dies ist eine innere Tatsache, an die sich die Klägerin nicht mehr erinnert. Unfallbedingte Erinnerungslücken können einen Verletzten daran hindern, bei der Aufklärung der entscheidungserheblichen Tatsachen mitzuwirken. Das haben der Unfallversicherungsträger und die Tatsachengerichte dann dadurch angemessen zu berücksichtigen, dass sie umso mehr alle Anhaltspunkte aufklären, die geeignet sein können, wenigstens mittelbare Hinweise auf die unerforschten Tatsachen zu geben (vgl. BSG, Urteil vom 27. März 1990 - 2 RU 45/89 -). Nachgewiesene Anknüpfungstatsachen sind vorliegend, dass die Klägerin am Vorabend ihrem Ehemann erklärt hat, wegen noch bestehender Schmerzen am nächsten Tag zu Dr. R. gehen und wegen weiterer Krankschreibung fragen zu wollen. Ferner steht der Unfallort fest. Dieser lag an der Kreuzung B. Straße in M.-S ... Diese Anknüpfungstatsachen reichen jedoch nicht aus, um als feststehend anzusehen, dass sich die Klägerin beim Unfall tatsächlich auf dem Weg zu Dr. R. befunden hat. Aus der Äußerung am Vorabend gegenüber ihrem Mann ergibt sich nicht zwingend, dass die Klägerin auch noch am nächsten Tag zur Ärztin fahren wollte. Ein Terminsvereinbarung mit der Ärztin ist nicht vorgetragen worden und auf Grund fehlender Unterlagen der Ärztin nicht nachweisbar (s. Zeugenaussage Dr. R. vom 21. September 2005 und 2. August 2006). Möglicherweise hat die Klägerin am Morgen des 16. November 2001 kein Bedürfnis mehr gesehen, zur Ärztin zu fahren, möglicherweise wollte sie aber auch zunächst etwas Anderes erledigen und später zu Dr. R. zu fahren. Da eine Krankschreibung noch am Montag, den 19. November 2001, rechtzeitig möglich gewesen wäre, käme auch in Betracht, dass die Klägerin dies auf den Montag verschieben wollte. Des Weiteren ist nicht gesichert, dass die Klägerin am Morgen des 16. November 2001 sich (ggf.) noch. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat ausstellen lassen wollen. Möglicherweise wollte sie sich nur noch behandeln lassen, worauf auch Dr. R. hingewiesen hat. Da Dr. R. Ärztin für Anästhesiologie ist und damit die Schulterbeschwerden erkennbar behandeln konnte, ist auch dies nicht fernliegend. Auch der Unfallort ist kein eindeutiges Indiz dafür, dass sich die Klägerin auf dem Weg zu Dr. R. befunden hat. Denn ein Blick in den Stadtplan (Blatt 14 und 74 VerwA) zeigt, dass es am naheliegensten gewesen wäre, das Fahrrad wenige Meter zur Kreuzung K. /Z. Straße zu schieben, um dann den direkten Weg über die Z. Straße nach rechts abbiegend in die R. Straße 16 zu nehmen, anstatt sich zunächst vom Zielort zu entfernen um über die K. Straße, B.Straße, zur Ärztin in der R. Straße zu gelangen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Klägerin das Fahrrad nicht schieben und die K. Straße (Einbahnstraße) fahren wollte, hätte sie spätestens an der F. Straße nach rechts abbiegen können, um so wieder auf den naheliegendsten Weg über die Z. Straße zu gelangen. Zwar ist dem Klägerbevollmächtigte darin zuzustimmen, dass die Versicherten nicht verpflichtet sind, den kürzesten Weg zu nehmen. Doch geht es hier nicht um die Frage, ob bei nachweislich betrieblicher Handlungstendenz ein Weg gewählt wurde, der nicht mehr als direkter Weg gewertet werden kann, sondern darum, ob sich aus dem gewählten Weg Hinweise auf eine Handlungstendenz der Klägerin ergeben. Das ist hier nicht der Fall, weil zum Einen der gewählte Weg bei natürlicher Betrachtung nicht naheliegend war und zum Anderen - und das ist der entscheidende Gesichtspunkt - unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dipl.-Ing. F. nichts dafür spricht, dass die Klägerin an dieser Kreuzung nach rechts in die R. Straße abbiegen wollte, was sie hätte tun müssen, wenn sie auf dem Weg zur Ärztin gewesen wäre. Dipl.-Ing. F. hat auf Grund des Beschädigungsbildes und der Endlage des Fahrrads den wahrscheinlichen Anstoßpunkt nachvollziehbar in der Mitte der Kreuzung angenommen (s. Skizze 3 des Gutachtens vom 4. November 2004). Dies lässt - normales Fahrverhalten der Klägerin vorausgesetzt (für etwas Anderes gibt es objektiv keinen Anhaltspunkt) - nur den Schluss zu, dass sie im Begriff war, die Kreuzung zu überqueren oder - was nach den Ausführungen des Sachverständigen auch "vorstellbar erscheint" -, die ihr gegenüber, links liegende Kreuzungsecke anfahren wollte. Ein Abbiegen nach rechts in die Straße, aus der der Unfallgegner kam, und ein hierbei verursachter Zusammenstoß ist unter Berücksichtigung des Gutachten von Dipl.-Ing. F. ausgeschlossen; dabei hätte der Unfall - so wie er sich tatsächlich zugetragen hat - nicht geschehen können. Daran ändert auch die Angabe des Ehemanns der Klägerin nichts, ihm gegenüber habe der Unfallgegner gesagt, er habe nach links abbiegen wollen. Damit ergeben sich bei der Gesamtwürdigung keine objektiven Hinweise darauf, dass die Klägerin im Unfallzeitpunkt eine der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung ausgeübt hat. Es lässt sich in vernünftiger Weise anhand der Umstände nicht ausschließen, dass sie zum Unfallzeitpunkt eine rein private Verrichtungen erledigte. Bei Unaufklärbarkeit eines Umstandes fallen die Folgen der objektiven Beweislosigkeit dem, der hieraus eine ihm günstige Rechtsfolge gelten macht, zur Last (BSG, Urteil vom 7. September 2004, B 2 U 25/03 R). Da die Klägerin sich auf das Vorliegen eines Arbeitsunfalls beruft, muss sie die Folgen der objektiven Beweislosigkeit tragen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die gesetzlichen Voraussetzung für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 SGG) liegen nicht vor.
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