L 9 R 4554/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 4654/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4554/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Oktober 2005 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit am 6. August 2003 eingetreten ist.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich gegen die Verurteilung, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Der am 5. Mai 1953 geborene Kläger hat von August 1968 bis Juli 1972 den Beruf eines Kfz-Mechanikers erlernt und war in diesem Beruf bis Ende 1975 und ab Januar 1976 als Karosseriebauer tätig. Von Oktober 1982 bis Dezember 1994 war er als Karosseriebauer mit einer eigenen Reparaturwerkstatt selbstständig tätig, ab Januar 1995 bestand (wieder) ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis bei der Fa. Autogalerie K. in Karlsruhe. Arbeitsunfähigkeit trat im Dezember 2002 ein.

Vom 8. Juli bis 5.August 2003 befand sich der Kläger zu einem medizinischen Rehabilitationsverfahren in der Park-Klinik in Bad Nauheim. Er wurde mit den Diagnosen Gonalgie rechts bei Zustand nach arthroskopischer Innenmeniskus-Resektion, Perfusionsstörung der medialen Femurcondyle mit subchondraler Nekrose (Morbus Ahlbäck), Rotatorenmanschettensyndrom rechts, Retropatellararthrose beidseits bei Genua vara und latente Lumbalgie bei Flachrücken als arbeitsunfähig entlassen. Tätigkeiten im Knien, über Schulterhöhe und mit Heben und Tragen von Lasten über 20 kg sollten gemieden werden. Bei entsprechender innerbetrieblicher Umsetzung sei nach stufenweiser Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell über 4-6 Wochen wieder eine volle Einsatzfähigkeit gegeben.

In der Folge bezog der Kläger weiter Krankengeld. Der Arbeitgeber bescheinigte unter dem 19. Januar 2004, dass er keine Möglichkeit habe, dem Kläger eine andere Beschäftigung anzubieten. Eine Veränderung der Betriebsabläufe sei nicht möglich.

Am 14. April 2004 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung unter Vorlage eines Attests seines behandelnden Orthopäden Dr. R. vom 1. März 2004, welcher den Kläger wegen einer LWS-Spondylose und einem tiefen Innenmeniskusriß im rechten Kniegelenk unabhängig von der beruflichen Belastung für nicht mehr als drei Stunden pro Tag für arbeitsfähig hielt.

Die Beklagte veranlasste eine gutachterliche Untersuchung durch den Arzt für Orthopädie Dr. K. Diesem gegenüber gab der Kläger anamnestisch an, er habe nach 9-jährigem Schulbesuch den Hauptschulabschluss erreicht, wobei er wegen einer Lese-und Schreibschwäche zeitweise auch in einer Sonderschule betreut worden sei. Dies habe auch bei der theoretischen Prüfung zum Kfz-Mechaniker Probleme bereitet. Probleme habe er auch mit dem theoretischen Teil der Führerscheinprüfung der Klasse 2 gehabt, während er den praktischen Teil problemlos bewältigt habe. Die selbstständige Tätigkeit als Karosseriebauer habe er 1994 aufgeben müssen, weil er sich mit seinem Kompagnon nicht verstanden habe.

Dr. K. stellte im Gutachten vom 25. Mai 2004 folgende Diagnosen:

1. Arthralgie rechtes Kniegelenk bei Restbeschwerden nach Innenmeniskusteilresektion von 3/03 2. Ausgeprägte Chrondropathia patellae rechtsbetont 3. Morbus Ahlbäck rechter Femurcondylus (aseptische Knochennekrose) 4. Supraspinatussehnensyndrom rechte Schulter ohne Funktionseinschränkung bei schmerzhaftem Bewegungsspiel 5. Chronisch rezidivierendes belastungsinduziertes Lumbalsyndrom bei lumbosakraler Übergangsstörung.

Als Karosseriebauer könne der Kläger nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich arbeiten. Sonstige leichte bis mittelschwere Tätigkeiten seien noch 6 Stunden und mehr möglich, wobei Wirbelsäulenzwangshaltungen, Arbeiten in kniender, gebückter und hockender Haltung ebenso zu meiden seien wie Arbeiten mit häufigem Klettern oder Steigen auf Leitern und Gerüsten und über Kopf.

Mit Bescheid vom 1. Juni 2004 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Er sei nicht erwerbsgemindert. Er könne mit dem vorhandenen Leistungsvermögen eine zumutbare Verweisungstätigkeit als Lagerist oder Mitarbeiter in der Kundendienstberatung im Umfang von mindestens 6 Stunden täglich ausüben.

Hiergegen erhob der Kläger am 23. Juni 2004 Widerspruch und legte zur Begründung ein Schreiben seines behandelnden Orthopäden Dr. M. vom 5. Juli 2004 vor, welcher auch eine Tätigkeit als Lagerist für ausgeschlossen und den Kläger für berufsunfähig hielt.

Nach Einholung einer Stellungnahme von Dr. Koch vom 23. August 2004 wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2004 zurück.

Am 10. November 2004 erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der er seinen Anspruch weiter verfolgte. Er sei auch für leichte körperliche Arbeiten nur noch weniger als 6 Stunden einsatzfähig. Auf die Tätigkeit eines Lageristen sei er nicht verweisbar, weil er weder im Bücken und Hocken noch auf Leitern arbeiten könne. Einer Tätigkeit als Kundendienstberater stehe entgegen, dass er keinerlei EDV-Kenntnisse habe, die bei einer Sachbearbeitung schon auf der Anlernebene unabdingbar seien. Insoweit erlange auch seine Lese- und Rechtschreibschwäche Bedeutung, die dazu führe, dass er mit schriftlichen Arbeiten völlig überfordert sei.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte des Klägers Dr. M. (Auskunft vom 11. Februar 2005), den Allgemeinmediziner Dr. Heidelberger (Auskunft vom 10. Februar 2005) und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. J ... Letzterer berichtete unter dem 14. Februar 2005, der Kläger sei am 15. Januar 2005 erstmals in seine Sprechstunde gekommen. Er habe über verstärkte Vergesslichkeit, Schlafstörungen und nächtliche Ängste geklagt und angegeben, er tue sich als Legastheniker mit dem Schreiben schwer. Auch als selbstständiger Karosseriebauer habe er sich auf praktische Arbeiten beschränkt und die schriftlichen Arbeiten seinen Angestellten überlassen. Beim Kläger liege eine sekundäre depressive Belastungsreaktion auf dem Boden beruflicher Überforderung vor. Er benötige einen behindertengerechten Arbeitsplatz.

Der ehemalige Arbeitgeber des Klägers teilte am 17. Februar 2005 mit, der Kläger sei als Karosseriebauer mit der Instandsetzung von Unfallfahrzeugen befasst gewesen. Seine Fähigkeiten hätten denen eines sehr guten Karosseriebauers entsprochen. Er sei als Facharbeiter ohne Vorgesetztenfunktion bezahlt worden Eine Ausbildung anderer Arbeiter oder von Lehrlingen habe nur in eingeschränkter Form bestanden. Er legte den Arbeitsvertrag vom 8. Juli 1999 vor, wonach der Kläger ab 1. Juli 1999 einen Monatlohn von 6.685 DM erhielt.

In dem von SG eingeholten fachorthopädischen Gutachten vom 15. April 2005 führte Dr. J. aus, die Belastbarkeit der Wirbelsäule sei nur für wiederkehrendes schweres Heben und Tragen von Gegenständen über 20 kg eingeschränkt. Bezüglich der oberen Extremitäten ließen sich lediglich Einschränkungen für wiederkehrende Überkopfarbeiten begründen. Am rechten Kniegelenk liege ein Streckdefizit von 5 Grad vor. Der Kläger müsse dauerndes Stehen und Gehen meiden, ebenso wiederkehrende Arbeiten in der Hocke, im Knien sowie Arbeiten auf Leitern, Gerüsten und Gehen auf unebenem Boden. Als Karosseriebauer sei er nur noch 3 bis unter 6 Stunden einsatzfähig, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und als Hausmeister bestehe noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung der genannten Einschränkungen. Wegefähigkeit sei gegeben. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2005 verurteilte das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Zeit ab dem 1. April 2004 bis zum 31. März 2007 zu gewähren und wies im Übrigen die Klage ab. Zu Begründung führte es aus, als Kfz-Mechaniker oder Karosseriebauer sei der Kläger nicht mehr einsetzbar. Auch die Verrichtung der von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeit als Hausmeister sei dem Kläger gesundheitlich nicht zumutbar, da hierbei auch schwerere Arbeiten, Zwangshaltungen und Arbeiten im Knien und Hocken anfielen. Auch müsse auf Leitern und Gerüsten gearbeitet werden. Die Rente sei auf Zeit zu leisten, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit wieder behoben werden könne.

Gegen den ihr am 28. Oktober 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 2. November 2005 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, es ergebe sich weder aus dem Tenor noch aus den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheids, wann nach der Auffassung der Kammer der Leistungsfall eingetreten sei. Es sei auch nicht zutreffend, dass der Kläger nicht als Hausmeister tätig sein könne. Es müsse bei dieser Prüfung nicht auf die gesamte Bandbreite aller möglichen Hausmeistertätigkeiten abgestellt werden. Das Aufgabenspektrum sei vom jeweiligen Arbeitgeber abhängig, sodass gute Möglichkeiten bestünden, auch körperliche Einschränkungen zu berücksichtigen. Als Karosseriebauer sei der Kläger auch auf eine Tätigkeit als Montierer in der Metall- und Elektroindustrie verweisbar, wie das Hessische LSG im Urteil vom 19. März 2003 - L 12 RJ 88/00 - entschieden habe. Schließlich könne der Kläger auch zumutbar auf die Tätigkeiten eines Registrators und Mitarbeiters in der Poststelle einer Verwaltung verwiesen werden.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Oktober 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

den Tenor des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25.Oktober 2005 neu zu fassen und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 1. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2004 unter Berücksichtigung eines am 6. August 2003 eingetretenen Leistungsfalls zu verurteilen, dem Kläger auf seinen Antrag vom 14. April 2004 hin ab 1. April 2004 Teilerwerbsminderungsrente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er könne weder den körperlichen noch insbesondere den psychomentalen Anforderungen einer Hausmeistertätigkeit insbesondere in Bezug auf Umstellungsfähigkeit, Kontakt- und Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Organisationsfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit gerecht werden. Er hat einen Brief des behandelnden Nervenarztes Dr. Jacobi vom 17. Februar 2006 mit neuropsychologischem Befundbericht der Diplom-Psychologin Höckel vom 19. Januar 2005 vorgelegt, welche ihrerseits auf Anforderung die Beschreibungen der testpsychologischen Teiluntersuchungen vorgelegt hat.

Dr. J. teilte auf Anfrage des Senats unter dem 20. Dezember 2006 mit, der Kläger habe sich am 14. Februar und am 13. November 2006 bei ihm vorgestellt. Er habe eine reaktive depressive Störung auf dem Boden der vorbekannten Lese- und Schreibschwäche sowie kognitive Leistungseinschränkungen gefunden. Therapeutische Maßnahmen seien nicht eingeleitet worden. Die vorliegende Gesundheitsstörung und der bisherige Verlauf ließen eine ungünstige Prognose zu.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Akten der Beklagten, die Akten des SG und die Senatsakten.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist aber weitgehend sachlich nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 25. Oktober 2005 ist rechtmäßig. Das Sozialgericht hat dem Kläger ausgehend von dem am 14. April 2004 gestellten Rentenantrag Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Zeit für die Zeit vom 1. April 2004 bis zum 31. März 2007 zu Recht zugesprochen. Zu ergänzen ist lediglich, dass bei Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im Dezember 2002 und nach Durchführung des in Bezug auf die Tätigkeit als Karosseriebauer erfolglosen Heilverfahrens der Leistungsfall der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne einer Berufsunfähigkeit spätestens nach Beendigung des Heilverfahrens in Bad Nauheim am 6. August 2003 eingetreten ist und daher aufgrund des am 14. April 2004 gestellten Rentenantrags auch unter Berücksichtigung vom § 101 Abs. 1 SGG der Rentenbeginn zutreffend auf den 1. April 2004 festgelegt wurde.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI.).

Entscheidend für die damit angesprochene Frage des Berufsschutzes kommt es auf die soziale Zumutbarkeit einer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angebotenen Verweisungstätigkeit an, die sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs auf der Grundlage des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas bemisst (vgl. näher: BSG, Großer Senat, Urteil vom 19. Dezember 1996, GS 2/95, BSGE 80, 24 (38 ff); BSG, Urteil vom 3. Juli 2002, B 5 RJ 18/01 R, JURIS; BSG, Urteil vom 22. August 2002, B 13 RJ 19/02 R, JURIS). Die in diesem Mehrstufenschema genannten Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion und des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (z.B. BSGE 59, 201 = SozR 2200 § 1246 Nr. 132; BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.138, 140). Die Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten ist eine inhomogene und vielschichtige Gruppe, denn zu ihr zählen nicht nur Versicherte, deren Qualifikation durch eine betriebliche Ausbildung von nur drei Monaten gekennzeichnet ist, sondern auch Versicherte, die einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausüben. Daher wird in der Gruppe der Angelernten zwischen den "oberen Angelernten" mit einer regelmäßigen auch betrieblichen Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten und den "unteren Angelernten" mit einer Anlernzeit von drei bis 12 Monaten unterschieden. Während die unteren Angelernten grundsätzlich uneingeschränkt auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sind, sind Versicherten der Gruppe der oberen Angelernten, die ihre bisherige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten können, konkrete Verweisungstätigkeiten zu benennen, die sich durch Qualitätsmerkmale, etwa das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen (vgl. hierzu Niesel, in Kasseler Kommentar § 240 SGB VI Rn. 35, 36, 101 und 114 mit weiteren Nachweisen).

Ausschlaggebend für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer der Gruppen des Mehrstufenschemas ist allein die Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (BSG SozR 3-2000 § 1246 Nrn. 27, 33). Indizien für die gebotene Gesamtschau sind auch, wenn eine Ausbildung nicht absolviert wurde, die Dauer der Berufsausübung, und die Höhe der Entlohnung, wenn von dieser auf die Qualität der verrichteten Arbeit geschlossen werden kann (Niesel, a.a.O., Rn. 43, 60, 61 m. w. N.)

In Anwendung dieser Kriterien ist der 1953 - und damit vor dem 1. Januar 1961 - geborene Kläger unstreitig als Facharbeiter mit einer Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren - KfZ-Mechaniker und Karosseriebauer - einzustufen. Nachdem der Kläger diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nur noch zeitlich eingeschränkt verrichten kann, entfällt eine Berufsunfähigkeit nur dann, wenn dem Kläger ein sozial und gesundheitlich zumutbarer Verweisungsberuf benannt werden kann, in den sich der Kläger binnen einer Frist von weniger als drei Monaten einarbeiten können muss.

Die Beklagte hat im Berufungsverfahren die Tätigkeiten eines Hausmeisters, eines Montierers in der Elektro- und Metallindustrie, eines Poststellenmitarbeiters und eines Registrators als Verweisungsberufe benannt. Sozial zumutbar wären dem Kläger die benannten Verweisungsberufe, soweit sie entsprechend tarifvertraglich entlohnt werden. Während dies für die Tätigkeit eines Hausmeisters nicht in Zweifel steht, gilt dies für den Beruf eines Registrators nur, wenn es sich um eine Tätigkeit entsprechend der Vergütungsgruppe BAT VIII im öffentlichen Dienst (Angestellter im Registraturdienst mit schwierigerer Tätigkeit) handelt. Vergleichbare Anforderungen - in Bezug auf schwierigere Tätigkeiten - sind auch an die Verweisungstätigkeiten eines Mitarbeiters einer Poststelle und eines Montierers in der Elektro- und Metallindustrie zu stellen. Nur dann sind sie tarifvertraglich so eingestuft, dass der Kläger auf sie sozial zumutbar verweisbar wäre.

Die Tätigkeit eines Hausmeisters setzt nach der Tätigkeitsbeschreibung im BERUFEnet in der Regel eine abgeschlossene einschlägige handwerkliche Berufsausbildung voraus. Als mögliche Zugangsberufe werden genannt die eines Energie- und Gebäudetechnikers, eines Elektro- oder Gas- und Wasserinstallateurs oder eines technisch- kaufmännischen Hauswarts. Hierzu zählt die vom Kläger über Jahrzehnte ausgeübte Tätigkeit als Karosseriebauer nicht. Dem Kläger fehlen abgesehen von den vom SG genannten und gewürdigten körperlichen Leistungseinschränkungen - auch die kaufmännisch-theoretischen Kenntnisse und die erforderliche Erfahrung im Umgang mit einem PC, um ihm körperlich nicht mehr zumutbare Arbeiten an Fremdfirmen zu vergeben. Wesentlich steht dem die seit Kindheit bestehende Lese- und Rechtschreibschwäche entgegen, die den Kläger aber nicht an einer weitgehend praktischen Berufsausübung als Karosseriebauer hinderte. Des weiteren bringt der Kläger die für die Hausmeistertätigkeit erforderliche psycho-mentale Belastbarkeit nicht mit. Vielmehr leidet er seit Januar 2005 mit ungünstiger Prognose an einem reaktiven Verstimmungszustand mit einer Beeinträchtigung seiner kognitiven Fähigkeiten, wie der Senat aus den Auskünften von Dr. J. entnimmt.

Die grundsätzlich sozial zumutbare Verweisung des Klägers auf den Beruf des Registrators entsprechend der Vergütungsgruppe BAT VIII im öffentlichen Dienst (Angestellter im Registraturdienst mit schwierigerer Tätigkeit) scheitert daran, dass der Kläger in diesen Beruf nicht in einer Frist unter drei Monaten vollwertig eingearbeitet werden kann. Die Bundesagentur für Arbeit nennt im aktuellen "BERFUFEnet" (Stand: März 2007) als Zugangsvoraussetzungen für den Beruf des Registrators die Vorteilhaftigkeit einer kaufmännischen Ausbildung und die regelmäßige bestehende Notwendigkeit sich in Dokumentationssystemen und elektronischen Archivsystemen auszukennen, um Akten und Schriftverkehr verwalten und archivieren zu können. An beidem fehlt es dem Kläger völlig. Der Kläger, der bereits während der Schulzeit wegen einer Lese- und Rechtschreibschwäche einer besonderen Förderung bedurfte, war während seines gesamten beruflichen Lebens über annähernd 35 Jahre weitestgehend praktisch handwerklich tätig gewesen. Er hat weder PC-Kenntnisse, noch besitzt er privat einen PC. Während der Zeit seiner Selbstständigkeit als Karosseriebauer war er mit einem Kompagnon zusammen, bzw. ließ schriftliche Arbeiten von Angestellten erledigen. Ohne jegliche Vorkenntnisse in der EDV und der allgemeinen Verwaltungstätigkeit wird die Einarbeitungszeit für den Kläger in die Tätigkeit eines vollwertigen Registrators deshalb mehr Zeit als drei Monate beanspruchen. Dies unterscheidet den Fall des Klägers auch von denjenigen, die der 2. und 11. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 2 R 4377/02, Urteil vom 25. Mai 2005 und L 11 RJ 4993/03, Urteil vom 25. Januar 2005) zu entscheiden gehabt haben. Soweit die Beklagte sich für ihren Vortrag auf diese Entscheidung des 2. Senats stützt, verkennt sie, dass der klagende Versicherte, ein Kameramann, der auf den Beruf des Registrators verwiesen worden war, sich Zuhause ein komplettes Büro mit Computer eingerichtet und überlegt hatte, ein Schreibbüro für Handwerker zu gründen. Auf diesen Umstand hat der 2. Senat bei der Einschätzung, die Einarbeitungszeit des Kameramanns als Registrator betrage längstens drei Monate, auch tragend abgestellt. Entsprechendes gilt für die Entscheidung des 11. Senats, die einen Maler betroffen hat, der sich in der Freizeit mit dem PC seiner Tochter beschäftigt und eingeräumt hat, PC-Vorkenntnisse zu haben. Auch soweit die Beklagte sich für die Verteidigung ihres Rechtsstandpunkts auf Rechtsprechung des 3. und 12. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg bezieht (L 3 R 1625/04, Urteil vom 5. April 2006 und L 12 R 91/05, Urteil vom 30. August 2005), rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung, weil in den zitierten Entscheidungen bei der Verweisung auf eine Registratorentätigkeit jeweils eine "einfachen Anlerntätigkeit, für die keinerlei besondere Ausbildung erforderlich sei" (3. Senat) oder von einer "im wesentlichen einfach strukturierten Bürotätigkeit" (12. Senat) in Bezug genommen wird. Auf eine solche "einfache" Registratorentätigkeiten, die in der Tat auch ohne jede Vorkenntnisse binnen weniger Tage erlernbar sind, mögen Versicherte mit dem Status eines "oberen Angelernten" nach dem Mehrstufenschema des BSG sozial zumutbar verweisbar sein, nicht aber ein "Facharbeiter", wie es der Kläger ist.

Die Lese- und Rechtschreibschwäche, die damit fehlende Übung in schriftlichen Arbeiten und am PC sowie die fehlenden Kenntnisse von Verwaltungsabläufen in Behörden stehen auch einer in 3 Monaten vollwertig zu erlernenden Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters mit schwierigeren Tätigkeiten in einer Behörde entgegen.

Schließlich kann sich der Senat auch nicht davon überzeugen, dass der Kläger innerhalb von drei Monaten vollwertig als Montierer in der Elektro- oder Metallindustrie eingesetzt werden könnte. Die dem Kläger sozial zumutbaren Montierertätigkeiten bedürfen auch nach dem von der Beklagten vorgelegten Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. März 2003 regelmäßig einer Anlernzeit von acht bis elf Monaten. Auch unter Berücksichtigungen der praktischen Fähigkeiten des Klägers kann aber wegen des von Dr. Jacobi diagnostizierten und unverändert anhaltenden depressiven Verstimmungszustandes mit kognitiven Einschränkungen, welche nach der Einschätzung der Psychologin H. einer raschen Einarbeitung in ein völlig anderes Arbeitsgebiet entgegenstehen, nicht angenommen werden, dass der Kläger sich die einschlägigen Kenntnisse in einer Zeit von bis zu drei Monaten aneignen könnte.

Die Berufung der Beklagten musste daher mit der Maßgabe zurückgewiesen werden, dass der Leistungsfall der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit am 6. August 2003 eingetreten ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved