S 8 KG 7/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KG 7/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AL 51/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 03.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2006 wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, Kinderzuschlag für Dezember 2005 i. H. v. 168,- EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat 1/20 der Kosten der Klägerin zu erstatten. Die für die Beklagte zulassungsbedürftige Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Kinderzuschlag.

Die am 00.00.1969 geborene Klägerin ist Mutter von 5 Kindern, 4 Kinder (G. H., geb. 00.00.1986, D. I., geb. 00.00.1996, O.-M. I., geb. 00.00.2003 und M. K. I, geb. 00.00.2005) wohnen mit ihr in einem Haushalt. Die Familie wohnt in einem eigenen Haus, zur Finanzierung fallen monatliche Schuldzinsen i. H. v. 379,14 EUR an. Die Klägerin steht in einem Beschäftigungsverhältnis, vom 18.07.2005 bis zum 21.11.2005 bezog sie Mutterschaftsgeld i. H. v. 12,97 EUR/Tag. Seit dem 22.11.2005 ist wieder erwerbstätig und erzielt ein Brutto-Monatsverdienst i. H. v. 380,12 EUR. Von Dezember 2004 bis Dezember 2005 bezog sie Erziehungsgeld für O.-M. i. H. v. 300,- EUR. Für M. K. erhält sie seit Oktober 2005 Erziehungsgeld ebenfalls i. H. v. 300,- EUR monatlich. Für D. wird Unterhalt i. H. v. 257,- EUR monatlich geleistet.

Am 25.07.2005 und 11.08.2005 beantragte die Klägerin Kinderzuschlag. Mit Bescheid vom 03.01.2006 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin erreiche die Mindesteinkommensgrenze des § 6a Abs. 1 Nr. 2 1. Alternative BKGG nicht. Im Widerspruchsverfahren hielt die Klägerin eine Verweisung auf das Arbeitslosengeld II nicht für zulässig und sie legte die durch die Betreuung der Kinder entstehenden Kosten dar. Mit Bescheid vom 15.08.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin habe kein Einkommen, das zum Erreichen der Mindesteinkommensgrenze herangezogen werden könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 15.09.2006 erhobene Klage. Die Klägerin hat auf Aufforderung durch das Gericht weitere Einkommensbelege vorgelegt (Bescheid des Versorgungsamts B. über die Bewilligung von Erziehung für O.-M. und M. K., Einkommensnachweise, Nachweis über das bewilligte Mutterschaftsgeld). Sie meint, aufgrund der hierdurch dokumentierten Einkünfte stehe ihr ein Anspruch auf Kinderzuschlag zu.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 03.01.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Kinderzuschlag ab Juli 2005 bis März 2007 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an der angefochtenen Entscheidung fest und meint insbesondere, das der Klägerin bewilligte Erziehungsgeld sei nicht als Einkommen bei Prüfung der Mindesteinkommensgrenze nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 1. Alternative BKGG heranzuziehen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, soweit die Bewilligung von Kinderzuschlag für Dezember 2005 i. H. v. 168,- EUR abgelehnt wird. Insoweit hat die Klägerin einen Anspruch. Im Übrigen ist die Klage nicht begründet.

Gemäß § 6a Abs. 1 BKGG erhalten Personen nach dem BKGG für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn 1.sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommenssteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben, 2.sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen im Sinne der §§ 11, 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mindestens in Höhe des nach Abs. 4 Satz 1 für sie maßgebenden Betrages und höchstens in Höhe der Summe aus diesem Betrag und dem Gesamtkinderzuschlag nach Abs. 2 verfügen und 3.durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vermieden wird.

Für die Monate Juli bis November 2005 und ab Januar 2005 erreicht die Klägerin die Mindesteinkommensgrenze des § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG nicht. Die Mindesteinkommensgrenze entspricht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 BKGG einem Betrag in Höhe des ohne Berücksichtigung von Kindern jeweils maßgebenden Arbeitslosengeldes II nach § 19 Satz 1 Nr. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch. Dazu sind gemäß § 6a Abs. 4 Satz 2 BKGG die Kosten für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus dem im jeweils letzten Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Kosten für Alleinstehende, Ehepaare und Kinder ergibt. Die Klägerin erreicht die Mindesteinkommensgrenze nach der zutreffenden Berechnung durch die Beklagte nur, wenn sowohl das Erwerbseinkommen als auch das für die Kinder O.-M. und M. K. gezahlte Erziehungsgeld berücksichtigt werden. Dies ist nur im Dezember 2005 der Fall.

Das Erziehungsgeld ist bei der Berechnung des Mindesteinkommens nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG zu berücksichtigen. Allerdings handelt es sich beim Erziehungsgeld nicht um Einkommen, das bei der Prüfung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II bedarfsmindernd berücksichtigt wird. Dies ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Satz 1 BErzGG. Nach dieser Vorschrift bleiben das Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie das Mutterschaftsgeld nach § 7 Abs. 1 Satz 1 und vergleichbare Leistungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2, soweit sie auf das Erziehungsgeld angerechnet werden, als Einkommen bei Sozialleistungen und bei Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, deren Zahlung von anderen Einkommen abhängig ist, unberücksichtigt. Auf diese Vorschrift verweist § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG nicht, d. h. Abzüge vom zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen werden nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes nur aufgrund der §§ 11, 12 SGB II vorgenommen, nicht aber aufgrund anderer Vorschriften. Diese sich aus dem Wortlaut des § 6a BKGG unmittelbar ergebende Interpretation wird auch durch die Entstehungsgeschichte von § 8 BErzGG und Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigt: Die Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 10/4212, Seite 5) lautet: "Da Erziehungsgeld und vergleichbare Leistungen demselben Zweck dienen, dürften sie nicht zur Minderung von Sozialleistungen führen". Erziehungsgeld soll bei der Bewilligung anderweitiger Sozialleistungen zusätzlich gewährt werden und nicht zur Kürzung einkommensabhängiger Sozialleistungen führen (Irmen, in: Hambüchen, Kindergeld, Erziehungsgeld, Elternzeit § 8 BErzGG Rdnr. 4). Allein dies ist Sinn von § 8 BErzGG, eine Interpretation dahingehend, das Erziehungsgeld aufgrund der Vorschrift des § 8 BErzGG nicht als Einkommen zu berücksichtigen, lässt sich mit dem gesetzgeberischen Willen nicht vereinbaren.

Die Kammer verkennt nicht, dass diese Argumentation auch auf anderweitige Vorschriften, die die Bezieher von Arbeitslosengeld II bei Berücksichtigung von Einkommen privilegieren sollen, zutrifft. Beispielsweise ist es schwer nachvollziehbar, dass die Absetzbeträge des § 11 Abs. 2 SGB II dazu führen können, dass der Betroffene die Mindesteinkommensgrenze nicht erreicht und deshalb keinen Kinderzuschlag erhält. Indes ist diese Folge vom Gesetzgeber in § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG ausdrücklich angeordnet, während ein Verweis auf § 8 BErzGG fehlt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Das Gericht hat die für die Beklagte zulassungsbedürftige Berufung zugelassen, weil die Frage, ob das Erziehungsgeld bei der Berechnung der Mindesteinkommensgrenze zu berücksichtigen ist, grundsätzliche Bedeutung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat.
Rechtskraft
Aus
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