L 11 KR 806/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 KR 6594/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 806/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Kostenerstattung eines implantatgestützten Zahnersatzes in Höhe von noch 12.030,53 EUR streitig.

Die 1947 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin beantragte am 14. Juni 2004 die Kostenübernahme für die Versorgung mit Suprakonstruktionen sowie Implantaten zur Abstützung des Zahnersatzes, da sie aufgrund ihres atrophierten Ober- und Unterkiefers nicht konventionell zahnprothetisch versorgt werden könne. Bei ihr liege ein besonders schwerer Fall, nämlich die Entzündung des Kiefers vor. Dies habe sich bereits seit der letzten Zahnregulierung im Jahre 1996 gezeigt. Seitdem seien die verbliebenen Zähne dermaßen entzündet, dass sie unter ständigen Schmerzen leide. Trotz zahlreicher Wurzelbehandlungen und Wurzelspitzenresektionen habe sich der Zustand im Laufe der Jahre verschlimmert. Durch die Vereiterung der Zähne sei es zu verstärkten Kopfschmerzen sowie rheumatischen Gelenkentzündungen gekommen. Auch hätten sich ihre Leukozyten in den vergangenen Jahren erhöht, wodurch das Immunsystem dauerhaft erheblichen Schaden nehme. Bislang sei sie im oberen und im unteren Kieferbereich mit einer Teilprothese versorgt, deren Tragen aber zu einem starken Würgereiz führe. Hierdurch hätten sich auch ihre Magen-Darm-Probleme verstärkt und psychosomatische Störungen eingestellt. Durch ihre berufliche Tätigkeit als Personalratsvorsitzende eines großen Amtes mit 860 Mitarbeitern müsse sie viel Öffentlichkeitsarbeit bewältigen, so dass sich das Tragen der dann erforderlichen Totalprothese auch erheblich beruflich auswirken werde. Sie legte hierzu einen Kostenvoranschlag der Zahnarztpraxis Dr. M., einen Arztbrief des Kieferchirurgen Dr. Dr. L. (rapides Voranschreiten der Oberkieferalveolarkammatrophie) sowie Atteste des behandelnden Hausarztes Dr. B. (auf Zahnwurzelentzündung zurückzuführende Leukocytose) und des Neurologen, Psychiaters und Psychotherapeuten Dr. Z. (zunehmend ängstlich depressiver Rückzug bei zunehmender Fixierung auf eine schlecht sitzende Prothese) vor.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung nach Aktenlage. Dr. D. führte aus, die implantatprothetischen Maßnahmen seien sicherlich medizinisch sinnvoll, es handle sich jedoch um einen privaten Wahleingriff, der über das, was in den vertragszahnärztlichen Richtlinien als in typischen Fällen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich beschrieben werde, hinausgehe. Auch bei fortgeschrittener Atrophie des Kieferkammes läge keine Ausnahmeindikation vor. Die Entstehung eines möglicherweise insuffizienten Prothesenlagers sei maßgeblich aufgrund des parodontal bedingten kompletten Zahnverlustes und der damit zu erwartenden Atrophie des Kieferkammes im Ober- und Unterkiefer zu erwarten gewesen. Die Entzündungen des Kieferknochens wären durch parodontalpathogene Keime bedingt und würden sich nach Entfernung der Zähne von selbst zurückbilden. Somit sei lediglich eine Zuzahlung für die Totalprothesen möglich. Sämtliche chirurgischen Vorleistungen sowie Implantate, Implantataufbauten und implantatgetragene Verbindungselemente gehörten nicht zur Suprakonstruktion und seien privat abzurechnen.

Gestützt hierauf wies die Beklagte mit Bescheid vom 7. Juli 2004 den Antrag auf Kostenübername mit der Begründung ab, die nach den Richtlinien bestimmten Voraussetzungen für eine Beteiligung der Krankenkasse lägen bei der Klägerin nicht vor.

Zur Begründung ihres dagegen eingelegten Widerspruchs verwies die Klägerin darauf, dass der Gutachter das ärztliche Attest von Dr. Z. nicht berücksichtigt habe. Dem folgend könnte es nicht wirtschaftlicher sein, wenn ein Mitglied krank werde und infolge gesundheitlicher Beeinträchtigungen seiner beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen könne bzw. sozialem Kontakt generell aus dem Weg zu gehen versuche. Sie legte hierzu ein weiteres Attest der Zahnarztpraxis Dr. M. vor, wonach bei ihr eine ausgeprägte Kieferfehlstellung infolge des Zahnverlustes und eine progressive Myoarthropathie vorliege, weswegen eine festsitzende Prothetik unbedingt indiziert bzw. ein herausnehmbarer Zahnersatz nicht geeignet sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, ein Anspruch auf die Versorgung mit 8 Implantaten im Oberkiefer, 6 Implantaten im Unterkiefer in Verbindung mit funktionsanalytischen/-therapeutischen Maßnahmen und in beiden Kiefern mit auf Implantaten abgestützten Brücken von 17 nach 27 und 37 nach 47 bestehe nicht. Implantologische Leistungen seien generell von dem Anspruch des Versicherten auf zahnärztliche Behandlung ausgenommen. Die Ausnahmen hiervon seien in anschließend geregelten Richtlinien geregelt. Diese wären für die Versicherten, die Krankenkassen und die an der ambulanten zahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer verbindlich. Das Beschwerdebild "fortgeschrittene Atrophie des Kieferkammes" falle nicht unter die geregelten enumerativen Ausnahmetatbestände. Dies habe auch der eingeschaltete Gutachter bestätigt. Es bestehe daher keine Möglichkeit, sich an den Kosten der Einbringung der Implantate zu beteiligen. Hinsichtlich des implantatgestützten Zahnersatzes bestehe hingegen bei atrophiertem zahnlosen Kiefer nach der geltenden Rechtslage ein Anspruch auf Zuschuss zur Versorgung mit den Suprakonstruktionen, so dass insoweit eine Beteiligung an den vertraglichen Kosten einer Ober- und Unterkiefervollprothese erfolgen werde. Sämtliche Vorleistungen gehörten nicht dazu.

Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, bei ihr sei nur die Implantatversorgung medizinisch sinnvoll gewesen. Ein konventioneller Zahnersatz habe aufgrund der fortgeschrittenen Kieferatrophie nicht mehr angepasst werden können. Auch führe eine Prothese zu Würgereiz, Erbrechen und Geschmacksbeeinträchtigungen. Die streitgegenständliche Versorgung sei zwischenzeitlich durchgeführt worden. Die Klägerin legte hierzu die Rechnungen von Dr. M. vom 21. Dezember 2004 (Rechnungsbetrag: 14.011,98 EUR) und vom 15. März 2005 (Rechnungsbetrag: 12.991,83 EUR) vor.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen.

Der Zahnarzt Dr. M., der die streitige Behandlung in der Zeit von April 2004 bis März 2005 durchgeführt hatte, beschrieb eine ausgeprägte Myoarthropathie durch Verlust der Gefäßstützzonen und Prothesenunverträglichkeit bei multiplen Kieferdefekten durch Zahnentzündungen. Eine Behandlungsalternative habe aus seiner Sicht insbesondere mit abnehmbaren Prothesen nicht bestanden.

Die Beklagte legte hierzu ein weiteres Gutachten von Dr. Dr. U. vor, wonach in Auswertung der von Dr. M. vorgelegten Unterlagen eine Ausnahmeindikation für eine Implantatbehandlung bei besonders schweren Fällen weiterhin nicht vorliege. Eine konventionell-prothetische Versorgung ohne Implantate sei grundsätzlich möglich gewesen; ein vernünftiger Behandlungsversuch wäre jedoch von vornherein nicht vorgenommen worden. Der Knochenschwund sei ausschließlich auf die entzündliche Parodontalerkrankung zurückzuführen und es handle sich nicht um äußere Kieferdefekte, welche eine Aufnahmeindikation begründen würden. Die Situation habe sich durch das mehr als 5-jährige Zuwarten der Klägerin verschlechtert. Es hätte bereits 1999 eine zügige Gebisssanierung durch längst fällige Entfernung der erkrankten Zähne sowie eine suffiziente prothetische Neuversorgung nach Abheilung der Extraktionswunden vorgenommen werden müssen.

Der Kieferchirurg Dr. Dr. F., der die Klägerin zuletzt 2002 wegen der geplanten Implantation im Oberkiefer vor Neuanfertigung einer prothetischen Versorgung beraten hatte, führte aus, dass bei der Klägerin damals im Oberkiefer noch diverse Zähne vorhanden gewesen wären. Diese hätten aus seiner Sicht entfernt werden müssen. Naturgemäß sei anschließend eine konventionelle prothetische Versorgung auch ohne Zahnimplantate möglich. Die Klägerin habe aber eine gaumenfreie prothetische Versorgung gewünscht. Die hierfür erforderlichen Ausnahmeindikationen hätten zum Zeitpunkt seiner Untersuchung nicht vorgelegen.

Der Zahnarzt Dr. M., der mit der Klägerin seit 1998 vier Behandlungs- bzw. Beratungstermine wegen Implantaten durchgeführt hatte, teilte mit, er habe zuletzt 2003 eine mögliche Lösung mit 4 Implantaten und Steg im Oberkiefer geplant. Die hierfür entstehenden Kosten lägen bei ca. 8.000,- EUR. Die Patientin sei darauf hingewiesen worden, dass aufgrund ihres starken Nikotinkonsums eine sehr hohe Verlustquote für die Implantate bestehe.

Der Kieferchirurg Dr. Dr. L., der die Klägerin lediglich 1999 untersucht hatte, berichtete über den starken Knochenabbau, wobei die Zähne im Oberkiefer nicht mehr erhaltungsfähig gewesen wären.

Der Zahnarzt Dr. H., der die Klägerin 1997 wegen insuffizientem Halt durch fehlende Klammern (Patientenwunsch) behandelt hatte, teilte mit, die Klägerin habe ihn 2005 aufgesucht, um eine Bestätigung für die Krankenkasse zu erhalten. Sie habe angegeben, aufgrund des Würgereizes keine konventionelle Teilprothese tragen zu können. Eine über Schmerzbeseitigung hinausgehende Behandlung sei aber in der Praxis nicht erfolgt, da aufgrund der psychischen Situation der Klägerin ein Behandlungserfolg unwahrscheinlich gewesen wäre.

Der Kieferchirurg Dr. Dr. E., der die Klägerin während des gesamten Jahres 1996 behandelt hatte, gab an, seinen Unterlagen zufolge habe er von einer implantologischen Versorgung des Oberkiefers aufgrund des geringen Knochenangebotes abgeraten. Eine teleskopierende, auf den Restzahnbestand abgestützte konventionelle prothetische Versorgung sei durchführbar gewesen. Die Ausnahmeindikation für eine implantologische Versorgung hätte ebenfalls nicht vorgelegen.

Auch der Zahnarzt Dr. R., der die Klägerin von 1999 bis 2003 behandelt hatte, erachtete bei der Diagnose einer Parodontitis marginalis profunda mit massiver Oberkieferalveolarkammatrophie eine konventionell-prothetische Versorgung (Totalprothese) der Klägerin für grundsätzlich möglich.

Die Zahnärztin Dr. T., die die Klägerin wegen der generalisierten Parodontose mit vertikalem und horizontalem Knochenabbau 2003 behandelt hatte, gab an, sie habe der Klägerin die Aussicht auf eine Implantatversorgung mit der Begründung der schlechten Mundhygiene und insbesondere wegen des jahrelangen massiven Nikotinabusus verweigert. Diese zwei Kriterien verschlechterten die Prognose einer Langzeitversorgung mit festem Zahnersatz. Die Klägerin habe sich seitdem in der Praxis nicht mehr vorgestellt.

Der Zahnarzt Dr. A., der die Klägerin ebenfalls im Mai 2004 behandelt hatte, gab an, er habe der Klägerin die Versorgung mit einem konventionellen Zahnersatz empfohlen und einen solchen auch beantragt. Hierzu wurde der angefertigte Heil- und Kostenplan vom 24.05.2004 beigefügt.

Der die Klägerin von 1998 bis 1999 behandelnde Zahnarzt Dr. M. gab an, eine konventionelle prothetische Versorgung sei mit Einschränkung möglich gewesen. Die Implantation gewähre jedoch einen sichereren Halt der prothetischen Rekonstruktion. Eine Ausnahmeindikation habe aber nicht vorgelegen.

Mit Urteil vom 20. Dezember 2006, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 12. Januar 2007, wies das SG die Klage mit der Begründung zurück, implantologische Leistungen gehörten grundsätzlich nicht zur zahnärztlichen Behandlung, es sei denn, es lägen seltene, vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor. Der Ausschluss gründe auf der Erwägung, dass implantologische Leistungen nicht notwendig seien, weil alternative wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeiten bestünden. Bei der Klägerin lägen keine dieser Ausnahmeindikationen vor. Das Gericht folge der Einschätzung von Dr. D ... Die Nichtberücksichtigung einer Atrophie des Kieferkammes stehe auch im Einklang mit der Ermächtigung, denn die Implantatversorgung solle nur auf seltene Ausnahmeindikationen beschränkt bleiben und nicht in jedem Fall, in denen Implantate medizinisch geboten seien, anzunehmen sein. Größerer Zahnverlust sei häufig in der Praxis anzufinden. Auch im Hinblick auf den implantatgestützten Zahnersatz sei ein Kostenerstattungsanspruch nicht begründet. Denn die Klägerin habe ihre Behandlung noch vor dem 31. Dezember 2004 durchführen lassen. Die Klägerin habe aber Anspruch auf die Suprakonstruktion im Rahmen der Zuschussregelung. Hiervon seien sämtliche Vorleistungen sowie Implantate, Implantataufbauten und implantatgetragene Verbindungselemente nicht umfasst. Die hiernach zu gewährende Versorgung sei der Klägerin zugebilligt worden.

Mit ihrer dagegen am 9. Februar 2007 beim SG eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, das SG habe die vorgelegten Atteste von Dr. Z. und Dr. B. nicht ausreichend berücksichtigt. Diese begründeten bei ihr insoweit eine außergewöhnliche Situation, als sie aufgrund der konventionellen prothetischen Versorgung mit Zahnersatz an erheblichen psychischen und physischen Erkrankungen gelitten habe. Vor ihrer Entscheidung, eine Implantatbehandlung vornehmen zu lassen, habe sie somit alle Möglichkeiten einer konventionellen prothetischen Versorgung, die aber alle insgesamt als gescheitert betrachtet werden müssten, ausgeschöpft. Sie wolle ihr Erstattungsbegehren dahingehend einschränken, dass nur noch das Setzen von künstlichen Zahnwurzeln viermal je Kiefer sowie die erneuerungsbedürftige Suprakonstruktion zu bezahlen sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2006 sowie den Bescheid vom 7. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die von ihr verauslagten Kosten der implantologischen Versorgung in Höhe von 12.030,53 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass nach den Richtlinien eine Kieferkammatrophie nicht zu den Ausnahmeindikationen zähle. Der Gesetzestext weise unmissverständlich auf den Ausnahmecharakter der Leistungspflicht für Implantate hin, so dass kein Spielraum für eine Auslegung bleibe. In Bezug auf die Indikation "Atrophie" habe sie nach § 30 Abs. 1 Satz 5 (a.F.) Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in Verbindung mit den nach § 92 Abs. 1 SGB V am 24.03.2001 in Kraft getretenen Richtlinien den geltend gemachten Anspruch der Klägerin nur in Höhe des Zuschusses einer vertraglichen Totalprothese bewilligen können. Auch die Gutachten hätten zweifelsfrei die Auffassung gestützt, dass im Behandlungsfall der Klägerin keine der Kriterien für eine Ausnahmeindikation erfüllt seien und darüber hinaus vertraglicher Zahnersatz möglich gewesen wäre. Die bei der Klägerin dargestellten psychischen Probleme müssten mit dem Mittel der Psychiatrie und Psychotherapie behandelt werden und könnten nicht als Grundlage für die Notwendigkeit bestimmter Leistungen und Maßnahmen herangezogen werden.

Die Beteiligten wurden darauf hingewiesen, dass der Senat erwägt, nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, ist statthaft, da die erforderliche Berufungssumme von 500,- EUR überschritten wird (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG), und damit insgesamt zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der angefochtene Bescheid vom 7. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. September 2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Erstattung der über die von der Beklagten erfolgten Beteiligung in Form des Zuschusses hinausgehenden Kosten durch die Versorgung mit implantatgestütztem Zahnersatz.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V sowie den Anspruch auf zahnärztliche Behandlung nach §§ 28, 30 (a.F.) SGB V, in der zum Entscheidungszeitpunkt der Krankenkasse - als Zäsur für die Kostenübernahme - maßgebenden Fassung (BSG SozR 3-2500 § 28 Nr. 6), sind im angefochtenen Urteil des SG zutreffend dargestellt. Hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Nach Auffassung des Senats ist die Berufung bereits aus den vom SG ausführlich dargestellten Gründen als unbegründet zurückzuweisen. Insoweit nimmt der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des SG, denen er sich voll inhaltlich anschließt, Bezug und verzichtet auf deren erneute Darstellung.

Das Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren rechtfertigt keine andere Entscheidung. Der Senat verkennt nicht die schwierige Situation der Klägerin. In der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Anspruch auf implantologische Leistungen durch § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V regelmäßig ausgeschlossen. Auch die Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungs-Richtlinien) in der ab 01.01.2004 gültigen Fassung enthalten keine zugunsten der Klägerin eingreifenden Ausnahmen für die Gewährung implantologischer Leistungen. Die Kieferatrophie gehört nicht zu den vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegten besonders schweren Fällen, in denen seit 1.7.1997 ausnahmsweise eine Leistungspflicht besteht.

Eine Ausnahmesituation im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V liegt nach den Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nur bei den in Kapitel B VII Abs. 2 und 3 der Behandlungs-Richtlinien aufgeführten Sachverhalten vor. Dazu gehören - was teilweise noch näher umschrieben ist - nur folgende Krankheiten: a) Größere Kiefer- oder Gesichtsdefekte, die ihre Ursache haben in: Tumoroperationen, Entzündungen des Kiefers, Operationen infolge von großen Zysten, Operationen infolge von Osteopathien, angeborenen Fehlbildungen des Kiefers oder Unfällen, b) dauerhaft bestehende extreme Xerostomie, insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung, c) generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen, d) nicht willentlich beeinflussbare muskuläre Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (z.B. Spastiken). Darüber hinaus darf eine konventionelle protethische Versorgung ohne Implantate nicht möglich sein (VII Abs. 2 Satz 2 der Richtlinien). In den Fällen der Buchstaben a) bis c) gilt dies nur dann, wenn das rekonstruierte Prothesenlager durch einen schleimhautgelagerten Zahnersatz nicht belastbar ist.

Diese besonderen Voraussetzungen sind jedoch bei der Klägerin nicht erfüllt, was sämtliche behandelnden Zahnärzte/Kieferchirurgen mit Ausnahme von Dr. M. wie auch die Gutachter Dr. D. und Dr. Dr. U. bestätigt haben.

Eine Kieferatrophie, auch fortgeschrittenen Grades, wie sie bei der Klägerin vorliegt, ist in den Richtlinien nicht als Grund für implantologische Leistungen anerkannt. Diese Leistungsbeschränkung verstößt auch nicht gegen höherrangiges Recht (vgl. BSG SozR 3-2500 § 28 Nr. 5). Das gilt im Falle der Klägerin um so mehr, als nur der die Behandlung durchführende Dr. M. eine konventionelle Versorgung nicht für möglich erachtete, während überwiegend von dem implantatgestützten Zahnersatz aufgrund der mangelnden Mundhygiene und dem Nikotinabusus abgeraten wurde, zwei Faktoren, die die Dauerhaftigkeit der implantologischen Leistung nachhaltig beeinflussen können.

Selbst wenn die Implantatversorgung bei der Klägerin medizinisch geboten wäre, weil eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht erfolgen kann, woran in Auswertung der vom SG eingeholten sachverständigen Zeugenaussagen erhebliche Zweifel bestehen, so ergibt sich nichts anderes. Denn selbst dann kann der Krankheitszustand der Klägerin nicht unter die Ausnahmeindikationen in den Richtlinien subsumiert werden. Eine Gleichstellung ist insoweit nicht möglich, denn die Ausnahmeindikationen sind von ihrer Systematik her eng auszulegen. Eine darüber hinausgehende Sichtweise wäre auch mit dem differenzierenden und einer erweiterten Auslegung bzw. Analogie nicht zugänglichen Wortlaut der Ausnahmeindikationen in den Behandlungs-Richtlinien nicht vereinbar. Abgesehen davon, dass ein untergesetzlicher Normgeber im Rahmen der Ermächtigung einen weiten Gestaltungsspielraum besitzt, der nur ausnahmsweise eingeschränkt ist (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 92 Nr. 7), hat der Gesetzgeber selbst die Leistungspflicht in mehrfacher Hinsicht beschränkt, nämlich auf seltene Ausnahmeindikationen, besonders schwere Fälle und die Notwendigkeit der Einbringung in eine medizinische Gesamtbehandlung. Daraus folgt nach der Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, dass implantologische Leistungen nicht schon bei jeder zahnmedizinischen Notwendigkeit der in Rede stehenden Behandlungsmaßnahmen zu Lasten einer Krankenkasse gewährt werden sollen, sondern dass sie eine darüber hinausgehende Ausnahmesituation voraussetzen, an die ihrerseits wiederum qualifizierte Anforderungen zu stellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 13.07.2004 - B 1 KR 37/02 R, SGb 2004, 547). Auch wenn die Klägerin aufgrund der Oberkieferatrophie nur mit implantatgestütztem Zahnersatz versorgt werden kann, so gilt für sie dennoch der Leistungsausschluss. Hierauf hat das BSG bereits in seinen Urteilen vom 19.06.2001 - B 1 KR 5/00 R - und erneut in seinen Urteilen vom 03.09.2003 - B 1 KR 9/02 R - und vom 13.07.2004 - B 1 KR 37/02 R - hingewiesen. In der Entscheidung vom 19.06.2001 hat das BSG gerade die Nichtberücksichtigung der Atrophiefälle als gesetzlich gewollt angesehen (vgl. auch Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 02.10.2003 - L 5 KR 36/03 - und des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24.02.2005 - L 4 KR 176/03 -).

Der Leistungsanspruch wird schließlich auch nicht dadurch begründet, dass die Klägerin physische und psychische Probleme, gestützt auf die Atteste von Dr. Z. und Dr. B., geltend macht. Psychische Störungen sind mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln (BSG SozR 3-2200 § 182 Nr. 14). Was die Entzündungsherde anbelangt, hat der Gutachter Dr. D. zu Recht darauf hingewiesen, dass sich diese nach Entfernung der Zähne von selbst zurückbilden werden.

Die Nichteinbeziehung der bei der Klägerin bestehenden Oberkieferatrophie in die Ausnahmeregelungen des § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. dazu und insbesondere zum Gebot des allgemeinen Gleichheitssatzes - Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - Urteile des BSG vom 19.06.2001 - B 1 KR 5/00 R - und vom 13.07.2004 - B 1 KR 37/02 R -). Welche Behandlungsmaßnahmen in den Leistungskatalogen der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen und welche davon ausgenommen und damit der Eigenverantwortung des Versicherten (vgl. § 2 Abs.1 Satz 1 SGB V) zugeordnet werden, unterliegt aus verfassungsrechtlicher Sicht einem weiten gesetzgeberischen Ermessen, denn ein Gebot zu Sozialversicherungsleistungen in einem bestimmten sachlichen Umfang lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen. Die Klägerin wird auch im Vergleich zu den Versicherten mit einem Anspruch nach § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V nicht willkürlich ungleich behandelt. Auch wenn für beide Versichertengruppen die Versorgung mit konventionellem Zahnersatz nicht möglich ist, so dient doch die Implantatversorgung jeweils verschiedenen Zwecken, weil das Behandlungsziel bei den vom Gesetz als besonders schwer eingestuften, in Abschnitt B VII Abs. 2 Behandlungs-Richtlinien näher konkretisierten Fällen über eine reine Versorgung mit Zahnersatz hinausreicht und die Einbindung in eine "Gesamtbehandlung" erfordert. Dieser Gesichtspunkt stellt ein sachliches Merkmal für die Unterscheidung von Versicherten mit einem besonderen Behandlungsbedarf dar und durfte vom Gesetzgeber herangezogen werden, um Ausnahmeindikationen zur Abmilderung von Leistungsausschlüssen zu definieren (vgl. BSG in SozR 3 - 2500 § 28 Nr. 5 Seite 30).

Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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