S 47 AS 277/07 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
47
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 47 AS 277/07 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 137/07 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. § 86b Abs. 1 S. 4 SGG, der eine Abänderung oder Aufhebung einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz in Anfechtungssachen ermöglicht, ist in Vornahmesachen entsprechend anzuwenden ist.

2. Die Aufhebung einer einstweiligen Anordnung, die (nur) wegen deren fehlender Umsetzung durch die Behörde noch Wirkung (für die Vergangenheit) haben kann, kann im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung nach Auffassung der Kammer regelmäßig nur erfolgen, wenn der materielle Wegfall der Leistungsverpflichtung zumindest weitgehend eindeutig feststeht.
1. Der Antrag, die einstweilige Anordnung der Kammer vom 27.01.2007 im Verfahren S 47 AS 1210/06 ER aufzuheben, wird abgelehnt.

2. Der Antrag, die Vollziehung des Beschlusses der Kammer vom 27.01.2007 einstweilen einzustellen, wird ebenfalls abgelehnt.

3. Der Antragsteller hat dem Antragsgegner (auch) die Kosten für das Aufhebungsverfahren zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt primär die Aufhebung der im Verfahren S 47 AS 1210/06 ER zugunsten des hiesigen Antragsgegners erlassenen einstweiligen Anordnung.

Der hiesige Antragsteller hatte am 28.09.2006 einen Leistungsbescheid an den hiesigen Antragsgegner und Fr. B. erteilt und diesen für die Zeit vom 11.08.2006 bis 31.01.2007 Leistungen bewilligt, wobei für den Monat 08/06 ein Betrag von 816,48 Euro ausgewiesen war. Bereits die Zahlung für September 2006 hatte der hiesige Antragsteller mit Rücksicht auf Einkommen von Fr. B. nicht mehr erbracht.

Die Beteiligten stritten im Ausgangsverfahren in umgekehrten Beteiligtenrollen um laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II), wobei der hiesige Antragsteller (dortige Antragsgegner) davon ausging, der hiesige Antragsgegner lebe in Bedarfsgemeinschaft mit der im Ausgangsverfahren als Zeugin vernommenen Fr. N. B., während der Antragsgegner dies abstritt (und weiter abstreitet).

Die Kammer erließ nach Durchführung eines Erörterungstermins, in dem Fr. B. als Zeugin vernommen und der Antragsgegner ausführlich persönlich gehört wurde, am 27.01.2007 eine einstweilige Anordnung, durch die der Antragsteller verpflichtet wurde, an den Antragsgegner im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes 583,22 Euro monatlich für die Zeit ab 12.12.2006 bis 31.01.2007 zu gewähren. In der Begründung stellte die Kammer darauf ab, dass der Antragsteller aller Wahrscheinlichkeit nach durch den bis dahin nicht aufgehobenen Bescheid vom 28.09.2006 bis 31.01.2007 verpflichtet sei, den genannten Betrag an den Antragsgegner zu zahlen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss der Kammer vom 27.01.2007 Bezug genommen.

Der Antragsteller erließ dann unter dem 21.02.2007 einen Änderungs- und Rücknahmebescheid, mit dem er den Leistungsbescheid vom 28.09.2006 zurücknahm und unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse von Fr. B. einen neuen Leistungsbescheid für den Zeitraum vom 11.08.2006 bis 31.01.2007 mit einem Leistungsbetrag von 10,44 Euro für die nach Auffassung des Antragstellers aus dem Antragsgegner und Fr. B. bestehende Bedarfsgemeinschaft erteilte.

Er hat dann mit Schriftsatz vom 26.02.2007, eingegangen bei Gericht am 01.03.2007, um Änderung der einstweiligen Anordnung vom 27.01.2007 nachgesucht. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, durch den Erlass des Aufhebungsbescheides vom 21.02.2007 hätten sich die der einstweiligen Anordnung zugrunde liegenden Umstände verändert. Die Rücknahme des ursprünglichen Leistungsbescheides vom 28.09.2006 gemäß § 45 SGB X sei auch zu Recht erfolgt, da dieser rechtswidrig gewesen sei, weil bei der Bedarfsberechnung das Einkommen von Fr. B. nicht berücksichtigt worden sei. Auf Vertrauensschutz könne sich der Antragsteller nicht berufen, da die festgesetzten Leistungen noch nicht an ihn zur Auszahlung gekommen seien und somit auch von ihm noch nicht hätten verbraucht werden können.

Er hat beantragt,
1. den Beschluss vom 27.01.2007 aufzuheben, 2. die Vollziehung der in dem Beschluss vom 27.01.2007 unter Ziffer 1) ausgesprochenen Verpflichtung des hiesigen Antragstellers, an den hiesigen Antragsgegner 583,22 Euro monatlich für die Zeit ab dem 12.12.2006 bis 31.01.2007 zu gewähren, bis zur Entscheidung im Aufhebungsverfahren einstweilen einzustellen.

Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

Er stellt weiterhin das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft in Abrede.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten zum hiesigen und zum Verfahren S 47 AS 1210/06 ER Bezug genommen. Die Leistungsakten des Antragstellers – einschließlich des Bescheides vom 21.02.2007 – sind trotz am 05.03.2007 per Fax übermittelter Anforderung vom 02.03.2007 bis zum heutigen Tage bei Gericht nicht eingegangen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.

1. Der Antrag ist statthaft. Auch nach Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, jedenfalls beim Vorliegen veränderter Umstände, deren Änderung oder Aufhebung möglich.

Die Kammer ist der Auffassung, dass § 86b Abs. 1 S. 4 SGG, der eine Abänderung oder Aufhebung in Anfechtungssachen ermöglicht, in Vornahmesachen entsprechend anzuwenden ist (vgl. hierzu und zum Folgenden Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, Rn. 335, vorsichtig in diese Richtung – wenn auch im Hinblick auf die Abänderung ablehnender Entscheidungen – auch LSG Berlin, Beschl. v. 26.10.2004, Az.: L 15 B 88/04 KR ER und Beschl. v. 10.07.2002, Az.: L 15 B 39/02 KR ER; im Ergebnis grundsätzlich übereinstimmend, allerdings unter entsprechender Anwendung von § 927 ZPO, auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. z. SGG, 8. Aufl., § 86b, Rn. 45 wegen der andernfalls sinnlosen Inbezugnahme von § 939 ZPO in § 86b Abs. 2 S. 4 SGG). Maßgebliche Überlegung ist die wegen des Eilcharakters eingeschränkte Rechtskraftwirkung von Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz, die eine Abänderungsmöglichkeit erzwingt oder doch jedenfalls sehr nahelegt. Dieser – verallgemeinerbare – Rechtsgedanke findet sich in § 927 ZPO, § 80 Abs. 7 VwGO und für die Sozialgerichtsbarkeit hat der Gesetzgeber für die Anfechtungssachen eine ausdrückliche Regelung geschaffen, die für die Vornahmesache – wegen der Stellung der Abänderungs- und Aufhebungsmöglichkeit in § 86b Abs. 1 SGG – fehlt. Diese Lücke ist über die entsprechende Anwendung von § 86b Abs. 1 S. 4 SGG auch im Rahmen von § 86b Abs. 2 SGG zu schließen. Die entsprechende Heranziehung von § 927 ZPO überzeugt dagegen weniger, nachdem der Gesetzgeber trotz der in der VwGO (Verwaltungsgerichtsordnung) entsprechenden, dort seit langem bekannten und diskutierten Problematik auch bei der Einführung von § 86b SGG § 927 ZPO in dessen Abs. 2 S. 4 wiederum nicht in Bezug genommen hat. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Aufhebungs- und Abänderungsmöglichkeit – bei übereinstimmender Gesetzeslage, nämlich einer Regelung nur für die Anfechtungssachen in § 80 Abs. 7 VwGO, nicht aber für die Vornahmesache in § 123 VwGO – in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und dem zugehörigen Schrifttum im Ergebnis weitgehend anerkannt, nur die dogmatische Herleitung über § 80 Abs. 7 VwGO, § 927 ZPO oder einen allgemeinen Rechtsgedanken streitig ist (vgl. für viele Puttler, in: Sodan/Ziekow, NK-VwGO, § 123, Rn. 127f. m.w.Nw.).

Der Aufhebungsantrag ist damit statthaft.

2. Die Kammer hat bereits erhebliche Bedenken, ob noch ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Aufhebung der einstweiligen Anordnung besteht, nachdem der sich aus dieser ergebende Verpflichtungszeitrum bis 31.01.2007 schon bei Eingang des Abänderungsantrags, umso mehr bei dem für das Rechtsschutzinteresse maßgeblichen Zeitpunkt der hiesigen Entscheidung verstrichen war. Der 7. Senat des Hessischen Landessozialgerichtes lehnt in vergleichbarer Konstellation, wenn also der sich aus der Entscheidung erster Instanz ergebende Anordnungszeitraum abgelaufen ist, das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung eines Beschwerdeverfahrens regelmäßig ab. Entsprechende Überlegungen müssen auch für das Abänderungsverfahren angestellt werden; im Ergebnis besteht ein Rechtsschutzinteresse für einen Abänderungsantrag daher nur, soweit und solange der Antragsteller durch die einstweilige Anordnung (oder ihre Ablehnung) beschwert ist (vgl. so auch Puttler, in: Sodan/Ziekow, NK-VwGO, § 123, Rn. 130). Das Verstreichen des Anordnungszeitraums seit nunmehr etwa 1½ Monaten spricht daher zunächst für ein fehlendes Rechtsschutzinteresse. Andererseits hat der Antragsteller seine Verpflichtungen aus der einstweiligen Anordnung ersichtlich noch nicht erfüllt, so dass eine Aufhebung der einstweiligen Anordnung und der damit verbundene Wegfall der sich aus ihr ergebenden Verpflichtung durchaus noch eine ihm günstige Rechtswirkung hätte. Ob allerdings die – objektiv rechtswidrige – Zurückhaltung der auf Grund des Beschlusses zu erbringenden Zahlungen während eines Zeitraums von immerhin einem Monat zwischen dem Eingang des Kammerbeschlusses beim Antragsteller (ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 01.02.2007) und dem Eingang des Aufhebungsantrags nicht eine Berufung auf diesen Gesichtspunkt unzulässig macht, erscheint immerhin erwägenswert.

3. Letztlich kann dies aber offen bleiben. Der Aufhebungsantrag ist nämlich jedenfalls nicht begründet.

Für die Entscheidung im Abänderungs- bzw. Aufhebungsverfahren gelten die gleichen Grundsätze wie für die Entscheidung über den Erlass einer einstweiligen Anordnung (vgl. wiederum Puttler, in: Sodan/Ziekow, NK-VwGO, § 123, Rn. 130). Der Abänderungs- bzw. Aufhebungsantrag ist daher begründet, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung über die Abänderung eine Änderung der Sach- und/oder Rechtslage eingetreten ist und deshalb die Beurteilung von Anordnungsanspruch oder Anordnungsgrund oder die – auf Grund von deren Wechselwirkung und bei nicht vollständig möglicher Aufklärung des Sachverhalts im Eilverfahren – gebotene Interessenabwägung anders ausfällt als im Rahmen der ursprünglichen Entscheidung (vgl. Krodel, a.a.O., Rn. 185 zu § 86b Abs. 1 S. 4). Dabei ist im konkreten Fall zu berücksichtigen, dass zwischenzeitlich ein Aufhebungsbescheid in der Welt ist, der nach § 39 Nr. 1 SGB II sofort vollziehbar sein dürfte, da die entsprechenden Leistungen noch nicht erbracht sind, es sich also nicht um eine Erstattungssituation handelt. Damit fließen auch die im Rahmen der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu beachtenden Maßstäbe in die hier zu treffende Entscheidung ein, wobei sowohl im Rahmen von § 86b Abs. 1 wie von 86b Abs. 2 SGG eine Interessenabwägung jedenfalls dann geboten ist, wenn die Entscheidung in einem hypothetischen Hauptsacheverfahren sich nicht eindeutig voraussagen lässt.

Im Ergebnis ist danach nicht ersichtlich, dass eine Aufhebung der einstweiligen Anordnung gerechtfertigt wäre. Zwar hat die Kammer, wie bereits im ursprünglichen Beschluss ausgeführt, nach der Beweisaufnahme nicht unerhebliche Zweifel, ob nicht (doch) von einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen dem Antragsteller und der Zeugin auszugehen ist, so dass in der Tat erhebliche Fragezeichen hinsichtlich einer Bewilligung von Leistungen über den 31.01.2007 ohne Berücksichtigung des Einkommens (und Vermögens) der Zeugin zu setzen sind.

Für den hier streitigen Zeitraum ist jedoch weiterhin zu berücksichtigen, dass nach Auffassung der Kammer von einer Leistungsbewilligung zu Gunsten des Antragstellers über einen Betrag von 583,22 Euro monatlich auszugehen ist. Insoweit wird auf die Ausführungen im ursprünglichen Beschluss auf Seite 6f. Bezug genommen.

Der Antragsteller hat zwar nunmehr einen Aufhebungsbescheid bezüglich des zugrunde liegenden Leistungsbescheides erlassen. Anders als für die Ablehnung einer weiteren Leistungsbewilligung ist dieser jedoch nicht schon dann rechtmäßig, wenn eine eheähnliche Gemeinschaft und ein für beide ausreichendes Einkommen vorliegen oder auch nur aus diesem Grunde Zweifel an der Hilfebedürftigkeit verbleiben. In der Rücknahmesituation liegt zum einen die materielle Beweislast für die Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheides bei der Verwaltung; zum anderen müssen die Rücknahmevoraussetzungen des § 45 SGB X (ggf. i.V.m. §§ 330 Abs. 2 SGB III und 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) oder § 48 SGB X (ggf. i.V.m. §§ 330 Abs. 3 SGB III und 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) vorliegen.

Dabei ist nach Auffassung der Kammer eher unwahrscheinlich, dass sich der Antragsteller darauf berufen kann, die eine Rücknahme erleichternden Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X hätten vorgelegen; allerdings wird die Einschlägigkeit von § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X (§ 330 Abs. 3 SGB III und 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II) zu prüfen sein. Das Vorliegen von Bösgläubigkeit hat der Antragsteller im Übrigen in seinem Antragsschriftsatz im hiesigen Verfahren auch gar nicht geltend gemacht; der Bescheid selbst liegt der Kammer noch nicht vor. Allein die wegen der bisher zurückgehaltenen Leistungen fehlende Möglichkeit, diese zu verbrauchen, auf die sich der Antragsteller beruft, führt aber zunächst keineswegs zwingend dazu, dass sich der durch den Bescheid begünstigte Antragsgegner nicht auf Vertrauen berufen könnte. Vor allem aber wäre selbst dann, wenn tatsächlich ein die Rücknahme von vornherein ausschließendes Vertrauen nicht vorläge – wofür immerhin einiges spricht –, noch Ermessen auszuüben. Dessen auch nur summarische Prüfung ist der Kammer derzeit, da der Aufhebungsbescheid nicht vorliegt, nicht möglich.

Im Ergebnis ist nach Auffassung der Kammer – schon wegen der materiellen Beweislast, die hinsichtlich der Rechtswidrigkeit, aber auch hinsichtlich der übrigen Rücknahmevoraussetzungen bei dem Antragsteller liegt – von offenen Aussichten eines über den Rücknahmebescheid geführten Hauptsacheverfahrens auszugehen. Dabei hält es die Kammer nicht für tunlich, nachdem nunmehr bereits deutlich über ein Monat vergangen ist, seitdem die dem Antragsgegner günstige Entscheidung ergangen ist, den Antragsteller an die Aktenvorlage zu erinnern oder zur Vorlage des Bescheides aufzufordern, den er in seinem Antragsschriftsatz zwar in Bezug genommen, aber nicht mit vorgelegt hat.

Wegen der offenen Erfolgsaussichten einer Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 21.02.2007 liegt im Umkehrschluss eine fortdauernde Verpflichtung des Antragstellers aus seinem Leistungsbescheid vom 28.09.2006 jedenfalls nicht fern.

Unter diesen Umständen muss die Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausgehen: Zunächst steht hier die Erbringung von Leistungen zur Existenzsicherung in (nahezu) voller Höhe in Frage, so dass die grundrechtlich geschützten Interessen des Antragsgegners in ganz erheblichem Maße betroffen sind.

Hinzu kommt, dass der Antragsteller die hier streitigen Leistungen längst, und zwar auch bereits deutlich vor Erlass des Rücknahmebescheides, hätte erbringen müssen: Wegen der aus § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II sich ergebenden Fälligkeitsregelung, wonach Leistungen monatlich im Voraus erbracht werden sollen, hätten die von der einstweiligen Anordnung (teilweise) erfassten Leistungen für Dezember 2006 dem Antragsgegner am 30.11.2006, die Leistungen für Januar 2007 am 31.12.2006 zur Verfügung stehen müssen. Da die Leistungen bereits ab September 2006 eingestellt waren, der Zwei-Monats-Zeitraum für eine vorläufige Leistungseinstellung ohne Erlass eines Aufhebungsbescheides (§ 331 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II) damit verstrichen war, war die Zurückhaltung der Zahlungen über die genannten Zeitpunkte hinaus objektiv rechtswidrig, umso mehr die weitere Zahlungsverzögerung nach Erlass der einstweiligen Anordnung. Auch dieser Umstand ist nach Auffassung der Kammer zu berücksichtigen: Das gerichtliche Eilverfahren würde weitgehend entwertet, wenn eine Behörde, die wegen eines Fehlers bei der Aufhebung o.ä. zur (weiteren) Zahlung (durch das Gericht) verpflichtet (wird oder) bleibt, diese Verpflichtung über mehrere Wochen ohne Konsequenz verletzen und sich dann auf eine Beseitigung des Fehlers berufen könnte. Eine Aufhebung einer einstweiligen Anordnung, die (nur) wegen deren fehlender Umsetzung durch die Behörde noch Wirkung (für die Vergangenheit) haben kann, kann im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung nach Auffassung der Kammer daher regelmäßig nur erfolgen, wenn der materielle Wegfall der Leistungsverpflichtung zumindest weitgehend eindeutig feststeht.

Das ist hier nicht der Fall. Der Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Anordnung ist daher abzulehnen.

III. Dem Antrag Ziffer 2, also die Vollziehung der einstweiligen Anordnung einstweilig einzustellen, kann aus den entsprechenden Gründen und nach Ablehnung des Aufhebungsantrags ebenfalls nicht entsprochen werden. Es kann daher offen bleiben, ob eine Entscheidung hierzu nur noch klarstellend geboten ist, nachdem der Antrag seiner Formulierung nach nur für die Zeit bis zu einer Entscheidung im Aufhebungsverfahren gestellt war. Ebenso kann offen bleiben, ob dem erstinstanzlichen Gericht überhaupt eine Rechtsgrundlage für die vorläufige Einstellung der Vollziehung zur Verfügung gestanden hätte.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da es sich bei dem Aufhebungsrechtsstreit um ein selbständiges Verfahren handelt (vgl. nur Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komm. z. SGG, 8. Aufl., § 86b, Rn. 20a), ist (erneut) eine eigenständige Kostenentscheidung (nur) für das Aufhebungsverfahren zu treffen.
Rechtskraft
Aus
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