Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 251/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Antragsteller ist nicht verpflichtet, vor Erhebung einer Untätigkeitsklage bei der Behörde eine Entscheidung über seinen Antrag bzw. seinen Widerspruch „anzumahnen“, um eine Kostentragung nach Ergehen des begehrten Bescheids zu vermeiden.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Gründe:
Auf den Antrag der Klägerin waren ihre außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen.
Gemäß § 193 Abs. 1, 2. Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss darüber, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird.
Das Gericht entscheidet über die Kosten nach sachgemäßem richterlichen Ermessen, wobei in erster Linie der vermutliche Verfahrensausgang maßgebend ist. In der Regel ist es billig, dass der Unterlegene die Kosten trägt.
Vgl. Bundessozialgericht (BSG), BSGE 17, 124 (128); SozR Nr. 4 zu § 193; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 15.09.1999
– L 6 B 24/99 SB –; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., 2005, § 193 Rn. 12 f.
Das Gericht muss jedoch alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Es kann insbesondere darauf abstellen, welcher Beteiligte Anlass für die Klageerhebung gegeben hat.
Vgl. LSG NRW, a. a. O.; Beschlüsse vom 30.11.2004 – L 16 B 152/04 KR ER – und
– L 16 B 99/04 KR ER –; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 11.03.2003
– L 13 B 34/02 SB – und vom 26.05.2003 – L 13 B 13/03 SB –; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rn. 12 b.
Nachdem die Beklagte über den Widerspruch der Klägerin vom 28.06.2005 gegen den Bescheid vom 31.05.2005 mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2007 entschieden hat, hat die Klägerin den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 29.01.2007 für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dem mit Schriftsatz vom 02.03.2007 angeschlossen.
Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin der Beklagten aufzuerlegen. Die am 24.08.2006 bei Gericht eingegangene Untätigkeitsklage auf Bescheidung des Widerspruchs der Klägerin vom 28.06.2005 gegen den Bescheid vom 31.05.2005 war zulässig und begründet.
Die Sperrfrist von drei Monaten nach § 88 Abs. 2 SGG für die Erhebung einer Untätigkeitsklage auf Bescheidung eines Widerspruchs war lange abgelaufen, da über den Widerspruch vom 28.06.2005, der am 01.07.2005 bei der Beklagten eingegangen war (Beiakte 1 zu S 29 AS 90/05, Bl. 70), bis zur Klageerhebung über einen Zeitraum von fast 14 Monaten keine Entscheidung ergangen war.
Dies ist auch ohne zureichenden Grund im Sinne von § 88 Abs. 1 SGG erfolgt.
Das Abwarten eines "Musterprozesses" oder eines anderweitig für die ausstehende Entscheidung beachtlichen Verfahrens ist kein zureichender Grund für ein Hinausschieben der Entscheidung durch die Behörde, es sei denn der Antragsteller ist damit einverstanden oder die Entscheidung ist in naher Zukunft zu erwarten,
vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., 2005, § 88, Rn. 7b m. w. N.
Hier hält die Beklagte ein Zuwarten auf die Entscheidungen des Sozialgerichts Düsseldorf in den Sachen S 25 (3) AL 116/05 und S 29 AS 90/05 für angezeigt. In dem Klageverfahren bei der 25. Kammer sieht die Klägerin eine gewisse Chance, dass ein längerer Zeitraum des Bezuges von Arbeitslosengeld I (ALG I) für sie herauskommt, was die in Bezug auf den angegriffenen Bescheid vom 31.05.2005 streitige Frage des Zuschlags nach § 24 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) beeinflussen mag. Im Klageverfahren S 29 AS 90/05 geht es auch um den Zuschlag nach § 24 SGB II, jedoch für einen früheren Zeitraum und andere Bescheide. Im Verfahren der 25. Kammer ist nicht absehbar, wann entschieden wird. Dies gilt auch für das Verfahren S 29 AS 90/05, weil dies im Hinblick auf das Verfahren bei der 25. Kammer mit dem Einverständnis der Beteiligten ruhend gestellt wurde. Somit sind Entscheidungen in diesen Verfahren "in naher Zukunft" nicht zu erwarten.
Die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter haben sich mit dem Ruhen des Widerspruchsverfahrens bezüglich des Widerspruchs vom 28.06.2005 im Hinblick auf die Klageverfahren S 25 (3) AL 116/05 und S 29 AS 90/05 nicht ausdrücklich einverstanden erklärt.
Dies ist auch nicht konkludent erfolgt. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 30.11.2005, er sei mit einem Ruhen des Verfahrens S 29 AS 90/05 im Hinblick auf das Verfahren S 25 (3) AL 116/05 einverstanden, ist nicht zugleich als Einverständnis mit einem (faktischen) Ruhen des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 31.05.2005 auszulegen. Damit durfte die Beklagte nicht davon ausgehen, die Klägerin sei mit einem Hinausschieben einer Entscheidung über ihren Widerspruch vom 28.06.2005 einverstanden.
Es lag zwar nahe, das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 31.05.2005 formal oder faktisch zum Ruhen zu bringen, solange keine Entscheidungen in den anhängigen Klageverfahren bei der 25. und 29. Kammer des Gerichts getroffen worden sind. Jedoch hätte die Beklagte zur Vermeidung einer für sie kostenpflichtigen Untätigkeitsklage im Hinblick auf den Widerspruch vom 28.06.2005 den Prozessbevollmächtigten der Klägerin kontaktieren müssen, um sich ein ausdrückliches oder schlüssiges Einverständnis mit einem Ruhen des Widerspruchsverfahrens geben zu lassen. Es hätte wohl gereicht, wenn sie ihn sinngemäß angeschrieben hätte, es werde davon ausgegangen, dass er mit einem Ruhen des Widerspruchsverfahrens bis zur Entscheidung der anhängigen Klageverfahren einverstanden sei. Dann hätte es ihm oblegen, dem zu widersprechen, wenn er nicht einverstanden wäre. Die Beklagte hat jedoch in dieser Hinsicht nichts unternommen. Damit hat sie das Risiko einer Untätigkeitsklage und der damit verbundenen Kosten in Kauf genommen.
Es kommt bei der Entscheidung nicht darauf an, ob der Beklagten das von der Klägerin in der Klageschrift dieses Verfahrens vom 24.08.2006 erwähnte Schreiben an die Beklagte vom 10.08.2006, in dem die Klägerin auf § 88 SGG hingewiesen haben will, tatsächlich zugegangen ist. Denn die Klägerin war nicht verpflichtet, vor Erhebung einer Untätigkeitsklage bei der Beklagten eine Entscheidung über ihren Widerspruch vom 28.06.2005 "anzumahnen". Grundsätzlich ist es gerade Zweck der Sperrfristen nach § 88 SGG, dass die Antragsteller Untätigkeitsklage nach Ablauf der Fristen erheben dürfen, ohne sich über das Vorliegen eines zureichenden Grundes Gedanken machen und hierzu bei den Behörden vorsorglich nachfragen zu müssen. Zugleich können die Behörden sich darauf verlassen, dass sie bei Anträgen nach § 88 Abs. 1 SGG sechs Monate und bei Widersprüchen nach § 88 Abs. 2 SGG drei Monate Zeit für eine Bescheidung ohne den Druck einer Untätigkeitsklage haben,
vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rn. 5a m. w. N.
Eine Verpflichtung zur Nachfrage zur Vermeidung der Kostentragung vor Erhebung einer Untätigkeitsklage kann sich aus anderen Umständen, insbesondere Sachstandsmitteilungen oder Zwischenbescheiden ergeben. Aus den hier vorliegenden Umständen ergab sich eine solche Pflicht der Klägerin, vor Erhebung einer Untätigkeitsklage mit der untätigen Behörde Kontakt aufzunehmen, nicht. Die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter haben der Beklagten im Hinblick auf das Widerspruchsverfahren zum Bescheid vom 31.05.2005 überhaupt keinen Anlass gegeben, berechtigterweise davon auszugehen, dass sie mit einem Hinausschieben einer Entscheidung im Hinblick auf die anhängigen Klageverfahren einverstanden wären. Hätte die Beklagte das Schreiben vom 10.08.2006 seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin tatsächlich erhalten, hätte sie die Kosten erst recht zu tragen.
Der Beklagten wird – insoweit informationshalber - darin zugestimmt, dass es sinnvoll ist, Widerspruchsverfahren ruhend zu stellen, wenn die identische Rechts- oder Tatsachenfrage für andere Bewilligungszeiträume und andere Bescheide bereits Gegenstand von anderen (Gerichts-)Verfahren ist. Dann hat die Behörde es in der Hand, den Betroffenen um sein Einverständnis mit einem Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung in einem vorgreiflichen oder Muster-Verfahren zu bitten. So wissen dann beide Seiten, woran sie sind, und die Behörde kann sich darauf verlassen, dass sie bis zu einer gegenteiligen Mitteilung des Betroffenen keine Untätigkeitsklagen zu gewärtigen hat. Nicht zugestimmt werden kann der Beklagten hingegen, soweit sie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 26.09.2006 vorhält, dass er bei bereits anhängigen Widerspruchs- oder Klageverfahren weitere Widersprüche gegen Bescheide für Folgezeiträume erhebe. Dies ist aus Gründen anwaltlicher Vorsicht notwendig, um die Bestandskraft von Bescheiden zu verhindern. Das gilt jedenfalls solange, bis eine Behörde dem Antragsteller oder seinem Prozessbevollmächtigten gegenüber verbindlich zusichert, sie werde Folgezeiträume trotz Bestandskraft entsprechend dem Ergebnis eines anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens in Bezug auf die identische Rechts- oder Tatsachenfrage nachträglich regeln und gegebenenfalls nachbewilligen und nachzahlen. Dies ist hier nicht erfolgt.
Die Kostentragung durch die Beklagte ist nach den vorstehenden Ausführungen auch nicht unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Veranlassung der Klageerhebung unbillig.
Gründe:
Auf den Antrag der Klägerin waren ihre außergerichtlichen Kosten der Beklagten aufzuerlegen.
Gemäß § 193 Abs. 1, 2. Halbsatz Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss darüber, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil beendet wird.
Das Gericht entscheidet über die Kosten nach sachgemäßem richterlichen Ermessen, wobei in erster Linie der vermutliche Verfahrensausgang maßgebend ist. In der Regel ist es billig, dass der Unterlegene die Kosten trägt.
Vgl. Bundessozialgericht (BSG), BSGE 17, 124 (128); SozR Nr. 4 zu § 193; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 15.09.1999
– L 6 B 24/99 SB –; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., 2005, § 193 Rn. 12 f.
Das Gericht muss jedoch alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen. Es kann insbesondere darauf abstellen, welcher Beteiligte Anlass für die Klageerhebung gegeben hat.
Vgl. LSG NRW, a. a. O.; Beschlüsse vom 30.11.2004 – L 16 B 152/04 KR ER – und
– L 16 B 99/04 KR ER –; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschlüsse vom 11.03.2003
– L 13 B 34/02 SB – und vom 26.05.2003 – L 13 B 13/03 SB –; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rn. 12 b.
Nachdem die Beklagte über den Widerspruch der Klägerin vom 28.06.2005 gegen den Bescheid vom 31.05.2005 mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2007 entschieden hat, hat die Klägerin den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 29.01.2007 für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich dem mit Schriftsatz vom 02.03.2007 angeschlossen.
Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin der Beklagten aufzuerlegen. Die am 24.08.2006 bei Gericht eingegangene Untätigkeitsklage auf Bescheidung des Widerspruchs der Klägerin vom 28.06.2005 gegen den Bescheid vom 31.05.2005 war zulässig und begründet.
Die Sperrfrist von drei Monaten nach § 88 Abs. 2 SGG für die Erhebung einer Untätigkeitsklage auf Bescheidung eines Widerspruchs war lange abgelaufen, da über den Widerspruch vom 28.06.2005, der am 01.07.2005 bei der Beklagten eingegangen war (Beiakte 1 zu S 29 AS 90/05, Bl. 70), bis zur Klageerhebung über einen Zeitraum von fast 14 Monaten keine Entscheidung ergangen war.
Dies ist auch ohne zureichenden Grund im Sinne von § 88 Abs. 1 SGG erfolgt.
Das Abwarten eines "Musterprozesses" oder eines anderweitig für die ausstehende Entscheidung beachtlichen Verfahrens ist kein zureichender Grund für ein Hinausschieben der Entscheidung durch die Behörde, es sei denn der Antragsteller ist damit einverstanden oder die Entscheidung ist in naher Zukunft zu erwarten,
vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., 2005, § 88, Rn. 7b m. w. N.
Hier hält die Beklagte ein Zuwarten auf die Entscheidungen des Sozialgerichts Düsseldorf in den Sachen S 25 (3) AL 116/05 und S 29 AS 90/05 für angezeigt. In dem Klageverfahren bei der 25. Kammer sieht die Klägerin eine gewisse Chance, dass ein längerer Zeitraum des Bezuges von Arbeitslosengeld I (ALG I) für sie herauskommt, was die in Bezug auf den angegriffenen Bescheid vom 31.05.2005 streitige Frage des Zuschlags nach § 24 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) beeinflussen mag. Im Klageverfahren S 29 AS 90/05 geht es auch um den Zuschlag nach § 24 SGB II, jedoch für einen früheren Zeitraum und andere Bescheide. Im Verfahren der 25. Kammer ist nicht absehbar, wann entschieden wird. Dies gilt auch für das Verfahren S 29 AS 90/05, weil dies im Hinblick auf das Verfahren bei der 25. Kammer mit dem Einverständnis der Beteiligten ruhend gestellt wurde. Somit sind Entscheidungen in diesen Verfahren "in naher Zukunft" nicht zu erwarten.
Die Klägerin bzw. ihr Prozessbevollmächtigter haben sich mit dem Ruhen des Widerspruchsverfahrens bezüglich des Widerspruchs vom 28.06.2005 im Hinblick auf die Klageverfahren S 25 (3) AL 116/05 und S 29 AS 90/05 nicht ausdrücklich einverstanden erklärt.
Dies ist auch nicht konkludent erfolgt. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 30.11.2005, er sei mit einem Ruhen des Verfahrens S 29 AS 90/05 im Hinblick auf das Verfahren S 25 (3) AL 116/05 einverstanden, ist nicht zugleich als Einverständnis mit einem (faktischen) Ruhen des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 31.05.2005 auszulegen. Damit durfte die Beklagte nicht davon ausgehen, die Klägerin sei mit einem Hinausschieben einer Entscheidung über ihren Widerspruch vom 28.06.2005 einverstanden.
Es lag zwar nahe, das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 31.05.2005 formal oder faktisch zum Ruhen zu bringen, solange keine Entscheidungen in den anhängigen Klageverfahren bei der 25. und 29. Kammer des Gerichts getroffen worden sind. Jedoch hätte die Beklagte zur Vermeidung einer für sie kostenpflichtigen Untätigkeitsklage im Hinblick auf den Widerspruch vom 28.06.2005 den Prozessbevollmächtigten der Klägerin kontaktieren müssen, um sich ein ausdrückliches oder schlüssiges Einverständnis mit einem Ruhen des Widerspruchsverfahrens geben zu lassen. Es hätte wohl gereicht, wenn sie ihn sinngemäß angeschrieben hätte, es werde davon ausgegangen, dass er mit einem Ruhen des Widerspruchsverfahrens bis zur Entscheidung der anhängigen Klageverfahren einverstanden sei. Dann hätte es ihm oblegen, dem zu widersprechen, wenn er nicht einverstanden wäre. Die Beklagte hat jedoch in dieser Hinsicht nichts unternommen. Damit hat sie das Risiko einer Untätigkeitsklage und der damit verbundenen Kosten in Kauf genommen.
Es kommt bei der Entscheidung nicht darauf an, ob der Beklagten das von der Klägerin in der Klageschrift dieses Verfahrens vom 24.08.2006 erwähnte Schreiben an die Beklagte vom 10.08.2006, in dem die Klägerin auf § 88 SGG hingewiesen haben will, tatsächlich zugegangen ist. Denn die Klägerin war nicht verpflichtet, vor Erhebung einer Untätigkeitsklage bei der Beklagten eine Entscheidung über ihren Widerspruch vom 28.06.2005 "anzumahnen". Grundsätzlich ist es gerade Zweck der Sperrfristen nach § 88 SGG, dass die Antragsteller Untätigkeitsklage nach Ablauf der Fristen erheben dürfen, ohne sich über das Vorliegen eines zureichenden Grundes Gedanken machen und hierzu bei den Behörden vorsorglich nachfragen zu müssen. Zugleich können die Behörden sich darauf verlassen, dass sie bei Anträgen nach § 88 Abs. 1 SGG sechs Monate und bei Widersprüchen nach § 88 Abs. 2 SGG drei Monate Zeit für eine Bescheidung ohne den Druck einer Untätigkeitsklage haben,
vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., Rn. 5a m. w. N.
Eine Verpflichtung zur Nachfrage zur Vermeidung der Kostentragung vor Erhebung einer Untätigkeitsklage kann sich aus anderen Umständen, insbesondere Sachstandsmitteilungen oder Zwischenbescheiden ergeben. Aus den hier vorliegenden Umständen ergab sich eine solche Pflicht der Klägerin, vor Erhebung einer Untätigkeitsklage mit der untätigen Behörde Kontakt aufzunehmen, nicht. Die Klägerin und ihr Prozessbevollmächtigter haben der Beklagten im Hinblick auf das Widerspruchsverfahren zum Bescheid vom 31.05.2005 überhaupt keinen Anlass gegeben, berechtigterweise davon auszugehen, dass sie mit einem Hinausschieben einer Entscheidung im Hinblick auf die anhängigen Klageverfahren einverstanden wären. Hätte die Beklagte das Schreiben vom 10.08.2006 seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin tatsächlich erhalten, hätte sie die Kosten erst recht zu tragen.
Der Beklagten wird – insoweit informationshalber - darin zugestimmt, dass es sinnvoll ist, Widerspruchsverfahren ruhend zu stellen, wenn die identische Rechts- oder Tatsachenfrage für andere Bewilligungszeiträume und andere Bescheide bereits Gegenstand von anderen (Gerichts-)Verfahren ist. Dann hat die Behörde es in der Hand, den Betroffenen um sein Einverständnis mit einem Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung in einem vorgreiflichen oder Muster-Verfahren zu bitten. So wissen dann beide Seiten, woran sie sind, und die Behörde kann sich darauf verlassen, dass sie bis zu einer gegenteiligen Mitteilung des Betroffenen keine Untätigkeitsklagen zu gewärtigen hat. Nicht zugestimmt werden kann der Beklagten hingegen, soweit sie dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 26.09.2006 vorhält, dass er bei bereits anhängigen Widerspruchs- oder Klageverfahren weitere Widersprüche gegen Bescheide für Folgezeiträume erhebe. Dies ist aus Gründen anwaltlicher Vorsicht notwendig, um die Bestandskraft von Bescheiden zu verhindern. Das gilt jedenfalls solange, bis eine Behörde dem Antragsteller oder seinem Prozessbevollmächtigten gegenüber verbindlich zusichert, sie werde Folgezeiträume trotz Bestandskraft entsprechend dem Ergebnis eines anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens in Bezug auf die identische Rechts- oder Tatsachenfrage nachträglich regeln und gegebenenfalls nachbewilligen und nachzahlen. Dies ist hier nicht erfolgt.
Die Kostentragung durch die Beklagte ist nach den vorstehenden Ausführungen auch nicht unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Veranlassung der Klageerhebung unbillig.
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