L 6 EG 10/06

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 8 EG 3/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 EG 10/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Anwendung der Härteregelung in § 5 Abs. 1 BErzGG, durch die ein einmaliger Wechsel vom budgetierten Erziehungsgeld zum unbudgetierten Erziehungsgeld und umgekehrt ermöglicht wird, setzt voraus, dass sich die Lebenssituation des Leistungsempfängers gegenüber dem Zeitpunkt der von ihm getroffenen Entscheidung für eine der beiden Formen des Erziehungsgeldes derart geändert hat, dass es unbillig wäre, den Leistungsempfänger an der ursprünglich getroffenen Option festzuhalten. Ein Wechsel kommt dagegen nicht in Betracht, wenn die persönliche Lebenssituation unverändert geblieben ist. Dass sich Erwartungen, z.B. im Hinblick auf eine zukünftige Verbesserung der eigenen wirtschaftlichen Situation, nicht erfüllt haben, kann demgegenüber nicht zur Anwendung der Härteregelung führen. Solche nicht erfüllten Erwartungen, mögen sie auch die maßgeblichen Beweggründe für die einmal getroffene Entscheidung für eine der beiden Formen des Erziehungsgeldes gewesen sein, sind als unbeachtlicher Motivirrtum auch nicht der Anfechtung zugänglich und können deshalb einen nachträglichen Wechsel nicht begründen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 15. August 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Erziehungsgeld für das 2. Lebensjahr ihres 2003 geborenen Sohnes B. Sie ist der Auffassung, anstelle des ihr für die ersten 12 Lebensmonate von B. gewährten budgetierten Erziehungsgeldes stehe ihr für die Dauer von 24 Monaten das nicht budgetierte Erziehungsgeld zu.

Die Klägerin (geb. 1974) ist seit dem 3. August 2000 mit C ... (geb. 1965) verheiratet. B. ist das gemeinsame Kind der Eheleute A ... Im streitbefangenen Zeitraum übte die Klägerin keine Erwerbstätigkeit aus und betreute B. in dem gemeinsam mit ihrem Ehemann geführten Haushalt. Vor diesem Zeitraum war die Klägerin zuletzt als Servierkraft beschäftigt gewesen.

Der Ehemann der Klägerin ist von Beruf Maler. In den Jahren 2002 bis 2004 sowie im Jahr 2005 war er Inhaber eines Betriebes, der den Bautenschutz zum Geschäftszweck hatte. Im Jahre 2002 wurde aus diesem Betrieb nach der dem Finanzamt F-Stadt vorgelegten Einnahme-Überschuss-Rechnung ein Verlust von 4.802,75 EUR erwirtschaftet. Im Jahre 2003 belief sich der Verlust aus diesem Gewerbe nach der für dieses Jahr vorgelegten Einnahme-Überschuss-Rechnung auf 3.833,28 EUR; in 2004 wurde ein Verlust von 2.921,73 EUR ausgewiesen. Gegen Ende des Jahres 2003 nahm der Ehemann der Klägerin eine weitere Tätigkeit als selbständiger Automobilverkäufer auf. Für beide Gewerbe weist der die Eheleute A. betreffende Einkommensteuerbescheid des Finanzamts F-Stadt (Hessen) vom 4. Juni 2004 für das Jahr 2003 Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Ehemannes der Klägerin von - 3.776,- EUR aus. Im Einkommensteuerbescheid vom 19. Mai 2006 werden für 2004 Einkünfte aus Gewerbebetrieb von - 3.383,- EUR ausgewiesen. Für 2002 waren aus dem Bescheid des Finanzamtes F-Stadt vom 8. Oktober 2003 Einkünfte des Ehemannes aus Gewerbebetrieb in Höhe von - 4.803,- EUR ausgewiesen worden.

Am 20. Januar 2004 wurde der Erziehungsgeldkasse des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales GD-Stadt ein auf den 20. Dezember 2003 datierter Antrag auf Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Kindes B. vorgelegt.

Unter Ziff. 12 des Antragsformblattes beantragte die Klägerin das sog. budgetierte Erziehungsgeld für die ersten 12 Lebensmonate von B. In dem entsprechenden Formblattantrag wurde darauf hingewiesen, dass die maximale Dauer des budgetierten Erziehungsgeldes sich auf 12 Monate belaufe und während dieser Zeit die monatliche Zahlung bis zu 460,- EUR betragen könne. Zum nicht budgetierten Erziehungsgeld wurde darauf hingewiesen, dass dieses für die Maximaldauer von längstens 24 Lebensmonate gewährt werden könne und monatlich höchstens 307,- EUR betrage. Ferner war der Hinweis enthalten, dass die zu treffende Wahl für den gesamten Bezugszeitraum verbindlich sei. In dem dazugehörigen Informationsblatt wurden die Wahlmöglichkeiten zwischen dem budgetierten und dem nicht budgetierten Erziehungsgeld im Einzelnen erläutert. Auch dort erfolgte der Hinweis darauf, dass die insoweit getroffene Entscheidung für die volle Bezugsdauer verbindlich sei und lediglich in Fällen besonderer Härte eine einmalige Änderung möglich sei. Die in § 1 Abs. 5 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG - Fassung v. 12. Oktober 2000) in Bezug auf das Vorliegen einer Härte getroffene Regelung wurde im Wortlaut wiedergegeben.

Dem Antrag der Klägerin auf das budgetierte Erziehungsgeld entsprach das beklagte Land durch Bescheid vom 26. Februar 2004. Unter Anrechnung des der Klägerin gezahlten Mutterschaftsgeldes wurde der Klägerin das budgetierte Erziehungsgeld für die Gesamtdauer von 12 Monaten in ungeminderter Höhe gewährt. Zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung hatte dem beklagten Land der Einkommensteuerbescheid für 2002 sowie die Einnahme-Überschuss-Rechnung für 2003 des Bautenschutzbetriebs des Ehemannes der Klägerin vorgelegen.

Ein Rechtsbehelf gegen den Bescheid vom 26. Februar 2004 ist von der Klägerin nicht eingelegt worden.

Am 28. Januar 2005 stellte die Klägerin einen "Folgeantrag" auf Gewährung von Erziehungsgeld für die Zeit vom 13. bis zum 24. Lebensmonat ihres Kindes B. Sie legte dazu auf einem Formblatt der Erziehungsgeldkasse "Verdienstbescheinigung" eine Zusammenstellung über die von ihrem Ehemann als Inhaber der Firma A.-Automobile erzielten monatlichen Einnahmen vor, die sich nach dieser Zusammenstellung für das gesamte Jahr 2004 auf insgesamt 9.667,24 EUR beliefen.

Durch Bescheid vom 1. Februar 2005, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, wurde der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Erziehungsgeld für das zweite Lebensjahr ihres Kindes B. von der Erziehungsgeldkasse abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe sich mit ihrem Antrag vom 20. Dezember 2003 für eine Gewährung des budgetierten Erziehungsgeldes entschieden. Die Konsequenz dieser Entscheidung, die für die volle Bezugsdauer verbindlich gewesen sei, habe sie durchaus erkennen können. Zwar sei in Fällen besonderer Härte (Hinweis auf § 1 Abs. 5 BErzGG) eine einmalige Änderung möglich. Vorliegend ergäben sich jedoch keine Hinweise auf die Notwendigkeit der Anwendung der im Gesetz vorgesehenen Härteregelung.

Unter Vorlage der Einnahme-Überschuss-Rechnung des Bautenschutzbetriebes ihres Ehemannes für 2004 sowie des Einkommensteuerbescheides der Eheleute A. für 2003 legte die Klägerin dagegen Widerspruch ein. Sie berief sich darauf, ihr Ehemann habe, wie bereits im Jahre 2003, nun auch im Jahr 2004 weitere Verluste hinnehmen müssen. Durch das Erziehungsgeld sei sie, die Klägerin – wenn auch nur sehr eingeschränkt – in der Lage gewesen, den Lebensunterhalt zu finanzieren. Zur weiteren Existenzsicherung bedürfe es jedoch des Erziehungsgeldes für das 2. Lebensjahr von B.

Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 23. März 2005 zurückgewiesen. Im Widerspruchsbescheid wurde erneut Bezug genommen auf die von der Klägerin bei ihrer erstmaligen Antragstellung getroffene Option zugunsten des budgetierten Erziehungsgeldes für die ersten 12 Lebensmonate des Kindes B. Diese Entscheidung sei grundsätzlich verbindlich gewesen, worauf die Klägerin auch im entsprechenden Antrag und dem dazugehörigen Informationsblatt hingewiesen worden sei. Eine einmalige Änderung sei nur in Fällen besonderer Härte nach § 1 Abs. 5 BErzGG möglich. Die Voraussetzungen für einen Härtefall seien jedoch nicht erfüllt. Insbesondere könne auch nicht von einer erheblich gefährdeten wirtschaftlichen Existenz als Voraussetzung für die Anwendung der Härteregelung ausgegangen werden. Denn in 2004 sei gegenüber dem Jahr 2003 keine Änderung der Einkommenssituation zu Ungunsten der Klägerin eingetreten. Ihr Ehemann habe bereits in 2003 negative Einkünfte erzielt. Dies habe u.a. dazu geführt, dass für den gesamten Bezugszeitraum nach Ablauf der Mutterschutzfrist das volle budgetierte Erziehungsgeld gewährt worden sei. Unter den gegebenen Umständen könne die bei der erstmaligen Antragstellung getroffene Entscheidung für das budgetierte Erziehungsgeld nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Die Klägerin hat dagegen Klage erhoben. Sie hat u.a. vorgetragen, bei der Entscheidung für das budgetierte Erziehungsgeld sei sie davon ausgegangen, dass sich die Einkommenssituation ihrer Familie und dabei insbesondere das Einkommen ihres Ehemannes im Jahr 2004 verbessern würde. Zum damaligen Zeitpunkt hätten weder sie noch ihr Ehemann damit gerechnet, dass auch in 2004 ein Verlust eintreten werde. Entgegen diesen Erwartungen habe sich jedoch die Einkommenssituation ihres Ehemannes im Jahr 2004 dramatisch verschlechtert. Sie sei deshalb zum Überleben auf die Unterstützung ihrer Familie angewiesen gewesen. Daraus ergebe sich die in § 1 Abs. 5 BErzGG beschriebene besondere Härte, die einen Wechsel vom budgetierten Erziehungsgeld zum nicht budgetierten Erziehungsgeld ermögliche.

Das Sozialgericht Gießen hat durch Urteil vom 15. August 2006 die Klage abgewiesen. Das Sozialgericht hat die Auffassung vertreten, die in § 5 Abs. 1 Satz 4 BErzGG geregelte einmalige Möglichkeit der Änderung der Entscheidung über das budgetierte bzw. nicht budgetierte Erziehungsgeld komme im Falle der Klägerin nicht zum Tragen. Diese Möglichkeit scheitere schon daran, dass die Bezugsdauer für das budgetierte Erziehungsgeld im Dezember 2004 geendet habe. Der Zeitpunkt für eine Änderung der Entscheidung sei damit im Januar 2005 abgelaufen gewesen.

Aber selbst dann, wenn die Klägerin – wie sie in der mündlichen Verhandlung angegeben habe – bereits vorher mehrmals telefonisch wegen ihres Begehrens mit Mitarbeitern der Erziehungsgeldkasse gesprochen haben sollte, scheide eine Änderung der einmal getroffenen Entscheidung in ihrem Falle aus. Denn eine besondere Härte i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 4 2. Halbs. BErzGG liege nicht vor. Zwar sei nicht zu verkennen, dass im Falle der Klägerin unter Berücksichtigung der für das Jahr 2004 nachgewiesenen Einkünfte ihres Ehemannes eine gefährdete wirtschaftliche Existenz anzunehmen sei, nachdem das Erziehungsgeld in Höhe von monatlich 460,- EUR mit Ablauf des Monats Dezember 2004 entfallen sei. Eine Änderung der finanziellen Situation der Familie der Klägerin sei dadurch jedoch nicht eingetreten. Insbesondere zeige ein Vergleich der Einkommenssituation zwischen Ende 2003 und Ende 2004, dass sich diese Einkommenssituation sogar um die Einnahmen aus dem Provisionsgeschäft verbessert und nicht etwa verschlechtert habe. Dies schließe die Annahme eines Härtefalles aus. Dass sich die Klägerin und ihr Ehemann nach ihren Angaben aus dem seit Dezember 2003 betriebenen zusätzlichen Gewerbe höhere Einnahmen versprochen hätten, rechtfertige die Annahme einer besonderen Härte nicht. Diese wirtschaftliche Fehleinschätzung sei leichtfertig gewesen, da keine Orientierungsdaten für die gegenteilige Annahme vorhanden gewesen seien. Im Übrigen hätte angesichts der beschränkten Beschäftigungsmöglichkeiten des Ehemannes der Klägerin und der dadurch hervorgerufenen finanziellen Familiensituation durch einen teilweisen Rollenwechsel zwischen den Eheleuten Rechnung getragen werden können, indem die Klägerin zumindest in Teilzeit ihre bis zur Geburt von B. ausgeübte Tätigkeit als Bedienung wieder aufnehmen hätte können. Soweit die Klägerin ergänzend vorgetragen habe, dass sie die Wahl zwischen dem budgetierten und dem nicht budgetierten Erziehungsgeld aus Unwissenheit falsch getroffen habe, weil sie die Ausführungen im Antrag und im Bescheid nicht verstanden habe, müsse dieses Vorbringen als in sich widersprüchlich angesehen werden und sei auch im Hinblick auf das von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebrachte Verständnis der wirtschaftlichen Zusammenhänge unglaubwürdig. Eine Anspruchsgrundlage lasse sich hieraus deshalb nicht ableiten.

Gegen das der Klägerin am 29. August 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. September 2006 eingegangene Berufung.

Die Klägerin trägt vor, aus den von ihr vorgelegten Unterlagen habe sich eindeutig ergeben, dass ihr Ehemann in den Jahren 2002 und 2003 negatives Einkommen erzielt habe und sie – die Klägerin – während der ersten drei Jahre ihres Sohnes B. keiner Erwerbstätigkeit habe nachgehen können. Bei Zugrundelegung dieses Sachverhaltes wäre das beklagte Land verpflichtet gewesen, ihren Antrag auf das budgetierte Erziehungsgeld negativ zu bescheiden und sie statt dessen darauf hinzuweisen, das nicht budgetierte Erziehungsgeld in Anspruch zu nehmen, auch wenn dies im Ergebnis bedeutet hätte, dass statt des budgetierten Erziehungsgeldbetrages von monatlich 460,- EUR nur ein monatlicher Betrag von 307,- EUR hätte gezahlt werden können. Sie selbst sei allerdings davon ausgegangen, dass sich die Einkommenssituation ihres Ehemannes im Jahre 2004 erheblich verbessern und ihr Ehemann deshalb in der Lage sein werde, positives Einkommen zu erzielen. Erst als sich herausgestellt habe, dass dies - trotz der Eröffnung des zweiten Betriebes, der Firma A.-Automobile - nicht möglich gewesen sei, sei die Weiterzahlung des Erziehungsgeldes für das Jahr 2005 beantragt worden. In diesem Jahr 2005 sei ihre wirtschaftliche Existenz allerdings erheblich gefährdet gewesen, und zwar deshalb, weil entgegen ihren Erwartungen die Einkommenssituation des Ehemannes im Jahre 2004 nach wie vor negativ geblieben sei. Insofern sei auch die Annahme des beklagten Landes unzutreffend, wonach eine Änderung der Einkommenssituation zum Negativen hin bei einem Vergleich der Situation Anfang des Jahres 2004 mit der Anfang des Jahres 2005 nicht festzustellen gewesen sei. Hierbei sei außer Acht geblieben, dass es auch im Jahr 2004 zu einem Verlust von 2.921,73 EUR gekommen sei. Gerade deshalb sei auch die Annahme eines Härtefalles gerechtfertigt. Soweit das Sozialgericht ihre wirtschaftliche Fehleinschätzung als leichtfertig bezeichnet habe, lege es die Gesamtverantwortung in dieser Angelegenheit allein auf ihre Schultern und berücksichtige nicht, dass die Erziehungsgeldkasse vor Erlass ihres Bescheides vom 26. Februar 2004 verpflichtet gewesen wäre, zu ihrem Schutz eine Überprüfung dahingehend vorzunehmen, ob es bei der gegebenen Einkommenssituation in ihrem Sinne gewesen sei, das budgetierte Erziehungsgeld zu gewähren. Sie - die Klägerin - habe sich damals von der Höhe des budgetierten Erziehungsgeldes leiten lassen und dabei schlichtweg übersehen, in welche "Falle" sie damit geraten sei. Die damals getroffene falsche Entscheidung dürfe nicht zu ihren Lasten gehen. Den erstmaligen Antrag auf Erziehungsgeld habe sie persönlich bei der Erziehungsgeldkasse des beklagten Landes abgegeben. Sie habe bei der Abgabe des Antrages zwar nicht ausdrücklich um eine persönliche Beratung nachgesucht, allerdings darum gebeten, diesen Antrag zu prüfen, und zwar dahingehend, ob sie alles ausgefüllt habe. Spätestens an dieser Stelle hätte der betreffende Sachbearbeiter/die Sachbearbeiterin des beklagten Landes auf das Risiko der budgetierten Erziehungsgeldzahlung aufmerksam machen müssen. Da dies nicht geschehen sei, sei sie falsch beraten und nicht in die Lage versetzt worden, die Folgen ihres Antrags zu über-blicken.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 15. August 2006 aufzuheben und das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Februar 2005 sowie des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2005 zu verurteilen, ihr Erziehungsgeld auch für das zweite Lebensjahr ihres Kindes B. in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Das beklagte Land hält die sozialgerichtliche Entscheidung sowie die ergangenen Bescheide für zutreffend. Es führt aus, die Klägerin habe im Antragsverfahren eindeutig erklärt, dass sie das budgetierte Erziehungsgeld in Anspruch nehmen wolle. Diesem Antrag sei entsprochen worden. Dass der Entscheidung zugunsten des budgetierten Erziehungsgeldes eine mögliche Fehleinschätzung der Klägerin und ihres Ehemannes hinsichtlich der Gewinnsituation der beiden Gewerbebetriebe ihres Ehemannes zugrunde gelegen habe, könne die Anwendung der Härteregelung in § 5 Abs. 1 Satz 4 2. Halbs. BErzGG nicht rechtfertigen.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird im Übrigen auf den gesamten weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte des beklagten Landes (Gz.:) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor. Die Differenz zwischen dem von der Klägerin für die Dauer von 24 Monaten begehrten nicht budgetierten Erziehungsgeldes (6.705,- EUR) zu dem tatsächlich für die Dauer von 12 Monaten gewährten budgetierten Erziehungsgeld (4.779,- EUR) beläuft sich auf 2.074,- EUR und übersteigt damit den nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG für die Statthaftigkeit der Berufung maßgeblichen Grenzbetrag von 500,- EUR.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Die von der Klägerin angefochtenen Bescheide des beklagten Landes sind nicht zu beanstanden. Eine besondere Härte, die die Gewährung des nicht budgetierten Erziehungsgeldes anstelle des tatsächlich gewährten budgetierten Erziehungsgeldes ermöglicht hätte, liegt nicht vor. Das Sozialgericht hat deshalb die Klage zu Recht abgewiesen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, welche Fassung des hier einschlägigen § 5 BErzGG tatsächlich der vorliegenden Fallgestaltung zugrunde zu legen ist. Denn mit der Änderung, die diese Bestimmung in der ursprünglichen Fassung des 3. Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes vom 12. Oktober 2000 (BGBl. I, S. 1426) durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I, S. 3076) gefunden hat, ist es – soweit die Frage der Verbindlichkeit der Entscheidung für das budgetierte Erziehungsgeld und die Möglichkeit einer einmaligen Änderung der darauf bezogenen Entscheidung betroffen ist – zwar zu einer Erweiterung dieser Regelung gekommen, ansonsten ist die Änderung jedoch lediglich redaktioneller Natur. Der Ausgangspunkt, auf den noch einzugehen sein wird, ist in Bezug auf die vorliegende Fallgestaltung nämlich gleich geblieben. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung darüber, wie für den vorliegenden Fall – insbesondere also der Geburt des Kindes B. noch im Dezember 2003 – die in Art. 20 Nr. 13 des Haushaltsbegleitgesetzes getroffene Übergangsregelung, die an das erste bzw. zweite Lebensjahr des Kindes anknüpft, im Hinblick auf einen möglichen Wechsel vom budgetierten zum unbudgetierten Erziehungsgeld zu verstehen ist, nachdem eine Budgetentscheidung von vornherein auf ein Jahr begrenzt ist und - bezogen darauf - dem Haushaltsbegleitgesetz 2004 keine eindeutige Aussage darüber entnommen werden kann, welche Fassung des Gesetzes bei solchen Fallgestaltungen tatsächlich zur Anwendung kommen soll.

Unverändert geblieben ist allerdings § 5 Abs. 1 BErzGG insoweit, als die Entscheidung über das budgetierte Erziehungsgeld für die "volle Bezugsdauer" grundsätzlich als verbindlich angesehen wird.

Hinsichtlich der möglichen Ausnahme hiervon bestimmt § 5 Abs. 1 Satz 4 2. Hs. i.d.F. des 3. Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes (a.a.O.), dass eine einmalige Änderung in Fällen besonderer Härte möglich sein soll, wobei auf den Rechtsgrund in § 1 Abs. 5 BErzGG verwiesen wird. In diesem § 1 Abs. 5 BErzGG findet sich für die dem Grunde nach bestehende Anspruchsberechtigung eine Härteregelung dergestalt, dass "insbesondere bei schwerer Krankheit, Behinderung oder Tod eines Elternteils oder bei erheblich gefährdeter wirtschaftlicher Existenz" von einem Teil der ansonsten für das Erziehungsgeld bestehenden Anspruchsvoraussetzungen (z.B. Personensorge o.a.) abgesehen werden kann. Übertragen auf § 5 Abs. 1 Satz 4 2. Hs. BErzGG verbleibt nach dieser Gesetzesfassung für die vorliegende Fallgestaltung allein der Eintritt der erheblich gefährdeten wirtschaftlichen Existenz einschlägig, die nach dieser Fassung als Beispielsfall für eine mögliche Härte genannt wird und die zum Wechsel vom budgetierten zum nicht budgetierten Erziehungsgeld berechtigen könnte.

In der Neufassung des § 5 Abs. 1 BErzGG durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 (a.a.O.) sind anstelle der bisherigen Rechtsgrundverweisung die auf die Härte bezogenen Tatbestandsmerkmale aus § 1 Abs. 5 BErzGG unmittelbar in diese Neufassung aufgenommen worden. Zugleich sind jedoch durch die Hinzufügung des Wortes "insbesondere" in § 5 Abs. 1 Satz 4 BErzGG sowie weiterer Merkmale - wie etwa die schwere Krankheit eines Kindes oder die Geburt eines weiteren Kindes -, die Voraussetzungen für einen Härtefall noch einmal erweitert worden.

Bei b e i d e n Fassungen des Gesetzes wird jedoch deutlich, dass der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Härte einen Vorgang beinhalten muss, der erst im Verlauf des Leistungsbezugs eintritt. Nur in diesen Fällen soll der betreffende Leistungsbezieher so gestellt werden, als ob er von Anfang an die – ansonsten als verbindlich beschriebene – Option schon von Anfang an in der einen oder anderen Richtung ausgeübt hätte.

Allgemeine Härteregelungen, die in Ausnahmefällen andere Gestaltungsoptionen bieten, stellen auf atypische Fallgestaltungen ab. Atypisch ist aber eine Fallgestaltung, bei der es um eine einmal getroffene Entscheidung in Bezug auf die Ausübung eines Gestaltungsrechts geht, in aller Regel dann nicht, wenn sich ein Sachverhalt ergibt, bei dem sich die Grundlage der vom Leistungsempfänger getroffenen Entscheidung nicht verändert hat. Nur bei solchermaßen eingetretenen Veränderungen besteht nämlich eine besondere Schutzbedürftigkeit des Leistungsbeziehers. Bei gleichbleibenden Verhältnissen bedarf es dieses besonderen Schutzes dagegen nicht.

In diesem Sinne ist auch die Härteregelung in § 5 Abs. 1 zu verstehen. Nur in den Fällen der dort beschriebenen Veränderungen wird die Möglichkeit eines Wechsels zwischen dem budgetierten und dem nicht budgetierten Erziehungsgeld in beide Richtungen eingeräumt. Ein freies Wahlrecht hinsichtlich eines möglichen Wechsels besteht dagegen nicht.

Diese Auffassung wird auch bestätigt durch die Materialien zum Haushaltsbegleitgesetz 2004. So wird im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Haushaltsbegleitgesetz 2004 (BT Drucks. 15/1502, S. 34) zur Begründung der nunmehr erweiterten Möglichkeiten eines Wechsels zwischen beiden Bezugsarten des Erziehungsgeldes auf die Erkenntnis hingewiesen, dass sich die Lebenssituation der Familien derart verändern könne und deshalb eine Anpassung an diese veränderten Umstände ermöglicht werden solle. Diese in den Materialien zur Neufassung des § 5 Abs. 1 Satz 4 BErzGG zum Ausdruck gekommene Überlegung liegt jedoch erkennbar bereits dem § 5 Abs. 1 Satz 4 2. Hs. BErzGG i.d.F. des 3. Gesetzes zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes zugrunde, so dass auch bei dieser Gesetzesfassung maßgeblich auf den Eintritt möglicher Veränderungen für die Annahme einer besonderen Härte abgestellt werden muss.

Hiervon ausgehend ist im Falle der Klägerin für einen Wechsel vom budgetierten zum nicht budgetierten Erziehungsgeld kein Raum. Eine Veränderung der persönlichen Lebenssituation der Eheleute A. zwischen der getroffenen Wahl des budgetierten Erziehungsgeldes und der nachfolgenden Zeit ist nämlich gerade n i c h t eingetreten. So hat sich insbesondere die finanzielle Situation der Eheleute A. in diesem Zeitraum jedenfalls nicht verschlechtert, wie dies von der Klägerin im Berufungsverfahren noch vorgetragen worden ist. Ausgehend von den vorliegenden Einkommensteuerbescheiden aus der Zeit zwischen 2002 und 2004 ist es vielmehr sogar zu einer – wenn auch nur geringfügigen – Verbesserung der Einkommenssituation gekommen, worauf das Sozialgericht zu Recht hingewiesen hat. Eine Veränderung der zweifellos ungünstigen wirtschaftlichen Situation der Eheleute A., die in 2004 zu einer nunmehr erstmals gefährdeten wirtschaftlichen Existenz geführt haben würde, lässt sich unter diesen Voraussetzungen nicht feststellen.

Auch ansonsten hat sich eine erkennbare Veränderung in der persönlichen und wirtschaftlichen Situation der Klägerin und ihrer Familie, auf die ein Härtefall gestützt werden könnte, nicht ergeben.

Dass – wie die Klägerin behauptet – bei der Entscheidung für das budgetierte Erziehungsgeld seinerzeit von ihr davon ausgegangen worden sei, die finanzielle Situation werde sich im nachfolgenden Jahr verbessern, mag nach alledem als Motiv für die getroffene Wahl maßgeblich gewesen sein. Rechtlich kommt diesem Irrtum, dem die Klägerin im Hinblick auf eine später nicht eingetroffene Erwartung nach ihrer Darstellung unter-legen sein will, jedoch keine Bedeutung zu. Von der getroffenen Härteregelung wird eine solchermaßen enttäuschte Erwartung nicht mit umfasst.

Der Entscheidung für die eine oder andere Form des Erziehungsgeldes können durchaus unterschiedliche Beweggründe zugrunde liegen. Vielfach wird es sich dabei um eine Summierung solcher Beweggründe handeln. Auch die wirtschaftliche Situation der Familie kann dabei durchaus in diese Überlegungen einfließen. Einfließen kann z.B. auch der Gedanke daran, nach dem Ende des Bezugszeitraums ggf. wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. In der abgegebenen Willenserklärung gegenüber der Erziehungsgeldkasse, die sich in der Wahl des budgetierten oder aber des unbudgetierten Erziehungsgeldes äußert, kommen diese Überlegungen indes nicht zum Ausdruck. Sie sind deshalb auch nicht – was in der Literatur (vgl. Hambüchen, Kindergeld, Erziehungsgeld, Elternzeit, Stand: November 2003, RdNr. 12 zu § 5 BErzGG) und auch in der Rechtsprechung (vgl. z.B. SG Aachen, Urteil vom 8.10.1001 – S 4 EG 3/01, unveröffentlicht) vom Grundsatz her für möglich gehalten wird –, der Anfechtung nach § 119 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zugänglich. Unter den gegebenen Umständen stellt sich der mögliche Irrtum der Klägerin im Hinblick auf ihre in der Zukunft erwartete wirtschaftliche Situation insoweit lediglich als unbeachtlicher Motivirrtum dar, der nicht zur Anfechtung berechtigen und deshalb auch den Wechsel vom budgetierten zum nicht budgetierten Erziehungsgeld nicht bewirken kann. Dass sich die Klägerin über den I n h a l t der von ihr getroffenen Entscheidung zugunsten des budgetierten Erziehungsgeldes n i c h t geirrt hat, macht ihr Vortrag sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren hinreichend deutlich. Eine Anfechtung wegen eines möglichen Erklärungsirrtums kommt deshalb von vornherein nicht in Betracht.

Auch unter dem Gesichtspunkt des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kann der Klägerin ein solcher Wechsel nicht ermöglicht werden. Unabhängig davon, ob die Klägerin tatsächlich ihren Antrag auf Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr des Kindes B. selbst bei der Erziehungsgeldkasse des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales GD-Stadt abgegeben hat, lässt schon ihr eigener Vortrag nicht erkennen, dass es dabei zu einer fehlerhaften Beratung seitens der Erziehungsgeldkasse gekommen sein könnte. Denn selbst nach diesem eigenen Vortrag hat die Klägerin insoweit nämlich lediglich um eine Mithilfe beim Ausfüllen des Antrags nachgesucht, nicht jedoch um eine Beratung im Hinblick auf die zu treffende Entscheidung hinsichtlich des budgetierten bzw. des nicht budgetierten Erziehungsgeldes gebeten. Aber selbst dann, wenn das Beratungsbegehren der Klägerin sich nicht darauf beschränkt hätte, bleibt festzuhalten, dass nach dem Inhalt des von der Klägerin gestellten Formblatt-Antrags selbst und dem Inhalt des diesem Formblatt beigegebenen Informationsblatts, die Unterschiede zwischen beiden Formen des Erziehungsgeldes hinreichend deutlich dargestellt wurden. Insoweit wird schon nicht ersichtlich, welche zusätzliche Beratung der Klägerin in der konkreten Situation hätte zuteil werden müssen. Angesichts der bestehenden persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin wäre es in der konkreten Situation aus Anlass der erstmaligen Antragstellung im Januar 2004 deshalb auch keinesfalls zwingend gewesen, der Klägerin nahe zu legen, anstelle des budgetierten Erziehungsgeldes die nicht budgetierte Form dieser Sozialleistung zu wählen. Deshalb gibt es auch keinerlei Veranlassung, von der Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Leistungsbewilligung, wie sie mit Bescheid vom 26. Februar 2004 ergangen ist, auszugehen. Auch über § 44 Sozialgesetzbuch X (SGB X) lässt sich deshalb eine Änderung der ursprünglich rechtmäßigen Leistungsbewilligung nicht bewirken.

Die Berufung der Klägerin gegen das sozialgerichtliche Urteil war nach alledem zurückzuweisen.

Die getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der Senat nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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