L 15 B 265/06 SO ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 47 SO 2144/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 265/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. Dezember 2006 aufgehoben.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller ab 21. November 2006 bis zum 31. August 2007, längstens jedoch bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens in der Hauptsache, einen Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 30,68 Euro je vollem Kalendermonat zu zahlen.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten dieses Rechtsstreits zu erstatten.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Der 1945 geborene Antragsteller ist durch Bescheid des Versorgungsamtes Berlin vom 02. März 2005 als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt (Behinderungenu.a.: Nierenleiden beiderseits, Harnstoffwechselstörung, Blasenentleerungsstörung; Herzminderleistung bei arteriellem Hochdruck, Coronarsklerose, vegetative Übererregbarkeit, Fettstoffwechselstörung; Magenleiden mit Neigung zu Geschwürbildung).

Durch Bescheinigung seiner behandelnden Ärzte (M V C GmbH) vom 03. Februar 2006 wurde ihm ferner bestätigt, dass Krankenkost aus ärztlicher Sicht erforderlich sei wegen des Vorliegens von Hyperurikämie (Nierenleiden/Harnsäurekonzentration im Blut von mehr als 6 mg/100 ml) und Hypertonie; als weitere Diagnose wurde Adipositas per magna genannt; bescheinigt wurde bei einer Größe von 1,74 m ein Gewicht von 125 kg (während des Widerspruchsverfahrens legte der Antragsteller eine weitere Bescheinigung vom 31. Juli 2006 vor, in der ein Gewicht von 115 kg bescheinigt wurde).

Der Antragsteller bezieht neben seiner (vorgezogenen) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit von dem Antragsgegner seit Mai 2006 (ergänzend) laufende Leistungen nach dem 3. Kapitel des 12. Buches Sozialgesetzbuch – SGB XII – (Bescheid vom 24. April 2006).

Den ergänzend beantragten Mehrbedarf wegen krankheitsbedingter kostenaufwändigerer Ernährung lehnte der Antragsgegner aufgrund der negativen Stellungnahme der Ärztin Dr. M vom Amts- und Vertrauensärztlichen Dienst des Bezirksamtes Mitte von Berlin vom 28. April 2006 mit Bescheid vom 08. Mai 2006 ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es bestehe ein extremes, erheblich gesundheitsgefährdendes und behandlungsbedürftiges Übergewicht. Zur diätetischen Ergänzung einer medikamentösen Therapie der aufgeführten Krankheiten gehöre vordringlich die Reduktion des Körpergewichtes. Dies erfordere keinen finanziellen Mehraufwand. Eine Mangelsituation, die etwa durch eine spezifische Krankenkost ausgeglichen werden müsse, entstehe dabei nicht.

Im Widerspruchsverfahren trug der Antragsteller ergänzend vor, dass seine Fettstoffwechselstörung/Fettleibigkeit eine Erkrankung der innersekretorischen Drüsen sei, für die er aber keinen Mehrbedarf beanspruche. Zu zahlen sei die (höhere) Krankenkostzulage von 30,68 Euro bei Hyperurikämie, die ihm zuvor bereits im Rahmen des Alg II gewährt worden sei. Zur Bekräftigung seines Vorbringens reichte er am 03. August 2006 die (bereits erwähnte) aktuelle Bescheinigung vom 31. Juli 2006 ein, mit der ihm (auf Formblatt des Antragsgegners) wiederum die bereits genannten Erkrankungen und die Notwendigkeit kostenaufwändiger Ernährung bestätigt wurden. Auch in ergänzenden Stellungnahmen vom 31. Mai 2006 und 08. August 2006 blieb Dr. M bei ihrer Einschätzung, dass es keine medizinischen Gründe für eine höhere Kosten verursachende Krankenkost gebe. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2006 bestätigte der Antragsgegner seine ablehnende Entscheidung. Zur Begründung führte er im Hinblick auf das beim Antragteller bestehende erhebliche Übergewicht unter anderem aus: Bei einer Vielzahl von Erkrankungen, wie zum Beispiel bei einer Erhöhung der Cholesterinwerte oder Bluthochdruck, müsse nach neuesten medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen nicht zwingend eine kostenaufwändige Diät eingehalten werden; dies habe inzwischen auch Bestätigung in der Rechtsprechung gefunden. Die Ernährung solle lediglich fett-, kohlehydrat- und kalorienkontrolliert sein. Bei dieser Art der Ernährung entstünden keine Mehrkosten. Durch das Vermeiden ungeeigneter Lebensmittel sowie durch Verlagerung des Schwergewichts in der täglichen Ernährung auf bekömmliche Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse und Vollkornprodukte im Sinne einer leichten und gesunden Vollkosternährung entstehe im Hinblick auf das breit gefächerte Angebot im Lebensmitteleinzelhandel kein finanzieller Mehraufwand. Spezielle, kostenaufwändige diätetische Lebensmittel seien in einem derartigen Ernährungsprogramm nicht notwendig. Es werde in keiner Weise deutlich, worin im Einzelnen die als notwendig erachtete besonders kostenaufwändige Ernährung bestehen solle.

Gegen den am 28. August 2006 abgesandten Widerspruchsbescheid hat sich der Antragsteller mit seiner am 25. September 2006 zum Sozialgericht – SG – Berlin erhobenen Klage gewandt, mit der er weiterhin die Gewährung eines Mehrbedarfszuschlages beansprucht. Mit seinem am 21. November 2006 bei Gericht eingegangenen Antrag begehrt er außerdem die Verpflichtung des Antragsgegners, ihm im Rahmen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes einen monatlichen Mehrbedarfszuschlag von 30,68 Euro wegen kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren.

Im Beschluss vom 05. Dezember 2006 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Im Rahmen der einstweiligen Anordnung dürften Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Die Gerichte müssten sich aber in den Fällen, in denen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen könnten, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen seien, falls sich das Gericht an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wolle, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Eine anders nicht abwendbare Beeinträchtigung in diesem Sinne liege nicht vor, weil der Antragsteller aus dem Regelsatz die erforderlichen Aufwendungen für seine Ernährung bestreiten könne. Nach der danach im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehe kein Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII. Für die Beurteilung der nach dieser Vorschrift erforderlichen Voraussetzungen könnten regelmäßig die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge – DV – für die Gewährung von Krankenkostzulage in der Sozialhilfe, 2. Auflage 1997 (Empfehlungen) als geeignete Sachverständigenhilfe herangezogen werden. Die Empfehlungen sähen zwar bei einer Hypertonie und bei einer Hyperurikämie einen entsprechenden Mehrbedarf vor. Hierbei würde (Punkt V der Empfehlung) in der Regel nur eine, und zwar die höchste Krankenkostzulage gewährt werden, was vorliegend die purinreduzierte Kost mit einem Mehrbedarf von 30,68 Euro wäre. Im vorliegenden Fall ergebe sich jedoch die Besonderheit, dass nach der im einstweiligen Rechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung der Sachlage die inneren Erkrankungen des Antragstellers ihre Hauptursache in seiner ausgeprägten Adipositas hätten, also in seinem Übergewicht. In den Empfehlungen sei für Übergewicht (Adipositas) die Bewilligung eines Mehrbedarfes nicht vorgesehen. Aus den vom Kläger eingereichten Unterlagen sowie der Stellungnahme der Amtsärztin Dr. M ergebe sich, dass im Rahmen einer richtigen Ernährung dringend eine Gewichtsreduktion des Antragsstellers erforderlich sei. Die Reduktionskost in modifizierter Form (purin- und salzarm) erfordere eine Reduktion der Energie- und Nahrungszufuhr, die grundsätzlich gegenüber einer normalen Ernährung jedenfalls keine Mehrkosten, möglicherweise sogar eine Ersparnis mit sich bringe. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass diese medizinisch gebotene Reduktionskost gegenüber den normalen Ernährungskosten auch mit einem finanziellen Mehraufwand einhergehe.

Gegen den ihm am 14. Dezember 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 18. Dezember 2006 eingegangene Beschwerde des Antragstellers, der das SG nicht abgeholfen hat, und zu deren Begründung er noch einmal die Notwendigkeit einer kostenaufwändigen krankheitsbedingten Ernährung betont und außerdem darauf verweist, dass er aufgrund seiner beengten finanziellen Situation dringend auf die Gewährung des erstrebten Mehrbedarfs angewiesen sei. Ergänzend hat er eine weitere Bescheinigung seiner behandelnden Ärzte für krankheitsbedingten Mehrbedarf vom 26. März 2007 vorgelegt, in der das Gewicht mit 102 kg angegeben wird.

Der Senat hat außerdem einen Befundbericht vom 28. März 2007 eingeholt, in dem zur positiven Einwirkung auf die Krankheitsbilder des Antragstellers noch übergangsweise eine aufwändigere Ernährung empfohlen wird.

Seinen weiteren Antrag vom 30. September 2006 auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 08. Januar 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05. März 2007 abgelehnt. Dagegen hat der Antragsteller Klage erhoben, die beim SG Berlin unter dem Aktenzeichen S 78 SO 828/07 anhängig ist.

II.

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Der Antragsteller erstrebt die Veränderung eines hinsichtlich des streitigen Mehrbedarfs bisher leistungslosen Zustands. Einstweiliger Rechtsschutz kann in diesem Fall nur unter den Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – gewährt werden. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Begründet ist der Antrag auf einstweiligen Rechtschutz, wenn sich bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch nach materiellen Recht besteht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 916 der Zivilprozessordnung – ZPO –; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund; zusammenfassend zu den Voraussetzungen Binder in Handkommentar SGG, 2. Auflage 2006, § 86 b Rdnr. 33 ff).

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts hat der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Der Antragsteller gehört unstreitig zu dem Personenkreis, der nach den §§ 27 ff SGB XII Anspruch auf (ergänzende) Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt hat, denn der Zahlbetrag von 259,31 Euro der ihm gewährten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit deckt nicht seinen Bedarf. Gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII ist für kranke, genesende, behinderte Menschen oder von einer Krankheit oder von einer Behinderung bedrohte Menschen, die einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, zuzüglich zum Regelsatz nach § 28 SGB XII ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anzuerkennen. Dass der Antragsteller krankheitsbedingt einen Mehrbedarf bei der Ernährung hat, der aus dem Regelsatz nicht bestritten werden kann, hat der Antragsteller mit der Vorlage des Attestes der behandelnden Ärzte (auf dem vom Antragsgegner selbst ausgegebenen Formblatt), mit dem bei ihm das Vorliegen von Hypertonie und Hyperurikämie bescheinigt wird, ausreichend glaubhaft gemacht.

Der erkennende Senat hat bereits in mehreren Beschlüssen ausgeführt, dass es sachgerecht ist, bei der Prüfung, ob und in welchem Umfang gemäß § 30 Abs. 5 SGB XII ein ernährungsbedingter Mehrbedarf anzuerkennen ist, die Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge heranzuziehen, die eine unter Beteiligung von medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Sachverständigen entstandene, an typisierten Fallgestaltungen ausgerichtete praktische Entscheidungshilfe bieten (vgl. u. a Beschluss vom 07. September 2005 – L 15 B 66/05 SO – betreffend Hyperurikämie sowie Beschlüsse vom 12. Juli 2006 – L 15 B 113/06 SO ER – betreffend Krebs und – L 15 B 114/06 SO ER – betreffend Hyperlipidemie, Hypertonie und Diabetes mellitus Typ 2 a bei Übergewicht). Dies entspricht auch der Auffassung des Gesetzgebers, die in den Materialien zu § 30 Abs. 5 SGB XII zum Ausdruck kommt, sowie im Wesentlichen auch der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Gewährung von Krankenkostzulagen nach dem Bundessozialhilfegesetz (vgl. Hoffmann in LPK – SGB XII, Rdnr. 29 ff zu § 30 m. w. N.).

Diese Empfehlungen des Deutschen Vereins, die derzeit in der völlig überarbeiteten 2. Auflage von 1997 vorliegen, sind in entsprechende Rundschreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales eingegangen, womit eine gleichmäßige Praxis im Land Berlin gewährleistet werden soll (vgl. im Einzelnen das fortgeltende Rundschreiben V Nr. 13 aus 1998 vom 10. August 1998). Danach wird regelmäßig ein monatlicher Mehrbedarf z. B. bei Hyperurikämie für purinreduzierte Kost von 31,39 Euro, bei Hypertonie für natriumdefinierte Kost von 26,16 Euro angenommen. Liegen gleichzeitig die Voraussetzungen für mehrere Krankenkostzulagen vor, soll regelmäßig nur eine, und zwar die Höchste gewährt werden (vgl. Empfehlungen in Heft 48 der Schriftenreihe des DV, 2. Auflage 1997, Seite 15, Seite 28).

Soweit der Antragsgegner dennoch keinen nach den Empfehlungen anzunehmenden "Katalogfall" sieht und im Hinblick auf das beim Antragsteller vorliegende Übergewicht eine Leistungspflicht verneint, überzeugt dies – jedenfalls derzeit – (noch) nicht. Es ist zwar richtig, dass nach den geltenden Empfehlungen wegen Übergewichts kein Mehrbedarf anzuerkennen ist. Für andere Erkrankungen wird jedoch – mit Ausnahme des Diabetes Typ II a – bei Übergewicht nicht generell die Notwendigkeit einer kostenaufwändigeren Ernährung verneint, worauf der Antragsgegner aber mit seiner Argumentation ersichtlich zielt. Vielmehr wird in den (auch vom Antragsgegner zitierten) Empfehlungen (Kommentar zu Rdnr. 3) für den Fall, dass die Erkrankung Folge von Übergewicht ist und die Ernährungstherapie auf eine Minderung des Körpergewichts zielt, für die Reduktionskost kein erhöhter Ernährungsaufwand gesehen. Dass die bescheinigten Erkrankungen die Folge allein des Übergewichts sind und demzufolge lediglich eine Reduktionskost und keine auf die Erkrankungen Rücksicht nehmende Kost erforderlich ist, lässt sich den vorliegenden Akten aber nicht entnehmen, auch wenn nicht unerwähnt bleiben kann, dass auch nach den vom Antragsteller zur Begründung seines Begehrens eingereichten Veröffentlichungen die von ihm (wohlweislich?) unerwähnt gelassene Kontrolle (und ggf. Reduktion) des Körpergewichts neben der auf die Erkrankung abgestimmten Kost wichtig ist. Dies hat der Antragsteller offenbar als Ergebnis des anhängigen Verfahrens inzwischen auch eingesehen, wie der deutlichen Verringerung seines Gewichts zu entnehmen ist. Auch wenn der eingeholte Befundbericht diese Entwicklung nicht bestätigt, so besteht andererseits derzeit kein Anhaltspunkt, das am 31. Juli 2006 und 26. März 2007 bescheinigte – jeweils verringerte – Gewicht als unzutreffend anzusehen. Dass die Erkrankungen mit der Reduktion des Körpergewichts überwunden sind, ist nicht erkennbar. Ob und ggf. welche Auswirkungen sich zur Schwere und künftigen Behandlungsbedürftigkeit daraus ergeben, kann deshalb nicht Gegenstand des Verfahrens zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sein. Jedenfalls derzeit befürwortet auch die behandelnde Ärztin im eingeholten Befundbericht zumindest vorübergehend noch eine auf die Erkrankungen abgestimmte kostenaufwändigere Ernährung.

Solange der Deutsche Verein seine Empfehlungen in dieser Hinsicht nicht revidiert und auch sonst keine in vergleichbarer Weise medizinisch, ernährungswissenschaftlich und ökonomisch fundierten "besseren" Erkenntnisse gewonnen werden, die im Rahmen eines Gerichtsverfahrens voraussichtlich umfassende Ermittlungen erfordern dürften, hält der Senat unter Beachtung des Votums der behandelnden Ärztin die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs bei Hyperurikämie und Hypertonie nach den sachkundigen Vorgaben des Deutschen Vereins und des oben zitierten Rundschreibens weiterhin für angezeigt. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Empfehlungen sowie das darauf fußende Rundschreiben der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales nicht nur eine gleichmäßige Praxis sicherstellen sollen. Sie sollen auch dazu dienen, einem Hilfebedürftigen die ihm zustehenden Leistungen zur Sicherstellung des Existenzminimums auf möglichst schnelle und unproblematische Weise zukommen zu lassen. Die Intention der Empfehlungen als auch des Rundschreibens ist gerade darauf gerichtet, in den sogenannten Katalogfällen ohne umfängliche Ermittlungen im Einzelfall schnell und einfach Hilfe zu gewährleisten, was nicht nur dem Hilfesuchenden zugute kommt, sondern auch im Interesse einer effizienten Verwaltung liegt.

Besteht danach ein Anordnungsanspruch bezüglich des geltend gemachten Betrages von 30,68 Euro ab dem Zeitpunkt des Antragseinganges bei Gericht, ist auch ein Anordnungsgrund gegeben. Mehrbedarfszuschläge decken tatsächliche Bedarfe ab und somit grundsätzlich – wie der Regelsatz – das Existenzminimum. Dem Antragsteller, der hinsichtlich des geltend gemachten Mehrbedarfs zu den "Katalogfällen" im Sinne der Empfehlungen des Deutschen Vereins bzw. der Senatsverwaltung gehört, ist nicht zuzumuten, den streitigen Mehrbedarf auch in Anbetracht seiner Höhe zumindest für längere Zeit und vorläufig aus dem Ansparanteil der laufenden Leistungen zu decken, der für einmalige Bedarfe bestimmt ist.

Die tenorierte Befristung der Leistungsverpflichtung des Antragsgegners entspricht dem besonderen Charakter des vorliegenden Verfahrens nach § 86 b Abs. 2 SGG und außerdem dem Votum der behandelnden Ärztin in dem eingeholten Befundbericht, die nach dem jetzigen Stand nur noch vorübergehend eine besondere auf die Erkrankungen abgestimmte Ernährung für angebracht hält.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und folgt dem Ergebnis des Verfahrens.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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