S 3 AL 5/07 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 3 AL 5/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Vor dem Sozialgericht Detmold streiten die Beteiligten unter dem Az.: S 3 AL 240/06 um die Gleichstellung des Antragstellers mit einem schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX).

Der 1950 geborene Antragsteller arbeitet seit dem Jahr 2000 als LKW-Fahrer bei der Spedition K. in M. Das Versorgungsamt Bielefeld bescheinigte dem Antragsteller mit Wirkung ab dem 16.12.2005 einen Grad der Behinderung von 40. Dem lagen u.a. Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule, der Schultergelenke, der rechten Hand und der Hüft- und Kniegelenke zugrunde. Am 03.08.2006 beantragte der Antragsteller die Gleichstellung mit den schwerbehinderten Menschen. Er gab an, seine derzeitige Tätigkeit nur noch mit behinderungsbedingten Einschränkungen ausüben zu können. Es habe bereits Fehlzeitengespräche über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit gegeben. Der Speditionsverkehr sei allergisch gegenüber Fehlausfallzeiten. Das Einverständnis mit der Befragung des Arbeitsgebers wurde nicht erteilt. Die Antragsgegnerin lehnte die Gleichstellung mit Bescheid vom 12.09.2006 mit der Begründung ab, dass die Voraussetzungen für eine Gleichstellung nicht überprüft werden könnten. Dies resultiere aus der fehlenden Mitwirkung des Antragstellers. Den Widerspruch des Antragstellers wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2006 als unbegründet zurück. Am 21.12.2006 hat der Antragsteller Klage erhoben. Mit dem am 11.01.2007 bei Gericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt der Antragsteller bis zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens in der Hauptsache einem schwerbehinderten Menschen mit Wirkung ab Antragstellung gleichgestellt zu werden. Er verweist zur Begründung darauf, dass die Spedition K. das Arbeitsverhältnis am 09.01.2007 zum 31.03.2007 gekündigt habe.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antagstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Hierbei sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Ein Fall des vorrangigen § 86 b Abs. 1 SGG liegt hier nicht vor, da in der Hauptsache eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhoben worden ist. Für die Begründetheit eines Anspruchs nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG ist es erforderlich, dass nach der gebotenen summarischen Prüfung ein entsprechender Anspruch des Antragstellers in der Hauptsache überwiegende Erfolgsaussicht zeigt (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft gemacht worden ist.

Im vorliegenden Fall ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht worden.

Ein Anordnungsanspruch besteht, wenn die summarische Prüfung ergibt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, den Antragsteller einem schwerbehinderten Menschen gem. § 2 Abs. 3 SGB IX gleichzustellen. Nach dieser Vorschrift sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, bei denen die übrigen Voraussetzungen des Abs. 2 vorliegen, schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden, wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigeneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 SGB IX nicht erlangen oder nicht behalten können. Bei der Gleichstellung sollen behinderungsbedingte Nachteile ausgeglichen werden, die darin bestehen, dass der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne von § 73 SGB IX gar nicht erst erlangen (Vermittlungserschwernis) oder ihn nicht behalten (Sicherungserschwernis) kann. Ein Sicherungserschwernis kann jedoch nur auf einem geeigneten Arbeitsplatz bestehen. Nach der eigenen Einlassung des Antragstellers ist er derzeit nicht mehr auf einem für seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen geeigneten Arbeitsplatz eingesetzt. In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 18.01.2007 hat er ausgeführt, dass er derzeit Arbeiten mit starken Belastungen der Schultergelenke und häufigem Herauf- und Heruntersteigen von der Ladefläche ausüben müsse. Eine solche Tätigkeit entspricht jedoch nicht seinen gesundheitlichen Einschränkungen. Ein Vermittlungserschwernis konnte nach einer summarischen Prüfung ebenfalls nicht festgestellt werden. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, dass der Antragsteller konkrete andere Arbeitsplätze benannt hätte, die seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen entsprechen. Diese Angaben wären dann noch durch Befragung des Arbeitgebers abzugleichen gewesen. Ob die Vorausetzungen einer Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX vorliegen, muss der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten bleiben. Nach einer summarischen Prüfung der angegriffenen Bescheide der Antragsgegnerin sind diese nicht offensichtlich rechtswidrig.

Eine Eilbedürftigkeit im Sinne eines Anordnungsgrundes besteht nicht. Eine einstweilige Anordnung darf grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorweg nehmen. Die Verpflichtung der Antragsgegnerin, den Antragsteller vorläufig einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen, würde jedoch eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten. Allerdings kann es im Interesse der Effektivität des Rechtsschutzes ausnahmsweise erforderlich sein, der Entscheidung in der Hauptsache vorzugreifen, wenn sonst Rechtsschutz nicht erreichbar und dies für den Antragsteller unzumutbar wäre. Alleine die Tatsache, dass die Spedition K. das Arbeitsverhältnis mit dem Antragsteller zum 31.03.2007 gekündigt hat, rechtfertigt die Annahme eines Anordnungsgrundes nicht. Nach § 68 Abs. 2 Satz 2 SGB IX wirkt der Gleichstellungsbescheid auf den Tag des Antragseingangs zurück. Der Antragsteller hat bereits im August 2006 seine Gleichstellung beantragt. Sollte er im Hauptsacheverfahren mit seiner Klage obsiegen, würde er bereits ab diesem Zeitpunkt den Schutz des Gesetzes in dem in § 68 Abs. 3 SGB IX definierten Umfange genießen. Die ohne Zustimmung des Integrationsamtes erklärte Kündigung der Spedition K. wäre dann gemäß § 85 SGB IX i.V.m. § 134 Bürgerliches Gesetzbuch unheilbar nichtig. Bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren ist die Kündigung der Spedition K. hingegen schwebend unwirksam (vgl. auch: Düwell, Das reformierte Arbeitsrecht, 2005, Kapital 8 Rdz. 42). Dem Arbeitgeber bleibt in solchen Fällen nur die Möglichkeit, unter Beachtung der §§ 85 ff. SGB IX neu zu kündigen (vgl. auch: Rolfs in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 5. Aufl., § 85 SGB IX Rdz. 7).

Damit steht nach Auffassung des Gerichts fest, dass dem Antragsteller keine unzumutbaren Nachteile drohen, wenn er auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen wird.

Die Kostenentscheidung folge aus der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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