L 28 B 419/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 94 AS 2320/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 B 419/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Das Aktivrubrum war zu ändern. Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sind bei sachgerechter Auslegung des erstinstanzlich geltend gemachten Begehrens, wie sie schon vom Sozialgericht (SG) vorzunehmen gewesen wäre (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz [SGG]), die Anträge der in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Antragsteller zu 1) und zu 2) auf Gewährung von höheren Leistungen nach dem Zweiten Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – des Sozialgesetzbuches (SGB II). Der Antragsteller zu 1) kann als Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft nicht im eigenen Namen die Ansprüche der Antragstellerin zu 2) mit einer Klage oder, wie im vorliegenden Verfahren, mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verfolgen, sondern jedes Mitglied muss seine Ansprüche im eigenen Namen geltend machen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R – und bereits Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Mai 2006 – L 10 AS 102/06 - ).

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 SGG), der das Sozialgericht Berlin nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist nicht begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Voraussetzungen einer solchen Anordnung, die das SG im angefochtenen Beschluss im Einzelnen zutreffend dargelegt hat, liegen hier nicht vor. Zwar ist durchaus möglich, dass ein Anordnungsanspruch zumindest teilweise besteht, denn die Vorgehensweise des Antragsgegners zur Bestimmung angemessener Unterkunftskosten im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/07 R und B 7b AS 10/07 R, zitiert nach juris), von der abzuweichen der Senat nach erster Prüfung keinen Anlass sieht. Danach lässt sich ohne weitere Ermittlungen zwar noch nicht im Einzelnen sagen, welche Kosten im Falle der Antragsteller tatsächlich zu übernehmen sind. Sie dürften aber nach überschlägiger Prüfung auf Grundlage der Angaben der Antragsteller zur ortsüblichen Bruttokaltmiete, wie sie den Beteiligten im Schreiben vom 21. März 2007 bekannt gegeben worden ist, den derzeit gezahlten Betrag (wenngleich um weniger als 10 %) übersteigen.

Ein Anordnungsgrund besteht jedoch nicht, da wesentliche Nachteile, die mit einem Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache verbunden sind, den Antragstellern nicht drohen. Dies gilt jedenfalls für die Zeit bis zur Entscheidung des Senats. Denn in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung [VwGO], 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 RdNrn. 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes scheidet damit in aller Regel aus, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat. Die Antragsteller haben trotz entsprechender Hinweise keine Umstände vorgetragen, die hier ausnahmsweise zur Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume führen könnten. Bislang konnten der Lebensunterhalt und die Unterkunftskosten aus den zur Verfügung stehenden Einnahmen im Wesentlichen gedeckt werden. Lediglich für März 2007 sind Mietschulden in Höhe von 53 Euro angefallen, die für sich genommen einen Anordnungsgrund für zurückliegende Zeiträume nicht rechtfertigen.

Es ist aber auch für künftige Zeiträume nicht erkennbar, dass erhebliche Nachteile drohen. Die Vermieterin hat wegen der Mietschulden in Höhe von 53 Euro insoweit eine Frist bis zum 15. April 2007 gesetzt, diese Schulden auszugleichen. Selbst wenn in den folgenden Monaten weitere Schulden hinzutreten, ist eine Schuldenlage, die die Vermieterin zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a) oder b) iVm § 569 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechtigen würde oder die zu ansonsten nicht hinnehmbaren Einschränkungen in der Lebensführung der Antragsteller zwingen würde, nicht erkennbar. Schließlich ist durchaus möglich, dass für künftige Bewilligungsabschnitte (ab dem 1. Juni 2007) eine Anpassung der Verwaltungspraxis an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erfolgt. Der Senat brauchte nach alledem die von den Senaten des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg uneinheitlich beurteilte Frage nicht zu entscheiden, ob schon das Vorliegen einer Kündigungslage nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB, erst der Ausspruch einer solchen Kündigung, die Rechtshängigkeit einer Räumungsklage (mit der letzten Möglichkeit der Abwendung der Kündigung in der Frist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB) oder gar erst das Vorliegen eines Räumungstitels einen Anordnungsgrund im Hinblick auf Mietschulden darstellen kann. Allein die Verfahrensdauer des Hauptsacheverfahrens vermag einen Anordnungsgrund nicht zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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