L 10 Ar 172/85

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 14/3 Ar 358/83
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 Ar 172/85
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. Januar 1985 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Führung seines Arbeitsgesuchs als Schauspieler durch die Zentrale Bühnen-, Fernseh- und Filmvermittlung der Bundesanstalt für Arbeit (ZBF).

Anläßlich seiner Arbeitslosmeldung beim Arbeitsamt Darmstadt am 21. April 1983 beantragte der Kläger, daß sein Bewerberangebot als Schauspieler von der ZBF geführt werde. Nach dortiger Rücksprache wurde ihm vom Vermittler G. mitgeteilt, daß dafür eine abgeschlossene Schauspielausbildung Voraussetzung sei. Nachdem der Kläger Unterlagen über seine bisherigen Tätigkeiten als Schauspieler an die ZBF übersandt hatte, kam es auf Wunsch des Klägers am 22. August 1983 zu einem Vorsprechtermin, bei dem allerdings der vom Kläger als sachverständiger Beistand benannte Regisseur R.J. F. nicht teilnehmen durfte.

Mit Bescheid vom 24. August 1983 lehnte es die ZBF ab, das Arbeitsgesuch des Klägers zu führen; dieser verfüge nicht über eine abgeschlossene Schauspielerausbildung, ebensowenig könne er auf eine kontinuierliche mehrjährige Theaterpraxis, die u.U. eine Ausbildung ersetzen könnte, verweisen und die bisherigen – sporadischen – schauspielerischen Aktivitäten seien nicht geeignet, den Mangel der fehlenden Ausbildung zu ersetzen. Ferner habe das Vorsprechen des Klägers vor den vier Theatervermittlern der ZBF deutlich gemacht, daß er weder über das nötige handwerkliche Können noch über schauspielerische Mittel verfüge. Aus diesen Gründen sei eine Aufnahme in den Bewerberkreis der ZBF nicht möglich.

Der Kläger widersprach mit Schreiben vom 28. August 1983, in dem er vortrug, zum einen sei die Beurteilung seines Vorsprechens in unsachlicher Weise erfolgt, zum anderen seien die Kriterien der Beklagten eigenmächtig und letztlich vorgetäuscht.

Mit Bescheid vom 17. November 1983 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung heißt es, die Arbeit der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung müsse sich an den Regeln, die auf dem künstlerischen Arbeitsmarkt gelten, orientieren. Daraus ergebe sich, daß ein Schauspieler, der den Anspruch erhebe, an ein professionelles Theater vermittelt zu werden, über eine fundierte Schauspielausbildung verfügen müsse, zumindest aber – in Ausnahmefällen – sei eine mehrjährige, kontinuierliche Theaterpraxis an einem professionellen Haus erforderlich. Über keine dieser Voraussetzungen verfüge der Kläger.

Mit der am 25. November 1983 beim Sozialgericht Darmstadt (SG) erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er vertrat die Auffassung, durch seine Tätigkeit am V. Theater F. und dem F. Theater D. sowie dem Theater C. Zumindest die eine der von der Beklagten genannten Vermittlungsvoraussetzungen, nämlich die kontinuierliche, mehrjährige Theaterpraxis an professionellen Häusern, zu erfüllen.

Nach Einholung von Auskünften bei zwei der genannten Bühnen wies das SG die Klage durch Urteil vom 8. Januar 1985 ab. In den Entscheidungsgründen führte das Gericht aus, die Entscheidung der Beklagten sei ermessensfehlerfrei zustande gekommen, nachdem die bisherigen Engagements des Klägers die Vermittlungskriterien nachweislich nicht erfüllten. Anhaltspunkte für eine gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende Praxis der Beklagten ergäben sich nicht.

Gegen dieses dem Kläger am 25. Januar 1985 zugestellte Urteil richtet sich die am 20. Februar 1985 eingelegte Berufung. Der Kläger hält die Ablehnung nach wie vor für ermessensfehlerhaft; tatsächlich sei nämlich einerseits seine schauspielerische Erfahrung und Qualifikation nicht anhand der Ermessensrichtlinien der ZBF überprüft worden, andererseits sei eine Beurteilungspraxis, die Talente nach Formalkriterien werte, ohnehin nicht sachgerecht. Darüber hinaus ist der Kläger der Ansicht, durch seine weiteren zwischenzeitlich erfolgten filmschaffenden und schauspielerischen Aktivitäten nunmehr die Voraussetzungen zu erfüllen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 8. Januar 1985 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. August 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1983 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sein Arbeitsgesuch als Schauspieler im Bewerberangebot der Zentralen Bühnen-, Fernseh- und Filmvermittlung der Beklagten zu führen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht sich die Gründe des angefochtenen Urteils zu eigen und sieht auch in den weiteren zwischenzeitlich erfolgten Engagements des Klägers keine Tatsachen, die zu einer anderen Beurteilung des Falles Anlaß böten.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch in der Sache unbegründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Führung seines Vermittlungsgesuches durch die ZBF.

Wie bereits das Bundessozialgericht (BSG-Urteil vom 25. Juli 1985 – 7 RAr 33/84 –) mit überzeugender Begründung festgestellt hat, ergibt sich aus den §§ 13, 14 AFG zwar ein subjektiv-öffentlicher Anspruch auf ein Tätigwerden der Beklagten, dieses verwirklicht sich jedoch nicht in der Form der Erfüllung eines Rechtsanspruches auf eine nur allein richtige Handlung, vielmehr verbleibt der Beklagten die Wahl der dafür geeignetsten Maßnahme unter mehreren. Die Entscheidung über ein Vermittlungsbegehren erfolgt demgemäß durch Ausübung eines durch das Gesetz eingeräumten Ermessens. Deshalb hat sich die Überprüfung der angefochtenen Bescheide – wie vom SG zutreffend dargelegt wurde – auf die Frage zu beschränken, ob die Beklagte die Grenzen ihres Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in zweckwidriger Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Derartige Ermessensfehler sind nicht festzustellen. Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 AFG hat die Beklagte bei dem Verfahren der Arbeitsvermittlung die besonderen Verhältnisse der freien Arbeitsplätze, die Eignung der Arbeitsuchenden und deren persönliche Verhältnisse zu berücksichtigen sowie die Kenntnisse und Möglichkeiten Dritter zu nutzen. Maßstab zur Auslegung dieser Vorschrift ist dabei die Aufgabe der Beklagten, eine sozial gerechte, aber auch arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitisch sinnvolle und sachgerechte Arbeitsvermittlung zu betreiben (BSG, a.a.O. – m.w.N. –).

Die Beklagte hat die Ablehnung der vom Kläger gewünschten vermittlerischen Betreuung durch die ZBF mit dessen mangelnder Eignung für die dort geführten Stellenangebote ermessensfehlerfrei begründet. Denn bei dem Begriff der Eignung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, für dessen Anwendung der Beklagten ein Beurteilungsspielraum zusteht, weil er in einer Ermessensvorschrift enthalten ist; dessen Anwendung ist deshalb unter den gleichen Voraussetzungen zu prüfen, wie die Ermessensentscheidung als solche. Immer dann ist danach der Verwaltung eine Beurteilungsermächtigung eingeräumt, wenn sie aufgrund persönlichen Eindrucks, besonderer Erfahrungen und Sachkunde über die Beurteilung außerrechtlicher Gesichtspunkte in erster Linie berufen erscheint, verbindliche Qualifikationen vorzunehmen (so BSG, a.a.O.). Die Kontrolle des Senats ist somit auf die Frage begrenzt, ob die Beklagte von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie durch die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes abstrakt ermittelte Grenzen beachtet und eingehalten hat und ob sie ihre Subsumtionserwägungen so verdeutlicht und begründet hat, daß die zutreffende Anwendung der Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.).

Dies ist nach der Überzeugung des Senats der Fall. Die Beklagte hat das Vermittlungsgesuch des Klägers erst abgelehnt, nachdem sie ihm Gelegenheit geboten hatte, seine Eignung als Schauspieler bei einem Vorsprechtermin unter Beweis zu stellen. Da der Kläger, wie im erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt ist, sich nicht anders entsprechend den von der Beklagten zulässigerweise aufgestellten Kriterien qualifizieren konnte, blieb allein diese Möglichkeit. Entsprechend dem eigenen Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 2. Juli 1986 waren bei dem Vorsprechtermin seinerzeit jedenfalls zwei Vermittler zugegen, die zumindest über die formale Qualifikation zur Beurteilung der künstlerischen Leistung verfügten. Da die Organisation dieser Veranstaltung untrennbar mit dem Ermessens- und Beurteilungsspielraum der Beklagten verbunden ist, reicht dies aus, denn es wäre der Beklagten ebenso unbenommen, lediglich einen der Fachvermittler mit dieser Aufgabe zu betrauen. Es liegt in der Natur dieses prüfungsähnlichen Geschehens, daß die Kontrolle durch den Senat auf die Überprüfung dieser eher formalen Fragen beschränkt ist; ihm ist daher auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Auffassung der Beklagten über den Regisseur R. J. F. verwehrt, den der Kläger nicht etwa als Beistand im Sinne des § 73 SGG, sondern als Theatersachverständigen hinzuziehen wollte. Auch diese Entscheidung der Beklagten hält sich im Rahmen der ihr zustehenden Spielräume. Der Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes hat die Beklagte jedenfalls ausdrücklich zugestimmt.

Unter Berücksichtigung der Ermessensrichtlinien der Beklagten ist es auch nicht zu beanstanden, daß die Beklagte sich durch die im Verlauf des Verfahrens erfolgen Engagements des Klägers nicht veranlaßt sieht, ihre Ablehnung aufzugeben. Denn keines dieser Engagements erfüllt die von der Beklagten genannten Qualifikationskriterien.

Wie schließlich vom Sozialgericht ebenfalls zutreffend dargelegt wurde, bestehen auch keine Bedenken an der rechtlichen Verbindlichkeit der Ermessensrichtlinien. Wenn der Kläger mit der Berufung nun vorträgt, sie seien als verfassungswidrig anzusehen, weil sich der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz (GG) nach dem gegenwärtig geltenden Inhalt dieser Richtlinien zu einem Gleichschaltungsgrundsatz markiert habe, der unvertretbar sei, so wird dabei übersehen, daß die Beklagte den Kläger, gerade weil dieser die Kriterien nicht erfüllte, zu dem Vorsprechtermin eingeladen hat. Damit hat die Beklagte erwiesenermaßen der Besonderheit des Einzelfalles Rechnung getragen. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes kann jedoch nur dann vorliegen, wenn die Beklagte gleiche Sachverhalte ungleich oder ungleiche Sachverhalte gleich behandeln würde. Von einer derartigen Willkür kann vorliegend jedoch keine Rede sein.

Nach allem mußte der Berufung der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG aufgeführten Gründe vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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