L 20 B 28/07 SO ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 27 SO 30/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 28/07 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 02.03.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt.

Gründe:

Das Sozialgericht hat es mit Beschluss vom 02.03.2007 zu Recht abgelehnt, auf den Antrag des Antragstellers vom 22.02.2007 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu verpflichten.

Der Antragsteller verfügt ausweislich eines Rentenbescheides vom 08.11.2006 der Deutschen Rentenversicherung Bund über eine monatliche Netto-Rente wegen voller Erwerbsminderung von 563,79 EUR. Ausweislich seiner Angaben im Antrag auf Grundsicherung nach dem SGB XII zahlt er Gesamtkosten für Unterkunft (ohne Heizung) in Höhe von monatlich 177,09 EUR zzgl. eines monatlichen Heizkostenabschlags von 15,34 EUR (insgesamt: 192,43 EUR). Berücksichtigt man als Bedarf für den notwendigen Lebensunterhalt nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 28 SGB XII einen monatlichen Regelsatz von 345,00 EUR sowie nach § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i.V.m. § 29 SGB XII die monatlichen Unterkunftskosten mit 192,43 EUR, so bleibt dem Antragsteller nach Abzug dieser Bedarfe von seinem Renteneinkommen nach wie vor ein frei einsetzbarer Betrag monatlich 26,36 EUR. Sofern er darauf verweist, dass er auch Stromkosten zu tragen habe (lt. Angaben im Antrag auf Grundsicherung monatlich 23,70 EUR), so sind diese Stromkosten aus dem Regelsatz des § 28 SGB XII zu bestreiten.

Dem Antragsteller steht auch nicht etwa ein Mehrbedarf nach § 42 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII zu. Zwar ist dem Antragsteller ausweislich des Abhilfebescheides des Versorgungsamts Köln vom 12.04.2007 ein Grad der Behinderung (GdB) von 70 zuerkannt, nicht jedoch das Merkzeichen "G". Für einen Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII ist jedoch nicht nur die Feststellung einer Schwerbehinderung, sondern zusätzlich die Zuerkennung des Merkzeichens "G" Voraussetzung (Urteil des Senats vom 22.01.2007 - L 20 SO 55/06).

Für eine abweichende Festsetzung des Regelbedarfs nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII besteht kein Anlass. Der Senat nimmt insbesondere keinen Anstoß daran, dass das Sozialgericht den im Hauptsacheverfahren S 27 SO 54/06 eingeholten Befundbericht der Praktischen Ärztin C aus L vom 14.09.2006 berücksichtigt hat, in dem ausgeführt ist, es bestehe keine Notwendigkeit für eine spezielle Ernährung des Antragstellers. Zwar macht der Antragsteller geltend, er leide an Hyperlipidämie und und Hypertonie und benötige deswegen besondere Krankenkost. Es ist bei summarischer Prüfung allerdings nicht ersichtlich, dass diese Krankheiten eine Ernährung notwendig machten, die zu Mehrkosten führten. Das Sozialgericht hat insofern zutreffend auf den Beschluss des Senats vom 21.03.2006 - L 20 B 58/05 SO ER hingewiesen. Etwa verbleibende restliche Zweifel können zumutbar im Hauptsacheverfahren S 27 SO 54/06 geklärt werden.

Der Senat stimmt dem Sozialgericht auch insofern zu, als es für die vom Antragsteller benutzten sonstigen Arzneimittel (z.B. Salben) keine abweichende Ermittlung des Bedarfs für notwendig erachtet. Dem Antragsteller ist auch insofern eine endgültige Klärung im Hauptsacheverfahren zuzumuten, zumal er bei summarischer Prüfung, wie gezeigt, aus seinem Renteneinkommen oberhalb seines sozialhilferechtlichen Bedarfs noch über einen Einkommensbetrag von 26,36 EUR verfügt.

Eine abweichende Festlegung des Bedarfs im Sinne von § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII ist bei summarischer Prüfung auch nicht etwa deshalb notwendig, weil der Antragsteller aufgrund körperlicher Behinderungen zwingend auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen wäre. Ausweislich des vom Antragsteller vorgelegten Abhilfebescheides des Versorgungsamts Köln vom 12.04.2007 rechtfertigt sich sein GdB von 70 durch die Beeinträchtigungen Persönlichkeitsstörung, Angststörung, Somatisierungsstörung, ferner leichtgradige Funktionsstörung der Brust- und Lendenwirbelsäule mit geringer Fehlhaltung sowie Krampfaderbildung. Eine Beeinträchtigung seiner Bewegungsfähigkeit, welche die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zwingend machen würde, ergibt sich daraus nicht. Entsprechende Gesundheitsstörungen sind auch im Attest der Praktischen Ärztin Bergmann vom 14.09.2006 nicht bestätigt und folgen zudem nicht aus den Fremdarztberichten, die die Ärztin ihrem Befundbericht beigelegt hat. Jedenfalls in Fällen wie hier, in denen keine erheblichen Besonderheiten hinzutreten, sind jedoch Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel aus dem Regelsatz zu bestreiten.

Schließlich kommt auch eine abweichende Bedarfsfestsetzung nicht in Betracht, soweit der Antragsteller wegen Fehlens einer Warmwasserquelle in seiner Wohnung auf die Notwendigkeit der Inanspruchnahme von Waschsalons zum Waschen seiner Wäsche verweist. Auch die Kosten für das Waschen von Wäsche sind bei summarischer Prüfung bereits mit dem Regelsatz abgegolten, gleichviel, ob ein Waschsalon benutzt wird oder eine eigene Waschmaschine (welche das notwendige Warmwasser auch ohne sonstige Warmwasserquelle in der Wohnung bereitstellen würde).

Besteht deshalb bei summarischer Prüfung in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht bereits kein Anordnungsanspruch (im Sinne der Glaubhaftmachung des geltend gemachten materiell-rechtlichen Anspruchs), so kann die Frage, ob ein Anordnungsgrund (im Sinne eines Eilbedürfnisses für eine gerichtliche Entscheidung) besteht, offen bleiben. Der Senat hält allerdings den Hinweis für angebracht, dass er entgegen der Ansicht des Sozialgerichts in ständiger Rechtsprechung den Verweis der Hilfesuchenden auf Minderleistungen in Höhe von 70 oder 80 % der gesetzlichen Regelleistungen bis zur endgültigen Klärung im Hauptsacheverfahren in Fällen der Grundsicherung nicht für zulässig hält. Wäre deshalb im vorliegenden Fall ein Anordnungsanspruch nicht zweifelhaft gewesen, hätte ein Anordnungsgrund kaum verneint werden können. Dies folgt daraus, dass Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII oder nach dem SGB II allein das soziokulturelle Existenzminimum sicherstellen (vgl. hierzu etwa Münder, in: LPK-SGB II, § 1 Rn. 5; Rothkegel, in: derselbe [Hg], Sozialhilferecht, 2005, II.3. Rn. 28; Martinez Soria, Das Recht auf Sicherung des Existenzminimums, JZ 2005, S. 644, S. 647 f.). Soll dieses soziokulturelle Existenzminimum jedem Menschen eine materielle, individuelle und gemeinschaftliche Teilhabe an seiner Umwelt ermöglichen (Martinez Soria, S. 648), so erscheint es angesichts der oftmals mehrjährigen Dauer von Hauptsacheverfahren nicht angemessen, Hilfesuchende bei Anrufung der Gerichte auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bei glaubhaft gemachtem Anordnungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des Anordnungsgrundes auf Leistungen deutlich unterhalb dieses soziokulturellen Existenzminimums zu verweisen. Mangels Anordnungsanspruchs führen diese Erwägungen im vorliegenden Fall jedoch nicht zu einem Obsiegen des Antragstellers.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Hat die Beschwerde des Antragstellers keinen Erfolg, so besteht zugleich keine hinreichende Erfolgsaussicht seiner Rechtsverfolgung im Sinne von § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO); die Gewährung von Prozesskostenhilfe war deshalb abzulehnen.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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