S 12 RA 791/04

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 12 RA 791/04
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 R 60/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 19. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2004 wird abgeändert. Die Beklagte wird verpflichtet, die mit Rente der gesetzlichen Unfallversicherung bei einer MdE von 20 v. H. zusammentreffende Altersrente ab 1. Januar 1999 ausgehend von dem Grenzbetrag beim Zusammentreffen dieser Renten zu gewähren, der sich bei Berücksichtigung des Freibetrages der Unfallrente in Höhe der Mindestgrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG in der jeweils gültigen Fassung ergibt.

2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

Tatbestand:

Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe der Altersrente der Klägerin.

Die 1934 geborene Klägerin, die ihr gesamtes Berufsleben im sog. Beitrittsgebiet zurückgelegt hat, hatte am 13. Juni 1984 einen Unfall erlitten, der seinerzeit von der Verwaltung der Sozialversicherung als sog. Arbeitswegeunfall mit dem Anspruch auf Teilrente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente anerkannt worden war; von der Bau-Berufsgenossenschaft Hannover wird diese Rente als Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 20 v. H. weitergewährt.

Auf ihren Antrag vom 7. März 1994 erhält die Klägerin Altersrente entsprechend dem Rentenbescheid vom 5. August 1994; die Unfallrente belief sich seinerzeit auf 328,60 DM monatlich.

Die Rentenberechnung führte zu 46,3403 persönlichen Entgeltpunkten (Ost), daraus ergab sich rechnerisch ein anfänglicher monatlicher Rentenanspruch in Höhe von 1598,28 DM brutto. Der Auszahlungsbetrag wurde wegen des gleichzeitigen Bezuges von Unfallrente auf 1502,18 DM brutto gekürzt. Der Rechengang, der dieser Kürzung zugrunde lag, wurde in der Anlage 7 zum Rentenbescheid dargestellt: Die Rentenbezüge wurden addiert, wobei statt des Zahlbetrages der Unfallrente 2/3 der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz angesetzt wurde, also ein Freibetrag in Höhe von 1/3 dieser Mindestgrundrente unberücksichtigt blieb; dabei wurde die Grundrente nicht in voller Höhe, sondern nur in Höhe des Betrages in Ansatz gebracht, der sich durch die Modifizierung von § 31 BVG in § 84a BVG - entsprechend den Maßgaben des Einigungsvertrags (Kapitel VIII Sachgebiet K Abschnitt II und III Nr. 1 Buchstabe a) in der Gesetzesfassung vom 31. August 1990 (BGBl. II S. 889, S. 1067) ergab. Weil die Summe der so ermittelten Rentenbezüge den sog. Grenzbetrag überstieg, der sich ergab aus dem Produkt des Rentenartfaktors der gesetzliche Rentenversicherung und 70 % des der Unfallrente zugrunde liegenden Jahresarbeitsverdienstes, wurde die gesetzliche Rente auf diesen Betrag gekürzt.

Der Rentenbescheid wurde bestandskräftig.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit den Beschlüssen vom 14. März 2000 (Az.: 1 BvR 284/96; 1 BvR 1659/96) entschieden hatte, dass die Absenkung der sog. Mindestgrundrente nach dem BVG für die Rentenbezieher im sog. Beitrittsgebiet ab 1. Januar 1999 verfassungswidrig und deshalb § 84a BVG insoweit nichtig ist ( BGBl. I S 445) und das Bundessozialgericht mit Urteil vom 10. April 2003 (Az.: B 4 RA 32/02 R) entscheiden hatte, es fehle an einer gesetzlichen Rechtsgrundlage für die Verwendung des abgesenkten Betrages der Mindestgrundrente nach dem BVG bei der Ermittlung der Rentenbezüge beim Zusammentreffen von Unfallrente mit Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, so dass der bei der Ermittlung des Freibetrages von der nicht gekürzten Mindestrente des BVG auszugehen sei, beantragte die Klägerin am 28. April 2003 die Überprüfung des Rentenbescheides.

Die Beklagte stellte die Entscheidung zurück, ohne die Klägerin davon zu benachrichtigen, obwohl auch der 13. Senat des BSG mit Urteil vom 20. November 2003 (Az.: B 13 RJ 5/03 R) im Ergebnis zu dem einem gleichen Votum wie der 4. Senat des BSG gekommen war.

Die Klägerin erhob mit Schriftsatz vom 22. März 2004, der am 26. März 2004 bei Gericht eingegangen ist, die diesem Verfahren ursprünglich zugrunde liegende Untätigkeitsklage.

Die Beklagte begründete jetzt die unterbliebene Bearbeitung des Überprüfungsantrages mit dem Hinweis auf eine anstehende Gesetzesänderung: Der Gesetzgeber werde sich mit der von den Senaten des BSG aufgeworfenen Problematik befassen; das Ergebnis dieser Gesetzgebung stehe kurz bevor und sei abzuwarten.

Mit Datum des 19. Juli 2004 erließ sie auf Anregung des Gerichts den mit der Untätigkeitsklage geltend gemachten Überprüfungsbescheid mit Datum vom 19. Juli 2004. Hierin führte sie aus, dem Antrag "könne" "derzeit noch nicht" stattgegeben werden, weil die Entscheidungsgründe des Urteiles des 4. Senates vom 10. April 2003 noch nicht vorlägen.

Die Klägerseite kündigte darauf hin an, sich im laufenden Verfahren gegen diesen Bescheid mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu wenden.

Die Beklagte sah in dieser angekündigten Antragsstellung den Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. Juli 2004, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2004 abschlägig verbeschied.

Zur Begründung führt sie aus, der Gesetzgeber habe jetzt durch eine Klarstellung des § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a SGB VI in dem Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1791) die Problematik, die der 4. und der 13. Senat des BSG in den o. g. Urteilen vom 10. April 2003 und 20. November 2003 aufgezeigt hätten, rückwirkend zum 1. Januar 1992 klargestellt, in dem dort nunmehr auf § 31 in Verbindung mit § 84a BVG verwiesen werde. Damit gelte bei der Anrechnung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf die Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den sog. Neuen Bundesländern weiterhin ein niedriger Freibetrag. Die Anrechnung der Unfallrente sei deshalb zutreffend erfolgt und der Widerspruch habe keinen Erfolg haben können.

Die Klägerseite hält dessen ungeachtet die Kürzung der gesetzlichen Altersrente nach wie vor für fehlerhaft nachteilig. Sie sieht sich bestätigt durch das Urteil des BSG vom 20. Oktober 2005 (Az.: B 4 RA 12/05 R), mit dem das instanzhöchste Sozialgericht auch unter Berücksichtigung der gesetzlichen Änderung des § 93 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz dem Ergebnis kommt, dass der Freibetrag der nicht anrechenbaren gesetzlichen Unfallrente beim Zusammentreffen mit Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nach wie vor nicht nach einem für das Beitrittsgebiet gekürzten, sondern von dem ungekürzten Grundrentenbetrag nach § 31 BVG zu ermitteln ist.

Die Beklagte lehnt es ab, der Argumentation und/oder dem Ergebnis dieser Entscheidung zu folgen.

Nachdem der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 19. Juni 2006 im Rahmen der Änderung von Vorschriften des sozialern Entschädigungsrechtes über den Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Bettrittsgebiet (BGBl. I S. 1305) in einem Gesetzesartikel "01" § 84a BVG in der Fassung vor dem Beschluss des BVerfG vom 14. März 2000 (a.a.O.) mit Wirkung vom 1. Januar 1991 nochmals in Kraft gesetzt hat, sieht sie sich in ihrer Rechtsauffassung bestätigt.

Mit der Regelung des Inkrafttretens von Art. 01, mit dem § 84a BVG in der Fassung, die diese Norm vor der o. g. Entscheidung des BVerfG ab 1. Januar 1999 hatte, hat der Gesetzgeber gemeint klarstellen zu sollen, dass er die Geltung der ab 1. Januar 1999 verfassungswidrigen Normfassung, wie sie das BVerfG in der o. g. Entscheidung festgestellt hatte, ausdrücklich in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1998 wünscht.

Die Kammer hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass sich den gerichtlich erreichbaren Materialien zu dem RVNG vom 21. Juli 2004 hinsichtlich der mit Rückwirkung zum 1. Januar 1992 beschlossenen Neufassung des § 93 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI durchaus geschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber keine Neuregelung eines zuvor gesetzlichen nicht oder anders geregelten Sachverhaltes herbeiführen wollte, sondern dass er lediglich die bisherige Rechtslage, die er offenbar durch mehrere Urteile des BSG verkannt sah, verbindlich klarstellen wollte. Die gleiche Absicht, die bestehende Rechtslage statt zu verändern nur klarzustellen hat den Gesetzgeber offenbar auch bei der Regelung des "Art. 01" des Gesetzes vom 19. Juni 2006 (BGBl. I S. 1305) geleitet, als er durch eine Ergänzung des Gesetzestextes im bereits eingeleiteten Gesetzgebungsverfahren, das im übrigen ansonsten einen anderen Sachverhalt, nämlich den Dienstbeschädigtenausgleich betrifft einen Art. 01 vor Art. 1 dieses Gesetzes platzierte und so spontan und gezielt auf das BSG-Urteil des 4. Senates vom 20. Oktober 2005 reagierte.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 19. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die mit Rente der gesetzlichen Unfallversicherung bei einer MdE von 20 v. H. zusammentreffende Altersrente ab 1. Januar 1999 ausgehend von dem Grenzbetrag beim Zusammentreffen dieser Renten zu gewähren, der sich bei Berücksichtigung des Freibetrages der Unfallrente in Höhe der Mindestgrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG in der jeweils gütigen Fassung ergibt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30. November 2006 und die Verfahrens- und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündliche Verhandlung und der geheimen Beratung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Die ursprünglich erhobene Untätigkeitsklage hat sich durch den Erlass des damit angestrebten Bescheides vom 19. Juli 2004 erledigt.

Nach der zulässigen Klageänderung richtet sich die Klage jetzt mit einer Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen den Bescheid vom 19. Juli 2004 in der Gestalt, die er durch den während des Klageverfahrens erlassenen Widerspruchsbescheid vom 20. September 2004 gefunden hat.

Die Klage ist begründet.

Der Bescheid vom 19. Juli 2004 und der diesen bestätigende Widerspruchsbescheid vom 20. September 2004 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin dadurch in ihren Rechten.

Die Klägerin hatte auf Grund ihres Überprüfungsantrages vom 28. April 2003 Anspruch auf die Neuberechnung ihrer gesetzlichen Altersrente ab 1. Januar 1999 wegen der Ermittlung des Freibetrages beim Zusammentreffen dieser Rente mit einer Rente der gesetzlichen Unfallversicherung bei einer unfallbedingten MdE von 20 v. H., weil dieser Freibetrag zu ihrem Nachteil ausgehend von abgesenkten Beträgen der Grundrente des BVG für Berechtigte im sog. Beitrittsgebiet gebildet worden war, statt von der nicht gekürzten Grundrente auszugehen.

Gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist die Beklagte zur Rücknahme auch eines formal unanfechtbar gewordenen Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit verpflichtet, wenn das Recht bei seinem Erlass unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und insoweit Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Vorliegend hat die Beklagte das bei Erlass des Rentebescheides vom 5. August 1994 und nachfolgenden Anrechnungsentscheidungen geltende Recht jedenfalls für die Bezugszeit ab 1. Januar 1999 unrichtig angewendet, soweit sie im Rahmen der Festsetzung der Anrechnungsbeträge beim Zusammentreffen von Rente der gesetzlichen Rentenversicherung mit Rente der gesetzlichen Unfallversicherung besondere, nämlich gekürzte Freibeträge für das sog. Beitrittsgebiet zugrunde legt.

Rechtsgrundlage für die reduzierte Auszahlung der rechnerisch zustehenden Rente der gesetzlichen Rentenversicherung beim Zusammentreffen dieser Rente mit Rente der gesetzlichen Rentenversicherung ist § 93 SGB VI.

Vom Grundsatz her ist die Kürzung der Rente der gesetzlichen Rente der Rentenversicherung rechtlich nicht zu beanstanden. Der mit der o. g. Norm vorgegebene Rechengang begegnet prinzipiell ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken.

Die hier durchgeführte Rechenoperation der Beklagten ist rechentechnisch nicht zu beanstanden.

Allerdings verletzt es die Klägerin in ihrem Recht auf Altersrente, dass ihr nur ein Freibetrag der nicht anrechenbaren Unfallrente in der Höhe von zwei Dritteln der gegenüber Rentenberechtigten des Alt-Bundesgebietes reduzierten Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz zugestanden wird. Dadurch ist die zu leistende Brutto-Rente der gesetzlichen Rentenversicherung monatlich um diesen Bruttobetrag zu gering.

Die Anrechnungsbestimmung in § 93 SGB VI hatte beim Inkrafttreten des SGB VI im Beitrittsgebiet zum 1. Januar 1992 - soweit hier einschlägig - folgende Fassung:

Absatz 1: Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf eine Rente aus eigener Versicherung und auf eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung wird die Rente insofern nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt.

Absatz 2: Bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bleiben unberücksichtigt bei der Verletztenrente aus der Unfallversicherung der Betrag, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz geleistet würde, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert zwei Drittel der Mindestgrundrente, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um zehn vom Hundert ein Drittel der Mindestgrundrente.

Absatz 3: Der Grenzbetrag beträgt 70 vom Hundert eines Zwölftels des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt, vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten ...

Durch das Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 wurden mit (Rück-) Wirkung ab dem 1. Januar 1992 in Absatz 2 die Worte der ursprünglichen Textfassung "dem Bundesversorgungsgesetz" ersetzt durch die Worte "§ 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes".

Noch mit Urteil vom 26. November 2004 war die Kammer zu der Ansicht gekommen, der Gesetzgeber habe durch diese textliche Änderung im Sinne einer sog. authentischen Normauslegung verbindlich klargestellt, dass er schon mit der ursprünglichen Textfassung bei der Anrechnung der Unfallrenten von Rentenbeziehern der neuen Bundesländer die Berücksichtigung des Freibetrages der in diesem Territorium abgesenkten Mindestgrundrente nach dem BVG festgeschrieben habe. Weil sich der Beschluss des BVerfG vom 14. März 2000 (Az.: 1 BvR 284/96; 1 BvR 1659/96) auf die Auswirkung der Absenkungsbestimmung des § 84a BVG für Rentenbezieher nach dem BVG bezieht, war die Kammer der Ansicht, diese Entscheidung habe auch nur insoweit die Verfassungswidrigkeit dieser Norm ab 1. Januar 1999 zur Folge.

Die anders lautenden Entscheidungen des 4. Senates des BSG vom 10. April 2003 (Az.: B 4 RA 32/02 R) und des 13. Senates vom 20. November 2003 (Az. B 13 RJ 5/03 R), die § 93 Abs. 2 SGB VI anders ausgelegt hatten, seien durch diese gesetzgeberische Klarstellung der Norm überholt. An dieser Ansicht hält die Kammer - soweit das den vorliegenden Streitgegenstand betrifft - nicht länger fest. Sie folgt nunmehr im Ergebnis den Urteilen des 4. Senates vom 20. Oktober 2005 (Az.: B 4 RA 12/05 R; 13/05 R, 18/05 R und 27/05 R), die jedenfalls im Ergebnis die hier zwischen den Verfahrensbeteiligten kontroverse Rechtsfrage nach wie vor zutreffend beantworten.

Das BSG hat in diesen Urteilen nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass die ursprüngliche gesetzliche Regelung von § 93 Abs. 2 SGB VI (a.F.) mit seiner Verweisung auf die Mindestgrundrente nach dem BVG keineswegs seit 1992 auch auf die in diesem Gesetz in § 84a BVG geregelten Besonderheiten des sog. Beitrittsgebietes "entsprechend der bisherigen Praxis der Träger der Rentenversicherung" Bezug genommen hat.

So hatte jedoch der 13. Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung des 15. Deutschen Bundestages während des Gesetzgebungsverfahrens, das zum RVNG führte, seinerzeit den Deutschen Bundestag in seinem Bericht vom 10. März 2004 – objektiv unzutreffend –

unterrichtet (BT-Drucksache 15/2678, S. 26 f.). Die Erläuterungen des Bundestagsausschusses mögen zwar eine Hilfe bei der Auslegung des § 93 Abs. 2 SGB VI i. F. des RVNG (n. F.) sein, sie sind jedoch allenfalls eine denkbare Gesetzesauslegung des § 93 Abs. 2 SGB VI a. F. und können deshalb für die gerichtliche Überprüfung keine höhere rechtliche Verbindlichkeit beanspruchen, weil sie im Verlauf eines Gesetzgebungsverfahrens geäußert worden sind, zumal sie unzutreffend sind. Der Ausschuss-Bericht steht mit seiner Rechtsmeinung daher neben anderen diesbezüglichen Rechtsauffassungen zum Regelungsgehalt von § 93 Abs. 2 SGB VI a. F ...

Auf den ursprünglichen Regelungsgehalt der Norm kommt es hier nach Ansicht der Kammer entscheidend an.

Die Ausführungen des 13. Ausschusses sind durchaus erhellend und stellen eine wichtige Hilfe bei der Auslegung der textlichen Fassung von § 93 Abs. SGB VI in der Fassung des RVNG dar, als dass damit unzweifelhaft feststeht, dass der Gesetzgeber mit der sprachlichen Veränderung der Norm keine neue Rechtslage herbeiführen wollte, dass er also keine Änderung der bestehenden Rechtslage etwa in der Weise erreichen wollte, dass rückwirkend eine von der bisherigen Rechtslage abweichende, für Rentenberechtigte der neuen Bundesländer ungünstigere Anrechnungsreglung entstehen sollte, als sie am 1. Januar 1992 gegolten hatte, dem Zeitpunkt, zu dem das SGB VI für Rentenberechtigte des sog. Beitrittsgebietes erstmals zur Anwendung kam.

Der reine Wortlaut der Änderung des § 93 Abs. 2 SGB VI n. F. könnte zwar auch für die rückwirkende Änderungsabsicht stehen, die dann allerdings gravierenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen müsste, weil der Gesetzgeber dann in bestehende Rentenansprüche oder -anwartschaften eingegriffen hätte, die unter dem Schutz des verfassungsrechtlichen Schutzes der Eigentumsgarantie stehen, soweit sie den Gegenwert eigener Beitragszahlung darstellen oder im Wege der Überleitung im Zusammenhang mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten von der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannt worden sind (BVerfG, Urteil vom 28. April 1999 Az.: 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95). Dass der Gesetzgeber mit der Änderung des § 93 Abs. 2 SGB VI a. F. durch das RVNG eine für die Rentenberechtigten günstigere Regelung schaffen wollte, ist den o. g. Gesetzesmaterialen auch an anderer Stelle allerdings nicht zu entnehmen.

Wenn der Gesetzgeber allerdings mit dem Austausch der Worte "dem Bundesversorgungsgesetz" durch die Worte "§ 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes" keine Neuregelung, sondern "nur" eine Klarstellung der bestehenden Rechtslage herbeiführen wollte, verbietet sich eine andere Norminterpretation, also eine solche, die der neu formulierten Bestimmung einen anderen Regelungsgehalt beimisst als er zuvor hatte.

Für eine gesetzgeberische Klarstellung könnte dann Raum sein, wenn die bisherige Rechtslage völlig unklar gewesen wäre und selbst mit den in der juristischen Fachliteratur und der Rechtsprechung anerkannten juristischen Methoden der Normauslegung kein verlässliches Ergebnis erzielt werden könnte.

Dass eine gerichtliche Normauslegung zu einem (fiskalisch) nicht erwünschten Resultat führt, ist sicherlich kein Kriterium für die Annahme einer gesetzlichen Unklarheit.

Allerdings steht es dem Gesetzgeber jederzeit frei, die bestehende Rechtslage nach seinem politischen Willen und Ermessen zu ändern. Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum ist in diesen Fällen groß und entzieht sich weitgehend der gerichtlichen Kontrolle, jedenfalls solange hierdurch keine höherrangigen Rechtspositionen der Normadressaten verletzt werden.

Ein solcher, die Rechtslage Gesetzgebungsakt, mit dem der Gesetzgeber die Rechtslage ändern wollte, liegt hier jedoch offensichtlich nicht vor, denn der Gesetzgeber hat im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens deutlich zu erkennen gegeben, dass er hier keine (Neu-) Regelung, sondern nur eine Klarstellung erreichen wollte.

Die Frage, ob eine bestehende Rechtsnorm unklar ist, ist jedoch eine Rechtsfrage, die zu beantworten in erster Linie Aufgabe der Rechtsprechung ist, die auf entsprechende Klagen hin mit den juristischen Auslegungsmethoden Normunklarheiten zu beseitigen hat. Aufgabe des parlamentarisch legitimierten Gesetzgebers ist es, Rechtsnormen zu schaffen, die von der Exekutive angewendet werden können und die mit der Rechtsordnung, insbesondere höherrangigem als Verfassungs- und Europarecht in Einklang stehen. Ob diese Rechtsanwendung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu beanstanden ist, entscheiden die dazu berufenen Gerichte, sofern sie zulässiger Weise angerufen werden (und nicht der Gesetzgeber). Die Frage des Regelungsgehaltes einer bestehenden Gesetzesnorm ist nach

diesem demokratischen Prinzip der sog. Gewaltenteilung, das in der Bundesrepublik Deutschland von Verfassung wegen gilt, mithin eine Frage, die prinzipiell in einem Gerichtsverfahren zu klären ist.

Die Unklarheit einer Gesetzesnorm liegt allerdings nicht schon dann vor, wenn ein einzelner Normadressat oder eine Gruppe von Adressaten eine Norm anders auslegen und anwenden als es eine andere Gruppe von Normadressaten für zutreffend hält. Sie ist auch nicht schon dann gegeben, wenn verschiedene Gerichte oder Spruchkörper bei der Auslegung von Normen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen.

Deshalb kann sicher nicht allein aus dem Umstand einer für die Rentenberechtigten im Beitrittsgebiet ungünstigeren Rechtsanwendungspraxis einer Gesetzesnorm, die bei anderer Auslegung zu einem finanziell vorteilhafteren Ergebnis führen würde, selbst wenn diese abgestimmte Rechtsauffassung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zunächst von Sozialgerichten nicht beanstandet wurde, dann aber von den verfahrensrechtlich zuständigen Revisions-Senaten des BSG verworfen wurde, noch nicht von einer unklaren Rechtslage ausgegangen werden. Es besteht die Möglichkeit, dass die höchstrichterliche instanzbeendende Entscheidung Erkenntnisse über den Regelungsgehalt einer Norm herausgearbeitet hat, die bei der bisherigen Anwendung oder gerichtlichen Überprüfung so nicht zur Verfügung standen und die keiner weiteren Klarstellung bedürfen, ggf. könnte sie im Verlauf weiterer Revisionsverfahren geschaffen werden.

Eine ggf. erst auf dem Rechtsweg erzielte Normklarheit ist nicht durch eine gesetzgeberische "Klarstellung" gewissermaßen ungeschehen zu machen. Damit würde das oben skizzierte Prinzip der Gewaltenteilung aufgehoben und der Gesetzgeber zu einer staatsverfassungsrechtlich nicht vorgesehenen Superrevisionsinstanz mutieren.

Der 4. Senat verweist deshalb zutreffend in den Urteilen vom 20. Oktober 2005 (Az. B 4 RA 18/05R u.a.) darauf, dass eine solche Durchbrechung des dem demokratischen Rechtssaat immanenten Prinzips der Gewaltenteilung zwischen Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung in anderen Staatsmodellen als dem des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vorkommen kann als ein "Majestätsrecht", das dem demokratischen Verfassungsstaat des Grundgesetzes jedoch fremd sein und bleiben muss.

Sofern der parlamentarisch legitimierte Gesetzgeber freilich eine gerichtlich festgestellte Rechtlage nicht länger wünscht, steht es ihm jederzeit frei, sie zu verändern.

Gerichte haben insoweit nur zu prüfen, ob die gesetzlichen Änderungen im Einklang mit höherrangigem Recht stehen und sie bei evtl. Unklarheiten ggf. nach juristischen Methoden auszulegen, wozu nicht nur die Berücksichtigung von Wortwahl und Normzusammenhang, sondern auch die Entstehungsgeschichte und der Wille des Gesetzgebers - sofern feststellbar - gehören, also die Auslegung von Gesetzesnormen unter Berücksichtigung von sog. Gesetzesmaterialien, also der amtlichen Begründung des Gesetzesentwurfes, der Protokolle von Ausschussberatungen und parlamentarischen Debatten, sofern solche überhaupt stattgefunden haben.

Wenn der Gesetzgeber – wie hier – eindeutig eine bestehende Rechtslage durch eine Textveränderung nicht ändern wollte, bedeutet dass allerdings, dass zu überprüfen ist, von welcher Rechtslage unmittelbar vor der Gesetzesinitiative auszugehen war. Diese Ausgangslage ist dann grundsätzlich die Richtschnur der Gesetzesauslegung der Neufassung.

Wenn die sprachliche Neufassung oder Korrektur der Norm hier vordergründig zu einem anderen Ergebnis führen würde, als es der Auslegung vor der Neufassung entsprach, so würde diese Normauslegung den im Gesetzgebungsverfahren klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers missachten und der Norm eine Bedeutung beimessen, die gesetzgeberisch erklärter Maßen nicht beabsichtigt war.

Das bedeutet aber gleichzeitig, dass jedenfalls in den Fällen, in denen die Normauslegung des ursprünglichen Gesetzestextes zu einem eindeutigen Befund geführt hat, eine Klarstellung durch den Gesetzgeber allenfalls dann zweckmäßig sein kann, wenn er dadurch größere Rechtssicherheit bei den Normadressaten erreichen will, die die Rechtsprechung nicht kennen müssen. Sie könnte auch dann aus Sicht des Gesetzgebers zweckmäßig sein, wenn er eine ständige oder sich gerade entwickelnde Rechtsprechung in Gesetzesnormen festschreiben will, etwa um eine weitere richterliche Rechtsfortentwicklung zu unterbinden – wobei er die justizielle Behandlung einer solchen Regelung nicht gerichtsverbindlich festschreiben kann, denn dadurch würde die Unabhängigkeit der Gerichte ausgehebelt.

Vor diesem Hintergrund kommt es für die Normauslegung von § 93 Abs. 2 SGB VI in der Fassung des sog. RVNG vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1791) auf den Regelungsgehalt dieser Norm in der unmittelbar vorausgehenden Fassung an, in der sie hinsichtlich des nicht zu berücksichtigenden Teils der ansonsten anrechenbaren Unfallrente pauschal auf die Mindestgrundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nicht auf konkrete Normen dieses Gesetzes verwies.

Hierzu hatte der 4. Senat des BSG mit dem Urteil vom 10. April 2003 (Az. B 4 RA 32/02 R) bereits entschieden, dass damit nur die Mindestgrundrente des § 31 BVG gemeint sein konnte.

Diese Auffassung trifft nach Ansicht der Kammer nach wie vor zu, denn die Normhistorie des § 93 Abs. 2 SGB VI a. F. lässt auf der Grundlage der sachlichen Feststellungen des 4. Senates des BSG kaum (mehr) eine andere Deutung zu:

In den Beratungen des SGB VI und damit dieser Norm in ihrer ursprünglichen Fassung im Jahre 1989 hat der Gesetzgeber an eine unterschiedliche Freibetragsregelung für Rentenberechtigte in der seinerzeitigen Bundesrepublik und der noch bestehenden DDR kaum denken können, Fragen der Wiedervereinigung und der Überleitung des westdeutschen Rentenrechts auf das Territorium der DDR spielten bei der parlamentarischen Beratung des SGB VI keine Rolle, jedenfalls haben sie keinen Niederschlag gefunden. Darauf hat das BSG schon in dem Urteil vom 10. April 2003 hingewiesen. Der Gesetzgeber, der mit der Neufassung des § 93 Abs. 2 SGB VI auf diese Rechtsprechung reagiert hat, hat diesem Befund des BSG an keiner Stelle des Gesetzgebungsverfahrens, das zum RVNG geführt hat – ausweislich der Gesetzesmaterialen – widersprochen, so dass die Kammer keinen Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung hat.

Der Wille des historischen Gesetzgebers war somit mitnichten auf eine Differenzierung zwischen der Rentenberechtigten in der Alt-Bundesrepublik und den Rentenberechtigten in den seit 1990 neuen Bundesländern gerichtet. Anhaltspunkte dafür, dass diese von den Trägern der Rentenversicherung ohne eine Änderung der Anrechnungsvorschrift des § 93 Abs. 2 SGB VI ab 1. Januar 1992 praktizierte Differenzierung dem seinerzeit aktuellen Willen des Gesetzgebers entsprochen hätte, liegen nicht vor.

So trifft es zu, dass die Rentenversicherungsträger als die Exekutive (vollziehende Gewalt) der Normen der gesetzlichen Rentenversicherung bei Rentenberechtigten, die ihren Wohnort in den neuen Bundesländern haben, ohne eine gesetzliche Ermächtigung einen geringeren Freibetrag der Rente der gesetzlichen Unfallversicherung in Ansatz gebracht haben und nach wie vor bringen, als sie es bei Rentenberechtigten in Westdeutschland praktizieren. Sie waren und sind insofern der Rechtsauffassung, die Notwendigkeit dieser Kürzung ergebe sich aus § 84a BVG, der durch die Maßgaben des Einigungsvertrages (Anlage 1, Kapitel VIII, Sachgebiet K, Abschnitt II) und das Einigungsvertrags-Gesetz in das BVG eingefügt wurde.

Aus dem Einigungsvertrag und den darüber verfügbaren Materialien ergibt sich jedoch weder, dass die Vertragsparteien des Einigungsvertrages oder der Gesetzgeber des Einigungsvertragsgesetzes bei der Überleitung des SGB VI auf das Beitrittsgebiet bzgl. § 93 Abs. 2 SGB VI tatsächlich seinerzeit den Willen zur Differenzierung gehabt haben, noch dass diese Frage auch nur bedacht worden wäre.

Darauf hat der 4. Senat des BSG in den Urteilen vom 20. Oktober 2005 (Az.: B4 RA 13/05 R u. a.) zutreffend hingewiesen. Es hatte außerdem ausgeführt, die Änderung des § 93 Abs. 2 SGB VI durch das RVNG mit der Bezugnahme auf § 84a BVG laufe leer, weil diese Norm nach der Entscheidung des BVerfG vom 14. März 2000 (Az.: 1 BvR 284/96; 1 BvR 1659/96) nichtig sei.

Im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung von Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechtes vom 23. Februar 2006 ( Bundestags-Drucksache 16/754) war eine Reaktion auf das o. g. BSG Urteil noch nicht vorgesehen. In der ersten parlamentarischen Behandlung fand insoweit keine Aussprache statt (vgl. Plenarprotokoll der 22. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 9. März 2006 S. 1665); der Gesetzentwurf wurde an die Ausschüsse zur Beratung überwiesen. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) hat am 5. April 2006 dem Deutschen Bundestag die Beschlussempfehlung mit der Änderung von § 84a BVG durch die erneute Kodifizierung in einem, dem Artikel 1 des Gesetzentwurfes vorangestellten Artikel 01 gegeben. Damit hat er die Wiederinkraftsetzung der Norm für die Zeit bis zum Verdikt der Verfassungswidrigkeit durch das BVerfG in der o. g. Entscheidung empfohlen. In der Begründung dieser Beschlussempfehlung heißt es (vgl. BT-Drucks. 16/1611, S. 12) dazu wörtlich: "Der Gesetzgeber reagiert mit der Klarstellung auf die in den Entscheidungen des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 20. Oktober 2005 (Az.: B 4 RA

13/05 R u. a.) im Widerspruch zu der genannten Rechtsprechung (Anmerkung: ob damit der zuvor genannte Beschluss des BVerfG zu § 84a BVG gemeint war, erscheint unklar) vertretenen Ansicht, wonach § 84a BVG nicht diejenigen erfasse, die seit dem 18. Mai 1990 dauerhaft im Beitrittsgebiet wohnen."

Der 16. Deutsche Bundestag hat in der Sitzung vom 7. April 2006 u. a. diese Gesetzesänderung beschlossen (Drucks. 269/06); Erklärungen oder eine Debatte haben zu Art. 01 des Gesetzes nicht stattgefunden. In der 822. Sitzung hat der Bundesrat am 19. Mai 2006 die Zustimmung zu diesem Gesetz ebenfalls ohne Aussprache (zu dieser Frage) beschlossen (vgl. Plenarprotokoll 822 S. 139 D, S. 155A).

Mit der Wiederinkraftsetzung von § 84a BVG ab 1. Januar 1991 in der Fassung dieser Norm, die durch das BVerfG im Urteil vom 14. März 2000 für die Zeit ab 1. Januar 1999 als verfassungswidrig festgestellt worden war, wollte der Gesetzgeber offensichtlich und erklärtermaßen einen Teil der oben dargestellten Argumentation des BSG in den Urteilen vom 20. Oktober 2005 (Az. B 4 RA 13/05 R u. a.) entkräften.

Ungeachtet der Frage, ob dem 4. Senat hinsichtlich seiner Ausführungen zu den Auswirkungen der o. g. Entscheidung des BVerfG zu § 84a BVG insoweit zu folgen wäre, ist diese Frage hier unerheblich und damit auch die Gesetzesänderung, die § 84a BVG betrifft.

Das ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber auch mit dieser Gesetzesänderung keine neue, von der bisherigen Rechtslage abweichende Regelung schaffen wollte, weder was § 84a BVG angeht, noch den hier entscheidungserheblichen § 93 Abs. 2 SGB VI.

Der Gesetzgeber wollte erklärtermaßen ausweislich der - wenn auch spärlichen - Bekundungen zu dieser Frage die bestehende Rechtslage klarstellen.

An diesem erklärten Willen des Gesetzgebers ist auch diese getroffene Regelung zu messen; der dokumentierte Wille des Gesetzgebers ist die Richtschnur der Normauslegung, Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber, also die konkret mit den Änderungsgesetzen befassten Gesetzgebungskörperschaften, die diese Gesetze beschlossen haben, während der Gesetzgebungsverfahren irgendwann einen Sinneswandel dahingehend vollzogen hätten, dass sie nicht bloß Klarstellungen, sondern Rechtsänderungen bewirken wollten.

Auf möglicher Weise davon abweichende Intentionen von individuellen Initiatoren der Gesetzesinitiativen kann es nicht ankommen, denn sie haben keinen sichtbaren und nachvollziehbaren Niederschlag im Gesetzgebungsverfahren gefunden, so dass sie weder für die Willensbildung noch für die Beschlussfassung der Gesetzgebungskörperschaften von Belang gewesen sein dürften und nicht für die Normauslegung herangezogen werden könnten.

Mithin ist festzustellen: Die ursprüngliche Fassung des § 93 Abs. 2 SGB VI (a.F.) ließ nicht erkennen, dass eine je nach Wohnort des Versicherten differenzierte Freibetragsregelung beim Bezug von Unfallrente neben Rente der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgen sollte. Die pauschale Anknüpfung des Freibetrages der Unfallrente an die Grundrente des BVG meinte ausschließlich die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Norm geltende Regelung des § 31 BVG im Sinne einer Rechtsfolgenverweisung.

Soweit das BSG allerdings in den o. g. Entscheidungen vom 20. Oktober 2005 meint, aus dieser Rechtsfolgenverweisung sei durch die "Klarstellung" des § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI im RVNG eine Rechtsgrundverweisung geworden, weil die Regelung sonst für alle unfallverletzten Rentenbezieher in Deutschland zur Kürzung des Freibetrages führe, kann ihm die Kammer nicht folgen. Denn dann würde der gesetzlich lediglich gewollten Klarstellung eine rechtsändernde Wirkung beigemessen, die der Gesetzgeber (wie oben ausgeführt) tatsächlich jedoch nicht wollte.

Die Normauslegung des § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI n. F. kann weder "im Guten" noch "im Schlechten" zu einem anderen Ergebnis führen, als die ursprüngliche Wortwahl, wenn sie den erklärten Willen des Gesetzgebers konsequent zur Richtschnur der Normauslegung macht. Allerdings ergibt sich daraus aber auch, dass der Gesetzgeber keine Schlechterstellung der Rentenbezieher, weder in Ost noch in West, regeln wollte.

Auf dem Boden des im Gesetzgebungsverfahren bekundeten Willens des Gesetzgebers kann weder der Textänderung des § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI durch das RVNG noch dem erneuten Gesetzesbeschluss des § 84a BVG in der Fassung vor dem Urteil des BVerfG vom 14. März 2000 eine anderer Regelungsgehalt beigemessen werden, als er vor dem Erlass des RVNG festzustellen war.

Dieser Regelungsgehalt der Anrechnungsvorschrift des § 93 Abs. 2 Buchstabe a SGB VI a. F. ist durch die o. g., im Ergebnis übereinstimmen Urteile des 4. und 13. Senates des BSG zutreffend festgestellt worden.

Gesetzliche Klarstellungen – wie sie seither vorgenommen worden sind – vermögen daran nichts zu ändern, zumal im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens keine Umstände namhaft gemacht worden sind, die die sachlichen Feststellungen, die den o. g. Urteilen zu Grunde liegen, auch nur ansatzweise widerlegen könnten.

Nachträgliche fiskalische Erwägungen, die den Gesetzgeber 2004 erstmalig dazu veranlasst haben dürften, die Anrechnungsvorschrift des § 93 Abs. 2 Buchstabe a SGB VI, die im vereinigten Deutschland bereits seit 1992 gilt, erst jetzt (textlich also redaktionell) zu verändern, sind bei der Auslegung der ursprünglichen Norm ohne Erkenntnisgewinn. Deshalb können solche Überlegungen auch bei nachfolgenden, erklärtermaßen lediglich redaktionellen Änderung der Norm – etwas anderes hat der Gesetzgeber mit dem RVNG offenbar nicht gewollt – keine Auswirkung entfalten.

Anderes könnte allerdings dann gelten, wenn diese fiskalischen Erwägungen schon bei den Verhandlungen über den Einigungsvertrag, also anlässlich der Überleitung des SGB VI auf das sog. Beitrittsgebiet einen objektivierbaren Niederschlag gefunden und so oder durch entsprechende Verlautbarungen anlässlich der Beratung und Verabschiedung des Einigungsvertragsgesetz vom 23. September 1990 (BGBl. II S. 885) eine Rolle gespielt hätten und so zu einem Kriterium der Normauslegung geworden wären.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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