L 3 U 47/05

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 U 58/02
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 47/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Mai 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) vorliegt und ihm wegen deren Folgen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren sind.

Der im XXX. 1957 in Ägypten geborene Kläger war seit November 1989 als Entsorger bei der Hamburger Stadtreinigung beschäftigt. Er war unter anderem in den Stadtteilen St. P. und St. G. eingesetzt. Zu seinen Aufgaben gehörte neben anderen Tätigkeiten auch die Entleerung der öffentlichen Abfallkörbe.

Im Mai 1995 wurde bei dem Kläger eine Hepatitis-C-Infektion festgestellt, die nach den vorhandenen Unterlagen im Juli 1991 noch nicht vorgelegen hatte. Der Infektionsbeginn wurde dementsprechend mit weniger als 4 Jahre zurückliegend vermutet. Mit seinem Antrag auf Anerkennung dieser Erkrankung als Berufskrankheit vom 17. Dezember 1997 machte der Kläger geltend, er habe sich während seiner beruflichen Tätigkeit von Juli 1991 bis Anfang 1995 mehrere Kanülenstichverletzungen beim Zusammenpressen von Müllbeuteln zugezogen, in denen sich Spritzen befunden hätten. Eine ärztliche Behandlung sei wegen dieser Verletzungen jedoch nicht durchgeführt worden. Aktenkundig ist lediglich eine am 29. Oktober 1997 ärztlich behandelte Kanülenstichverletzung.

In ihrer Stellungnahme vom 30. März 1999 führte die Staatliche Gewerbeärztin aus, ein Unfall in Form einer Kanülenstichverletzung lasse sich für den Zeitraum von 1991 bis 1996 nicht feststellen. Da der Kläger nicht einem Personenkreis mit erhöhter Infektionsgefährdung angehöre, könne seine Erkrankung auch nicht als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV anerkannt werden. Andererseits sei es wahrscheinlich, dass er sich die Infektion durch die berufliche Tätigkeit zugezogen habe. Beklagte und Arbeitgeberin sollten ein Verfahren entwickeln, welches Kanülenstichverletzungen bei Straßenreinigungstätigkeiten in einschlägig bekannten Stadtvierteln weitgehend vermeiden würde. Unter Bezugnahme auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. Mai 1999 und Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2002 die Anerkennung der Erkrankung als Berufskrankheit und die Gewährung von Leistungen ab.

Während des nachfolgenden Klageverfahrens hat der vom Sozialgericht zum medizinischen Sachverständigen bestellte Arbeitsmediziner Dr. P1 im Termin am 12. Mai 2005 ausgeführt, das Risiko, durch berufsbedingten Kontakt mit Blut oder anderen Sekreten an einer Hepatitis C zu erkranken, sei selbst für Beschäftigte im Gesundheitswesen nur in besonderen Risikobereichen belegt. Für ein generell erhöhtes Hepatitis-C-Risiko der Berufsgruppe der Müllentsorger gebe es keine wissenschaftlichen Indizien. Nach den vorliegenden Erkenntnissen liege das Infektionsrisiko für Hepatitis C nach Stichverletzungen mit entsprechend infizierten Nadeln nur bei ca. 2 % und damit um den Faktor 10 niedriger als das Risiko bei Hepatitis B. Im Übrigen ließen sich nach den vorliegenden Daten in 30 bis 50 % aller Fälle Hepatitis-C-Erkrankungen nicht auf eine definierte Ursache zurückführen.

Durch sein Urteil vom 12. Mai 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen des medizinischen Sachverständigen bestünden bereits Zweifel, ob der Kläger durch seine Tätigkeit als Entsorger einer besonderen Gefahr ausgesetzt gewesen sei. Selbst wenn man aber diese Frage bejahen würde, könnte im vorliegenden Falle keine Berufskrankheit anerkannt werden, weil nämlich völlig ungeklärt sei, wann und wo der Kläger sich mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert habe. Es fehle jeglicher Nachweis hinsichtlich eines Übertragungsweges durch den Stich mit einer infizierten Spritze. Da bei 30 bis 50% der Hepatitis-C-Erkrankungen die Ursache ungeklärt sei, könne auch bei dem Kläger nicht einfach unterstellt werden, dass die Infektion durch eine Spritze erfolgt sein müsse.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 15. August 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. September 2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist er auf die eingereichte ärztliche Stellungnahme des Internisten Prof. Dr. W. vom 27. September 2005, nach welcher aufgrund der Befunde feststehe, dass der Kläger sich die Infektion zwischen dem 14. Juni 1991 und dem 6. März 1995 zugezogen habe. Die Ansteckung mit Hepatitis C erfolge in weit über der Hälfte der Fälle durch infizierte Nadeln im Drogenmilieu. Für einen Drogenmissbrauch gebe es bei dem Kläger keinerlei Anhalt. Er habe sich jedoch nach seinen schon frühzeitig gemachten Angaben mehrfach mit Injektionsnadeln gestochen, als er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit am Hauptbahnhof Müllsäcke habe einsammeln müssen. Die Nadeln würden von intravenös Drogenabhängigen stammen, von denen 70 bis 90% eine Infektion mit He- patitis C hätten. Aufgrund dieser Tatsache sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die bei dem Kläger vorliegende chronische Hepatitis C Folge seiner beruflichen Tätigkeit.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Mai 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei dem Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und wegen deren Folgen Entschädigungsleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Nach den durchgeführten Ermittlungen habe festgestellt werden können, dass der Kläger während der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit nicht einer besonderen Infektionsgefahr im Sinne der Nr. 3101 der Anlage zur BKV ausgesetzt gewesen sei. Darüber hinaus habe der Nachweis einer Stichverletzung in der in Frage kommenden Zeit der Ansteckung (Juli 1991 bis Frühjahr 1995) nicht im Sinne des Vollbeweises gesichert werden können. Daran könnten auch die Äußerungen des Prof. Dr. W. in seinem Bericht vom 27. September 2005 nichts ändern, da der konkrete Nachweis einer Stichverletzung zu einem bestimmten Zeitpunkt auch hiermit nicht im Sinne des Vollbeweises geführt werden könne.

Der Senat hat die ergänzende Stellungnahme des Betriebsarztes F. vom 15. September 2006 nebst Krankenunterlagen sowie die Auskunft der Stadtreinigung Hamburg vom 28. August 2006 eingeholt, nach welcher die Häufigkeit von Nadelstichverletzungen (die seit 1997 zu melden sind) bei der Stadtreinigung ca. eine pro Jahr betrage. Der Stadtreinigung sei seit 1997 keine Erkrankung eines Mitarbeiters an Hepatitis-C bekannt geworden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der in der Sitzungsniederschrift vom 16. Januar 2007 aufgeführten Akten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) des Klägers ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Sozialgericht die auf Anerkennung der Hepatitis-C-Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV gerichtete Klage abgewiesen.

Zutreffend hat das Sozialgericht unter Hinweis auf die Regelung des § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – dargelegt, dass Voraussetzung für die Anerkennung einer Infektionskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage zur BKV ist, dass der Erkrankte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maß besonders ausgesetzt war. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Kläger war weder im Gesundheitsdienst noch in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig. Er war durch seine Tätigkeit als Entsorger bei der Hamburger Stadtreinigung auch nicht der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße wie die vorgenannten Berufsgruppen besonders ausgesetzt. Dies steht aufgrund der Ausführungen des vom Sozialgericht als medizinischen Sachverständigen gehörten Arbeitsmediziners Dr. P1 fest, der dargelegt hat, dass es für den Bereich der Entsorgung bisher keine wissenschaftlichen Indizien dafür gebe, dass ein generell erhöhtes Hepatitis-C-Risiko für diese Berufsgruppe bestehe. Bestätigt wird diese Beurteilung zur Überzeugung des Senats durch die Auskunft der Stadtreinigung vom 28. August 2006, nach welcher seit Einführung der Meldepflicht im Jahre 1997 nur etwa eine Nadelstichverletzung pro Jahr gemeldet werde und kein Hepatitis-C-Fall aufgetreten sei. Ein generell erhöhtes Infektionsrisiko für die Berufsgruppe der Müllentsorger lässt sich aufgrund dieser Umstände gerade nicht feststellen.

Ebenfalls zutreffend hat das Sozialgericht dargelegt, dass selbst wenn der Kläger einer besonders gefährdeten Berufsgruppe zuzuordnen wäre, die Anerkennung seiner Erkrankung als Berufskrankheit deshalb nicht in Betracht käme, weil es an dem konkreten Nachweis einer potentiellen Infektionsquelle in dem Zeitraum fehlt, in dem die Ansteckung erfolgt sein muss. Es fehlt somit an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhanges zwischen der Tätigkeit im gefährdeten Bereich und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität). Nur im Falle des Nachweises einer potentiellen Infektionsquelle in dem betreffenden Zeitraum genügt für die Begründung des Versicherungsschutzes allein die Tatsache, dass der Betroffene im gefährdeten Bereich tätig war und tatsächlich auch eine Infektionskrankheit erlitten hat. Es muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 30.5.1988 - 2 RU 33/87 - ) und dieser folgend auch des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom 12.3.1997 - III UBf 1/96 - und 24.6.98 - III UBf 39/94 - ) der Nachweis eines unmittelbaren oder mittelbaren beruflichen Kontakts zu einer Infektionsquelle – hier zu einer infizierten Spritze – erbracht sein. Eine solche Feststellung kann hier für die in Betracht kommende Zeit nicht getroffen werden. Daran vermag auch die vom Kläger eingereichte Stellungnahme des Internisten Prof. Dr. W. nichts zu ändern, zumal dieser den Kläger ersichtlich in der Zeit zwischen Juni 1991 und März 1995 nicht behandelt hat und die von ihm in seinem Bericht angeführten Angaben des Klägers erst erfolgt sind, nachdem das Berufskrankheitenverfahren bereits eingeleitet war. Im Übrigen übersieht dieser Arzt bei seiner Einschätzung, dass sich bis zu 50 % aller Hepatitis-C-Erkrankungen nicht auf eine definierte Ursache zurückführen lassen und auch nach seinen eigenen Angaben die Nadeln weggeworfener Spritzen nicht ausnahmslos infiziert sind. Unter Berücksichtigung dieser Umstände und zusätzlich der Tatsache, dass eine konkrete Verletzung durch eine Spritzennadel in dem betreffenden Zeitraum nicht belegt werden kann, lässt sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der aufgetretenen Infektionskrankheit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellen. Ein derartiger Zusammenhang bleibt lediglich möglich, was für die eine Anerkennung der Hepatitis-C-Erkrankung als Berufskrankheit nicht ausreichend ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht im Ergebnis dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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