L 11 R 5093/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 196/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5093/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. September 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zusteht.

Der 1954 geborene, aus Frankreich stammende Kläger, hat den Beruf des Speditionskaufmanns erlernt und war im Anschluss daran bis März 2002 als Disponent beschäftigt. Seither ist er arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos. Sein Grad der Behinderung beträgt 80 seit April 2002.

Am 28.06.2004 beantragte der Kläger, der zwischen dem 20.04. und 11.05.2004 ein stationäres Heilverfahren in der Klinik T. L. in T. absolviert hatte, aus dem er unter Nennung der Diagnosen: 1. Mundbodencarcinom (Erstdiagnose 3/02), 2. arterielle Hypertonie, 3. Adipositas und 4. Hepatopathie als mit Funktionseinschränkungen, auch als Speditionskaufmann, vollschichtig leistungsfähig entlassen worden war, die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zunächst von der Krankenkasse des Klägers eine Aufstellung der Arbeitsunfähigkeitszeiten und die medizinischen Unterlagen, die im Zusammenhang mit dem Rehabilitationsantrag zu den Akten gelangt waren, bei. Nach dem insoweit beigezogenen Befundbericht des Arztes für Allgemeinmedizin S. leidet der Kläger an einem Mundbodenkarzinom, einer Dysarthrie, einer reaktiven Depression mit Alkoholabusus und einer arteriellen Hypertonie. Prof. Dr. D. teilte mit, dass der Kläger am 10.04.2002 wegen eines Tumors im Bereich des rechten Zungenrands operiert worden sei. Es habe sich ein unauffälliger postoperativer Verlauf gezeigt. Das Karzinom sei allseits in sano reseziert worden. Eine Radio-Chemotherapie sei nicht erforderlich gewesen. Nach dem sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom September 2003 ist der Kläger aus medizinischer Sicht auf Zeit weiter arbeitsunfähig beurteilt worden (Gutachten Dr. W.). Aus dem Gutachten des Psychiaters A., der den Kläger zum Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf dem Gebiet der Psychiatrie begutachtet hatte, geht hervor, dass der Kläger im ersten Halbjahr 2003 sechs Monate im Rahmen eines Wiedereingliederungsversuchs von zu Hause aus seine bisherige Tätigkeit als Disponent verrichtet hat. Nach Beendigung der Wiedereingliederung hätte der Kläger wieder an seinem bisherigen Arbeitsplatz vor Ort arbeiten müssen. Dies habe er abgelehnt, weil im Büro viel geraucht werde und er nicht mehr über die Nerven verfüge. Im übrigen hat der Arzt eine leichte depressive Episode und einen schädlichen Gebrauch von Alkohol, derzeit sistierend unter Anzeichen einer hinreichend sicheren Abstinenz, diagnostiziert. Er schlug sowohl Leistungen zur medizinischen Rehabilitation als auch solche zur Teilhabe am Arbeitsleben vor und vertrat die Auffassung, der Kläger könne sowohl Tätigkeiten als Speditionsdisponent als auch sonstige Tätigkeiten nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich verrichten. Unter Berücksichtigung dieser Unterlagen und des Entlassungsberichts des Krankenhauses des Landkreises B. D. über den stationären Aufenthalt des Klägers im April 2003, bei dem ein Alkoholentzug durchgeführt worden war, kam die beratende Ärztin der Beklagten Dr. R. zum Ergebnis, der Kläger könne die zuletzt von ihm ausgeübte Tätigkeit weiterhin 6 Stunden und mehr täglich ausüben. Auch sonstige leichte Tätigkeiten ohne erhöhte Belastung des linken Armes und längeres Sprechen seien ihm vollschichtig möglich.

Mit Bescheid vom 29.07.2004 lehnte die Beklagte hierauf den Rentenantrag ab.

Seinen dagegen erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass seine fehlende körperliche und psychische Belastbarkeit, der Schweregrad der Depression mit Panikzuständen, die Funktionseinschränkung bei der Sprache, die lallende Aussprache nach längerem Sprechen mit Artikulationsproblemen, die Gefühllosigkeit der rechten Zungenseite, Beeinträchtigungen des Geschmacksempfindens, starke Verspannungen im Halswirbelsäulenbereich mit Bewegungseinschränkung auf der rechten Halsseite durch die Lymphknotenresektion, Schwellungen im Gesicht durch die Lymphknotenresektion und ein Rezidiv der Krebserkrankung im November 2003 nicht berücksichtigt worden seien.

Hierauf zog die Beklagte Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte bei. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. R. teilte mit, der Kläger sei bei der Drehung des Halses nach rechts deutlich eingeschränkt. Er leide unter Sprachproblemem und einer Depression mit Panikattacken. Er fügte Arztbriefe der Hals-Nasen-Ohren-Klinik und des Instituts für Pathologie des Klinikums der Stadt L. bei. Prof. Dr. D. und Dr. C. führten aus, der Kläger habe eine teils verwaschene Sprache durch die mäßige Einschränkung der Zungenbeweglichkeit. Bei den Nachsorgeterminen habe sich kein Anhalt für ein Rezidiv gefunden. Die letzte Untersuchung sei im Juli 2004 erfolgt. Der Nervenarzt Dr. S. berichtete, beim Kläger bestehe ein depressives Syndrom bei Anpassungsstörung aufgrund der Konfliktsituation durch den Krebs. Nach dem auf der Grundlage des Entlassungsberichts über das Heilverfahren und dem erstatteten nervenärztlichen Gutachten des Psychiaters A. erstatteten ausführlichen ärztlichen Bericht der Ärztin M. leidet der Kläger unter einem Mundbodencarcinom, Erstdiagnose 3/2002, einer arteriellen Hypertonie, einer Adipositas und einer Hepatopathie. Die Gesundheitseinschränkungen würden keine wesentliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit bedingen.

Die Beklagte hörte noch die beratende Ärztin H. und wies sodann mit Widerspruchsbescheid vom 06.01.2005 den Widerspruch zurück. Nach Auskunft der Krankenkasse bestehe - abgesehen von der Zeit der Rehabilitationsmaßnahme - seit dem 21.02.2004 beim Kläger nicht einmal mehr Arbeitsunfähigkeit. Er könne seine letzte berufliche Tätigkeit als Speditionsdisponent und auch sonstige Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten.

Hiergegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Zur Begründung trug er vor, er leide unter einer ständig angeschwollenen Zunge. Nach längerem Sprechen stocke der Sprachfluss. Außerdem trete eine allgemeine Müdigkeit und Erschöpfung ein. Hinzu komme, dass er unter Depressionen und Anpassungsstörungen mit Panikattacken leide. Er sei seit März 2002 durchgehend krank. Er habe sich lediglich seit dem 21.02.2004 nicht mehr krank schreiben lassen. Seit 13.01.2005 sei er wiederum krank geschrieben. Wegen der Sprachprobleme könne er nicht mehr als Disponent arbeiten. Er sei auf absehbare Zeit auch nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Die Beklagte wandte dagegen ein, die geltend gemachte, angeblich ununterbrochen seit März 2002 bestehende Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sei nicht mit dem Begriff der Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung gleichzusetzen. Die vom Kläger vorgetragene eingeschränkte Kommunikation sei seitens der Rehabilitationsklinik nicht objektiviert worden, obgleich dort ausführliche "sprechende" Therapien stattgefunden hätten.

Das SG hörte zunächst Dr. Raabe, Dr. S. und die Ärzte des Klinikums der Stadt L. als sachverständige Zeugen. Dr. S. teilte mit, bei dem Kläger bestehe ein depressives Syndrom im Rahmen einer Anpassungsstörung. Er sei nicht mehr in der Lage, in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Speditionskaufmann regelmäßig ca. 6 Stunden täglich zu arbeiten. Er sei überhaupt nicht mehr im Stande, mehr als 2 Stunden am Tag zu arbeiten. Prof. Dr. D. und Dr. S., Klinikum L., bekundeten unter anderem, dass beim Kläger im November 2003 in örtlicher Betäubung ein Carcinoma in situ der Zäpfchen am Gaumen reseziert worden sei. Es habe sich hierbei um eine obligate Präkanzerose an 2. Stelle und nicht um ein Lokalrezidiv des Mundbodenkarzinoms gehandelt. Die Operation habe zu keinen Gesundheitsstörungen geführt. Die Einschränkung des Klägers bestehe in einer teilweise fixierten Zunge mit leicht undeutlicher Aussprache. Er sei noch in der Lage, ca. 6 Stunden als Speditionskaufmann zu arbeiten. Sollte hierbei eine hohe Sprechbelastung vorkommen, so sei er aufgrund der Bewegungseinschränkung der Zunge, nur noch 4 Stunden am Tag leistungsfähig. Die Ärzte legten eigene Arztbriefe und den Operationsbericht bei. Dr. R. führte aus, er schätze, da beim Kläger nach 2 Stunden Probleme beim Sprechen auftreten würden und er zusätzlich einer starken nervlichen Belastung (Zeitdruck) ausgesetzt sei, dass ihm eine regelmäßige Ausübung seines letzten Berufs nur noch 3 Stunden täglich möglich sei. Leichte Arbeiten ohne Schichtarbeit, ohne Zeitdruck, ohne Zugluft, ohne Publikumsverkehr oder häufiges Telefonieren seien ihm jedoch noch 6 bis 8 Stunden täglich zumutbar. Ergänzend fügte er den Entlassungsbericht über die im Jahr 2002 durchgeführte Heilbehandlung im Stimmheilzentrum B. R., die 2 Monate nach der Krebsoperation stattgefunden hatte, bei. Danach wurde der Kläger als aus phoniatrischer Sicht zur Zeit arbeitsunfähig entlassen.

Im Anschluss daran zog das SG die Unterlagen des MDK, die aus einem sozialmedizinischen Gutachten vom März 2005, wonach der Kläger für seine letzte Tätigkeit als Speditionskaufmann als wieder einsatzfähig beurteilt wird, bestehen, bei.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte das SG sodann den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. mit der Erstattung eines Gutachtens. Dr. R. diagnostizierte eine Anpassungsstörung mit schwerer depressiver Symptomatik, einen Zustand nach Alkoholmissbrauch, einen Zustand nach laserschirurgischer Mundbodenteilresektion rechts und supraomohyoidaler NECK-Dissection bei rechtseitigem Mundboden-Karzinom 10.04.2002 mit Radiatio, eine operative Entfernung eines Carcinoma in situ im Bereich des Gaumenzäpfchens am 18.11.2003 und eine arterielle Hypertonie. Aus nervenärztlicher Sicht sei der Kläger nur noch zu weniger als 3-stündiger Arbeit in seinem letzten Beruf und auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in der Lage.

Im Anschluss daran ließ das SG den Kläger durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H., Klinikum am W., von Amts wegen auf nervenärztlichem Gebiet begutachten. Danach läge beim Kläger auf psychiatrischem Fachgebiet eine Anpassungsstörung vor. Außerdem sei vom Vorliegen eines zumindest zeitweiligen schädlichen Gebrauchs von Alkohol auszugehen. Zum jetzigen Zeitpunkt hätten sich die Kriterien für das Vorliegen einer Alkoholabhängigkeit jedoch nicht definitiv sichern lassen. Der Kläger sei noch imstande, seinen zuletzt ausgeübten Beruf regelmäßig ca. 8 Stunden täglich zu verrichten, soweit die qualitativen Leistungseinschränkungen beachtet werden könnten. Es müsse eine Überforderung durch Akkordarbeit, Wechselschicht- oder Nachtschicht sowie Arbeiten unter besonderem Zeitdruck vermieden werden. Das gelte auch für besonders hohe Ansprüche an Konzentration und Auffassung sowie für eine erhöhte Verantwortung und eine besondere (hohe) geistige Beanspruchung.

Der Kläger wandte dagegen ein, das von Dr. H. erstattete Gutachten stelle nur eine Augenblickaufnahme dar. Das Gutachten von Dr. R. treffe völlig andere Feststellungen. Er sei seit der Operation im Jahr 2002 psychisch stark beeinträchtigt. Abgesehen davon könne er auch nach dem Gutachten des Dr. H. aufgrund der dort genannten Funktionseinschränkungen den Beruf des Speditionskaufmanns nicht mehr verrichten. Die Tätigkeit sei unter Zeitdruck zu verrichten und stelle besonders hohe Ansprüche an Konzentration und Auffassung. Außerdem zeichne sich die Tätigkeit dadurch aus, dass keine festen Arbeitszeiten bestehen würden. Darüber hinaus sei sein undeutliches Sprechen hinderlich.

In einer hierauf veranlassten ergänzenden Stellungnahme machte Dr. H. Erläuterungen zu seinem Gutachten und führte darüber hinaus aus, dass es letztendlich einer rechtlichen Bewertung unterliegen würde, inwieweit die von ihm beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen mit dem vom Kläger zuletzt ausgeübten Beruf in Einklang zu bringen seien.

Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, dass bei ihm ein neues Krebsgeschwür am Hals festgestellt worden sei und die Operation am 02.03.2006 erfolge, zog das SG den hierüber gefertigten Arztbrief und pathologischen Befund des Klinikums der Stadt L. bei. Prof. Dr. D. und Dr. S. teilten ergänzend mit, dass beim Kläger ein kleines Fibrom an der linken Tonsille und eine kleine Leukoplakie der Rachenhinterwand links abgetragen worden sei. Der Eingriff selbst habe zu keinen zusätzlichen Funktionseinschränkungen oder sonstigen Veränderungen geführt. Die bisherige sachverständige Zeugenaussage bleibe inhaltlich unverändert bestehen.

Der Kläger übergab noch eine ärztliche Bescheinigung des Dr. S., wonach sich die Symptomatik bei ihm in den letzten Wochen verschärft habe, nachdem er nochmals wegen des Verdachts auf ein Rezidiv des Mundbodenkrebses operiert worden sei. Er - Dr. S. - halte den Kläger für erwerbsunfähig.

Das SG beauftragte hierauf den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Der Gutachter nannte als Diagnosen eine Anpassungsstörung und eine Alkoholkrankheit im Stadium der Abstinenz sowie auf anderen Fachgebieten einen Zustand nach Operation eines Carcinoma in situ im Mundbodenbereich, eine Adipositas und einen Bluthochdruck. Die Anpassungsstörung sei in erster Linie Folge des Krebsleidens. Sie umfasse affektive Störungen wie Angst vor einem Wiederauftreten der Organerkrankung und traurige Verstimmung, Antriebsstörungen mit Müdigkeit und Erschöpfungsgefühl sowie Initiativlosigkeit. Im Verlauf sei sie fluktuierend gewesen. Insgesamt habe sie ein leichtes Ausmaß. Aus nervenärztlicher Sicht sei der Kläger noch in der Lage, den zuletzt ausgeübten Beruf als Disponent mindestens 6 Stunden täglich auszuüben. Nicht möglich seien ständiger Zeitdruck wie bei Akkordarbeit, Nachtschicht, Arbeiten an gefahrbringenden Maschinen und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Leichte körperliche Arbeiten könnten das regelmäßige Bewegen und Bearbeiten von Lasten meist bis 10 Kilogramm, gelegentlich auch bis 15 Kilogramm, umfassen. Konkrete Berufsbilder könne er nicht benennen. Insoweit fehle ihm die Kompetenz.

Das SG zog noch die Berufsinformationen über den Disponent-Güterverkehr und Speditionskaufmann/-frau im BERUFENET bei.

Mit Gerichtsbescheid vom 11.09.2006 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, der Kläger sei gestützt auf die Gutachten von Dr. H. und Dr. S. sowie die sachverständigen Zeugenaussagen des Dr. S. noch in der Lage, die Tätigkeit eines Speditionskaufmanns vollschichtig zu verrichten. Diese Tätigkeit sei auch mit den beim Kläger zu berücksichtigenden qualitativen Leistungseinschränkungen (keine hohe Sprechbelastung, keine Akkordarbeit, keine Wechselschicht- oder Nachtarbeit, keine Arbeiten unter besonderem Zeitdruck, keine besonders hohen Ansprüche an Konzentration und Auffassung sowie für eine erhöhte - das normale Maß deutlich übersteigende - Verantwortung und eine besondere (hohe) - das normale Maß deutlich übersteigende - geistige Beanspruchung) vereinbar. Dies ergebe sich unter Berücksichtigung der Liste der Aufgaben und Tätigkeiten eines Speditionskaufmanns im BERUFENET. Das Gutachten des Dr. R. und die Einschätzung von Dr. S. könnten nicht überzeugen. Das von Dr. W. vom MDK im September 2003 erstattete Gutachten stehe der Aussage von Dr. S. nicht entgegen. Die schriftliche sachverständige Zeugenauskunft von Dr. R. führe ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Er habe den Kläger für in der Lage gehalten, leichte Tätigkeiten ohne Schichtarbeit, Zugluft, Publikumsverkehr oder häufiges Telefonieren 6 bis 8 Stunden täglich zu verrichten. Diese Leistungseinschränkungen stünden einer Tätigkeit des Klägers als Speditionskaufmann nicht entgegen.

Hiergegen richtet sich die am 10.10.2006 eingelegte Berufung des Klägers. Er stützt sich insbesondere auf das von Dr. R. erstattete Gutachten und die sachverständige Zeugenauskunft des Dr. S ... Eine Arbeitsstelle, welche es einem Speditionskaufmann ermöglichen würde, seine Tätigkeit ohne Sprechbelastung zu gestalten, gebe es in arbeitsmarktgängiger Form nicht. Im Rahmen der Disponententätigkeit sei eine Sprechbelastung unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit.

Der Kläger beantragt - teilweise sinngemäß -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11. September 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Januar 2005 zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 2004 Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren, hilfsweise ein berufskundliches Sachverständigengutachten einzuholen, höchsthilfsweise eine Stellungnahme der Agentur für Arbeit einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für richtig. Der Kläger sei vollschichtig leistungsfähig.

Der Senat hat Dr. S., Prof. Dr. D. und die Ärztin für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr. S. als sachverständige Zeugen gehört. Dr. S. hat mitgeteilt, beim Kläger bestehe ein depressives Syndrom im Rahmen einer Anpassungsstörung und eine ständige Angstsymptomatik wegen des Auftretens eines Rezidives. Der Zustand sei wechselnd, ohne dass konstant eine durchgehende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes seit Februar 2005 aufgetreten sei. Prof. Dr. D. hat über Kontrolluntersuchungen im Jahr 2006 und anlässlich einer letzten ambulanten Untersuchung im Jahr 2007 berichtet. Hierbei habe der Kläger Wohlbefinden angegeben. Nebenbefundlich habe zu diesem Zeitpunkt eine diskrete Otitis externa rechts bestanden. Insgesamt habe kein Tumorrezidiv festgestellt werden können. Eine Änderung, insbesondere eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes, sei seit März 2006 auf HNO-ärztlichem Fachgebiet nicht eingetreten. Dr. S. hat mitgeteilt, dass sie selbst seit 24.01.2007 arbeitsunfähig und längerfristig erkrankt sei. Ein Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit sei nicht absehbar.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Das SG hat in seinem Gerichtsbescheid rechtsfehlerfrei und in der Sache zutreffend dargelegt, nach welchen Vorschriften (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - und § 240 Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) der geltend gemachte Anspruch zu beurteilen ist, und weshalb deren Voraussetzungen auch unter Berücksichtigung des von der Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschemas im Hinblick auf die Berufsunfähigkeit nicht erfüllt sind. Der Senat macht sich die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids nach Überprüfung zu eigen und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Begründung, zumal sich das SG auch mit den im Hinblick auf die Leistungseinschätzung abweichenden Auffassungen des Dr. R., des Dr. S. und des Dr. W. sowie des Dr. R. auseinandergesetzt hat, weitgehend ab. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass auch die Ärzte der Klinik T. Land, in der der Kläger im Jahr 2004 ein stationäres Heilverfahren absolviert hat, den Kläger noch für vollschichtig leistungsfähig, auch als Speditionskaufmann, hielten. Zum selben Ergebnis kamen auch die Beratungsärztinnen der Beklagten Dr. R. und M. sowie H ... Nach dem Gutachten von Dr. W. vom MDK aus dem Jahr 2005 ist der Kläger ebenfalls wieder in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Exposition von Stäuben oder inhalativen Noxen und ohne besondere Belastung des linken Armes im Schultergelenk vollschichtig zu verrichten. Er sei auch 6 Stunden und mehr für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Speditionskaufmann einsatzfähig. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des von dem Psychiater A. erstatteten Gutachtens. Der Arzt A. hat den Kläger bereits im Januar 2004 untersucht. Er hat eine leichte depressive Episode, reaktiv entstanden und aktiv seit Frühjahr 2002, und einen schädlichen Gebrauch von Alkohol, derzeit sistierend unter Anzeichen einer hinreichend sicheren Abstinenz, diagnostiziert und die Auffassung vertreten, der Kläger könne als Speditionsdisponent nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich arbeiten. Auch sonstige Tätigkeiten seien ihm nur noch in diesem Umfang möglich. Der Gutachter hat jedoch gleichzeitig auch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur medizinischen Rehabilitation vorgeschlagen. Die medizinische Rehabilitation fand dann im April 2004 statt. Aus diesem Heilverfahren wurde der Kläger - wie bereits erwähnt - vollschichtig leistungsfähig, auch für die Tätigkeit eines Speditionskaufmanns, entlassen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang desweiteren, dass die Begutachtung durch den Psychiater A. 6 Monate vor der Rentenantragstellung stattfand. Die von ihm genannten Diagnosen einer leichten depressiven Episode und eines derzeit sistierenden unter Anzeichen einer hinreichend sicheren Abstinenz schädlichen Gebrauchs von Alkohol vermögen quantitative Leistungseinschränkungen auch für die Tätigkeit eines Speditionskaufmanns nicht zu begründen. Im übrigen ist auch von Belang, dass der Kläger im ersten Halbjahr 2003 im Rahmen einer Wiedereingliederung sechs Monate zumindest zeitweise in der Lage war, seine bisherige Tätigkeit zu verrichten. Beendet wurde die Tätigkeit nicht, weil der Kläger hierzu außer Stande gewesen wäre, sondern weil der Heimarbeitsplatz nicht mehr finanziert wurde.

Die vom Senat durchgeführte Beweisaufnahme durch Einholung sachverständiger Zeugenauskünfte der den Kläger behandelnden Ärzte führt zu keinem anderen Ergebnis. Prof. Dr. D. hat mitgeteilt, dass beim Kläger im Juni und September 2006 normale Befunde ohne Anhalt für ein Rezidivtumorwachstum vorgelegen hätten. Auch bei der letzten Untersuchung im Januar 2007 habe kein Tumorrezidiv festgestellt werden können. Der Kläger habe Wohlbefinden angegeben. Das im März 2006 entfernte Papillom sei gutartig gewesen. Es neige nicht nennenswert zu Rezidiven und habe mit der ursprünglichen Tumorerkrankung ursächlich nichts zu tun. Funktionelle Folgen infolge der operativen Abtragung seien nicht eingetreten. Die Auskunft belegt - wie schon die früheren Auskünfte des Prof. Dr. D. -, dass der Kläger noch in der Lage ist, ca. 6 Stunden täglich als Speditionskaufmann zu arbeiten. Bezüglich der von Prof. Dr. D. genannten Bewegungseinschränkung der Zunge und der Sprechbelastung eines Speditionskaufmanns wird auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid des SG verwiesen. Danach gibt es gestützt auf die Informationen in BERUFENET zum Disponenten - Güterverkehr eine Vielzahl von Tätigkeiten, die ohne bzw. mit einer geringen Sprechbelastung einhergehen (z.B. Beladeplanerstellung, Frachtabrechnung, Frachtprüfung, Kalkulation, Lager-Materialwirtschaft, Statistik, Zollabwicklung). Im Rahmen der Wiedereingliederung hat der Kläger dies auch unter Beweis gestellt. Dr. S. ist seit 24.01.2007 arbeitsunfähig und längerfristig krank. Sie hat mitgeteilt, die Behandlung finde im Klinikum in L. statt. Befunde hat sie nicht mitgeteilt. Dr. S. beschreibt den Zustand des Klägers auf psychischem Fachgebiet als wechselnd, ohne dass konstant eine durchgehende Verschlechterung seines Gesundheitszustandes seit Februar 2005 aufgetreten sei. Damit ist gestützt auf die Gutachten von Dr. H. und Dr. S. weiterhin von einem vollschichtigen Leistungsvermögen auch für die Tätigkeit eines Speditionskaufmanns auszugehen.

Die Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens bzw. einer Stellungnahme der Agentur für Arbeit war nicht erforderlich. Anhand der Informationen aus dem BERUFENET und der Absolvierung einer sechsmonatigen Wiedereingliederung durch den Kläger vermochte der Senat selbst zu überprüfen, ob der Kläger mit den bei ihm vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen noch in der Lage ist, als Speditionskaufmann zu arbeiten.

Auch die Tatsache, dass beim Kläger seit April 2002 ein Grad der Behinderung von 80 anerkannt ist, vermag den Eintritt des Leistungsfalles nicht zu stützen. Der Behinderungsgrad erlaubt keinen Rückschluss auf das Leistungsvermögen.

Mithin ist festzustellen, dass der Kläger sowohl als Speditionskaufmann als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig leistungsfähig ist.

Die Berufung konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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