Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 U 90/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 380/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 123/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 15.10.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente im Wege eines Zugunstenbescheides streitig.
Die 1941 geborene Klägerin erlitt am 23.12.1994 einen Arbeitsunfall. Sie war Beifahrerin in einem PKW, der vor einer Ampel hielt. Ein anderer PKW fuhr von hinten auf. Die Klägerin, die einen Sicherheitsgurt angelegt hatte, erlitt dabei eine Halswirbelsäulen-(HWS)-Distorsion und eine Lendenwirbelsäulen-(LWS)-Prellung bei vorbestehenden Wirbelsäulenbeschwerden (Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr.A. vom 23.12.1994). Bei dem Aufprall ist die Klägerin nicht bewusstlos geworden, verspürte aber sofort Nacken- und Kopfschmerzen. Stationär behandelt wurde sie vom 29.12.1994 bis 26.01.1995 in den Kliniken Dr.E. GmbH, N. , vom 24.04.1995 bis 09.05.1995 und 19.03.1996 bis 16.04.1996 im Reha-Zentrum R. B. sowie vom 23.07.1996 bis 22.08.1996 in der Neurologischen Abteilung des Krankenhauses R ... Die Beklagte nahm unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis 31.05.1995 an. Einen Arbeitsversuch im Februar 1996 musste die Klägerin nach einer Woche abbrechen.
Eine von dem Radiologen Dr.L. am 12.01.1995 durchgeführte Kernspintomographie (Kernspin) der HWS zeigte eine Chondrose C3 bis C7 mit Bandscheibenprotrusionen bei C3/4 und C5 - 7, Foramenstenosen C4 bis C6 beidseits durch arthrotische Spangenbildung. Bei C7/D1 links waren Unregelmäßigkeiten der Abschluss- platten sowie Signalabweichungen im angrenzenden Knochenmark feststellbar. Dr.L. bewertete den Befund am ehesten als fibröses Narbengewebe im Rahmen einer Osteochondrose. Einen Deckplatteneinbruch im Rahmen des abgelaufenen Schleudertraumas hielt er für wenig wahrscheinlich. Für die Beklagte erstellten der Chirurg Dipl.-med.W. am 06.06.1995, der Nervenarzt Prof. Dr.G. am 03.07.1995 und der Chirurg Dr.G. am 14.11.1995 Gutachten. Der Chirurg W. nahm als unfallbedingte Gesundheitsstörung eine Distorsion der HWS an und verwies auf vor dem Unfall bestehende erhebliche degenerative Veränderungen der mittleren und unteren HWS. Prof. Dr.G. diagnostizierte eine HWS-Verletzung iS eines Schleudertraumas mit den Folgen eines ausgeprägten cervikocranialen Syndroms und einer leichten vorwiegend sensiblen Wurzelschädigung C7 rechts. Als Vorschaden nahm er degenerative Veränderungen der HWS mit hierdurch bedingter verzögerter Rückbildung an. Dr.G. führte die bei der Klägerin vorliegenden Beschwerden, insbesondere Schmerzen im gesamten Wirbelsäulenbereich, ursächlich auf den Unfall zurück und ging von weiterer Arbeitsunfähigkeit aus. Er erwartete eine Besserung der Unfallfolgen nach intensiver Rehabilitation.
Die Beklagte holte weitere Gutachten von dem Chirurgen Prof. Dr.Z. vom 22.04.1997, dem Nervenarzt Prof.Dr.G. vom 23.05.1997 und dem Unfallchirurgen Dr.D. vom 30.07.1997 ein. Prof. Dr.Z. stellte unfallbedingt eine HWS-Distorsion mit pseudoradikulärem Zervikalsyndrom und sensibler Wurzelreizung C7 neben einer LWS-Prellung fest. Bei der Klägerin hätten zwar vor dem Unfall bereits deutliche degenerative Veränderungen der HWS bestanden, die massive Bewegungseinschränkung der HWS, die seit dem Unfallgeschehen bestehenden Schmerzen und Gefühlsstörungen sowie die muskulären Begleitreaktionen seien jedoch auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Unter einer konsequenten Therapie sei aber mit einer Besserung des derzeitigen Zustandes der Unfallfolgen zu rechnen. Prof.Dr.G. konnte im nervenärztlichen Bereich nur noch eine leichte sensible Schädigung der Nervenwurzel C7 rechts mit leichten Berührungsempfindungsstörungen am rechten Mittelfinger - ohne messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - wahrnehmen. Dr.D. wies auf ausgeprägte Vorschäden, insbesondere deutlich degenerative Erscheinungen der HWS sowie eine Torsionsskoliose der Wirbelsäule hin. Das Unfallereignis sei als richtungsweisend für die Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens, nicht aber als Ursache der anhaltenden Beschwerden zu werten. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit könne man für einen Zeitraum von ca 6 Monaten nach dem Unfallereignis annehmen. Die jetzt noch bestehenden Unfallfolgen mit Steilstellung, Bewegungseinschränkung und dem muskulären Hartspann sowie dem Wurzelirritationssyndrom C7 rechts seien mit einer MdE von 10 vH zu bewerten. Dr.D. hielt in seinem Gutachten die Klägerin ab 01.06.1995 wieder für arbeitsfähig bezüglich der Unfallfolgen.
Mit Bescheid vom 03.09.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1998 erkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalles an: Distorsion der HWS mit vorübergehender Verschlimmerung eines vorbestehenden, bereits als Krankheit manifest gewordenen Leidens der Wirbelsäule, vermehrte Bewegungseinschränkung und vermehrter muskulärer Hartspann der HWS. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei bis 31.05.1995 anzunehmen, Anspruch auf Rente bestehe nicht.
Im anschließenden Klageverfahren (S 6 U 40/98) veranlasste das Sozialgericht (SG) ein Gutachten des Arbeitsmediziners Dr.Z. vom 30.09.1998. Dieser führte aus, dass das Unfallereignis zu einer Zerrung der HWS und einer Prellung der LWS geführt habe. Durch die Beschleunigungsverletzung der HWS sei es zu einer vorübergehenden Verschlimmerung degenerativer Beschwerden seitens der HWS gekommen, während die Prellung der LWS nur kurzfristige Beschwerden verursacht habe. Arbeitsunfähigkeit habe deswegen bis 31.05.1995 bestanden. Eine unfallbedingte MdE von 10 vH habe bis Dezember 1995 vorgelegen. Der Chirurg Dr.R. nahm in dem nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten vom 27.03.1999 lediglich ein Schleudertrauma Grad I an, da das Unfallereignis nicht geeignet gewesen sei, eine gravierende Verletzung der HWS herbeizuführen. Das jetzige Beschwerdebild entspreche nicht einem Zustand nach Verletzung, sondern einem ausgeprägten Wirbelsäulenleiden, das die gesamte Wirbelsäule umfasse. Unfallbedingt könne eine länger als eine Woche andauernde Beschwerdesymptomatik im Bereich der HWS nicht angenommen werden. Daraufhin nahm die Klägerin die Klage am 21.05.1999 zurück. Am 08.10.1999 beantragte sie bei der Beklagten, "ihre Unfallsache wieder aufzunehmen". Sie trug vor, dass sie wegen der Unfallfolgen bis heute arbeitsunfähig sei und wöchentlich Infusionen, Schmerzlinderungsmittel und Akkupunktur benötige. Mit Bescheid vom 03.11.1999 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 03.09.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1998 ab, da der Antrag kein neues Vorbringen und auch keine neuen Tatsachen enthalte (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 24.02.2000).
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, die Bescheide vom 03.09.1997 und 29.01.1998 zurückzunehmen und ihr wegen des Arbeitsunfalles vom 23.12.1994 Rente zu gewähren. Sie hat ausgeführt, aus den Gutachten des Prof. Dr.Z. , Dr.G. und W. ergebe sich eine unfallbedingte Erwerbsunfähigkeit deutlich über den 31.05.1995 hinaus bis heute. Mit Urteil vom 15.10.2001 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die bei dem Arbeitsunfall erlittenen Gesundheitsschäden keine bleibenden Folgen hinterlassen haben. Das erneute Vorbringen der Klägerin enthalte keine neuen Gesichtspunkte, aus denen sich eine Unrichtigkeit der früheren Bescheide ergebe. Diese könnten nicht nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen werden.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und vorgetragen, dass die Bewegungseinschränkung der HWS eine Unfallfolge darstelle. Dies habe Prof. Dr.Z. in seinem Gutachten vom 22.04.1997, dem überragende Bedeutung zukomme, zum Ausdruck gebracht. Deswegen sei sie auch über den Mai 1995 hinaus arbeitsunfähig gewesen. Zwar habe ihre HWS zum Unfallzeitpunkt bereits degenerative Veränderungen aufgewiesen, sie sei durch diese aber nicht wesentlich beeinträchtigt gewesen. Durch den Auffahrunfall, insbesondere die erhebliche Aufprallwucht (die Aufprallgeschwindigkeit müsse mehr als 15 km/h betragen haben - Erdmann Schweregrad II bis III), sei es zwangsläufig zu einer erheblichen HWS-Stauchung gekommen, wie den neurologischen Ausfallserscheinungen zu entnehmen sei. Hierzu hat die Klägerin ein technisches Kfz-Sachverständigengutachten des Ingenieurs W.U. vom 30.12.1994 vorgelegt. Sie hat ein unfallanalytisches Gutachten und weitere medizinische Gutachten von Amts wegen für erforderlich gehalten.
Der Senat hat Befundberichte des Internisten Dr.H. vom 04.03.2002 und des Orthopäden Dr.B. vom 22.02.2002 eingeholt, die Akten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. und die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen beigezogen, eine Auskunft über Erkrankungen des Klägers von der DAK N. vom 21.02.2002 eingeholt sowie den Chirurgen Dr.K. gehört. In dem Gutachten vom 29.11.2002/18.02.2003 ist Dr.K. von einer HWS-Distorsion des Schweregrades I nach Erdmann ausgegangen. Vorschädigungen seien auf Grund der röntgenmorphologischen Diagnostik, insbesondere der Röntgenaufnahmen von 1993, im Bereich der HWS anzunehmen. Eine Unfallverletzung im Bereich der LWS sei nicht wahrscheinlich zu machen. Arbeitsunfähigkeit liege nur bis Januar 1995 vor. Eine MdE darüber hinaus sei nicht nachweisbar, da die weiter geklagten Beschwerden auf unfallunabhängige Leiden zurückzuführen seien.
Der vom Senat ebenfalls gehörte Rechtsmediziner Prof. Dr.E. hat in dem Gutachten vom 29.04.2004/24.01.2005 ausgeführt, dass - basierend auf den Beschädigungsgraden an den jeweiligen Fahrzeugen - eine Kollisionsgeschwindigkeit des gegnerischen PKW von allenfalls 24 km/h abgeleitet werden könne mit daraus resultierender Geschwindigkeitsänderung des klägerischen PKW von 8 - 9 km/h. Die biomechanischen Kräfte bei dieser Geschwindigkeitsänderung seien nicht geeignet gewesen, bei der vorgeschädigten Wirbelsäule Gesundheitsschäden zu verursachen. Eine Erwerbsunfähigkeit der Klägerin durch die Folgen des Arbeitsunfalles habe nicht bestanden.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat von dem Rechtsmediziner Prof. Dr.M. ein Gutachten vom 15.10.2005 nach § 109 SGG eingeholt. Prof. Dr.M. hat die Auffassung vertreten, dass sich der Vortrag der Klägerin über ihre Beschwerden nicht mit dem Hinweis auf eine etwaige niedrige Unfalldynamik widerlegen lasse. Wenn man die Angaben der Klägerin über die Geschwindigkeit des gegnerischen Fahrzeugs (ca 45 km/h) als richtig unterstelle, könnten biomechanische Kräfte auf die HWS und LWS der Klägerin eingewirkt haben, die durch eine Geschwindigkeitsänderung von oberhalb 15 km/h bewirkt wurden. Die Beklagte hat erwidert, dass dieses Gutachten bei der Bejahung des Unfallzusammenhangs über den Grad der Möglichkeit nicht hinauskomme.
Der vom Senat von Amts wegen gehörte Arbeitsmediziner Dr.S. hat in dem Gutachten vom 11.05.2006 die PC-Crash-Analyse des Prof. Dr.E. als zutreffend angesehen. Die auf die Klägerin beim Unfall einwirkenden Kräfte seien in der Lage gewesen, bei der vorgeschädigten Wirbelsäule der Klägerin Gesundheitsstörungen iS einer HWS-Distorsion Schweregrad I zu verursachen. Bis 30.06.1995 sei die MdE mit 20 vH, anschließend mit 10 vH bis Dezember 1995 einzuschätzen.
Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 18.07.2006 gegen das Gutachten des Dr.S. gewandt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 15.10.2001 sowie des Bescheides vom 03.11.1999 idF des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2000 zu verurteilen, den Bescheid vom 03.09.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1998 zurückzunehmen und Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH ab Juni 1995 zu gewähren, hilfsweise beantragt sie die Einholung eines Gutachtens auf neurologischem Gebiet von Amts wegen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 15.10.2001 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Akten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Sie hat keinen Anspruch auf Rücknahme der ablehnenden Bescheide vom 03.09.1997 und 29.01.1998 und Gewährung von Verletztenrente, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Anzuwenden sind im vorliegenden Fall die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da sich der zu beurteilende Unfall noch vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 01.01.1997 ereignet hat (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Gemäß § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Diese Vorschrift ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung eines unrichtigen Verwaltungsaktes zugunsten der materiellen Gerechtigkeit. Es kommt dabei auf den Erkenntnisstand bei der Überprüfung des Verwaltungsaktes an. Die frühere Tatsachenfeststellung bzw Rechtsanwendung kann sich dann auf Grund neu gewonnener Erfahrung als unrichtig erweisen.
Bei Erlass des Bescheides vom 03.09.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1998 ist die Beklagte weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt.
Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Prof.Dr.E. davon aus, dass die am Beifahrersitz der Klägerin wirksame kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung (Beschleunigung in Längsrichtung) nur als geringfügig einzuschätzen ist, allenfalls in einer Größenordnung von 8 - 9 km/h bei einer Differenzgeschwindigkeit des gegnerischen PKW von 24 km/h. Die von der Klägerin geschätzte Kollisiongeschwindigkeit des gegnerischen PKW s von ca 45 km/h kann dagegen mit dem Beschädigungsgrad des PKW der Klägerin nicht in Einklang gebracht werden. Die vorliegenden dokumentierten Schäden (Beschädigung des Karosserieaufbaus und der Auspuffanlage im Heckbereich) an dem PKW der Klägerin entsprechen der von Prof.Dr.E. Gutachter eingeschätzten Differenzgeschwindigkeit von 24 km/h des stoßenden PKW.
Entsprechend den überzeugenden Gutachten der Dres. K. , R. und S. geht der Senat davon aus, dass die Klägerin auf Grund des Auffahrunfalles eine leichte HWS-Distorsion (Schweregrad I nach Erdmann) erlitten hat. Der Senat folgt insoweit nicht Prof.Dr.E. , der eine unfallbedingte Verletzung der HWS ausgeschlossen hat. Eine HWS Verletzung nach einem höheren Schweregrad ist aufgrund der biomechanischen Feststellungen des Prof.Dr.E. aber nicht wahrscheinlich zu machen. Das nunmehr vorliegende Beschwerdebild ist auf das vorbestehende degenerative HWS-Leiden zurückzuführen. Bei der Klägerin liegen unfallunabhängig degenerative Umformungserscheinungen des Achssystems mit Betonung der HWS, aber auch degenerative Umformungen im Bereich der LWS vor. Diese sind ursächlich für das anhaltende Beschwerdebild. Durch die Röntgendiagnostik konnte ein unfallbedingter struktureller Schaden im Bereich der HWS ausgeschlossen werden. Vergleicht man die Röntgenaufnahmen, die aus Anlass des Unfalles gefertigt wurden mit denen des Jahres 1993, ist keinerlei Befundänderung hinsichtlich der degenerativen Umformungserscheinungen im Bereich der HWS nachweisbar. Auch im Kernspin vom 12.01.1995 lassen sich keine Unfallverletzungen oder -folgen erkennen. Auch hier sind lediglich degenerative Umformungserscheinungen nachgewiesen. Eine funktionelle Verletzung im Bereich der HWS ist bei Fehlen struktureller Schäden zwar wahrscheinlich zu machen, aber höchstens nach Schweregrad I nach Erdmann. Funktionelle Verletzungen heilen nach unfallchirurgischer Lehrmeinung grundsätzlich folgenlos aus. Bei Schweregrad I wird nur eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von zwei bis sechs Wochen angenommen (Schönberger u.a., Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Aufl, S 562).
Vorschädigungen iS eines degenerativen Aufbrauchs im Bereich der HWS sind röntgenmorphologisch eindeutig dokumentiert. Da es unfallbedingt zu keinem strukturellen Gesundheitsschaden gekommen ist, kann eine funktionelle Verletzung iS der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu einer richtunggebenden Verschlimmerung einer vorbestehenden Schädigung führen. Allerdings kann bei Nachweis vorbestehender degenerativer Umformungserscheinungen der Heilverlauf verlängert werden. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Beklagte im Bescheid vom 03.09.1997 zutreffend unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit auf Grund des Gutachtens der Dr.D. bis 31.05.1997 angenommen hat. Auch Dr.S. folgt im Wesentlichen dieser Auffassung, dass die Distorsion der HWS zu unerwartet langen Beschwerden geführt habe, wobei eine therapierefraktäre Zervikocephalgie nach Auffassung des behandelnden Orthopäden Dr.G. von Bedeutung ist (Befundbericht vom 22.02.2002). Dr.K. kann im Hinblick auf die Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht gefolgt werden. Die über den Zeitraum der Behandlung hinaus geklagten Beschwerden sind auf unfallunabhängige Leiden zurückzuführen. Eine MdE über den 31.05.1999 hinaus ist aber nicht begründbar, da keine strukturellen Schäden auf Grund des Arbeitsunfalles nachgewiesen sind. Insofern kann auch Dr.S. nicht gefolgt werden, der im Hinblick auf die von ihm vorgenommene MdE-Bewertung (vgl Schönberger u.a. aaO) letztlich einen Schweregrad II nach Erdmann unterstellt.
Nicht folgen kann der Senat den Ausführungen des Prof. Dr.Z. in seinem Gutachten vom 23.04.1997. Er stellt lediglich auf von der Klägerin vorgebrachte Beschwerden ab. An diesen macht er krankhafte Befunde fest. Daraus einen ursächlichen Zusammenhang abzuleiten, entspricht nicht einer wissenschaftlich fundierten Begutachtung. Dr.D. übersieht in seinem Gutachten vom 13.07.1997, dass lediglich eine funktionelle Verletzung wahrscheinlich gemacht werden kann. Unzutreffend ist seine Schlussfolgerung, dass diese Verletzung ein vorbestehendes Leiden dekompensiert habe. Im Übrigen kommt weder Dr.Z. noch Dr.D. hinsichtlich einer Rentengewährung zu einem positiven Ausspruch. Das Gutachten des Prof. Dr.M. kommt trotz umfangreicher Diskussion zu keinen eindeutigen Ergebnissen. Zudem beantwortet er nicht die Frage nach dem Grad der MdE unter Hinweis auf fehlende Sachkompetenz. Auch geht er bei der Bejahung des Unfallzusammenhangs nur von einer Möglichkeit aus.
Der Einholung eines Gutachtens auf neurologischem Gebiet hat es nicht bedurft, da der Sachverhalt durch die Gutachten des Prof.Dr.G. vom 03.07.1995 und 23.05.1997 auch insoweit ausreichend aufgeklärt ist.
Nach alledem wurde bei Erlass der ablehnenden Bescheide das Recht nicht unrichtig angewandt noch ging die Beklagte von einem Sachverhalt aus, der sich als unrichtig erweist. Ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente besteht nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente im Wege eines Zugunstenbescheides streitig.
Die 1941 geborene Klägerin erlitt am 23.12.1994 einen Arbeitsunfall. Sie war Beifahrerin in einem PKW, der vor einer Ampel hielt. Ein anderer PKW fuhr von hinten auf. Die Klägerin, die einen Sicherheitsgurt angelegt hatte, erlitt dabei eine Halswirbelsäulen-(HWS)-Distorsion und eine Lendenwirbelsäulen-(LWS)-Prellung bei vorbestehenden Wirbelsäulenbeschwerden (Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr.A. vom 23.12.1994). Bei dem Aufprall ist die Klägerin nicht bewusstlos geworden, verspürte aber sofort Nacken- und Kopfschmerzen. Stationär behandelt wurde sie vom 29.12.1994 bis 26.01.1995 in den Kliniken Dr.E. GmbH, N. , vom 24.04.1995 bis 09.05.1995 und 19.03.1996 bis 16.04.1996 im Reha-Zentrum R. B. sowie vom 23.07.1996 bis 22.08.1996 in der Neurologischen Abteilung des Krankenhauses R ... Die Beklagte nahm unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bis 31.05.1995 an. Einen Arbeitsversuch im Februar 1996 musste die Klägerin nach einer Woche abbrechen.
Eine von dem Radiologen Dr.L. am 12.01.1995 durchgeführte Kernspintomographie (Kernspin) der HWS zeigte eine Chondrose C3 bis C7 mit Bandscheibenprotrusionen bei C3/4 und C5 - 7, Foramenstenosen C4 bis C6 beidseits durch arthrotische Spangenbildung. Bei C7/D1 links waren Unregelmäßigkeiten der Abschluss- platten sowie Signalabweichungen im angrenzenden Knochenmark feststellbar. Dr.L. bewertete den Befund am ehesten als fibröses Narbengewebe im Rahmen einer Osteochondrose. Einen Deckplatteneinbruch im Rahmen des abgelaufenen Schleudertraumas hielt er für wenig wahrscheinlich. Für die Beklagte erstellten der Chirurg Dipl.-med.W. am 06.06.1995, der Nervenarzt Prof. Dr.G. am 03.07.1995 und der Chirurg Dr.G. am 14.11.1995 Gutachten. Der Chirurg W. nahm als unfallbedingte Gesundheitsstörung eine Distorsion der HWS an und verwies auf vor dem Unfall bestehende erhebliche degenerative Veränderungen der mittleren und unteren HWS. Prof. Dr.G. diagnostizierte eine HWS-Verletzung iS eines Schleudertraumas mit den Folgen eines ausgeprägten cervikocranialen Syndroms und einer leichten vorwiegend sensiblen Wurzelschädigung C7 rechts. Als Vorschaden nahm er degenerative Veränderungen der HWS mit hierdurch bedingter verzögerter Rückbildung an. Dr.G. führte die bei der Klägerin vorliegenden Beschwerden, insbesondere Schmerzen im gesamten Wirbelsäulenbereich, ursächlich auf den Unfall zurück und ging von weiterer Arbeitsunfähigkeit aus. Er erwartete eine Besserung der Unfallfolgen nach intensiver Rehabilitation.
Die Beklagte holte weitere Gutachten von dem Chirurgen Prof. Dr.Z. vom 22.04.1997, dem Nervenarzt Prof.Dr.G. vom 23.05.1997 und dem Unfallchirurgen Dr.D. vom 30.07.1997 ein. Prof. Dr.Z. stellte unfallbedingt eine HWS-Distorsion mit pseudoradikulärem Zervikalsyndrom und sensibler Wurzelreizung C7 neben einer LWS-Prellung fest. Bei der Klägerin hätten zwar vor dem Unfall bereits deutliche degenerative Veränderungen der HWS bestanden, die massive Bewegungseinschränkung der HWS, die seit dem Unfallgeschehen bestehenden Schmerzen und Gefühlsstörungen sowie die muskulären Begleitreaktionen seien jedoch auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Unter einer konsequenten Therapie sei aber mit einer Besserung des derzeitigen Zustandes der Unfallfolgen zu rechnen. Prof.Dr.G. konnte im nervenärztlichen Bereich nur noch eine leichte sensible Schädigung der Nervenwurzel C7 rechts mit leichten Berührungsempfindungsstörungen am rechten Mittelfinger - ohne messbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - wahrnehmen. Dr.D. wies auf ausgeprägte Vorschäden, insbesondere deutlich degenerative Erscheinungen der HWS sowie eine Torsionsskoliose der Wirbelsäule hin. Das Unfallereignis sei als richtungsweisend für die Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens, nicht aber als Ursache der anhaltenden Beschwerden zu werten. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit könne man für einen Zeitraum von ca 6 Monaten nach dem Unfallereignis annehmen. Die jetzt noch bestehenden Unfallfolgen mit Steilstellung, Bewegungseinschränkung und dem muskulären Hartspann sowie dem Wurzelirritationssyndrom C7 rechts seien mit einer MdE von 10 vH zu bewerten. Dr.D. hielt in seinem Gutachten die Klägerin ab 01.06.1995 wieder für arbeitsfähig bezüglich der Unfallfolgen.
Mit Bescheid vom 03.09.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1998 erkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalles an: Distorsion der HWS mit vorübergehender Verschlimmerung eines vorbestehenden, bereits als Krankheit manifest gewordenen Leidens der Wirbelsäule, vermehrte Bewegungseinschränkung und vermehrter muskulärer Hartspann der HWS. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei bis 31.05.1995 anzunehmen, Anspruch auf Rente bestehe nicht.
Im anschließenden Klageverfahren (S 6 U 40/98) veranlasste das Sozialgericht (SG) ein Gutachten des Arbeitsmediziners Dr.Z. vom 30.09.1998. Dieser führte aus, dass das Unfallereignis zu einer Zerrung der HWS und einer Prellung der LWS geführt habe. Durch die Beschleunigungsverletzung der HWS sei es zu einer vorübergehenden Verschlimmerung degenerativer Beschwerden seitens der HWS gekommen, während die Prellung der LWS nur kurzfristige Beschwerden verursacht habe. Arbeitsunfähigkeit habe deswegen bis 31.05.1995 bestanden. Eine unfallbedingte MdE von 10 vH habe bis Dezember 1995 vorgelegen. Der Chirurg Dr.R. nahm in dem nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachten vom 27.03.1999 lediglich ein Schleudertrauma Grad I an, da das Unfallereignis nicht geeignet gewesen sei, eine gravierende Verletzung der HWS herbeizuführen. Das jetzige Beschwerdebild entspreche nicht einem Zustand nach Verletzung, sondern einem ausgeprägten Wirbelsäulenleiden, das die gesamte Wirbelsäule umfasse. Unfallbedingt könne eine länger als eine Woche andauernde Beschwerdesymptomatik im Bereich der HWS nicht angenommen werden. Daraufhin nahm die Klägerin die Klage am 21.05.1999 zurück. Am 08.10.1999 beantragte sie bei der Beklagten, "ihre Unfallsache wieder aufzunehmen". Sie trug vor, dass sie wegen der Unfallfolgen bis heute arbeitsunfähig sei und wöchentlich Infusionen, Schmerzlinderungsmittel und Akkupunktur benötige. Mit Bescheid vom 03.11.1999 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides vom 03.09.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1998 ab, da der Antrag kein neues Vorbringen und auch keine neuen Tatsachen enthalte (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 24.02.2000).
Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt, die Bescheide vom 03.09.1997 und 29.01.1998 zurückzunehmen und ihr wegen des Arbeitsunfalles vom 23.12.1994 Rente zu gewähren. Sie hat ausgeführt, aus den Gutachten des Prof. Dr.Z. , Dr.G. und W. ergebe sich eine unfallbedingte Erwerbsunfähigkeit deutlich über den 31.05.1995 hinaus bis heute. Mit Urteil vom 15.10.2001 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die bei dem Arbeitsunfall erlittenen Gesundheitsschäden keine bleibenden Folgen hinterlassen haben. Das erneute Vorbringen der Klägerin enthalte keine neuen Gesichtspunkte, aus denen sich eine Unrichtigkeit der früheren Bescheide ergebe. Diese könnten nicht nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückgenommen werden.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und vorgetragen, dass die Bewegungseinschränkung der HWS eine Unfallfolge darstelle. Dies habe Prof. Dr.Z. in seinem Gutachten vom 22.04.1997, dem überragende Bedeutung zukomme, zum Ausdruck gebracht. Deswegen sei sie auch über den Mai 1995 hinaus arbeitsunfähig gewesen. Zwar habe ihre HWS zum Unfallzeitpunkt bereits degenerative Veränderungen aufgewiesen, sie sei durch diese aber nicht wesentlich beeinträchtigt gewesen. Durch den Auffahrunfall, insbesondere die erhebliche Aufprallwucht (die Aufprallgeschwindigkeit müsse mehr als 15 km/h betragen haben - Erdmann Schweregrad II bis III), sei es zwangsläufig zu einer erheblichen HWS-Stauchung gekommen, wie den neurologischen Ausfallserscheinungen zu entnehmen sei. Hierzu hat die Klägerin ein technisches Kfz-Sachverständigengutachten des Ingenieurs W.U. vom 30.12.1994 vorgelegt. Sie hat ein unfallanalytisches Gutachten und weitere medizinische Gutachten von Amts wegen für erforderlich gehalten.
Der Senat hat Befundberichte des Internisten Dr.H. vom 04.03.2002 und des Orthopäden Dr.B. vom 22.02.2002 eingeholt, die Akten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. und die einschlägigen Röntgen- und CT-Aufnahmen beigezogen, eine Auskunft über Erkrankungen des Klägers von der DAK N. vom 21.02.2002 eingeholt sowie den Chirurgen Dr.K. gehört. In dem Gutachten vom 29.11.2002/18.02.2003 ist Dr.K. von einer HWS-Distorsion des Schweregrades I nach Erdmann ausgegangen. Vorschädigungen seien auf Grund der röntgenmorphologischen Diagnostik, insbesondere der Röntgenaufnahmen von 1993, im Bereich der HWS anzunehmen. Eine Unfallverletzung im Bereich der LWS sei nicht wahrscheinlich zu machen. Arbeitsunfähigkeit liege nur bis Januar 1995 vor. Eine MdE darüber hinaus sei nicht nachweisbar, da die weiter geklagten Beschwerden auf unfallunabhängige Leiden zurückzuführen seien.
Der vom Senat ebenfalls gehörte Rechtsmediziner Prof. Dr.E. hat in dem Gutachten vom 29.04.2004/24.01.2005 ausgeführt, dass - basierend auf den Beschädigungsgraden an den jeweiligen Fahrzeugen - eine Kollisionsgeschwindigkeit des gegnerischen PKW von allenfalls 24 km/h abgeleitet werden könne mit daraus resultierender Geschwindigkeitsänderung des klägerischen PKW von 8 - 9 km/h. Die biomechanischen Kräfte bei dieser Geschwindigkeitsänderung seien nicht geeignet gewesen, bei der vorgeschädigten Wirbelsäule Gesundheitsschäden zu verursachen. Eine Erwerbsunfähigkeit der Klägerin durch die Folgen des Arbeitsunfalles habe nicht bestanden.
Auf Antrag der Klägerin hat der Senat von dem Rechtsmediziner Prof. Dr.M. ein Gutachten vom 15.10.2005 nach § 109 SGG eingeholt. Prof. Dr.M. hat die Auffassung vertreten, dass sich der Vortrag der Klägerin über ihre Beschwerden nicht mit dem Hinweis auf eine etwaige niedrige Unfalldynamik widerlegen lasse. Wenn man die Angaben der Klägerin über die Geschwindigkeit des gegnerischen Fahrzeugs (ca 45 km/h) als richtig unterstelle, könnten biomechanische Kräfte auf die HWS und LWS der Klägerin eingewirkt haben, die durch eine Geschwindigkeitsänderung von oberhalb 15 km/h bewirkt wurden. Die Beklagte hat erwidert, dass dieses Gutachten bei der Bejahung des Unfallzusammenhangs über den Grad der Möglichkeit nicht hinauskomme.
Der vom Senat von Amts wegen gehörte Arbeitsmediziner Dr.S. hat in dem Gutachten vom 11.05.2006 die PC-Crash-Analyse des Prof. Dr.E. als zutreffend angesehen. Die auf die Klägerin beim Unfall einwirkenden Kräfte seien in der Lage gewesen, bei der vorgeschädigten Wirbelsäule der Klägerin Gesundheitsstörungen iS einer HWS-Distorsion Schweregrad I zu verursachen. Bis 30.06.1995 sei die MdE mit 20 vH, anschließend mit 10 vH bis Dezember 1995 einzuschätzen.
Die Klägerin hat sich mit Schriftsatz vom 18.07.2006 gegen das Gutachten des Dr.S. gewandt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 15.10.2001 sowie des Bescheides vom 03.11.1999 idF des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2000 zu verurteilen, den Bescheid vom 03.09.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1998 zurückzunehmen und Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 vH ab Juni 1995 zu gewähren, hilfsweise beantragt sie die Einholung eines Gutachtens auf neurologischem Gebiet von Amts wegen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 15.10.2001 zurückzuweisen.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Akten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und des Amtes für Versorgung und Familienförderung N. Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Sie hat keinen Anspruch auf Rücknahme der ablehnenden Bescheide vom 03.09.1997 und 29.01.1998 und Gewährung von Verletztenrente, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Anzuwenden sind im vorliegenden Fall die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da sich der zu beurteilende Unfall noch vor Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 01.01.1997 ereignet hat (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).
Gemäß § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist. Diese Vorschrift ermöglicht eine Abweichung von der Bindungswirkung eines unrichtigen Verwaltungsaktes zugunsten der materiellen Gerechtigkeit. Es kommt dabei auf den Erkenntnisstand bei der Überprüfung des Verwaltungsaktes an. Die frühere Tatsachenfeststellung bzw Rechtsanwendung kann sich dann auf Grund neu gewonnener Erfahrung als unrichtig erweisen.
Bei Erlass des Bescheides vom 03.09.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 29.01.1998 ist die Beklagte weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen noch hat sie das Recht unrichtig angewandt.
Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Prof.Dr.E. davon aus, dass die am Beifahrersitz der Klägerin wirksame kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung (Beschleunigung in Längsrichtung) nur als geringfügig einzuschätzen ist, allenfalls in einer Größenordnung von 8 - 9 km/h bei einer Differenzgeschwindigkeit des gegnerischen PKW von 24 km/h. Die von der Klägerin geschätzte Kollisiongeschwindigkeit des gegnerischen PKW s von ca 45 km/h kann dagegen mit dem Beschädigungsgrad des PKW der Klägerin nicht in Einklang gebracht werden. Die vorliegenden dokumentierten Schäden (Beschädigung des Karosserieaufbaus und der Auspuffanlage im Heckbereich) an dem PKW der Klägerin entsprechen der von Prof.Dr.E. Gutachter eingeschätzten Differenzgeschwindigkeit von 24 km/h des stoßenden PKW.
Entsprechend den überzeugenden Gutachten der Dres. K. , R. und S. geht der Senat davon aus, dass die Klägerin auf Grund des Auffahrunfalles eine leichte HWS-Distorsion (Schweregrad I nach Erdmann) erlitten hat. Der Senat folgt insoweit nicht Prof.Dr.E. , der eine unfallbedingte Verletzung der HWS ausgeschlossen hat. Eine HWS Verletzung nach einem höheren Schweregrad ist aufgrund der biomechanischen Feststellungen des Prof.Dr.E. aber nicht wahrscheinlich zu machen. Das nunmehr vorliegende Beschwerdebild ist auf das vorbestehende degenerative HWS-Leiden zurückzuführen. Bei der Klägerin liegen unfallunabhängig degenerative Umformungserscheinungen des Achssystems mit Betonung der HWS, aber auch degenerative Umformungen im Bereich der LWS vor. Diese sind ursächlich für das anhaltende Beschwerdebild. Durch die Röntgendiagnostik konnte ein unfallbedingter struktureller Schaden im Bereich der HWS ausgeschlossen werden. Vergleicht man die Röntgenaufnahmen, die aus Anlass des Unfalles gefertigt wurden mit denen des Jahres 1993, ist keinerlei Befundänderung hinsichtlich der degenerativen Umformungserscheinungen im Bereich der HWS nachweisbar. Auch im Kernspin vom 12.01.1995 lassen sich keine Unfallverletzungen oder -folgen erkennen. Auch hier sind lediglich degenerative Umformungserscheinungen nachgewiesen. Eine funktionelle Verletzung im Bereich der HWS ist bei Fehlen struktureller Schäden zwar wahrscheinlich zu machen, aber höchstens nach Schweregrad I nach Erdmann. Funktionelle Verletzungen heilen nach unfallchirurgischer Lehrmeinung grundsätzlich folgenlos aus. Bei Schweregrad I wird nur eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von zwei bis sechs Wochen angenommen (Schönberger u.a., Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7.Aufl, S 562).
Vorschädigungen iS eines degenerativen Aufbrauchs im Bereich der HWS sind röntgenmorphologisch eindeutig dokumentiert. Da es unfallbedingt zu keinem strukturellen Gesundheitsschaden gekommen ist, kann eine funktionelle Verletzung iS der gesetzlichen Unfallversicherung nicht zu einer richtunggebenden Verschlimmerung einer vorbestehenden Schädigung führen. Allerdings kann bei Nachweis vorbestehender degenerativer Umformungserscheinungen der Heilverlauf verlängert werden. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass die Beklagte im Bescheid vom 03.09.1997 zutreffend unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit auf Grund des Gutachtens der Dr.D. bis 31.05.1997 angenommen hat. Auch Dr.S. folgt im Wesentlichen dieser Auffassung, dass die Distorsion der HWS zu unerwartet langen Beschwerden geführt habe, wobei eine therapierefraktäre Zervikocephalgie nach Auffassung des behandelnden Orthopäden Dr.G. von Bedeutung ist (Befundbericht vom 22.02.2002). Dr.K. kann im Hinblick auf die Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht gefolgt werden. Die über den Zeitraum der Behandlung hinaus geklagten Beschwerden sind auf unfallunabhängige Leiden zurückzuführen. Eine MdE über den 31.05.1999 hinaus ist aber nicht begründbar, da keine strukturellen Schäden auf Grund des Arbeitsunfalles nachgewiesen sind. Insofern kann auch Dr.S. nicht gefolgt werden, der im Hinblick auf die von ihm vorgenommene MdE-Bewertung (vgl Schönberger u.a. aaO) letztlich einen Schweregrad II nach Erdmann unterstellt.
Nicht folgen kann der Senat den Ausführungen des Prof. Dr.Z. in seinem Gutachten vom 23.04.1997. Er stellt lediglich auf von der Klägerin vorgebrachte Beschwerden ab. An diesen macht er krankhafte Befunde fest. Daraus einen ursächlichen Zusammenhang abzuleiten, entspricht nicht einer wissenschaftlich fundierten Begutachtung. Dr.D. übersieht in seinem Gutachten vom 13.07.1997, dass lediglich eine funktionelle Verletzung wahrscheinlich gemacht werden kann. Unzutreffend ist seine Schlussfolgerung, dass diese Verletzung ein vorbestehendes Leiden dekompensiert habe. Im Übrigen kommt weder Dr.Z. noch Dr.D. hinsichtlich einer Rentengewährung zu einem positiven Ausspruch. Das Gutachten des Prof. Dr.M. kommt trotz umfangreicher Diskussion zu keinen eindeutigen Ergebnissen. Zudem beantwortet er nicht die Frage nach dem Grad der MdE unter Hinweis auf fehlende Sachkompetenz. Auch geht er bei der Bejahung des Unfallzusammenhangs nur von einer Möglichkeit aus.
Der Einholung eines Gutachtens auf neurologischem Gebiet hat es nicht bedurft, da der Sachverhalt durch die Gutachten des Prof.Dr.G. vom 03.07.1995 und 23.05.1997 auch insoweit ausreichend aufgeklärt ist.
Nach alledem wurde bei Erlass der ablehnenden Bescheide das Recht nicht unrichtig angewandt noch ging die Beklagte von einem Sachverhalt aus, der sich als unrichtig erweist. Ein Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente besteht nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
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