L 15 VG 3/06

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 7/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 3/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9/9a VG 2/07 BH
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 8. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1940 geborene Kläger begehrt Versorgungsleistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) i.V.m. den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

Der Kläger hat mit Antrag vom 20.10.2004 vorgetragen, dass am 20.02.2004 im Kundendienstraum der T.-Krankenkasse in der R. Straße , M. , sein Rollkuli derart manipuliert worden sei, dass dieser beim Ziehen auf der Straße blockiert habe und er sich infolge dessen eine Wirbelsäulen- und Schultergelenksverletzung zugezogen habe. Der Rollkuli sei vorsätzlich beschädigt worden, um ihn zu verletzen.

Von Seiten des Beklagten sind die Akten der Staatsanwaltschaft M. beigezogen und ausgewertet worden.

In der Folge hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 13.02.2004 den Antrag auf Beschädigtenversorgung abgelehnt. Nach dem vom Kläger geschilderten Vorfall habe es sich um keinen tätlichen Angriff im Sinne des § 1 Abs.1 OEG gehandelt. Nach der beigezogenen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte seien die Ermittlungen mangels verfolgbarer Täterhinweise eingestellt worden.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hat der Kläger präzisiert, dass nach seiner Auffassung ein Unbekannter die Befestigungsschraube einer Rolle an seinem Rollkuli gelockert habe, so dass nach dem Loslösen der Rolle der Rollkuli zwischen den Pflastersteinen des Fußweges einhakte und er sich hierbei die Wirbelsäule und das Schultergelenk verletzt habe.

Der Widerspruch vom 10.01.2005 gegen den Bescheid des Amts für Versorgung und Familienförderung M. vom 13.02.2004 ist mit Widerspruchsbescheid des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 14.02.2005 zurückgewiesen worden. Die Nichterweislichkeit einer Gewalttat im Sinne des OEG gehe zu Lasten des Klägers.

Die hiergegen gerichtete Klageschrift vom 21.03.2005 ist am Folgetag im Sozialgericht München eingegangen. Zur Begründung hat der Kläger hervorgehoben, dass er seit Anfang August 2003 auf die Fortbewegung mit seinem Rollkuli angewiesen sei. Er transportiere damit Verwaltungsakten, weil er so in der Lage sei, vor Gerichten in Verfahren, in welche er hineingezogen worden sei, ohne Verzug zu reagieren. Der Rollkuli habe am 20.02.2004 ein Gesamtgewicht von ca. 40 kg gehabt. Der Achsteil habe sich bereits bei Transporten bis zu 130 kg bewährt. Nie sei es dabei zu einer Lockerung der Achsrollschrauben gekommen. Der umgebaute Rollkuli sei zum Zeitpunkt des Ereignisses fast zwei Wochen zuverlässig in Betrieb gewesen. Für die Manipulation (Lockerung der Achsrollschraube am 20.02.2004 durch einen Unbekannten) wären nur ein bis zwei Sekunden notwendig gewesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München vom 27.09.2005 hat der Kläger beantragt, durch sachverständige Begutachtung seines Fahrzeuges Beweis über dessen technische Beschaffenheit und über die Manipulationsmöglichkeit zu erheben. Außerdem hat er den Vorsitzenden der 30. Kammer des Sozialgerichts München wegen Befangenheit abgelehnt.

Das Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) hat mit Beschluss vom 07.11.2005 ausgesprochen, dass die Ablehnung des Vorsitzenden der 30. Kammer des Sozialgerichts München wegen Besorgnis der Befangenheit unbegründet ist.

In der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts München vom 08.02.2006 hat der Kläger als Beweisstück ein in der Mitte verstärktes, an beiden Enden gebogenes Flacheisen präsentiert, an dem mittels Schraubenmutter und Beilagscheiben gummibereifte Räder von etwa 15 cm Durchmesser befestigt gewesen sind. Der Kläger hat mitgeteilt, dass er die von außen auf die Achslager angebrachten Abdeckungen erst nachträglich angebracht habe. Gegenmuttern seien nicht vorhanden gewesen, Splinte ursprünglich schon.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 08.02.2006 - S 30 VG 7/05 - die Klage gegen den Bescheid vom 13.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2005 abgewiesen. Das Vorliegen eines rechtswidrigen tätlichen Angriffes gegen die Person des Klägers im Sinne von § 1 Abs.1 OEG sei nicht nachgewiesen. Selbst bei Unterstellung einer vorsätzlichen Sachbeschädigung wäre dem unbekannten Täter kein Vorsatz einer Körperverletzung zu unterstellen. Ein solcher Vorsatz wäre allenfalls vorstellbar bei der Beschädigung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern, Rollstühlen oder sonstigen Fahrzeugen zur Personenbeförderung, nicht aber bei der Beschädigung von Einkaufs- oder Aktentransportfahrzeugen.

Mit Berufungsbegründung vom 03.04.2006, eingelegt am selben Tag im BayLSG, hat der Kläger sein Klagebegehren erweitert und zusätzlich Schmerzensgeld und Schadensersatz für eine ihm angeblich zugefügte Verletzung durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten (Schädelprellung, Halswirbelsäulenquetschung) durch das Zuschlagen der Türen des Verhandlungssaales geltend gemacht (Verhandlungstermin am 08.02.2006).

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 09.05.2006 seine Akten vorgelegt.

Nach Anhörung beider Beteiligter mit Nachricht vom 29.05.2006 hat das BayLSG mit Beschluss vom 25.09.2006 ausgesprochen: I. Das Bayer. Landessozialgericht erklärt sich hinsichtlich des mit Berufungsbegründung vom 03.04.2006 unter Ziffer II geltend gemachten Anspruches auf Schmerzensgeld und Schadensersatz für die behauptete Verletzung durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten (Schädelprellung, Halswirbelsäulenquetschung) durch das Zuschlagen der Türen des Verhandlungssaales für unzuständig.

II. Die vorstehend bezeichneten geltend gemachten Ansprüche werden gemäß § 113 Abs.1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von dem laufenden Verfahren abgetrennt und an das örtlich und sachlich zuständige Amtsgericht M. verwiesen.

Weiterhin ist der Kläger mit Schreiben vom 27.09.2006 dahingehend angehört worden, dass der Senat seine Berufung für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Es sei daher vorgesehen, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Es werde um Stellungnahme bis 31.10.2006 gebeten, ob die Berufung weiterhin aufrecht erhalten werde oder nicht.

Der Kläger ersuchte mit Nachricht vom 31.10.2006 aus gesundheitlichen Gründen um Verlängerung der im Schreiben vom 27.09.2006 gesetzten Frist. Die erbetene Fristverlängerung wurde mit Nachricht des BayLSG vom 08.11.2006 bis 15.11.2006 bewilligt.

Der daraufhin gestellte Befangenheitsantrag des Klägers vom 15.11.2006 wurde mit Beschluss des BayLSG vom 28.11.2006 zurückgewiesen. Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am BayLSG S. und des Richters am BayLSG H. wegen Besorgnis der Befangenheit sei unbegründet. Es liege in der Natur der Sache, dass auch über die Begründetheit einer Berufung eine entsprechende Meinungsbildung herbeigeführt werde. Insoweit sehe das Gesetz sogar ausdrücklich vor, dass die befassten Richter im Senat über die Angelegenheit sprechen und beraten würden. Wenn sie danach die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachten würden, sei dies den Beteiligten zur Anhörung zur Kenntnis zu bringen.

Weiterhin hat das BayLSG mit Beschluss vom 06.12.2006 den Antrag vom 03.04.2006 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu benennenden Rechtsanwalt abgelehnt. Es bestehe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO). Ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff gegen die Person der Klägers im Sinne von § 1 Abs.1 OEG sei offensichtlich nicht gegeben. Das Sozialgericht München habe mit Urteil vom 08.02.2006 zutreffend ausgeführt, dass selbst bei Unterstellung einer vorsätzlichen Sachbeschädigung dem unbekannten Täter kein Vorsatz einer Körperverletzung zu unterstellen wäre. Ein solcher Vorsatz wäre allenfalls vorstellbar bei der Beschädigung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern, Rollstühlen oder sonstigen Fahrzeugen zur Personenbeförderung, nicht aber bei der Beschädigung von Einkaufs- oder Aktentransportfahrzeugen. Dies gelte auch für den vom Kläger verwendeten Rollkuli.

Im Folgenden teilte das BayLSG mit Schreiben vom 11.12.2006 mit, entsprechend dem Antrag vom 15.11.2006 könnten die Akten zu den üblichen Besuchszeiten eingesehen werden. Hiervon machte der Kläger keinen Gebrauch.

In der mündlichen Verhandlung vom 01.03.2007 lehnte der Kläger den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht S. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Nach geheimer Beratung (in zuständiger Besetzung, vgl. Niederschrift vom 01.03.2007) hat der Richter am BayLSG Dr. K. als Vorsitzender folgenden Beschluss verkündet: Die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bayer. Landessozialgericht S. wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet: Die Einwendungen des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter S. sind nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Sie beziehen sich ausschließlich auf den Kammervorsitzenden K. der ersten Instanz.

Der Senat ist danach in ursprünglicher Besetzung wieder in die mündliche Verhandlung eingetreten. Der Kläger lehnte nunmehr den Beisitzer Dr.K. ab. Die Begründung des Klägers ist vorgelesen und genehmigt worden.

Der Vorsitzende stellt fest, dass der Kläger trotz Aufklärung keinen Antrag stellt.

Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird gemäß § 202 SGG i.V.m. § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht München hat die Klage mit Urteil vom 08.02.2006 - S 30 VG 7/05 - zu Recht abgewiesen. Der Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung M. vom 13.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bayer. Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 14.02.2005 ist nicht zu beanstanden. Dem Kläger stehen anlässlich des Ereignisses vom 20.02.2004 keine Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu.

Der Senat war durch die Befangenheitsanträge des Klägers nicht an einer Sachentscheidung gehindert, weil diese unbegründet bzw. unzulässig waren.

Der erste Befangenheitsantrag des Klägers, gegen den Vorsitzenden Richter am Bayer. Landessozialgericht S. ist mit den vorstehend bezeichneten Gründen gemäß § 60 Abs.1 SGG als unbegründet zurückgewiesen worden. Denn die Einwendungen des Klägers haben sich ausschließlich auf den Kammervorsitzenden K. der ersten Instanz bezogen. In diesem Zusammenhang hat das Bayer. Landessozialgericht bereits mit Beschluss vom 07.11.2005 - L 5 AR 136/05 VG ausgesprochen: Die Ablehnung des Vorsitzenden der 30. Kammer des Sozialgerichts München, Richter am Sozialgericht K. , wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet.

Der weitere Befangenheitsantrag des Klägers gegen den Richter am Bayer. Landessozialgericht Dr.K. (Beisitzer) ist gemäß § 60 Abs.1 SGG bereits unzulässig. Spätestens mit dem zweiten Befangenheitsantrag in der Verhandlung am 01.03.2007 wurde für jedermann offenkundig, dass der Kläger sein Recht, Richter abzulehnen, völlig willkürlich und rechtsmissbräuchlich handhabt.

Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies nur der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein. Dies ist vorliegend nich ansatzweise gegeben. Für den Senat war vielmehr deutlich erkennbar, dass der Kläger spätestens mit dem zweiten Befangenheitsantrag allein das Ziel verfolgte, die weitere Verhandlung zu sabotieren und insbesondere eine Entscheidung des Senats zu verhindern. Deswegen war der Senat ausnahmsweise auch nicht verpflichtet, über den Ablehnungsantrag gegen RiBayLSG Dr.K. formell durch gesonderten Beschluss zu entscheiden, sondern konnte sich darauf beschränken, den Ablehnungsantrag mit Begründung zu Protokoll zu nehmen und diesen im Rahmen des Urteils abzuhandeln (vgl. hierzu BVerfGE 11, 1 (3); 343 (348); 74, 96 (100)).

In der Sache ist der Kläger nochmals darauf hinzuweisen, dass selbst bei Unterstellung einer vorsätzlichen Sachbeschädigung des Rollkulis dem unbekannten Täter kein Vorsatz einer Körperverletzung im Sinne von § 1 Abs.1 OEG zu unterstellen wäre. Ein solcher Vorsatz wäre allenfalls vorstellbar bei der Beschädigung von Kraftfahrzeugen, Fahrrädern, Rollstühlen und sonstigen Fahrzeugen zur Personenbeförderung, nicht aber bei der Beschädigung von Einkaufs- oder Aktentransportfahrzeugen. Dies gilt auch für den vom Kläger verwendeten Rollkuli, wie das Sozialgericht München bereits mit Urteil vom 08.02.2006 zutreffend ausgeführt hat.

Im Übrigen sieht das BayLSG gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da die Berufung auch aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückzuweisen ist.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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