S 28 AS 88/07 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 88/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin gegen den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 12.12.2006 insoweit aufschiebende Wirkung hat, als in dem Bescheid die Erstattung von überzahlten Leistungen in Höhe von 6057,94 Euro angeordnet worden ist. Die Vollstreckung der Erstattungsforderung ist bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zu unterlassen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin dem Grunde nach.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die angekündigte Vollstreckung der Erstattungsforderung in Höhe von 6058, 24 Euro aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12.12.2006.

Die Antragsgegnerin hatte der Antragstellerin und ihrer minderjährigen Tochter M (geb. 00.00.2001) mit Bescheid vom 19.4.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für den Zeitraum 1.4.2006 bis 31.7.2006 und mit Bescheid vom 28.7.2006 für den Zeitraum 1.8.2006 bis 31.1.2007 bewilligt. Die Antragsgegnerin zahlte die bewilligten Leistungen bis Oktober 2006 an die Antragstellerin aus.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.12.2006 nahm die Antragsgegnerin gestützt auf § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 1.4.2006 unter Aufhebung der Bescheide vom 19.4.2006 und 28.7.2006 ganz zurück. Wegen überzahlter Leistungen für die Zeit vom 1.4.2006 bis zum 30.9.2006 forderte sie gestützt auf § 50 SGB X die Antragstellerin zur Erstattung des Betrages von 6058,24 Euro auf.

Mit Schreiben vom 19.12.2006 –eingegangen am 21.12.2006- erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12.12.2006.

Am 2.4.2007 hat die Antragstellerin Klage (S 00 AS 00/00) und Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erhoben. In der Klageschrift hat sie beantragt, 1. festzustellen, dass ihr Widerspruch vom 19.12.2006 gegen den Bescheid vom 12.12.2006 aufschiebende Wirkung hat und 2. die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 12.12.2006 einzustellen. Die Antragstellerin trägt im wesentlichen vor, sie sei von der Vollstreckungsstelle des Hauptzollamtes Duisburg angeschrieben worden. Es sei darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt sei, aus dem Bescheid vom 12.12.2006 den Forderungsbetrag in Höhe von 6058,24 Euro zu vollstrecken. Die Antragsgegnerin betreibe die Vollstreckung ohne rechtskräftigen Bescheid, denn der eingelegte Widerspruch vom 19.12.2006 gegen den Bescheid vom 12.12.2006 habe aufschiebende Wirkung.

Die Antragstellerin beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung auszusprechen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 12.12.2006 eingestellt wird.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin habe der Widerspruch gegen den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 12.12.2006 gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Zu den Entscheidungen, die über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheiden, zählten auch sämtliche belastende Entscheidungen, die eine Regelung bezüglich dieser Leistungen treffen. Dazu zählten insbesondere die Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende (LSG NRW 26.7.2006 – L 20 B 144/06 AS ER -; LSG NRW 3.11.2006 – L 20 B 264/06 AS ER -). Schließlich habe die Antragstellerin in der Sache keine Gründe vorgetragen, die gegen eine Rückforderung der Leistungen sprechen könnten, so dass eine Auslegung als Antrag im Sinne des § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht in Betracht kommen dürfte.

II.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat Erfolg.

Unter Würdigung ihres Vortrages in der Klage- und Antragsschrift vom 2.4.2006 und der Vorlage der Vollstreckungsankündigung des Hauptzollamtes Duisburg vom 5.3.2006 ist das Begehren der Antragstellerin offensichtlich darauf gerichtet, dass der von ihr mit Widerspruch vom 21.12.2006 angefochtene Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 12.12.2006 hinsichtlich der darin angeordneten Erstattung von überzahlten Leistungen in Höhe von 6058,24 Euro nicht vollzogen werden darf. Der Bescheid vom 12.12.2006 enthält mehrere Verwaltungsakte: die Entscheidungen über die Rücknahme der Bescheide vom 19.4.2006 und 28.7.2006, d.h. der Rücknahme der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II rückwirkend ab dem 1.4.2006 bis zum 12.12.2006 und zukunftsgerichtet für die Zeit ab dem 13.12.2006 bis zum 31.1.2007; des weiteren die Entscheidung über die Erstattung überzahlter Leistungen für die Zeit 1.4.2006 bis 30.9.2006 in Höhe von 6058,24 Euro. Die Antragstellerin erstrebt vorliegend die Feststellung, dass ihrem Widerspruch vom 21.12.2006 gegen den Bescheid vom 12.12.2006, soweit er die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 6058,24 Euro anordnet, aufschiebende Wirkung zukommt. Wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs insoweit von Seiten des Gerichtes festgestellt, dürfen Vollzugsmaßnahmen zur Durchsetzung des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht durchgeführt werden. Die Antragstellerin erreicht damit ihr Ziel, dass vorläufig bis zur Entscheidung über den Widerspruch die streitbefangene Erstattungsforderung nicht gegen sie im Wege der Zwangsvollstreckung betrieben werden kann. Verfahrensrechtlich handelt es sich um einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 86 b Abs. 1 SGG. Obgleich in § 86 b Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGG nicht ausdrücklich benannt, beinhaltet der einstweilige Rechtsschutz nach dieser Regelung auch die Möglichkeit, die bereits kraft Gesetzes eingetretene aufschiebende Wirkung von Widerspruch (und Anfechtungsklage) ausdrücklich festzustellen, wenn eine Behörde die aufschiebende Wirkung nicht beachtet bzw. der Verwaltungsakt faktisch vollzogen wird (vgl. Meyer-Ladewig/Leitherer/Keller, SGG, 8. Auflage 2005, § 86 b Rdn. 15). So liegt es hier. Die Antragsgegnerin hält ihre Rücknahme- und Erstattungsentscheidung vom 12.12.2006 vollumfänglich für sofort vollziehbar und hat die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der darin verfügten Erstattung angekündigt (Vollstreckungsankündigung vom 5.3.2007), obgleich der von Antragstellerin erhobene Widerspruch hinsichtlich der Erstattungsforderung aufschiebende Wirkung entfaltet.

§ 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG ordnet als Grundsatz die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage an. Der angefochtene belastende, d.h. in eine Rechtsposition eingreifende Verwaltungsakt kann nicht vollzogen werden, es tritt ein Schwebezustand ein, währenddessen vollendete Tatsachen nicht geschaffen werden dürfen. Die aufschiebende Wirkung entfällt in den Fällen des § 86 a Abs. 2 Nr. 1-5 SGG. Nr. 1 bis 3 und Nr. 5 sind vorliegend von vorneherein nicht in Betracht zu ziehen. Ein durch Bundesgesetz vorgeschriebener Fall (Nr. 4) liegt in Bezug auf die streitbefangene Erstattung überzahlter Leistungen nicht vor.

Die Antragsgegnerin kann eine sofortige Vollziehung der von ihr getroffenen Erstattungsentscheidung nicht auf § 39 SGB II stützen, denn diese ist kein Verwaltungsakt im Sinne des § 39 Nr. 1 SGB II. Die Anwendbarkeit des § 39 SGB II auf Rücknahme- bzw. Erstattungsbescheide im Falle der rückwirkenden Aufhebung einer Leistungsbewilligung nach §§ 45ff SGB X und Erstattung überzahlter Leistungen nach § 50 SGB X ist umstritten. Überwiegend wird in der Rechtsprechung vertreten, dass als Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende in der Vergangenheit ausgezahlte Geldbeträge bis zu einer bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache über die Rücknahme oder Aufhebung nicht zu erstatten seien. Hierbei wird teilweise mit Rücksicht auf die Zweistufigkeit der Rückabwicklung zu Unrecht erbrachter Leistungen (Rücknahme bzw. Aufhebung nach §§ 45, 48 SGB X und Rückforderung nach § 50 SGB X) zwischen der aufschiebenden Wirkung der Rücknahme/Aufhebung von Bewilligungsbescheiden für die Vergangenheit einerseits und der Rückforderung zu Unrecht erfolgter Zahlungen anderseits unterschieden und vertreten, der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach § 39 Nr. 1 SGB II erfasse nicht die auf § 50 SGB X gestützte Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen (LSG Niedersachsen-Bremen Beschlüsse vom 22.2.2006 – L 9 AS 127/06 ER - und vom 23.3.2006 – L 9 AS 127/06 ER -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 26.4.2006 - L 3 ER 47/06 AS -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 28.7.2006 – L 14 B 350/06 AS ER - und vom 25.8.2006 – L 5 B 549/06 AS ER -; LSG Hamburg Beschlüsse vom 29.5.2006 – L 5 B 77/06 ER AS - und vom 6.6.2006 – L 5 B 401/05 ER AS -; SG Münster Beschluss vom 12.9.2006 – S 5 AS 115/06 ER -; im Ergebnis ebenso SG Dresden Beschluss vom 23.1.2006 – S 6 AS 1393/05 ER -; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 27.4.2006 – L 2 B 62/06 AS ER -). Nach der Gegenauffassung umfasst § 39 SGB II sämtliche belastende Entscheidungen, die sich auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende beziehen und damit auch auf Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide, ungeachtet ihrer Zukunfts- oder Vergangenheitsbezogenheit (LSG NRW Beschlüsse vom 31.3.2006 – L 19 B 15/06 AS ER - und vom 26.7.2006 – L 20 B 144/06 AS ER -; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 5.7.2006 –L 6 B 196/06 AS ER-, wohl auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 20.3.2006 – L 8 AS 369/06 ER-B -). Der Wortlaut des § 39 SGB II ist nicht eindeutig und daher umstritten. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Klage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Die Vorschrift kann dahingehend im weiten Sinne verstanden werden, dass alle Entscheidungen gemeint sind, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende in irgendeiner Weise tangieren. Dazu gehören dann auch Bescheide über die Festsetzung einer Erstattungsforderung überzahlter Leistungen nach dem SGB II (so LSG NRW, aaO; LSG Schleswig-Holstein, aaO). Möglich ist es auch, den Wortlaut im engeren Sinne dahingehend zu verstehen, dass die Festsetzung einer Erstattung überzahlter Leistungen nicht gemeint ist, weil sprachlich zwischen einer Leistung und einer "Rückleistung" zu unterscheiden ist (so SG Dresden, aaO und LSG Sachsen-Anhalt, aaO). Vertreten wird des weiteren, als "Entscheidung über Leistungen" seien sowohl die Bewilligung als auch deren Kehrseite die Aufhebung ("actus contrarius") anzusehen, nicht jedoch die Erstattungsforderung nach § 50 SGB X. Die Erstattungsforderung stelle keine Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende dar (LSG Niedersachsen-Bremen, aaO, das von einer "Entscheidung über eine rechtsgrundlos erbrachte Leistung" ausgeht; ähnlich LSG Hamburg, aaO, das von einem "aliud" ausgeht) und sei daher durch den Widerspruch suspendiert. Das Gericht schließt sich der Auffassung, dass Erstattungsentscheidungen nicht unter § 39 Nr. 1 SGB II fallen, an und geht infolgedessen davon aus, dass die Erstattungsentscheidung vom 12.12.2006 durch den Widerspruch vom 21.12.2006 suspendiert ist und daher vorläufig nicht vollzogen werden darf. Es ergibt sich aus einer an Sinn und Zweck des § 39 Nr. 1 SGB II orientierten Auslegung Erstattungsforderungen nicht unter diese Regelung der sofortigen Vollziehung fallen zu lassen. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass streitige Leistungen vom Leistungsträger nicht mehr an den Leistungsempfänger auszuschütten sind, dies im Hinblick auf eine ggf. schwierige oder überhaupt nicht durchzusetzende Rückforderung der Leistungen. Änderungs- und Aufhebungsbescheide, die laufende bzw. noch nicht ausgezahlte Leistungen betreffen, sollen sofort umgesetzt werden können, ohne im Regelfall die Entscheidung über Widerspruch und Klage abwarten zu müssen (LSG Sachsen-Anhalt, aaO). Die Interessenlage bei der Rückforderung bereits in der Vergangenheit zur Auszahlung gelangten Leistungen ist anders zu beurteilen. Diese Leistungen sind bereits an den Sozialleistungsempfänger geflossen, ob die Rückforderung dieser überzahlten Leistungen sich ggf. schwierig gestaltet, kann jetzt nicht mehr maßgebend sein. Auch ist es vor dem Hintergrund, dass in anderen Bereichen des Sozialversicherungsrechtes bzw. des Sozialhilferechtes Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Aufhebungen von Leistungen in der Vergangenheit und daraus resultierenden Erstattungsforderungen Suspensiveffekt entfalten, wenig nachvollziehbar, weshalb der Gesetzgeber im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende Rechtsbehelfe gegen Erstattungsforderungen von der aufschiebenden Wirkung hat ausnehmen wollen. Sowohl im Bereich des Arbeitslosengeldes I und der früheren Arbeitslosenhilfe (vgl. § 336 a Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung - SGB III) als auch im Bereich der Sozialhilfe (vgl. § 93 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe - SGB XII), welche der Grundsicherung nach SGB II in ihren Zielsetzungen verwandt sind, fehlt es an einer dem § 39 SGB II entsprechenden Regelung. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Erstattungsforderungen wegen überzahlten Leistungen haben hier entsprechend des Regelfalls nach § 86 a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung. So ordnet § 336 a SGB III die sofortige Vollziehung nur bei Herabsetzung und Entziehung laufender Leistungen an (vgl. auch § 86a Abs. 2 Nr. 2 SGG). Das Fehlen einer entsprechenden Formulierung in § 39 SGB II zwingt nicht zu dem Schluss, dass der Gesetzgeber im SGB II die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen anders regeln wollte als im SGB III und auch Erstattungsforderungen mit einbezogen sehen wollte (LSG Rheinland-Pfalz 26.4.2006, aaO), zumal bei einer solchen weiten Auslegung des § 39 Nr. 1 SGB II im Sinne des Einbeziehens aller Entscheidungen, die Leistungen nach dem SGB II tangieren, die nachfolgende Regelung Nr. 2 überflüssig wäre, da auch Verwaltungsakte, die den Übergang eines Anspruchs bewirken, im weiteren Sinne über Leistungen nach dem SGB II entscheiden (LSG Hamburg 6.6.2006, aaO). Der Hinweis auf eine "klarstellende" Funktion des § 39 Nr. 2 SGB II (so LSG NRW 31.3.2006, aaO) kann nicht überzeugen. Der Sinn und Zweck des Wegfalls der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über laufende Leistungen liegt im Wesentlichen darin, dass der Leistungsträger dem Versicherten bzw. Hilfebedürftigen als Leistungsempfänger im Streitfall bereits bewilligte Leistungen nicht weiter auszahlen muss. Diese Gesichtspunkte greifen bei Rückleistungen nicht, da der Hilfebedürftige über die in der Vergangenheit erhaltenen Leistungen bereits verfügen konnte und in aller Regel auch verfügt hat (LSG Rheinland Pfalz 26.4.2006, aaO; ähnlich LSG Sachsen-Anhalt, aaO). Auch ist es zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der Sozialleistungsträger in der Regel nicht erforderlich, dass diese bereits erbrachte Leistungen sofort zurückgefordert werden können, ohne dass zuvor geklärt ist, ob der Leistungsempfänger tatsächlich einen Anspruch hatte oder nicht (LSG Berlin Brandenburg, 25.8.2006, aaO). Im Ergebnis ist daher die sprachlich unklare Regelung des § 39 SGB II keine geeignete Grundlage für eine Ausnahme von der allgemeinen Regelung im § 86 a Abs. 1 SGG, wonach Widerspruch und Anfechtungsklage gegen belastende Erstattungsforderungen grundsätzlich aufschiebende Wirkung haben. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich ebenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber auch Erstattungsbescheide mit erfassen wollte (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, aaO, mit Hinweis auf BT-Drucksache 15/1561 zu § 39, S. 63). Dementsprechend entfaltet der Widerspruch vom 21.12.2006 gegen die Erstattungsentscheidung vom 12.12.2006 aufschiebende Wirkung, so dass analog § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG eine entsprechende Feststellung auszusprechen war.

Die Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs im bezeichneten Umfang bewirkt, dass die Erstattungsforderung in Höhe von 6058,24 Euro bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens gegen die Antragstellerin nicht (zwangs)vollstreckt werden kann.

Ergänzend und zur Klarstellung weist das Gericht abschließend daraufhin, dass es nicht darüber befunden hat, ob der Widerspruch auch in Bezug auf die Rücknahmeentscheidungen, mit dem die für die Zeit 1.4.2006 bis 31.1.2007 bewilligten Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende ganz zurückgenommen worden sind, aufschiebende Wirkung entfaltet. Die Antragstellerin kann daher nicht auch die vorläufige Nachzahlung der seinerzeit nicht mehr zur Auszahlung gelangten Leistungen für die Zeit 1.11.2006 bis 31.1.2007 verlangen. Die Antragstellerin hat dies nach ihrem Antrag und Vorbringen nicht geltend gemacht, sondern sich allein gegen die angekündigte Vollstreckung der Erstattungsforderung in Höhe von 6058,24 Euro gewandt.

Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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