S 21 (4) KR 22/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
21
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 21 (4) KR 22/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 81/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Kosten für eine Laserepilationsbehandlung zu übernehmen hat.

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 04.07.2006 die Kostenübernahme einer Laserepilation sowie die Erstattung für eine Probesitzung am 23.05.2006 zur Vorbereitung der Laserepilationsbehandlung. Zur Begründung verwies sie unter darauf, dass bei ihr ein therapieresistenter Hirsutismus bestehe. Seit August 2005 befinde sie sich in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung. Laut der ärztliche Bescheinigung von Frau E., Ärztin für Psychiatrie, vom 11.09.2006 sei neben stark familiären Konflikten der starke Hirsutismus eine Ursache für die erheblichen psychischen Probleme der Klägerin Nach der Stellungnahme des medizinischen Laserzentrum im Franziskushospital in Aachen vom 14.09.2006 sei die Nadelepilation bei ausgedehnten Flächen unrealstisch und aufgrund der Schmerzen unzumutbar. Durch die Laserepilation komme es zu einer dauerhaften Reduktion der Haarfollikel durch Abtöten der Wachstumszonen. Es bestünden keine Funktionseinschränkungen. Es bestehe eine ästhetische Indikation durch unschöne und sozial unzumutbare Mehrbehaarung an Oberlippe, Kinn, Brustwarze, Bikinizone und Unterbauch, Unterschenkel. Eine 1999 durchgeführte kosmetische Laserbehandlung, verschiedene Ovulationshemmer sowie Epilationscremen hätten zu keinem Ergebnis geführt.

Nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens vom 18.10.2006 wies die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 25.10.2006 zurück. Eine Kostenübernahme für die Laserepilation sei nicht möglich, da diese nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörte. Die Laserepilation sei durch den Gemeinsamen Bundesausschuss noch nicht beurteilt und bewertet worden. Eine Kostenübernahme sei daher grundsätzlich ausgeschlossen. Die Klägerin leide nicht an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung. Ohne Anwendung der Methode komme es nicht in wenigen Wochen zu einer schweren, nicht umkehrbaren Schädigung.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und verwies darauf, dass sehr wohl eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliege. Aufgrund der Behaarung sei ihr Selbstwertgefühl derart tangiert, dass sich die Lebensbedrohlichkeit aus der Depression und der sich daraus absehbaren Suizidgefahr ergebe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ergänzend führte sie aus, dass vertragsärztlich bei krankhaftem Haarwuchs im Gesicht und an den Händen bei Frauen die Elektronadelepilation möglich sei. Die Langzeitwirkung einer Laserepilation sei bisher in Studien noch nicht ausreichend nachgewiesen. Bei der Elektroepilation handele es sich um ein nachgewiesenes wirksames Behandlungsverfahren, mit dem eine dauerhafte Epilation zu erzielen sei. Die Klägerin sei auf die vertragsärztlich durchgeführte Elektronadelepilation zu verweisen.

Am 13.03.2007 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung verweist sie im wesentlichen darauf, dass eine Elektronadelepilation in Folge der großflächigen und ausgedehnten Mehrbehaarung nicht realistisch sei. Auch sei diese für die besonders betroffenen Beine, Bikinizone, Brust und Bauch nicht vorgesehen. Sämtliche anderen herkömmlichen Methoden hätten bei ihr versagt und ihr sei auch aufgrund des beeinträchtigten Körpergefühles und erheblicher psychosexueller Probleme im Zusammenhang mit der Mehrbehaarung eine Laserepilationsbehandlung empfohlen worden. Die Behaarung sei für sie so lebensbestimmend, dass sie depressiv und damit suizidgefährdet sei. Es bestehe keine vertragliche Alternativbehandlung. Darüber hinaus sei eine Ausnahme im Sinne einer lebensbedrohlichen, möglicherweise tödlich verlaufenden Krankheit gegeben.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt schriftlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Grund- und Widerspruchsbescheides vom 27.02.2007, zugestellt am 01.03.2007 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Kosten für eine Laserepilationsbehandlung gemäß Übernahmeantrag zu übernehmen bzw. zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung angehört worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

II.

Das Gericht konnte nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Der Sachverhalt ist geklärt und weist keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Die Beteiligten sind zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung angehört worden.

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 25.10.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2007 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Kosten für die Probesitzung zu erstatten, sowie eine Kostenübernahmeerklärung hinsichtlich einer Laserepilationsbehandlung zu erklären.

Hinsichtlich des Antrags auf Kostenerstattung gilt, dass die Krankenkassen nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ihre Leistungen als Sachleistungen erbringen. Gemäß § 13 Abs. 1 SGB V darf die Krankenkasse anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kosten nur nach Maßgabe des SGB V oder Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) erstatten. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V können Versicherte anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie die Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen (§ 13 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Die Klägerin hat bei der Beklagten erst nach der durchgeführten Probesitzung die Kostenerstattung beantragt, so dass bereits deshalb eine Kostenerstattung ausscheidet.

Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die Kostenübernahme für eine Laserepilationsbehandlung zu erklären. Nach § 27 Abs. 1 S. 1, Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinn ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Heilbehandlung zur Folge hat. Eine Regelwidrigkeit liegt erst vor, wenn eine wesentliche körperliche Funktion nicht in befriedigendem Umfang erfüllt werden kann (BSGE 35,10). Bei dem Hirsutismus handelt es sich nicht um eine Krankheit in diesem Sinn. Durch die vermehrte Körperbehaarung wird keine körperliche Funktion beeinträchtigt (vgl. auch SG Aachen, Urteil vom 13.07.2004, S 13 KR 26/03; ebenso für eine großflächige Hautveränderung mit großflächiger Behaarung, sogenannter "Tierfell-Nevus" LSG NRW, Urteil vom 28.11.2001, L 5 KR 5/01). Bereits deshalb scheidet ein Anspruch auf Krankenbehandlung aus.

Soweit die Klägerin vorträgt, dass der Hirsutismus zu einer schweren Depression geführt habe, so kann die Klägerin die Laserepilationsbehandlung nicht zu deren Therapie beanspruchen. Es sind nur solche Maßnahmen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen, die unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzen. Bei psychischen Störungen, zum Beispiel einer reaktiven Depression als Folge eines von der Norm abweichenden Körperzustandes, beschränkt sich der Heilbehandlungsanspruch im Allgemeinen auf eine Behandlung mit Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie (BSG, Urteil vom 09.06.1998, B 1 KR 18/96 R = BSG E 82, 158).

Abweichend davon wird die körperliche Behandlung einer seelischen Krankheit dann bejaht, wenn sich die Normabweichung des Körperzustandes als schwere sichtbare Entstellung darstellt. Ob der bei der Klägerin bestehenden Hirsutismus eine solche schwere sichtbare Entstellung bedingt, bedurfte keiner weiteren Aufklärung. Auch wenn man dazu den Vortrag der Klägerin zugrunde legt und von einer schweren sichtbaren Entstellung ausgeht, ergibt sich daraus kein Anspruch auf die Laserepilationsbehandlung. Die Beklagte hat sich in ihrem Widerspruchsbescheid dazu bereit erklärt, die Kosten für eine Elektronadelepilation für das Gesicht und an den Händen zu übernehmen. Damit ließe sich eine schwere sichtbare Entstellung beseitigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG analog.
Rechtskraft
Aus
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