Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 443/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5708/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29.10.2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1952 im früheren Jugoslawien geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Ihren Angaben zufolge arbeitete sie nach ihrem Zuzug im Jahr 1972 in Deutschland bei der Firma R. (Herstellung von Sicherheitssystemen von Autos) als Näherin, Bandführerin und zuletzt bis Juni 2001 als Arbeiterin in der Endkontrolle. Seither ist die Klägerin arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos.
Am 26.02.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und wies auf das Vorliegen einer chronischen Bronchitis, auf Wirbelsäulenprobleme, Kopfschmerzen sowie eine Depression hin. Die Beklagte holte das Gutachten des Internisten und Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. M. vom 17.04.2002 ein. Er diagnostizierte im Wesentlichen eine chronisch obstruktive Bronchitis, eine depressive Störung, eine Fehlhaltung und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit chronischen Cervikal- und Lumbalbeschwerden, jahrelang bekannte Kopfschmerzen sowie eine Hypertonie. Weder von Seiten der Atmung noch von Seiten des psychopathologischen Befundes bzw. des Bewegungsapparates habe er eine Auffälligkeit feststellen können, die das zeitliche Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für überwiegend leichte Tätigkeiten nachhaltig einschränke.
Die Beklagte gewährte der Klägerin auf Empfehlung von Dr. M. und im Hinblick auf psychische Beschwerden der Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 14.05. bis 18.06.2002 in der Reha-Klinik G. Im Entlassungsbericht wurde eine anhaltende mittelgradig depressive Episode, ein mittelschweres intrinsisches Asthma bronchiale, eine essentielle Hypertonie Grad I, eine Adipositas sowie ein degeneratives HWS-LWS-Syndrom, eine Hyperlipidämie, Mikrohämaturie sowie ein generalisierter Juckreiz diagnostiziert. Einerseits wurden leichte Tätigkeiten ohne erhöhten Zeitdruck und ohne besondere Anforderungen an die Umstellungs- und Leistungsfähigkeit, ohne Nachtschicht, ohne häufiges Bücken, Über-Kopf-Arbeiten und Zwangshaltungen sowie unter Vermeidung von inhalativen Belastungen, stark schwankenden Temperaturen, Nässe und Zugluft sechs Stunden und mehr für zumutbar gehalten. An anderer Stelle wurde im Entlassungsbericht ausgeführt, die Klägerin könne mittelfristig durchaus wieder Arbeitsfähigkeit zumindest für drei bis sechs Stunden für eine leichte Tätigkeit mit den oben genannten Einschränkungen erreichen. Dies entspreche andererseits überhaupt nicht dem persönlichen Konzept der Klägerin, die sich eine berufliche Tätigkeit nicht mehr vorstellen könne.
Mit Bescheid vom 17.07.2002 und nach Einholung der Stellungnahme des Dr. M. mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.
Dagegen hat die Klägerin am 26.02.2003 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben, das die behandelnden Ärzte Dr. O., Fachärztin für Allgemeinmedizin, den Nervenarzt Dr. B. sowie den Internisten Dr. P. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört hat. Dr. O. hat eine mindestens sechsstündige tägliche Tätigkeit nicht mehr für zumutbar gehalten. Dr. B. hat allein vom nervenärztlichen Gebiet betrachtet eine mindestens sechsstündige Tätigkeit für zumutbar gehalten, dies jedoch auf Grund der Summe der Beschwerden angezweifelt. Dr. P. hat Tätigkeiten unter Vermeidung von erhöhter Schadstoffexposition sowie Kälte und Nässe zumindest halbschichtig für möglich gehalten.
Das Sozialgericht hat das Gutachten des Psychiaters und Neurologen Dr. Sche. eingeholt. Er hat eine chronische, leichte bis mittelschwere, in ihrem Ausprägungsgrad fluktuierende depressive Störung sowie einen Spannungskopfschmerz diagnostiziert. Die Klägerin sei aus nervenärztlicher Sicht noch in der Lage, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne erhöhten Zeitdruck, Akkordarbeit, Nachtschicht und ohne Arbeiten mit besonderer Verantwortung oder besonderen Anforderungen an das Umstellungsvermögen und an die Anpassungsfähigkeit vollschichtig zu verrichten. Im Übrigen seien die im sozialmedizinischen Gutachten von Dr. M. sowie im Entlassungsbericht aus der Reha-Klinik genannten Einschränkungen zu berücksichtigen. Auswirkungen der degenerativen Wirbelsäulenerkrankung seien bei den bisherigen Beschreibungen des Leistungsbildes bereits mitberücksichtigt.
Mit Urteil vom 29.10.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, denn sie sei noch in der Lage unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Entscheidung stütze sich insbesondere auf das Gutachten von Dr. Sche. und ergänzend auf das von der Beklagten eingeholte Gutachten auf internistischem Fachgebiet sowie den Befundbericht von Dr. P. Den Ausführungen von Dr. O., die Klägerin leide an starken depressiven Störungen und sei deswegen nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens Stunden täglich zu verrichten, könne nicht gefolgt werden. Zum einen begründe Dr. O. ihre Einschätzung nicht näher und zum anderen werde dem Gutachten des Facharztes Dr. Sche. für diese Frage eine höhere Bedeutung beigemessen. Eine Erwerbsminderung ergebe sich auch nicht aus den Gesundheitsstörungen auf internistischem Fachgebiet. Das gelte auch für die Lungenfunktionsstörung der Klägerin. Insoweit werde den Ausführungen von Dr. M. gefolgt, der die Arztbriefe von Dr. P. berücksichtigt habe. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bestehe ebenfalls nicht. Die Klägerin sei nicht berufsunfähig. Ihre bisherige berufliche Tätigkeit sei allenfalls als angelernte Tätigkeit einzustufen. Anhaltspunkte für eine Einstufung in den oberen Bereich der Angelernten bestünden nicht. Dabei bestehe für die Klägerin kein besonderer Berufsschutz und sie könne allgemein auf körperlich leichte Tätigkeiten verwiesen werden, ohne dass eine konkrete Tätigkeit benannt werden müsse.
Gegen das am 24.11.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.12.2004 Berufung eingelegt und zur Begründung ergänzend vorgebracht, wegen ihrer starken Depressionen sei sie nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, derselben Meinung seien auch Dr. O. und der Nervenarzt Dr. B ... Im Übrigen seien ihre weiteren Gesundheitsstörungen auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet unzureichend aufgeklärt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29.10.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat das Gutachten von Prof. Dr. Sch., T.-Klinik am Universitätsklinikum H., eingeholt. Er hat eine chronisch obstruktive Bronchitis diagnostiziert. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten ohne Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen, ohne Arbeiten in Kälte, in der Nässe, im Freien und ohne Wärmeeinfluss, ohne häufiges Treppensteigen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, ohne wiederholtes Bücken im Arbeitsablauf, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Akkord- und Fließbandarbeit und ohne Nachtarbeit acht Stunden täglich verrichten. Wegen der beschränkten deutschen Sprachkenntnisse und des eher niedrigen allgemeinen Ausbildungsstandes seien Arbeiten mit Publikumsverkehr oder Tätigkeiten, die ein höheres Maß an Verantwortung und geistiger Leistungsfähigkeit beanspruchten nicht zu vertreten, ebenso wenig Arbeiten "unter nervlicher Belastung". Während des Arbeitstages sollte die Möglichkeit zu betriebsunüblichen Pausen - 15 Minuten Pause nach zweistündiger Tätigkeit - gegeben sein. Eine tägliche Wegstrecke von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen sei nicht zu vertreten.
Die Beklagte hat hierzu die Stellungnahme von Dr. St. vorgelegt (betriebsunübliche Pausen seien nicht notwendig, eine Einschränkung der Gehstrecke nicht nachvollziehbar).
Auf Nachfragen des Senats hat Prof. Dr. Sch. ergänzend ausgeführt, beim Krankheitsbild der Klägerin reiche es bei einem 7,5 stündigen Arbeitstag aus, wenn sie nach jeweils 2,5 Stunden Arbeit eine Ruhepause von 15 Minuten einlegen könne. Bezüglich der Wegefähigkeit habe er seine Entscheidung überdacht und halte eine Wegstrecke von viermal bis zu 1,25 km in einem Zeitraum von je ca. 15 Minuten für zumutbar.
Der Senat hat weiter den Orthopäden Dr. Z. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat Befundberichte vorgelegt und mitgeteilt, er behandle die Klägern seit März 2002 hauptsächlich wegen HWS- und LWS-Beschwerden. Insbesondere auf Grund der hartnäckigen HWS-Beschwerden könne die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich nicht verrichten. Die Beklagte hat hierzu die Stellungnahme von Dr. St. vom 14.11.2006 vorgelegt.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente dargelegt (§§ 43, 240 SGB VII) und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren und der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Äußerungen sowie den weiteren Ermittlungen des Senats ist ergänzend anzumerken:
Auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. Sch. vom 26.07.2005 und den ergänzenden Ausführungen ergibt sich für den Senat überzeugend, dass die bei der Klägerin vorliegende chronisch-obstruktive Bronchitis zu keiner quantitativen Leistungseinschränkung führt. Der Klägerin sind leichte, teilweise mittelschwere Tätigkeiten ohne Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen, nicht in Kälte, Nässe, im Freien oder unter Wärmeeinfluss, ohne häufiges Treppensteigen oder Heben und Tragen von Lasten über 5 kg mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Ebenso sind ausgeschlossen Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit sowie Arbeiten mit Publikumsverkehr oder mit erhöhter Verantwortung und geistiger Leistungsfähigkeit. Ausdrücklich für zumutbar hält Prof. Dr. Sch. beispielhaft Lagerarbeiten, Verkaufstätigkeiten und Maschinenarbeiten. Betriebsunübliche Arbeitsbedingungen sind nicht etwa deshalb gegeben, weil die Klägerin nach Auffassung von Prof. Dr. Sch. bei einem 7,5 stündigen Arbeitstag nach jeweils 2,5 Stunden Arbeit eine Pause von 15 Minuten einlegen muss. Nach § 4 Arbeitszeitgesetz ist die Arbeit durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Danach kann die Klägerin bei einem in vielen Wirtschaftsbereichen üblichen 7,5 stündigen Arbeitstag nach jeweils 2,5 Stunden Arbeit eine Pause von 15 Minuten einlegen. Nach Arbeitsende (nach 7,5 Std.) kann sich die Klägerin zuhause ausruhen.
Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wird auch nicht durch eine fehlende Wegefähigkeit eingeschränkt. Nach der herrschenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R - veröffentlicht in Juris) setzt Erwerbsfähigkeit grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zu bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Diesbezüglich hat Prof. Dr. Sch. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme eine Wegstrecke von viermal bis zu 1,25 km in einem Zeitraum von je ca. 15 Minuten für zumutbar gehalten. Eine Einschränkung bezüglich der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln während der Hauptverkehrszeit hat keiner der Gutachter bzw. der behandelnden Ärzte gesehen.
Der Auffassung des behandelnden Orthopäden Dr. Z., die Klägerin könne insbesondere auf Grund der HWS-Beschwerden leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich nicht mehr ausüben, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. So hat Dr. St. in seiner Stellungnahme vom 14.11.2006 zu Recht darauf hingewiesen, dass den von Dr. Z. vorgelegten Befundberichten lediglich leichte Abnutzungserscheinungen im Bereich des Haltungs- und Bewegungsapparates zu entnehmen und keine motorischen Ausfälle oder Schwächen festgestellt worden sind. In dem von Dr. Z. vorgelegten Befundbericht vom 30.01.2006 wird angegeben, dass lediglich die Beweglichkeit im Bereich der Halswirbelsäule eingeschränkt gewesen sei, die Schulterbeweglichkeit frei, der Faustschluss und die Fingerspreizung uneingeschränkt und keine sensiblen Störungen vorhanden waren. Der Fingerbodenabstand war 0 cm, was für eine gute Beweglichkeit der Wirbelsäule spricht. Hieraus ergibt sich für den Senat lediglich eine Einschränkung dahingehend, dass Zwangshaltungen zu vermeiden sind, jedoch nicht eine Einschränkung der täglichen Arbeitszeit auf weniger als sechs Stunden täglich.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1952 im früheren Jugoslawien geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Ihren Angaben zufolge arbeitete sie nach ihrem Zuzug im Jahr 1972 in Deutschland bei der Firma R. (Herstellung von Sicherheitssystemen von Autos) als Näherin, Bandführerin und zuletzt bis Juni 2001 als Arbeiterin in der Endkontrolle. Seither ist die Klägerin arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos.
Am 26.02.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und wies auf das Vorliegen einer chronischen Bronchitis, auf Wirbelsäulenprobleme, Kopfschmerzen sowie eine Depression hin. Die Beklagte holte das Gutachten des Internisten und Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. M. vom 17.04.2002 ein. Er diagnostizierte im Wesentlichen eine chronisch obstruktive Bronchitis, eine depressive Störung, eine Fehlhaltung und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit chronischen Cervikal- und Lumbalbeschwerden, jahrelang bekannte Kopfschmerzen sowie eine Hypertonie. Weder von Seiten der Atmung noch von Seiten des psychopathologischen Befundes bzw. des Bewegungsapparates habe er eine Auffälligkeit feststellen können, die das zeitliche Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für überwiegend leichte Tätigkeiten nachhaltig einschränke.
Die Beklagte gewährte der Klägerin auf Empfehlung von Dr. M. und im Hinblick auf psychische Beschwerden der Klägerin eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 14.05. bis 18.06.2002 in der Reha-Klinik G. Im Entlassungsbericht wurde eine anhaltende mittelgradig depressive Episode, ein mittelschweres intrinsisches Asthma bronchiale, eine essentielle Hypertonie Grad I, eine Adipositas sowie ein degeneratives HWS-LWS-Syndrom, eine Hyperlipidämie, Mikrohämaturie sowie ein generalisierter Juckreiz diagnostiziert. Einerseits wurden leichte Tätigkeiten ohne erhöhten Zeitdruck und ohne besondere Anforderungen an die Umstellungs- und Leistungsfähigkeit, ohne Nachtschicht, ohne häufiges Bücken, Über-Kopf-Arbeiten und Zwangshaltungen sowie unter Vermeidung von inhalativen Belastungen, stark schwankenden Temperaturen, Nässe und Zugluft sechs Stunden und mehr für zumutbar gehalten. An anderer Stelle wurde im Entlassungsbericht ausgeführt, die Klägerin könne mittelfristig durchaus wieder Arbeitsfähigkeit zumindest für drei bis sechs Stunden für eine leichte Tätigkeit mit den oben genannten Einschränkungen erreichen. Dies entspreche andererseits überhaupt nicht dem persönlichen Konzept der Klägerin, die sich eine berufliche Tätigkeit nicht mehr vorstellen könne.
Mit Bescheid vom 17.07.2002 und nach Einholung der Stellungnahme des Dr. M. mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.
Dagegen hat die Klägerin am 26.02.2003 Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben, das die behandelnden Ärzte Dr. O., Fachärztin für Allgemeinmedizin, den Nervenarzt Dr. B. sowie den Internisten Dr. P. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört hat. Dr. O. hat eine mindestens sechsstündige tägliche Tätigkeit nicht mehr für zumutbar gehalten. Dr. B. hat allein vom nervenärztlichen Gebiet betrachtet eine mindestens sechsstündige Tätigkeit für zumutbar gehalten, dies jedoch auf Grund der Summe der Beschwerden angezweifelt. Dr. P. hat Tätigkeiten unter Vermeidung von erhöhter Schadstoffexposition sowie Kälte und Nässe zumindest halbschichtig für möglich gehalten.
Das Sozialgericht hat das Gutachten des Psychiaters und Neurologen Dr. Sche. eingeholt. Er hat eine chronische, leichte bis mittelschwere, in ihrem Ausprägungsgrad fluktuierende depressive Störung sowie einen Spannungskopfschmerz diagnostiziert. Die Klägerin sei aus nervenärztlicher Sicht noch in der Lage, körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten ohne erhöhten Zeitdruck, Akkordarbeit, Nachtschicht und ohne Arbeiten mit besonderer Verantwortung oder besonderen Anforderungen an das Umstellungsvermögen und an die Anpassungsfähigkeit vollschichtig zu verrichten. Im Übrigen seien die im sozialmedizinischen Gutachten von Dr. M. sowie im Entlassungsbericht aus der Reha-Klinik genannten Einschränkungen zu berücksichtigen. Auswirkungen der degenerativen Wirbelsäulenerkrankung seien bei den bisherigen Beschreibungen des Leistungsbildes bereits mitberücksichtigt.
Mit Urteil vom 29.10.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, denn sie sei noch in der Lage unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Entscheidung stütze sich insbesondere auf das Gutachten von Dr. Sche. und ergänzend auf das von der Beklagten eingeholte Gutachten auf internistischem Fachgebiet sowie den Befundbericht von Dr. P. Den Ausführungen von Dr. O., die Klägerin leide an starken depressiven Störungen und sei deswegen nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens Stunden täglich zu verrichten, könne nicht gefolgt werden. Zum einen begründe Dr. O. ihre Einschätzung nicht näher und zum anderen werde dem Gutachten des Facharztes Dr. Sche. für diese Frage eine höhere Bedeutung beigemessen. Eine Erwerbsminderung ergebe sich auch nicht aus den Gesundheitsstörungen auf internistischem Fachgebiet. Das gelte auch für die Lungenfunktionsstörung der Klägerin. Insoweit werde den Ausführungen von Dr. M. gefolgt, der die Arztbriefe von Dr. P. berücksichtigt habe. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bestehe ebenfalls nicht. Die Klägerin sei nicht berufsunfähig. Ihre bisherige berufliche Tätigkeit sei allenfalls als angelernte Tätigkeit einzustufen. Anhaltspunkte für eine Einstufung in den oberen Bereich der Angelernten bestünden nicht. Dabei bestehe für die Klägerin kein besonderer Berufsschutz und sie könne allgemein auf körperlich leichte Tätigkeiten verwiesen werden, ohne dass eine konkrete Tätigkeit benannt werden müsse.
Gegen das am 24.11.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.12.2004 Berufung eingelegt und zur Begründung ergänzend vorgebracht, wegen ihrer starken Depressionen sei sie nicht mehr in der Lage, leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, derselben Meinung seien auch Dr. O. und der Nervenarzt Dr. B ... Im Übrigen seien ihre weiteren Gesundheitsstörungen auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet unzureichend aufgeklärt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 29.10.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat das Gutachten von Prof. Dr. Sch., T.-Klinik am Universitätsklinikum H., eingeholt. Er hat eine chronisch obstruktive Bronchitis diagnostiziert. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten ohne Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen, ohne Arbeiten in Kälte, in der Nässe, im Freien und ohne Wärmeeinfluss, ohne häufiges Treppensteigen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 5 kg, ohne wiederholtes Bücken im Arbeitsablauf, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Akkord- und Fließbandarbeit und ohne Nachtarbeit acht Stunden täglich verrichten. Wegen der beschränkten deutschen Sprachkenntnisse und des eher niedrigen allgemeinen Ausbildungsstandes seien Arbeiten mit Publikumsverkehr oder Tätigkeiten, die ein höheres Maß an Verantwortung und geistiger Leistungsfähigkeit beanspruchten nicht zu vertreten, ebenso wenig Arbeiten "unter nervlicher Belastung". Während des Arbeitstages sollte die Möglichkeit zu betriebsunüblichen Pausen - 15 Minuten Pause nach zweistündiger Tätigkeit - gegeben sein. Eine tägliche Wegstrecke von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen sei nicht zu vertreten.
Die Beklagte hat hierzu die Stellungnahme von Dr. St. vorgelegt (betriebsunübliche Pausen seien nicht notwendig, eine Einschränkung der Gehstrecke nicht nachvollziehbar).
Auf Nachfragen des Senats hat Prof. Dr. Sch. ergänzend ausgeführt, beim Krankheitsbild der Klägerin reiche es bei einem 7,5 stündigen Arbeitstag aus, wenn sie nach jeweils 2,5 Stunden Arbeit eine Ruhepause von 15 Minuten einlegen könne. Bezüglich der Wegefähigkeit habe er seine Entscheidung überdacht und halte eine Wegstrecke von viermal bis zu 1,25 km in einem Zeitraum von je ca. 15 Minuten für zumutbar.
Der Senat hat weiter den Orthopäden Dr. Z. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat Befundberichte vorgelegt und mitgeteilt, er behandle die Klägern seit März 2002 hauptsächlich wegen HWS- und LWS-Beschwerden. Insbesondere auf Grund der hartnäckigen HWS-Beschwerden könne die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich nicht verrichten. Die Beklagte hat hierzu die Stellungnahme von Dr. St. vom 14.11.2006 vorgelegt.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente dargelegt (§§ 43, 240 SGB VII) und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren und der von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Äußerungen sowie den weiteren Ermittlungen des Senats ist ergänzend anzumerken:
Auch aus dem Gutachten von Prof. Dr. Sch. vom 26.07.2005 und den ergänzenden Ausführungen ergibt sich für den Senat überzeugend, dass die bei der Klägerin vorliegende chronisch-obstruktive Bronchitis zu keiner quantitativen Leistungseinschränkung führt. Der Klägerin sind leichte, teilweise mittelschwere Tätigkeiten ohne Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen, nicht in Kälte, Nässe, im Freien oder unter Wärmeeinfluss, ohne häufiges Treppensteigen oder Heben und Tragen von Lasten über 5 kg mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Ebenso sind ausgeschlossen Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit sowie Arbeiten mit Publikumsverkehr oder mit erhöhter Verantwortung und geistiger Leistungsfähigkeit. Ausdrücklich für zumutbar hält Prof. Dr. Sch. beispielhaft Lagerarbeiten, Verkaufstätigkeiten und Maschinenarbeiten. Betriebsunübliche Arbeitsbedingungen sind nicht etwa deshalb gegeben, weil die Klägerin nach Auffassung von Prof. Dr. Sch. bei einem 7,5 stündigen Arbeitstag nach jeweils 2,5 Stunden Arbeit eine Pause von 15 Minuten einlegen muss. Nach § 4 Arbeitszeitgesetz ist die Arbeit durch im voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs bis zu neun Stunden zu unterbrechen. Die Ruhepausen nach Satz 1 können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Danach kann die Klägerin bei einem in vielen Wirtschaftsbereichen üblichen 7,5 stündigen Arbeitstag nach jeweils 2,5 Stunden Arbeit eine Pause von 15 Minuten einlegen. Nach Arbeitsende (nach 7,5 Std.) kann sich die Klägerin zuhause ausruhen.
Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wird auch nicht durch eine fehlende Wegefähigkeit eingeschränkt. Nach der herrschenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 30.01.2002 - B 5 RJ 36/01 R - veröffentlicht in Juris) setzt Erwerbsfähigkeit grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, viermal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zu bewältigen und zweimal täglich während der Hauptverkehrszeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Diesbezüglich hat Prof. Dr. Sch. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme eine Wegstrecke von viermal bis zu 1,25 km in einem Zeitraum von je ca. 15 Minuten für zumutbar gehalten. Eine Einschränkung bezüglich der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln während der Hauptverkehrszeit hat keiner der Gutachter bzw. der behandelnden Ärzte gesehen.
Der Auffassung des behandelnden Orthopäden Dr. Z., die Klägerin könne insbesondere auf Grund der HWS-Beschwerden leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich nicht mehr ausüben, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. So hat Dr. St. in seiner Stellungnahme vom 14.11.2006 zu Recht darauf hingewiesen, dass den von Dr. Z. vorgelegten Befundberichten lediglich leichte Abnutzungserscheinungen im Bereich des Haltungs- und Bewegungsapparates zu entnehmen und keine motorischen Ausfälle oder Schwächen festgestellt worden sind. In dem von Dr. Z. vorgelegten Befundbericht vom 30.01.2006 wird angegeben, dass lediglich die Beweglichkeit im Bereich der Halswirbelsäule eingeschränkt gewesen sei, die Schulterbeweglichkeit frei, der Faustschluss und die Fingerspreizung uneingeschränkt und keine sensiblen Störungen vorhanden waren. Der Fingerbodenabstand war 0 cm, was für eine gute Beweglichkeit der Wirbelsäule spricht. Hieraus ergibt sich für den Senat lediglich eine Einschränkung dahingehend, dass Zwangshaltungen zu vermeiden sind, jedoch nicht eine Einschränkung der täglichen Arbeitszeit auf weniger als sechs Stunden täglich.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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