Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 R 195/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 145/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Vorrangig geht es hierbei um die Anerkennung einer Beitragszeit von Oktober 1941 bis Februar 1943.
Der am 00.00.1923 in M/Polen geborene Kläger ist jüdischer Abstammung. Er war nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, weshalb er als Verfolgter im Sinne des §1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt worden ist. Er erhielt auch Leistungen nach diesem Gesetz (Bescheid vom 30.03.1971 sowie Vergleich vom 25.11.1957).
Nach der Befreiung lebte der Kläger zunächst in Deutschland, bis er 1948 nach Israel auswanderte. Dort lebt er heute und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.
Am 05.11.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis auf das ZRBG die Gewährung einer Regelaltersrente. Er machte dabei Beschäftigungszeiten im Ghetto Pruzania von Oktober 1941 bis Februar 1943 bei der Verstärkungsgruppe als Tischler innerhalb als auch außerhalb des Ghettos geltend. Er will dort mit der Herstellung von Möbelstücken beschäftigt gewesen sein. Vermittelt sei ihm diese Tätigkeit durch den Judenrat und entlohnt worden sei er durch Lebensmittelcoupons und Naturalien.
Die Beklagte zog daraufhin die Entschädigungsakten des Klägers bei und wertete diese aus. Auch im Entschädigungsverfahren hatte der Kläger einen Aufenthalt im Ghetto Pruzana von Juli 1941 bis Dezember 1942 angegeben. Danach habe er sich von Januar 1943 im KZ Auschwitz aufgehalten. Der Zeuge L bestätigte in seiner Erklärung vom 24.07.1950, dass er gemeinschaftlich mit dem Kläger von Juli 1941 bis Dezember 1942 im Ghetto Pruzana eingeschlossen gewesen sei. Von Januar 1943 bis Januar 1945 hätten sie dann nebeneinander im KZ Auschwitz gearbeitet. In einer Bescheinigung vom internationalen Roten Kreuz vom 20.05.1965 ist vermerkt, dass der Kläger von 1941 bis 1943 Tischler im Ghetto Pruzana gewesen sei.
Mit Bescheid vom 02.03.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach Maßgabe des ZRBG ab. Sie führte zur Begründung aus, dass eine entgeltliche Beschäftigung in einem Ghetto nur dann vorliege, wenn hierfür im wesentlichen Umfang Entgelt gewährt worden sei. Nach den Angaben des Klägers habe er während der Beschäftigungszeit im Ghetto Pruzany von Oktober 1941 bis Anfang 1943 nur Lebensmittelcoupons und Naturalien erhalten. Er habe demnach Lebensmittelrationen nur in einem Umfang bekommen, der für den täglichen Lebensbedarf notwendig gewesen sei. Insoweit könne die genannte Beschäftigung nicht nach den Vorschriften des ZRBG berücksichtigt werden.
Der Kläger erhob dagegen unter dem 08.03.2004 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass er vor der Verfolgung zwei Jahre bereits in einer Möbelfabrik gearbeitet und den Beruf des Kunsttischlers erlernt habe. Sofort nach der Errichtung des Ghettos habe er aufgrund eigener Bemühungen die Registrierung als Facharbeiter beim Judenrat erlangt. Er habe dann eine Tischlerarbeit gegen Entgelt ausgeübt; das Entgelt sei in Form von zusätzlichen Lebensmittelkarten und Naturalien geleistet worden. Dem Widerspruch des Klägers gab die Beklagte nicht statt, sondern wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2005 zurück. Hierin führte sie ergänzend aus, dass die dem Kläger gewährten Sachbezüge keine Versicherungspflicht ausgelöst hätten, so dass nicht von einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden könne. Darüber hinaus sei nach den der Beklagten vorliegenden Unterlagen im Bezirk Bialystok der Lohn auch an Ghettoarbeitnehmer je zur Hälfte in Naturalien und in Geld ausgezahlt worden. Daher hätte der Kläger, sofern ein ordentliches Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hätte, eine Entlohnung mit Geld erhalten müssen. Da dies nicht der Fall gewesen sei, sei davon auszugehen, dass kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des ZRBG vorgelegen habe. Wegen der Gründe wird auf den Inhalt des Bescheides (Bl. 64 - Bl. 66 der verwaltungsakten) Bezug genommen.
Der Kläger hat dagegen am 01.06.2005 Klage erhoben und geltend gemacht, dass nach seinen Erkenntnissen, den Ghettoarbeitern überwiegend nicht Bargeld ausgezahlt worden sei. Im Übrigen sei seine Tätigkeit bei der Herstellung von Möbelstücken, Fensterrahmen usw. nicht bewacht gewesen.
Der Bevollmächtigte des Klägers ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 16.03.2007 ordnungsgemäß vom Termin zur mündlichen Verhandlung benachrichtigt worden.
Der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.04.2007 nicht anwesende und nicht vertretene Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2005 zu verurteilen, die Tätigkeiten vom 01.09.1941 bis 31.12.1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Erwerbszeiten vom 01.05.1945 bis 31.05.1948 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass eine entgeltliche Beschäftigung des Klägers nicht glaubhaft sei. Die den Ghettobewohnern gewährten Verpflegungsrationen sicherten im Regelfall allenfalls das Überleben und ging deshalb über das Maß des reinen Unterhaltes im rentenrechtlichen Sinne regelmäßig nicht hinaus. Auch die Vermittlung einer Arbeit durch den Jugendrat sei nicht ausreichend, um die Freiwilligkeit der verrichteten Arbeit zu bejahen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten des Klägers bei der Beklagten sowie auf den Inhalt der beigezogenen Entschädigungsakten vom Landesamt für Finanzen (Landesentschädigungsamt, Az.: EG 00000-0) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder der Kläger noch sein Bevollmächtigter am Termin zur mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Der Bevollmächtigte des Klägers ist in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 110, 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder der/die Kläger/in noch sein/ihr Bevollmächtigter am Termin zur mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Der Bevollmächtigte des/der Klägers/in ist in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 110, 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 02.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2005 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld gegenüber der Beklagten nach §§ 35, 300 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab dem 01.07.1997. Die für den Rentenanspruch erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§§ 35 Nr. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) ist nicht erfüllt, weil auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten nicht vorliegen. Die von dem Kläger behaupteten Beschäftigungszeiten im Ghetto Pruzany vom 01.09.1941 bis 31.01.1943 sind nicht als Beitragszeiten zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung dieser Zeiten als sog. "Ghetto-Beitragszeiten" nach den Vorschriften des ZRBG liegen nicht vor.
Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt und werden als sog. "Ghetto-Beitragszeiten" bei der Anrechnung auf die Wartezeit als Beitragszeiten berücksichtigt. Für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, gilt nach § 1 Abs. 1 das ZRBG, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt wurde (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1) und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens handelt es sich bei der von dem Kläger behaupteten Beschäftigung im Ghetto Pruzany nicht um eine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 ZRBG.
Ein Nachweis für eine ausgeübte Beschäftigung im Ghetto Pruzany im Sinne von § 1 ZRBG liegt nicht vor. Ebenso wenig ist eine solche Beschäftigung von dem Kläger glaubhaft gemacht worden (§ 3 WGSVG). Die Vorschrift des § 3 WGSVG ist auf Sachverhalte des ZRBG entsprechend anwendbar, da das ZRBG keine eigenständige Regelung über die Anforderungen an den Nachweis von Tatsachen enthält, das ZRBG die Regelungen des WGSVG ergänzen soll (§ 1 Abs. 2 ZRBG) und kein Wille des Gesetzgebers erkennbar ist, die Anforderungen an den Nachweis von Ghetto-Beitragszeiten strenger als von Beitragszeiten nach dem WGSVG und dem FRG zu handhaben. Eine Tatsache ist nach § 3 WGSVG glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet danach mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird. Gleichzeitig muss mehr für als gegen den behaupteten Sachverhalt sprechen. Dabei sind gewisse noch verbleibende Zweifel unbeachtlich.
Es ist nicht glaubhaft, dass der Kläger im Ghetto Pruzany eine Beschäftigung ausübte, die den in § 1 Abs. 1 ZRBG aufgestellten Kriterien entsprach. So geht das Gericht zwar davon aus, dass sich der Kläger in der Zeit von Juli 1941 bis Dezember 1942 im Ghetto Pruzany aufgehalten hat. Dieses ergibt sich aus seinen Angaben im Renten- und Entschädigungsverfahren. Im Entschädigungsverfahren hatte auch der Zeuge L einen Aufenthalt im Ghetto Pruzany von Juli 1941 bis Dezember 1942 angegeben.
Die Ausübung einer Beschäftigung im Ghetto Pruzany durch den Kläger ist jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich. Der Kläger hat zwar durchgehend im Renten- und im Klageverfahren angegeben, in der Zeit vom 01.09.1941 bzw. Oktober 1991 bis Januar/Februar 1943 gearbeitet zu haben. Aber selbst wenn man die von dem Kläger vorgetragene Tätigkeit im Ghetto Pruzany als Arbeiter in der Möbeltischlerei als glaubhaft ansehen würde, stellten diese Tätigkeiten, ausgehend von den Angaben des Klägers, keine Beschäftigungen im Sinnen von § 1 Abs. 1 ZRBG dar. Allein die Angaben des Klägers, dass er durch Vermittlung des Judenrates eine Arbeit verrichtet habe, für die er Lebensmittelcoupons und Naturalien erhalten habe, genügen nicht zur Glaubhaftmachung einer Beschäftigung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG.
Es existiert kein Grundsatz, dass es sich bei einer Beschäftigung während des Aufenthaltes in einem Ghetto in der Regel um eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene und gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung handelt. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Die Angaben des Klägers über den Bezug von Naturalien und Lebensmittelcoupons als Entlohnung (Renten- und Klageverfahren) sprechen jedenfalls gegen eine gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung im Sinne von § 1 Abs. 1 ZRBG.
Bei der Auslegung der in § 1 Abs. 1 ZRBG verwandten Begriffe "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen" und "gegen Entgelt ausgeübt" ist auf die Kriterien der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage der versicherungsrechtlichen Einordnung und Abgrenzung von Zwangsarbeit zu versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in einem Ghetto abzustellen (vgl. Urteile vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R und B 13 RJ 61/98 R). Denn das ZRBG knüpft nach der Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, erkennbar an die von der Rechtssprechung aufgestellten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an. Eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises über die von der Ghetto-Rechtsprechung Begünstigten hinaus ist vom Gesetzgeber ersichtlich nicht beabsichtigt. Das ZRBG bezweckt nicht, die grundsätzliche Gleichstellung einer im Ghetto ausgeübten Arbeit mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuordnen, sondern wollte nur die Beschäftigungsverhältnisse der Ghettobewohner erfassen, die den Anforderungen an eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne der RVO entsprachen und damit nicht in den Anwendungsbereich des EVZStiftG fielen. Die in § 1 ZRBG genannten Kriterien folgen der Rechtsprechung des BSG und verdeutlichen die Trennung zur nichtversicherten Zwangsarbeit (BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R).
Ein freies Beschäftigungsverhältnis liegt vor, wenn der Beschäftigte aus einem Gewaltverhältnis insoweit entlassen ist, als er in einem Betrieb nach den Regeln des Arbeitsrechts tätig ist und ein Einfluss dritter Stellen auf die Gestaltung des Verhältnisses nicht stattfindet (BSG, Urteil vom 06.04.1960, 2 RU 40/58, BSGE 12, 71; Urteil vom 17.03.1993, 8 KknU 1/91, SozR 3-5050 § 5 Nr. 1). Der Beschäftigte muss aus eigenem Willen ein konkretes Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnis eingegangen sein, tatsächlich die von ihm auf der Grundlage des mit dem Arbeitgeber geschlossenen Vertrages geforderte Arbeit geleistet haben und ihm dafür im Austausch eine den Umständen angemessene Gegenleistung als Bar- oder Sachlohn gewährt worden sein (LSG NRW, Urteil vom 23.10.2000, L 3 RJ 60/99). Indizien gegen ein freiwillig eingegangenes Beschäftigungsverhältnis können die Arbeitsbedingungen sein, wie z. B. die Bewachung der betreffenden Person während der Arbeit, die Bewachung auf dem Weg zur Arbeitsstätte, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Person am Ort der Arbeitsstätte, fehlende oder nur geringe Auszahlung eines Entgelts für individuell geleistete Arbeit, Innehabung eines anderen rechtlichen Status als die übrigen Arbeitnehmer. Diese beispielhaft aufgeführten Kriterien zeigen, dass sich eine verrichtete Arbeit um so mehr vom Typus des freien Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses entfernt und dem Typus Zwangsarbeit annähert, als sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann. Maßgebend für die Beurteilung ist das Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit (BSG, Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 61/98 R; Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R; Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 71/98 R; Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R).
Die Angaben des Klägers, dass er sich freiwillig mit Hilfe des Judenrates eine Arbeit gesucht und von diesem eine Arbeit in der Möbeltischlerei ab September/Oktober 1941 im Ghetto Pruzany erhalten habe, sind zur Glaubhaftmachung der Freiwilligkeit der Arbeit nicht ausreichend. Der Umstand, dass die Arbeit vom Judenrat zugewiesen oder vermittelt wurde, nachdem sich ein Verfolgter bei ihm um Arbeit bewarb, reicht allein nicht aus, um die Freiwilligkeit der verrichteten Arbeit bereits zu bejahen (siehe BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R).
Darüber hinaus hat das Gericht auch Zweifel am Vorliegen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses. So hat der Kläger bei Rentenantragstellung am 05.11.2002 angegeben, für seine Tätigkeiten Naturalien und Lebensmittelcoupons erhalten zu haben. Im Klageverfahren hat der Kläger dieses Vorbringen dahingehend ergänzt, dass er die Gutscheine untereinander und gegen Waren eintauschen konnte. Diese Angaben sprechen ebenfalls nicht für die Annahme eines freien Beschäftigungsverhältnisses. Das Vorliegen eines freien Beschäftigungsverhältnisses erfordert, dass ein wirtschaftliches Austauschverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und gezahltem Entgelt vorliegt. Zwar ist die Höhe des Entgelts grundsätzlich kein wesentliches Merkmal für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Art und Umfang der gewährten Leistungen können aber Anhaltspunkte dafür sein, ob das Entgelt als Bezahlung im Sinne einer Entlohnung der geleisteten Arbeit oder zu anderen Zwecken, wie zum Beispiel nur als "Mittel zur Erhaltung der Arbeitskraft" des zur Arbeit gezwungenen Beschäftigten, gedacht ist. Allzu geringfügige Leistungen außerhalb eines jeden Verhältnisses zur erbrachten Leistung haben keinen Entgeltcharakter mehr (BSG, Urteil vom 19.04.1990, 1 RA 91/88; Urteil vom 22.09.1988, 7 RA 13/87; Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger mehr erhalten hat als seine Verpflegung am Arbeitsplatz.
Das Gericht verkennt nicht, dass dem Kläger durch die nationalsozialistische Verfolgung unermessliches Leid zugefügt worden ist. Es gibt jedoch keine gesetzliche Regelung, nach der der Kläger im Rahmen der Deutschen Rentenversicherung für das erlittene Unrecht finanziell entschädigt werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Vorrangig geht es hierbei um die Anerkennung einer Beitragszeit von Oktober 1941 bis Februar 1943.
Der am 00.00.1923 in M/Polen geborene Kläger ist jüdischer Abstammung. Er war nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, weshalb er als Verfolgter im Sinne des §1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt worden ist. Er erhielt auch Leistungen nach diesem Gesetz (Bescheid vom 30.03.1971 sowie Vergleich vom 25.11.1957).
Nach der Befreiung lebte der Kläger zunächst in Deutschland, bis er 1948 nach Israel auswanderte. Dort lebt er heute und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.
Am 05.11.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis auf das ZRBG die Gewährung einer Regelaltersrente. Er machte dabei Beschäftigungszeiten im Ghetto Pruzania von Oktober 1941 bis Februar 1943 bei der Verstärkungsgruppe als Tischler innerhalb als auch außerhalb des Ghettos geltend. Er will dort mit der Herstellung von Möbelstücken beschäftigt gewesen sein. Vermittelt sei ihm diese Tätigkeit durch den Judenrat und entlohnt worden sei er durch Lebensmittelcoupons und Naturalien.
Die Beklagte zog daraufhin die Entschädigungsakten des Klägers bei und wertete diese aus. Auch im Entschädigungsverfahren hatte der Kläger einen Aufenthalt im Ghetto Pruzana von Juli 1941 bis Dezember 1942 angegeben. Danach habe er sich von Januar 1943 im KZ Auschwitz aufgehalten. Der Zeuge L bestätigte in seiner Erklärung vom 24.07.1950, dass er gemeinschaftlich mit dem Kläger von Juli 1941 bis Dezember 1942 im Ghetto Pruzana eingeschlossen gewesen sei. Von Januar 1943 bis Januar 1945 hätten sie dann nebeneinander im KZ Auschwitz gearbeitet. In einer Bescheinigung vom internationalen Roten Kreuz vom 20.05.1965 ist vermerkt, dass der Kläger von 1941 bis 1943 Tischler im Ghetto Pruzana gewesen sei.
Mit Bescheid vom 02.03.2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach Maßgabe des ZRBG ab. Sie führte zur Begründung aus, dass eine entgeltliche Beschäftigung in einem Ghetto nur dann vorliege, wenn hierfür im wesentlichen Umfang Entgelt gewährt worden sei. Nach den Angaben des Klägers habe er während der Beschäftigungszeit im Ghetto Pruzany von Oktober 1941 bis Anfang 1943 nur Lebensmittelcoupons und Naturalien erhalten. Er habe demnach Lebensmittelrationen nur in einem Umfang bekommen, der für den täglichen Lebensbedarf notwendig gewesen sei. Insoweit könne die genannte Beschäftigung nicht nach den Vorschriften des ZRBG berücksichtigt werden.
Der Kläger erhob dagegen unter dem 08.03.2004 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass er vor der Verfolgung zwei Jahre bereits in einer Möbelfabrik gearbeitet und den Beruf des Kunsttischlers erlernt habe. Sofort nach der Errichtung des Ghettos habe er aufgrund eigener Bemühungen die Registrierung als Facharbeiter beim Judenrat erlangt. Er habe dann eine Tischlerarbeit gegen Entgelt ausgeübt; das Entgelt sei in Form von zusätzlichen Lebensmittelkarten und Naturalien geleistet worden. Dem Widerspruch des Klägers gab die Beklagte nicht statt, sondern wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 03.05.2005 zurück. Hierin führte sie ergänzend aus, dass die dem Kläger gewährten Sachbezüge keine Versicherungspflicht ausgelöst hätten, so dass nicht von einem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis ausgegangen werden könne. Darüber hinaus sei nach den der Beklagten vorliegenden Unterlagen im Bezirk Bialystok der Lohn auch an Ghettoarbeitnehmer je zur Hälfte in Naturalien und in Geld ausgezahlt worden. Daher hätte der Kläger, sofern ein ordentliches Beschäftigungsverhältnis vorgelegen hätte, eine Entlohnung mit Geld erhalten müssen. Da dies nicht der Fall gewesen sei, sei davon auszugehen, dass kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des ZRBG vorgelegen habe. Wegen der Gründe wird auf den Inhalt des Bescheides (Bl. 64 - Bl. 66 der verwaltungsakten) Bezug genommen.
Der Kläger hat dagegen am 01.06.2005 Klage erhoben und geltend gemacht, dass nach seinen Erkenntnissen, den Ghettoarbeitern überwiegend nicht Bargeld ausgezahlt worden sei. Im Übrigen sei seine Tätigkeit bei der Herstellung von Möbelstücken, Fensterrahmen usw. nicht bewacht gewesen.
Der Bevollmächtigte des Klägers ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 16.03.2007 ordnungsgemäß vom Termin zur mündlichen Verhandlung benachrichtigt worden.
Der im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.04.2007 nicht anwesende und nicht vertretene Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 02.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2005 zu verurteilen, die Tätigkeiten vom 01.09.1941 bis 31.12.1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Erwerbszeiten vom 01.05.1945 bis 31.05.1948 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass eine entgeltliche Beschäftigung des Klägers nicht glaubhaft sei. Die den Ghettobewohnern gewährten Verpflegungsrationen sicherten im Regelfall allenfalls das Überleben und ging deshalb über das Maß des reinen Unterhaltes im rentenrechtlichen Sinne regelmäßig nicht hinaus. Auch die Vermittlung einer Arbeit durch den Jugendrat sei nicht ausreichend, um die Freiwilligkeit der verrichteten Arbeit zu bejahen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten des Klägers bei der Beklagten sowie auf den Inhalt der beigezogenen Entschädigungsakten vom Landesamt für Finanzen (Landesentschädigungsamt, Az.: EG 00000-0) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder der Kläger noch sein Bevollmächtigter am Termin zur mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Der Bevollmächtigte des Klägers ist in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 110, 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder der/die Kläger/in noch sein/ihr Bevollmächtigter am Termin zur mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Der Bevollmächtigte des/der Klägers/in ist in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 110, 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 02.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.05.2005 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld gegenüber der Beklagten nach §§ 35, 300 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) ab dem 01.07.1997. Die für den Rentenanspruch erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§§ 35 Nr. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) ist nicht erfüllt, weil auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten nicht vorliegen. Die von dem Kläger behaupteten Beschäftigungszeiten im Ghetto Pruzany vom 01.09.1941 bis 31.01.1943 sind nicht als Beitragszeiten zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung dieser Zeiten als sog. "Ghetto-Beitragszeiten" nach den Vorschriften des ZRBG liegen nicht vor.
Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt und werden als sog. "Ghetto-Beitragszeiten" bei der Anrechnung auf die Wartezeit als Beitragszeiten berücksichtigt. Für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, gilt nach § 1 Abs. 1 das ZRBG, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt wurde (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1) und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens handelt es sich bei der von dem Kläger behaupteten Beschäftigung im Ghetto Pruzany nicht um eine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 ZRBG.
Ein Nachweis für eine ausgeübte Beschäftigung im Ghetto Pruzany im Sinne von § 1 ZRBG liegt nicht vor. Ebenso wenig ist eine solche Beschäftigung von dem Kläger glaubhaft gemacht worden (§ 3 WGSVG). Die Vorschrift des § 3 WGSVG ist auf Sachverhalte des ZRBG entsprechend anwendbar, da das ZRBG keine eigenständige Regelung über die Anforderungen an den Nachweis von Tatsachen enthält, das ZRBG die Regelungen des WGSVG ergänzen soll (§ 1 Abs. 2 ZRBG) und kein Wille des Gesetzgebers erkennbar ist, die Anforderungen an den Nachweis von Ghetto-Beitragszeiten strenger als von Beitragszeiten nach dem WGSVG und dem FRG zu handhaben. Eine Tatsache ist nach § 3 WGSVG glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Glaubhaftmachung bedeutet danach mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird. Gleichzeitig muss mehr für als gegen den behaupteten Sachverhalt sprechen. Dabei sind gewisse noch verbleibende Zweifel unbeachtlich.
Es ist nicht glaubhaft, dass der Kläger im Ghetto Pruzany eine Beschäftigung ausübte, die den in § 1 Abs. 1 ZRBG aufgestellten Kriterien entsprach. So geht das Gericht zwar davon aus, dass sich der Kläger in der Zeit von Juli 1941 bis Dezember 1942 im Ghetto Pruzany aufgehalten hat. Dieses ergibt sich aus seinen Angaben im Renten- und Entschädigungsverfahren. Im Entschädigungsverfahren hatte auch der Zeuge L einen Aufenthalt im Ghetto Pruzany von Juli 1941 bis Dezember 1942 angegeben.
Die Ausübung einer Beschäftigung im Ghetto Pruzany durch den Kläger ist jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich. Der Kläger hat zwar durchgehend im Renten- und im Klageverfahren angegeben, in der Zeit vom 01.09.1941 bzw. Oktober 1991 bis Januar/Februar 1943 gearbeitet zu haben. Aber selbst wenn man die von dem Kläger vorgetragene Tätigkeit im Ghetto Pruzany als Arbeiter in der Möbeltischlerei als glaubhaft ansehen würde, stellten diese Tätigkeiten, ausgehend von den Angaben des Klägers, keine Beschäftigungen im Sinnen von § 1 Abs. 1 ZRBG dar. Allein die Angaben des Klägers, dass er durch Vermittlung des Judenrates eine Arbeit verrichtet habe, für die er Lebensmittelcoupons und Naturalien erhalten habe, genügen nicht zur Glaubhaftmachung einer Beschäftigung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 ZRBG.
Es existiert kein Grundsatz, dass es sich bei einer Beschäftigung während des Aufenthaltes in einem Ghetto in der Regel um eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene und gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung handelt. Vielmehr sind die Umstände des Einzelfalls entscheidend. Die Angaben des Klägers über den Bezug von Naturalien und Lebensmittelcoupons als Entlohnung (Renten- und Klageverfahren) sprechen jedenfalls gegen eine gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung im Sinne von § 1 Abs. 1 ZRBG.
Bei der Auslegung der in § 1 Abs. 1 ZRBG verwandten Begriffe "aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen" und "gegen Entgelt ausgeübt" ist auf die Kriterien der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage der versicherungsrechtlichen Einordnung und Abgrenzung von Zwangsarbeit zu versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in einem Ghetto abzustellen (vgl. Urteile vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R und B 13 RJ 61/98 R). Denn das ZRBG knüpft nach der Rechtsprechung des BSG, der sich die Kammer anschließt, erkennbar an die von der Rechtssprechung aufgestellten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an. Eine Erweiterung des anspruchsberechtigten Personenkreises über die von der Ghetto-Rechtsprechung Begünstigten hinaus ist vom Gesetzgeber ersichtlich nicht beabsichtigt. Das ZRBG bezweckt nicht, die grundsätzliche Gleichstellung einer im Ghetto ausgeübten Arbeit mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuordnen, sondern wollte nur die Beschäftigungsverhältnisse der Ghettobewohner erfassen, die den Anforderungen an eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne der RVO entsprachen und damit nicht in den Anwendungsbereich des EVZStiftG fielen. Die in § 1 ZRBG genannten Kriterien folgen der Rechtsprechung des BSG und verdeutlichen die Trennung zur nichtversicherten Zwangsarbeit (BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R).
Ein freies Beschäftigungsverhältnis liegt vor, wenn der Beschäftigte aus einem Gewaltverhältnis insoweit entlassen ist, als er in einem Betrieb nach den Regeln des Arbeitsrechts tätig ist und ein Einfluss dritter Stellen auf die Gestaltung des Verhältnisses nicht stattfindet (BSG, Urteil vom 06.04.1960, 2 RU 40/58, BSGE 12, 71; Urteil vom 17.03.1993, 8 KknU 1/91, SozR 3-5050 § 5 Nr. 1). Der Beschäftigte muss aus eigenem Willen ein konkretes Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnis eingegangen sein, tatsächlich die von ihm auf der Grundlage des mit dem Arbeitgeber geschlossenen Vertrages geforderte Arbeit geleistet haben und ihm dafür im Austausch eine den Umständen angemessene Gegenleistung als Bar- oder Sachlohn gewährt worden sein (LSG NRW, Urteil vom 23.10.2000, L 3 RJ 60/99). Indizien gegen ein freiwillig eingegangenes Beschäftigungsverhältnis können die Arbeitsbedingungen sein, wie z. B. die Bewachung der betreffenden Person während der Arbeit, die Bewachung auf dem Weg zur Arbeitsstätte, die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Person am Ort der Arbeitsstätte, fehlende oder nur geringe Auszahlung eines Entgelts für individuell geleistete Arbeit, Innehabung eines anderen rechtlichen Status als die übrigen Arbeitnehmer. Diese beispielhaft aufgeführten Kriterien zeigen, dass sich eine verrichtete Arbeit um so mehr vom Typus des freien Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses entfernt und dem Typus Zwangsarbeit annähert, als sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann. Maßgebend für die Beurteilung ist das Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit (BSG, Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 61/98 R; Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 75/98 R; Urteil vom 14.07.1999, B 13 RJ 71/98 R; Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R).
Die Angaben des Klägers, dass er sich freiwillig mit Hilfe des Judenrates eine Arbeit gesucht und von diesem eine Arbeit in der Möbeltischlerei ab September/Oktober 1941 im Ghetto Pruzany erhalten habe, sind zur Glaubhaftmachung der Freiwilligkeit der Arbeit nicht ausreichend. Der Umstand, dass die Arbeit vom Judenrat zugewiesen oder vermittelt wurde, nachdem sich ein Verfolgter bei ihm um Arbeit bewarb, reicht allein nicht aus, um die Freiwilligkeit der verrichteten Arbeit bereits zu bejahen (siehe BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R).
Darüber hinaus hat das Gericht auch Zweifel am Vorliegen eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses. So hat der Kläger bei Rentenantragstellung am 05.11.2002 angegeben, für seine Tätigkeiten Naturalien und Lebensmittelcoupons erhalten zu haben. Im Klageverfahren hat der Kläger dieses Vorbringen dahingehend ergänzt, dass er die Gutscheine untereinander und gegen Waren eintauschen konnte. Diese Angaben sprechen ebenfalls nicht für die Annahme eines freien Beschäftigungsverhältnisses. Das Vorliegen eines freien Beschäftigungsverhältnisses erfordert, dass ein wirtschaftliches Austauschverhältnis zwischen geleisteter Arbeit und gezahltem Entgelt vorliegt. Zwar ist die Höhe des Entgelts grundsätzlich kein wesentliches Merkmal für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses. Art und Umfang der gewährten Leistungen können aber Anhaltspunkte dafür sein, ob das Entgelt als Bezahlung im Sinne einer Entlohnung der geleisteten Arbeit oder zu anderen Zwecken, wie zum Beispiel nur als "Mittel zur Erhaltung der Arbeitskraft" des zur Arbeit gezwungenen Beschäftigten, gedacht ist. Allzu geringfügige Leistungen außerhalb eines jeden Verhältnisses zur erbrachten Leistung haben keinen Entgeltcharakter mehr (BSG, Urteil vom 19.04.1990, 1 RA 91/88; Urteil vom 22.09.1988, 7 RA 13/87; Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger mehr erhalten hat als seine Verpflegung am Arbeitsplatz.
Das Gericht verkennt nicht, dass dem Kläger durch die nationalsozialistische Verfolgung unermessliches Leid zugefügt worden ist. Es gibt jedoch keine gesetzliche Regelung, nach der der Kläger im Rahmen der Deutschen Rentenversicherung für das erlittene Unrecht finanziell entschädigt werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
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