L 2 RI 340/04

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Speyer (RPF)
Aktenzeichen
S 6 RI 342/03
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 2 RI 340/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Berufsmäßigkeit einer geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs 1 SGB IV a.F. liegt u.a. dann vor, wenn eingesetzte Saisonarbeitskräfte nach ihrer Lebensstellung regelmäßig eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben (ständige Rechtsprechung des BSG).
2. Für eine Differenzierung danach, ob die Aushilfstätigkeit während des bezahlten oder während des unbezahlten Urlaubs durchgeführt wird, gibt es keine sachliche Rechtfertigung.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 30.8.2004 wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.137,66 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte vom Kläger Sozialversicherungsbeiträge für den Einsatz osteuropäischer Erntehelfer nacherheben durfte.

Der Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem er die beigeladenen polnischen Arbeitnehmer als Saisonarbeitskräfte beschäftigt. Für die zeitlich begrenzte Beschäftigung nehmen die Beigeladenen, die in Polen jeweils in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als Automechaniker und Kraftfahrer (Beigeladener zu 3) bzw. als Tischler (Beigeladener zu 4) stehen, bezahlten und unbezahlten Urlaub bei ihren polnischen Arbeitgebern. Der Kläger entrichtete für die Zeit der Beschäftigung während des bezahlten Urlaubs Beiträge zur Sozialversicherung.

Im Juni 2002 führte die Beklagte beim Kläger eine Betriebsprüfung durch, die den Zeitraum vom 1.1.1998 bis zum 31.12.2001 umfasste. Die Betriebsprüfer beanstandeten die nicht erfolgte Beitragszahlung für die Beschäftigung während des unbezahlten Urlaubs im Jahr 1998. In diesem Jahr hatten die beiden Beigeladenen vom 24.8. bis zum 20.10. beim Kläger gearbeitet und in der Zeit des unbezahlten Urlaubs (24.8. 20.9.1998) einen Bruttoarbeitsverdienst in Höhe von jeweils 2.563,45 DM erzielt.

Mit Bescheid vom 10.12.2002 forderte die Beklagte Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 1.137,66 Euro (568,83 Euro x 2) für die Beschäftigung der beiden Beigeladenen während der Zeit des unbezahlten Urlaubs im Jahr 1998 nach. Zur Begründung führte sie aus, die Versicherungspflicht der Beschäftigten sei nach den in § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) genannten Kriterien zu beurteilen. Nach Abs. 1 Nr. 2 dieser Vorschrift werde eine Beschäftigung nur dann versicherungsfrei ausgeübt, wenn sie innerhalb eines Jahres nicht mehr als zwei Monate oder fünfzig Arbeitstage betrage und nicht berufsmäßig ausgeübt werde. Bei einer zeitlich begrenzten Beschäftigung, die sowohl unbezahlten als auch bezahlten Urlaub umfasse, sei im Sinne einer einheitlichen Betrachtungsweise von einer berufsmäßig ausgeübten Tätigkeit auszugehen. Für den gesamten Zeitraum sei daher eine Versicherungspflicht anzunehmen. Dabei verwies sie auf ein Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 7.5.1998.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb nach Auffassung der Spitzenverbände Berufsmäßigkeit deshalb vorliegen solle, weil sich an die Zeit des unbezahlten Erholungsurlaubes bezahlter Urlaub anschließe. Die Beitragserhebung verstoße zudem gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Er habe darauf vertraut, dass der Sachverhalt von der Verwaltung so behandelt werde wie in der Vergangenheit. Über die Änderung sei er nicht informiert worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.4.2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Berufsmäßigkeit müsse einheitlich für den gesamten Zeitraum der kurzfristigen Beschäftigung beurteilt werden. Diese Rechtsauffassung sei durch das Ergebnis der Besprechung der Spitzenverbände der Versicherungsträger lediglich klargestellt worden. Auf ein schutzwürdiges Vertrauen könne sich der Kläger nicht berufen.

Hiergegen hat der Kläger am 21.5.2003 beim Sozialgericht (SG) Speyer Klage erhoben.

Das SG hat die Bundesagentur für Arbeit, die AOK L und die polnischen Saisonarbeitskräfte ( L und B L ) zum Verfahren beigeladen und die beigeladenen Saisonarbeitnehmer in der mündlichen Verhandlung zu ihren Beschäftigungen in Polen angehört.

Der Kläger hat vorgetragen, das Besprechungsergebnis der Sozialversicherungsträger aus dem Jahr 1998 gebe lediglich die Rechtsauffassung der Spitzenverbände wieder, finde jedoch in der Rechtsprechung und im Gesetz keine Grundlage. Im Übrigen sei es ihm zum Zeitpunkt der hier streitigen Beschäftigung nicht bekannt gewesen. Eine erste Veröffentlichung in den Bauern und Winzerzeitungen sei erst im Jahr 2000 erfolgt. Er sei mit einer Nachforderung konfrontiert worden, die im Widerspruch zum vorangegangenen Verhalten der Verwaltung stehe, auf dessen Rechtmäßigkeit er vertraut habe und auch habe vertrauen dürfen.

Mit Urteil vom 30.8.2004 hat das SG Speyer die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei Berufsmäßigkeit dann gegeben, wenn der betreffende Arbeitnehmer durch die kurzfristige Beschäftigung seinen Lebensunterhalt überwiegend oder in einem solchen Umfang erwerbe, dass seine wirtschaftliche Stellung zu einem erheblichen Teil auf der Beschäftigung beruhe. Der Umstand, dass die Beigeladenen zu 3) und 4) für den Arbeitseinsatz neben ihrem Erholungsurlaub auch unbezahlten Urlaub genommen hätten, könne ein Indiz für eine berufsmäßige Ausübung sein. Werde nur bezahlter Erholungsurlaub genommen, spreche dies dagegen in der Regel gegen eine Berufsmäßigkeit. Die Prüfung einer Berufsmäßigkeit könne sich nur auf die gesamte Beschäftigung beziehen. Eine beitragsrechtliche Aufteilung der Beschäftigung anhand des Kriteriums bezahlter oder unbezahlter Urlaub, wie sie offensichtlich vor dem von der Beklagten zitierten Besprechungsergebnis akzeptiert worden sei, finde im Gesetz und in der Rechtsprechung keine Grundlage. Für eine Berufsmäßigkeit spreche vorliegend, dass die landwirtschaftliche Saisonarbeit bereits über viele Jahre hinweg ca. 8 Wochen ausgeübt worden sei. Im Vergleich zu den von den Beigeladenen in Polen erzielten Einkünften sei von einem beachtlichen wirtschaftlichen Wert der Saisonarbeit auszugehen. Das Gesamtbild spreche daher dafür, dass die Beschäftigungen der Beigeladenen für deren wirtschaftliche Stellung von einer nicht unerheblichen Bedeutung gewesen seien. Die Rechtmäßigkeit der Beitragsnachforderung werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Sozialversicherungsträger vor 1998 eine sich an der Unterscheidung zwischen unbezahlten und bezahlten Urlaub orientierenden Beitragentrichtung toleriert hätten. Auch habe es keiner vorherigen Publikation der geänderten Auffassung in Fachzeitschriften bedurft. Die gesetzlichen Grundlagen für die Versicherungsfreiheit bei geringfügigen Beschäftigungen seien seit Jahren unverändert.

Gegen dieses ihm am 18.10.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 17.11.2004 beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz erhobene Berufung des Klägers.

Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor: Das SG habe sich nicht mit dem Gesichtspunkt befasst, dass die Beitragsnachforderung im Widerspruch stehe zum vorangegangenen Verhalten der Verwaltung, auf dessen Rechtmäßigkeit er vertraut habe und habe vertrauen dürfen. Auch habe das Gericht den Begriff der Berufsmäßigkeit nicht zutreffend ausgelegt. Es überzeuge nicht, wenn ein Anhaltspunkt für die Berufsmäßigkeit darin gesehen werde, dass die Beschäftigung während eines unbezahlten Urlaubs ausgeübt werde. Auch der Gesichtspunkt, dass die Beigeladenen im Heimatland ein wesentlich niedrigeres Einkommen gehabt hätten als in Deutschland, dürfe keine Rolle spielen. Die Beigeladenen seien in der Lage gewesen, durch ihren Verdienst in Polen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Übrigen verweise er auf einen parallel gelagerten Fall (Urteil des SG Speyer vom 14.3.2005 ), in dem die Beitragsbescheide der Beklagten mangels entsprechender Sachverhaltsermittlungen der Beklagten aufgehoben worden seien.

Auf Aufforderung des Senats hat die Beklagte eine Erklärung der beigeladenen Saisonarbeitskräfte vorgelegt, in der ausdrücklich auf eine Wiederholung des Verwaltungsverfahrens, bei dem sie nicht beteiligt worden waren, verzichtet wird.

Der Senat hat die AOK Pflegekasse zum Verfahren beigeladen und auf eine Entscheidung des 1. Senats des LSG Rheinland-Pfalz vom 26.4.2007 L 1 KR 36/05 hingewiesen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 30.8.2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.4.2003 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist darauf, dass in der Parallelsache Berufung eingelegt worden sei. Anders als im dortigen Fall sei der Nachweis der Berufsmäßigkeit der Tätigkeit der Beigeladenen hier durch deren Aussagen vor dem SG erbracht.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte, auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 10.12.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.4.2003 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beigeladenen zu 3) und 4) unterlagen während ihrer gesamten Tätigkeit beim Kläger im Jahre 1998 der Sozialversicherungspflicht.

Gemäß § 1 Abs 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), § 5 Abs 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 25 Abs 1 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), § 20 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der hier maßgebenden Fassung sind gegen Arbeitsentgelt nicht selbständig beschäftigte Personen sozialversichert (§ 7 Viertes Buch Sozialgesetzbuch, SGB IV). Versicherungsfrei sind Personen, die eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in der bis zum 31.3.1999 geltenden Fassung (BGBl I, 1229) ausüben.

Die Beigeladenen zu 3) und 4) waren im Jahr 1998 nicht geringfügig im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV a.F. tätig. Denn die Beschäftigungen wurden berufsmäßig im Sinne des § 8 Abs 1 Nr. 2 SGB IV a.F. ausgeübt.

Nach § 8 Abs. 1 SGB IV a.F. liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn (Nr. 1) die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wurde und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat ein Siebtel der maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße (§ 18), bei höherem Arbeitsentgelt ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht überstieg oder (Nr. 2) die Beschäftigung innerhalb eines Jahres seit ihrem Beginn auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegte oder im Voraus vertraglich begrenzt war, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wurde und ihr Entgelt die in Nr. 1 genannten Grenzen nicht überstieg.

Die Geringfügigkeit nach Nr. 1 des § 8 Abs 1 SGB IV a.F. unterscheidet sich von derjenigen nach Nr. 2 der Vorschrift dadurch, dass die Beschäftigung bei Nr. 1 regelmäßig und bei Nr. 2 nur gelegentlich ausgeübt wird (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23.5.1995 12 RK 60/93 in SozR 3 2400 § 8 Nr. 3). Geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV erfolgt entweder im Sinne der sogenannten Entgeltgeringfügigkeit (§ 8 Abs 1 Nr. 1 SGB IV a.F.) oder im Sinne der sogenannten Zeitgeringfügigkeit (§ 8 Abs 1 Nr. 2 SGB IV a.F.). Die Frage der Berufsmäßigkeit ist nur im Rahmen der Nr. 2 des § 8 Abs 1 SGB IV, auf die sich die Beklagte bei der Begründung ihrer Bescheide alleine gestützt hat, relevant.

Die Beigeladenen zu 3) und 4) haben im Jahr 1998 eine nicht regelmäßige, da saisonabhängige, mithin zeitlich nicht genau vorhersehbare gelegentliche Beschäftigung ausgeübt. Bei Beginn der Beschäftigung stand nicht fest, dass innerhalb eines Jahres eine erneute Beschäftigung bei dem Kläger aufgenommen werden würde. Nach der Zusammenstellung der abgerechneten Stunden und nach den Entgeltabrechnungen handelte es sich um zeitgeringfügige Beschäftigungen, die nach ihrer Eigenart auf längstens zwei Monate oder 50 Tage begrenzt waren (§ 8 Abs 1 Nr. 2 SGB IV a.F.).Denn der Zeitraum vom 24.8.1998 bis zum 20.10.1998 umfasste weniger als zwei Monate und weniger als 50 Werktage.

Trotz Einhaltung dieser zeitlichen Grenzen lagen geringfügige Tätigkeiten nicht vor, da es sich um berufsmäßige Tätigkeiten handelte.

Eine berufsmäßige Beschäftigung setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts voraus, dass sie für die jeweilige Person nicht nur von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist (ständige Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 28.10.1960 3 RK 31/56 in SozR Nr. 1 zu § 166 RVO; Urteil vom 26.9.1972 12 RJ 352/71 in SozR Nr. 11 zu § 1228 RVO; Urteil vom 25.4.1991 12 RK 14/89 in SozR 3 2400 § 8 Nr. 1). Die für den Kläger ausgeübten Beschäftigungen können bereits angesichts der Höhe der Entlohnung von 2.563,43 Euro brutto unabhängig von dem in Polen herrschenden Lohnniveau nicht als wirtschaftlich unbedeutend qualifiziert werden. Für ein wirtschaftlich nur untergeordnetes Entgelt hätten die beigeladenen Polen die mit der Tätigkeit in der Bundesrepublik verbundenen Erschwernisse nicht auf sich genommen und nicht neben dem Erholungsurlaub zusätzlich unbezahlten Urlaub eingebracht.

Würde man in diesem Zusammenhang auf den Gesichtspunkt abstellen, dass die Beigeladenen zu 3) und 4) mit ihrer kurzzeitigen Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland vergleichsweise wesentlich mehr verdient haben als mit ihrer Hauptbeschäftigung in Polen, d.h. die Berufsmäßigkeit von der Höhe des im Heimatland erzielten Arbeitsentgelts abhängig machen, würde dies dazu führen, dass ausländische Arbeitnehmer gegenüber inländischen Arbeitnehmern diskriminiert würden.

Diese Ansicht deckt sich mit dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Sozialversicherung vom 7.5.1998, auf das sich die Beklagte in einem anderem Zusammenhang stützt. Dort heißt es hierzu, dass für die Beurteilung der Berufsmäßigkeit einer kurzfristigen Beschäftigung bei Beschäftigten aus dem Ausland keine strengeren Voraussetzungen gelten dürften als für inländische Arbeitnehmer.

Nach dem Besprechungsergebnis der am gemeinsamen Beitragseinzug beteiligten Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 6.7.2005 gilt dies erst recht bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung von EU-Saisonarbeitskräften, d.h. erst recht für die Zeit ab dem Beitritt Polens zur EU. Im Rahmen der Festlegungen der Berufsmäßigkeit der Aushilfsbeschäftigungen seien auch Beschäftigungszeiten in anderen Staaten zu berücksichtigen. Allerdings sei die Höhe des in den anderen Staaten erzielten Arbeitsentgelts unmaßgeblich. Berufsmäßigkeit müsse unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen im jeweiligen Heimatland des Beschäftigten beurteilt werden. Dem liege die Ansicht zu Grunde, dass die Berufsmäßigkeit einer Beschäftigung nicht allein vom Erwerbsverhalten in Deutschland bestimmt werde, sondern vom allgemeinen Erwerbsleben des Beschäftigten abhänge (zum Ganzen auch Gustav Figge, Versicherungsrechtliche Beurteilung von Saisonarbeitskräften aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, RV 2006, 104).

Berufsmäßigkeit einer kurzfristigen Beschäftigung ist abgesehen davon, dass das dabei erzielte Entgelt im Beschäftigungsland eine nicht nur untergeordnete wirtschaftliche Bedeutung haben darf nach der Rechtsprechung des BSG dann gegeben, wenn ihr eine versicherungspflichtige Beschäftigung unmittelbar vorangegangen ist oder folgt (BSG SozR 2200 § 168 Nr. 3). Denn in diesem Fall kann auf eine generelle Zugehörigkeit zum Kreis der abhängig Erwerbstätigen geschlossen werden. Dagegen sind Schüler, Studenten während der Semesterferien oder für die Zeit bis zur Aufnahme eines Studiums, Rentner und Hausfrauen regelmäßig nicht zum Kreis der berufstätigen Arbeitnehmer zu rechnen (BSG, Urteil vom 11.5.1993 12 RK 23/91 in SozR 3 2400 § 8 Nr. 3; Seewald in: Kass Komm, § 8 Rdnr. 20 m.w.N.).

Die im Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 7.5.1998 zusätzlich neben den Fallgruppen Schüler, Studenten und Hausfrauen genannte Fallgruppe "Beschäftigungen während eines bezahlten Erholungsurlaubs" steht mit diesen Grundsätzen nicht im Einklang. Das Tätigwerden während eines bezahlten Erholungsurlaubs spricht vielmehr umgekehrt dafür, dass die Aushilfskraft durch einen anderen Hauptberuf anderweitig in Anspruch genommen wird und nach ihrer Lebensstellung zum Kreis der abhängig Beschäftigten gehört. An jener Inanspruchnahme in einem anderen Hauptberuf ändert sich auch nichts, wenn neben dem bezahlten Urlaub zusätzlich unbezahlter Urlaub genommen wird. Insoweit ist eine einheitliche Betrachtungsweise angezeigt. Die von den Spitzenverbänden des Sozialversicherung vorgenommene Differenzierung zwischen Zeiten unbezahlten und bezahlten Urlaubs, für die eine nachvollziehbare Begründung fehlt, widerspräche mithin der von der Rechtsprechung entwickelten Begriffsdefinition der Berufsmäßigkeit zu § 8 Abs 1 Nr. 2 SGB IV a.F ... Ungeachtet dessen fehlt es an einer Begründung dafür, weshalb ein und dasselbe Beschäftigungsverhältnis teilweise als berufsmäßig und teilweise als nicht berufsmäßig anzusehen sein soll. Entweder die Eigenschaft eines berufsmäßigen Arbeitnehmers im Sinne des § 8 Abs 1 Nr. 2 SGB IV a.F. besteht oder sie besteht nicht; eine weitergehende Differenzierung ist nicht begründbar.

Die Auslegung des Begriffs der Berufsmäßigkeit durch den Senat steht im Einklang mit der Entscheidung des 1. Senats des LSG Rheinland-Pfalz vom 26.4.2007. Dort war eine unterschiedliche Beurteilung der Frage der Berufsmäßigkeit im Sinne des § 8 Abs 1 Nr. 2 SGB IV für Zeiten des bezahlten Urlaubs und für Zeiten des unbezahlten Urlaubs ebenfalls abgelehnt worden. In der Entscheidung des 5. Senats des LSG Rheinland-Pfalz vom 8.2.2007 wurde zu jenen materiell-rechtlichen Fragen nicht Stellung genommen, weil eine auf die beigeladenen Erntehelfer bezogene Einzelfallprüfung von der Beklagten nicht durchgeführt worden war. Die angefochtenen Bescheide unterlagen bereits aus diesem Grund der Aufhebung.

Unter Beachtung der aufgezeigten Grundsätze ist zum Erwerbsleben der Beigeladenen zu 3) und 4) unter Zugrundelegung ihrer vor dem SG gemachten Angaben zu ihren Tätigkeiten im Heimatland festzustellen, dass sie unmittelbar vor und nach den saisonalen Aushilfstätigkeiten für den Kläger in Polen das übrige Jahr über ganztägigen Beschäftigungen als Automechaniker/Kraftfahrer (Beigeladener zu 3) bzw. als Tischler (Beigeladener zu 4) nachgingen. Ihre Zugehörigkeit zum Kreis der Arbeitnehmer und die Qualifizierung ihrer saisonalen Aushilfstätigkeit als berufsmäßig im Sinne des § 8 Abs 1 Nr. 2 SGB IV a.F. besteht wie zuvor dargelegt unabhängig davon, ob die Aushilfstätigkeit nur während eines bezahlten Urlaubs oder auch während eines unbezahlten Urlaubs verrichtet wurde.

Mit dem Einwand des Klägers, er habe darauf vertraut, dass die bisherige, ihn begünstigende, allerdings fehlerhafte Bewertungspraxis der Beklagten, die der seit Jahrzehnten unveränderten höchstrichterlichen Auslegung des Begriffs der Berufsmäßigkeit widersprach, ohne Korrekturmöglichkeit zeitlich unbegrenzt fortgeführt werden würde, vermag er nicht durchzudringen.

Auch die fehlende Kenntnis des Klägers von eingetretenen Änderungen in der Bewertungspraxis mangels Veröffentlichung in Fachzeitungen vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Von einer Kenntnisnahme der Betroffenen oder vom Zeitpunkt der Veröffentlichung in bestimmten Fachzeitschriften hängt die Geltung obergerichtlicher Rechtsprechung zu Begriffsbestimmungen gesetzlicher Vorschriften nicht ab. Abgesehen davon hat sich diese Rechtsprechung seit mehreren Jahrzehnten nicht geändert.

Schließlich ist weder dafür etwas ersichtlich oder vorgetragen, dass die Beklagte dem Kläger eine bestimmte Handhabung schriftlich zugesagt hätte noch dafür, dass eine entsprechende Erwartung durch ein konkretes Verhalten hervorgerufen worden wäre. Letzteres würde eine sog. Verwirkung neben dem Zeitmoment als weiteres Tatbestandsmerkmal jedoch voraussetzen.

Eine Verjährung der im Jahr 1998 fällig gewordenen Ansprüche war im Zeitpunkt der Erteilung des Beitragsbescheides im Jahr 2002 nicht eingetreten (§ 25 SGB IV).

Anhaltspunkte dafür, dass die Höhe der Beiträge fehlerhaft sein könnte, haben sich nicht ergeben.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Bei der Streitwertfestsetzung hat sich der Senat auf § 197 a SGG i.V.m. §§ 3, 52 Abs. 3 GKG gestützt. Es geht um eine betragsmäßig bezifferte Forderung, die das wirtschaftliche Interesse des Klägers bestimmt.

Revisionszulassungsgründe (§ 160 Abs 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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