L 9 B 540/06 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 84 KR 2874/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 B 540/06 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2006 wird zurückgewiesen. Der Antrag des Antragstellers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird abgelehnt. Der Antragsteller trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Kosten des Verfahrens auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind nicht zu erstatten. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1.218,60 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2006 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag des Antragstellers abgelehnt, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Februar 2006 anzuordnen. Denn dieser Antrag ist gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zwar zulässig, weil der vom Antragsteller eingelegte Widerspruch gegen den vorgenannten Bescheid, mit dem er nach den §§ 23 ff. des Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (KSVG) für das Jahr 2002 zur Zahlung einer als Künstlersozialabgabe bezeichneten Umlage in Höhe von 2.437,21 EUR herangezogen worden ist, gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat. Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheides nicht überwiegt.

Der Maßstab für die Begründetheitsprüfung ergibt sich in den Fällen der hier vorliegenden Art, in denen die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG kraft Gesetzes entfällt, aus § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG. Hiernach soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Beides ist hier nicht der Fall.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers lassen sich hier zunächst keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides feststellen. Denn sie bestehen nur dann, wenn der Erfolg des eingelegten Rechtsbehelfs nach der im vorliegenden Verfahren allein gebotenen summarischen Prüfung wahrscheinlicher ist als sein Misserfolg. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, weil sich die Erfolgsaussichten des Widerspruchs derzeit als allenfalls offen erweisen.

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid sind die §§ 23 ff. KSVG. Hiernach hat die Antragsgegnerin von den zur Abgabe Verpflichteten eine Umlage (Künstlersozialabgabe) nach einem Vomhundertsatz der Bemessungsgrundlage zu erheben. Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe sind nach § 25 Abs. 1 Satz 1 KSVG u. a. die Entgelte für künstlerische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 KSVG zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten im Laufe eines Kalenderjahres an selbständige Künstler zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig sind. Entgelt im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist – soweit nicht besondere, hier nicht einschlägige Ausnahmetatbestände vorliegen – nach § 25 Abs. 2 Satz 1 KSVG alles, was der zur Abgabe Verpflichtete aufwendet, um das Werk oder die Leistung zu erhalten oder zu nutzen, abzüglich der in einer Rechnung oder Gutschrift gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer.

Soweit die Beteiligten im vorstehenden Zusammenhang zu Recht allein darüber streiten, ob die von dem Antragsteller als Inhaber der Musikproduktionsfirma T an die Mitglieder der Band K für das Projekt H am 6. Juni 2002, 23. Juli 2002 und 13. August 2002 per Banküberweisung gezahlten und von der Antragsgegnerin zugunsten des Antragstellers nur zur Hälfte der Abgabepflicht unterworfenen Beträge in Höhe von 128.275,86 EUR ohne die darüber hinaus gezahlte Mehrwertsteuer in Höhe von 20.524,14 EUR dem Entgeltbegriff des § 25 Abs. 2 Satz 1 KSVG zu unterwerfen sind, lässt sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht mit dem oben dargestellten Wahrscheinlichkeitsgrad feststellen, dass sich der Antragsteller mit seiner – die vorgenannte Frage verneinenden – Auffassung im Hauptsacheverfahren durchsetzen wird. Denn wie die Antragsgegnerin und das Sozialgericht zutreffend ausgeführt haben, sprechen sowohl der neu gefasste Bandübernahmevertrag vom 20. Januar 2001 als auch der Umstand, dass die in diesem Vertrag unter § 7 vereinbarten Zahlungen dem Antragsteller vereinbarungsgemäß nicht nur unter dem 30. Mai 2002, 1. Juli 2002 und 1. August 2002 in Rechnung gestellt, sondern auch gezahlt worden sind, dafür, dass hier Aufwendungen im Sinne der vorgenannten Vorschrift vorliegen. Soweit der Antragsteller hiergegen eingewandt hat, es habe sich bei diesen Zahlungen nur um auf einer Schätzung beruhende und kurze Zeit nach ihrem Erhalt wieder zurückgezahlte Vorschusszahlungen gehandelt, hinsichtlich derer zwischen ihm und den Mitgliedern der Band zum Zeitpunkt der Vertragsänderung Einigkeit darüber bestanden habe, dass sie nicht endgültig würden beansprucht werden können, und die nur deshalb vereinbart worden seien, um die Grundlage dafür zu schaffen, mit der Gesellschaft mbH () einen – eventuelle Vergütungsansprüche der Band überhaupt erst begründenden – Wahrnehmungsvertrag schließen zu können, ist dieses Vorbringen auf der Grundlage des derzeitigen Erkenntnisstandes nicht geeignet, die von dem schriftlichen Vertrag und seiner tatsächlichen Umsetzung ausgehende Indizwirkung zu widerlegen. Denn abgesehen davon, dass die gezahlten Beträge nach den im Widerspruchsverfahren eingereichten Unterlagen nicht als überzahlte Vorschüsse zurückgezahlt worden sind, sondern die Bandmitglieder mit diesen – im Übrigen auch der Höhe nach nicht vollständig deckungsgleichen – Zahlungen Rechnungen des Antragstellers über Produktionskosten für die Herstellung der Tonträger und Kosten für die Promotion, Werbung, etc. des Projekts H beglichen haben, muss sich der Antragsteller des Weiteren entgegenhalten lassen, dass sein Vorbringen auch sonst nicht frei von Widersprüchen ist. So erscheint es schon nicht in sich stimmig, von auf einer Schätzung beruhenden Vorschusszahlungen zu sprechen, wenn bereits zum Zeitpunkt der Vertragsänderung Einigkeit darüber bestanden haben soll, dass mit endgültigen Zahlungen nicht gerechnet werden könne. Zudem steht dem Vorbringen, es habe Einigkeit darüber bestanden, dass keine endgültigen Zahlungen zu erwarten seien, entgegen, dass der Antragsteller an anderer Stelle vorgetragen hat, Grundlage der Schätzung seien die Erwartungen gewesen, die sich mit dem erfolgreichen Auftritt bei der deutschen Vorausscheidung zum Grand Prix Eurovision de la Chanson im Jahre 2000 verbunden hätten. Und schließlich spricht gegen die behauptete Qualifizierung der Zahlungen als auf einer Schätzung beruhende Vorschusszahlungen der Umstand, dass die Zahlungen umgehend wieder zurückgezahlt worden sind, weil Vorschüsse dem bei dieser Verfahrensweise gerade nicht erreichbaren Ziel dienen sollen, die Zeit bis zur endgültigen Abrechnung zu überbrücken. Vor diesem Hintergrund kann auch die Tatsache, dass die Bandmitglieder – anders als auf den beiden anderen Rechnungen – auf ihrer Rechnung vom 30. Mai 2002 von einer Lizenzvorauszahlung gesprochen haben, zu keinem anderen Ergebnis führen.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers legen die aufgezeigten Unstimmigkeiten sowie sein weiterer Vortrag, dass die in Rede stehenden Zahlungen nur deshalb vereinbart worden seien, um die Grundlage dafür zu schaffen, mit der einen Wahrnehmungsvertrag schließen zu können, hier eher den Schluss nahe, dass der Antragsteller als Inhaber der Musikproduktionsfirma und die Mitglieder der Band lediglich ein bloßes Scheingeschäft abgeschlossen haben. Das Vorliegen eines solchen Scheingeschäfts, hätte zwar zur Folge, dass die Zahlungen nicht der Abgabepflicht nach § 25 KSVG unterworfen werden dürften. Dass hier ein solches Geschäft vorgelegen hat, lässt sich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand jedoch noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit feststellen. Insoweit erscheint es vielmehr erforderlich, den Sachverhalt weiter aufzuklären, wobei – bei entsprechendem Einverständnis des Antragstellers und der übrigen Bandmitglieder – in erster Linie an eine Beiziehung der Verwaltungsvorgänge der zuständigen Finanzämter sowie eine Vernehmung der übrigen Bandmitglieder als Zeugen zu denken ist. Die Durchführung einer solchen Sachaufklärung würde jedoch den Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens sprengen und muss deshalb dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides lassen sich bei dieser Sachlage, die eine Entscheidung in die eine wie die andere Richtung möglich erscheinen lässt, nicht bejahen.

Entgegen seiner Auffassung kann sich der Antragsteller überdies auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Vollziehung des angefochtenen Bescheides für ihn eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG zur Folge hätte. Soweit er in diesem Zusammenhang allein auf seinen Antrag Bezug genommen hat, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, lässt sich aus diesem Antrag und den ihm beigefügten Belegen eine Härte im Sinne der vorgenannten Vorschrift nicht herleiten. Denn die dortigen Angaben erweisen sich als nicht aussagekräftig, weil den behaupteten Bruttoeinnahmen in Höhe von durchschnittlich 2.600,- EUR, die im Übrigen durch die eingereichten Steuerunterlagen für bereits vergangene Jahre nicht belegt werden können, Verpflichtungen in Höhe von ca. 2.470,- EUR gegenübergestellt worden sind, so dass unklar geblieben ist, aus welchen weiteren Mitteln der Antragsteller seinen sonstigen – sich noch nicht in den mitgeteilten Verpflichtungen widerspiegelnden – Lebensunterhalt bestreitet. Zudem lässt sich eine unbillige Härte auch nur dann bejahen, wenn durch die sofortige Vollziehung des angegriffenen Bescheides Nachteile entstehen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind. Derartige Nachteile, die z. B. in der Vernichtung oder Gefährdung der beruflichen Existenz zu sehen wären, lassen sich dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entnehmen und sind auch sonst weder vorgetragen worden noch ersichtlich.

Da die Beschwerde des Antragstellers nach allem keinen Erfolg haben konnte, musste auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) abgelehnt werden.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung und folgt dem Ergebnis in der Sache selbst. Die Kostenentscheidung für das Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 des Gerichtskostengesetzes, wobei der Senat ebenso wie bereits das Sozialgericht den Streitwert angesichts des nur vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens auf die Hälfte des sich aus dem angefochtenen Bescheid ergebenden Streitwert in der Hauptsache festgesetzt hat.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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