Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 1700/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 154/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 7. November 2003 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 20. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. Oktober 2000 verurteilt, der Klägerin über den 31. März 1996 hinaus Rente nach einer MdE um 20 v. H. zu gewähren.
Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten aus dem erstinstanzlichen Verfahren sowie die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Verletztenrente.
Die 1967 geborene Klägerin befuhr am 22.09.1995 auf dem Weg zur Arbeit gegen sechs Uhr morgens mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 80 km/h die Bundesstraße von N. in Richtung H ... Ein ihr entgegen kommender PKW-Fahrer wollte nach links in einen Gemeindeverbindungsweg abbiegen und beachtete dabei nicht den Vorrang des PKWs der Klägerin. Diese versuchte, dem abbiegenden PKW noch nach links auszuweichen, konnte einen Aufprall jedoch nicht mehr verhindern. An beiden Fahrzeugen entstand Totalschaden. Notarzt Dr. M. beschrieb im H-Arztbericht vom 22.09.1995 u. a. Prellmarken im Bereich der Stirn-Haargrenze (mit oberflächlicher Wunde), an der rechten oberen Brustseite, an der Halsvorderseite und im Bereich beider Kniestreckseiten. Er wies die Klägerin zur Behandlung in die Chirurgische Klinik des Ostalbklinikums A. ein. Im Durchgangsarztbericht (DAB) vom 22.09.1995 stellte Chefarzt Prof. Dr. H. aufgrund klinischer und röntgenologischer Untersuchung von Becken, Thorax, Sternum, Halswirbelsäule (HWS) in zwei Ebenen und Schädel in zwei Ebenen (keine knöcherne Verletzung, HWS-Steilstellung) die Diagnosen Sternumprellung, HWS-Distorsion, Schürfwunden im Gesicht. Im Bericht des Ostalbklinikums vom 28.09.1995 wurden als weitere Diagnosen Zungenbisswunde und Kehlkopfprellung aufgeführt. Am 27.09.1995 wurde die Klägerin aus der stationären in die ambulante Weiterbehandlung ihres Hausarztes Dr. S. entlassen. Ausweislich seines Berichts vom 26.03.1999 klagte die Klägerin in der Folgezeit vor allem über starke Brustbeinbeschwerden sowie Angstzustände. Aufgrund der daraufhin veranlassten nochmaligen Vorstellung im O.klinikum stellte Prof. Dr. H. im Zwischenbericht vom 16.10.1995 die Verdachtsdiagnose parasternaler Rippenfrakturen. Am 17.10.1995 klagte die Klägerin gegenüber Dr. S. über heftigste Schmerzen im Bereich der HWS. Dieser verschrieb der Klägerin bis zu seiner Untersuchung vom 09.11.1995 Krankengymnastik, Massagen und Fangopackungen. Am 16.11.1995 teilte er der Beklagten mit, die Klägerin sei seit 13.11.1995 wieder arbeitsfähig. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage nach vorläufiger Schätzung über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus 0 v.H. Ende Januar 1996 stellte sich die Klägerin wiederum bei Dr. S. wegen heftigster Nackenbeschwerden vor. Am 29.01.1996 gab sie erstmals an, starke Schmerzen im linken Arm und in der linken Schulter zu verspüren. Am 10.04.1996 klagte sie erneut über Schmerzen im Bereich der HWS sowie (jetzt auch) der Lendenwirbelsäule (LWS). Dr. S. überwies die Klägerin an die neurologische Abteilung des Kreiskrankenhauses H. In deren Arztbrief vom 17.04.1996 heißt es, die Heilbehandlung nach dem Unfall auch mit der Halskrawatte sei zunächst wohl ganz erfolgreich gewesen. Nun hätten die Schmerzen vor acht Wochen wieder begonnen und stetig weiter zugenommen. Am 18.04.1996 fertigte der Radiologe Dr. R. ein Kernspintomogramm der HWS an. In seiner Beurteilung vom 19.04.1996 führte er aus, bei Zustand nach Schleudertrauma finde sich eine Streckhaltung der HWS und eine mäßiggradige Osteochondrose HWK 5/6 mit ganz flachem links medio-lateralem Bandscheibenvorfall, links ans Neuroforamen reichend mit wohl Affektion der C6-Wurzel links. Vermutlich sei der Befund bereits durch Retrospondylose knöchern abgestützt. In ihrem Arztbrief vom 26.04.1996 führten Oberarzt Dr. H.-H. und Assistenzarzt Dr. K. von der Neurologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses H. aus, die Klägerin habe angegeben, sie habe nach ihrem Unfall vom 22.09.1995 zunächst keine Beschwerden im Bereich des Halses gehabt. Ca. sechs Wochen später habe sie beim Einsteigen in ein Auto einen einschießenden Schmerz im Bereich des Nackens gespürt, der seitdem in wechselnder Intensität fortbestehe. Da die Symptomatik erst in zeitlichem Abstand zum Unfallgeschehen aufgetreten sei, sei ein Zusammenhang eher unwahrscheinlich. Allenfalls könne der vorbestehende Bandscheibenvorfall durch das Trauma symptomatisch geworden sein.
Am 20.09.1996 erhob der Radiologe Dr. R. mittels einer Computertomographie der LWS einen leichtgradigen zentralen umschriebenen Bandscheibenvorfall L 4/5 und eine geringfügige Protrusio L 5/S 1 bei leichter chondrotisch bedingter Einengung der Neuroforamina in gleicher Höhe. Nachdem die Klägerin bei dem damaligen Arbeitsamt A. einen Antrag auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation gestellt hatte, kam Medizinaloberrätin Dr. K. im arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 05.11.1996 zu dem Ergebnis, eine berufliche Neuorientierung werde nicht zwingend wegen der Unfallfolgen, sondern mit größerer Wahrscheinlichkeit wegen schicksalsmäßig erworbener Bedingungen notwendig.
Mit Schreiben vom 10.02.1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Verletztenrente. Sie legte zahlreiche Arztbriefe, Stellungnahmen behandelnder Ärzte für die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners sowie die im Rechtsstreit 5 OH 14/97 im Auftrag des Landgerichts Ellwangen erstatteten neuroradiologischen Gutachten vom 15. und 20.01.1998 und das neurochirurgische Fachgutachten von Prof. Dr. Dr. G. und Dr. O. von der Abteilung für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. vom 06.03.1998 vor. Oberarzt Dr. H.-H. führte in seiner Stellungnahme vom 22.05.1997 aus, es handle sich allenfalls um die Aktivierung eines vorbestehenden Leidens. Auch diese Einschätzung sei mit großem Fragezeichen zu versehen, da ein beschwerdefreies Intervall von ca. sechs Wochen ohne Brückensymptome bestehe. Prof. Dr. V. und Oberarzt Dr. K. führten in ihrem neurologischen Gutachten unter dem 15.01.1998 aus, die leichten Ausziehungen der Wirbelkörperhinterkanten von HWK 5 und HWK 6 entsprächen degenerativen Veränderungen, die in kausalem Zusammenhang mit dem inzwischen 28 Monate zurückliegenden HWS-Trauma stehen könnten. Dasselbe gelte für die Streckfehlhaltung und die skoliotische Achsabweichung des oberen und mittleren HWS-Drittels nach links. Prof. Dr. Dr. G. vertrat in dem erwähnten Gutachten die Auffassung, weil die ausgeprägten HWS-Beschwerden erst nach sechs Wochen aufgetreten seien, entfalle eine wesentliche Voraussetzung, um den Unfall als unmittelbare Ursache des Bandscheibenvorfalls anzuschuldigen. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Unfall zu der richtungweisenden Verschlechterung einer vorbestehenden degenerativen Erkrankung der Bandscheiben geführt habe, die sich dann nach sechs Wochen in einem Bandscheibenvorfall manifestiert habe. Die Beklagte holte von der AOK H. das Vorerkrankungsverzeichnis vom 12.04.1999 ein und zog von der Staatsanwaltschaft Ellwangen die Ermittlungsakten 54 VRs 34 Js 132/96 mit dem Kfz-technischen Gutachten von Dipl.-Ing. P. vom 29.12.1995 bei. Sodann holte die Beklagte von Oberarzt Dr. G. von der Abteilung für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. das neurochirurgische Gutachten vom 16.12.1999 ein. Dieser führte zusammenfassend aus, die Klägerin leide an einem chronischen Schmerzsyndrom im Bereich der HWS und LWS. Die degenerative Erkrankung der Wirbelsäule sei nicht Folge des Unfalls, sondern anlagebedingt und schicksalhaft verursacht. Der angeschuldigte Vorgang habe nur indirekt den Vorschaden der Wirbelsäule vom asymptomatischen in den symptomatischen Bereich gebracht. Die Symptome hätten auch ohne den Unfall auftreten können, der "allerdings mindestens als Ursache für diese vorübergehende Verschlimmerung angesehen werden" müsse. Der Zeitraum für die vorübergehende Verschlimmerung sei nicht genau einzugrenzen. Die Gesamt-MdE aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung sei mit 30 v.H. einzuschätzen. Hierzu führte der die Beklagte beratende Chirurg Dr. G. in seiner Stellungnahme vom 08.02.2000 nach Durchsicht der vorliegenden Röntgenaufnahmen und unter teilweiser Aufgabe seiner vorausgegangenen Stellungnahme vom 10.01.2000 aus, da unfallfremde degenerative Veränderungen zum Zeitpunkt des Unfalls nicht vorgelegen hätten, könnten "die Beschwerden und die Befunde an der HWS nicht von vornherein abgelehnt werden." Der zeitliche Ablauf spreche allerdings absolut gegen einen traumatischen Bandscheibenvorfall im HWS- oder LWS-Bereich. Auf der anderen Seite könnten die Fehlstellungen an der HWS zu Blockierungen und entsprechenden Beschwerden führen, sodass ein Unfallzusammenhang eher wahrscheinlich sei. Die MdE schätze er ab Arbeitsfähigkeit vorübergehend mit 20 v.H. ein.
Im Auftrag der Beklagten erstattete ferner der Ärztliche Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik und Poliklinik U., Prof. Dr. K., das Gutachten vom 09.06.2000 und PD Dr. R. von der Neurologischen Universitätsklinik U. das neurologische Gutachten vom 28.06.2000. Prof. Dr. K. legte dar, aufgrund der vorliegenden Kollisionsdynamik sei hier von Gravitationskräften zwischen 4 und 5,5 G auszugehen, was ohne Zweifel im verletzungsrelevanten Bereich hinsichtlich einer zervikalen Beschleunigungsverletzung liege. Der Unfall habe eine Beschleunigungsverletzung der HWS vom Schweregrad II im Sinne einer nuchalen Distorsion verursacht. Dagegen bestehe kein Kausalzusammenhang zu dem Bandscheibenvorfall C 5/6 links. Dies folge schon daraus, dass sich eine Verlaufsänderung nicht zeitnah zum Unfallereignis, sondern verzögert erst nach sechs Wochen abgespielt habe. Zum anderen seien zur Auslösung von direkten Diskusschädigungen nur Gravitationskräfte ab 8,5 G geeignet, die hier keineswegs erreicht worden seien. Ferner wären im Rahmen diskaler Verletzungen entweder diskoligamentäre Läsionen oder knöcherne Läsionen zu erwarten gewesen; keines von beiden sei bei der Klägerin der Fall gewesen. Auf die Frage nach konstitutionellen Besonderheiten und konkurrierenden Ursachen führte Prof. Dr. K. ferner aus, im Rahmen der erhobenen radiologischen Befunde sei als anlagebedingter Aspekt eine Spondylarthrose der unteren Zervikalsegmente zu erheben gewesen, retrospektiv habe weiterhin ein klinisch stummer Bandscheibenvorfall C 5/6 links vorgelegen. Ein manifestes Krankheitsgeschehen hätte sich im Rahmen jeder Gelegenheitsursache ergeben können, sodass hier keine richtungweisende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens anzunehmen sei. Die unfallbedingte MdE habe ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit bis 22.03.1996 20 v.H, danach bis 22.09.1996 10 v.H. und ab 23.09.1996 0 v.H. betragen. Prof. Dr. R. beschrieb in seinem Gutachten eine geringfügige C 6-Schmerzsymptomatik ohne eindeutige sensible oder motorische Reiz- oder Ausfallerscheinungen. Insgesamt bestehe auf neurologischem Gebiet zur Zeit keine eigenständige Läsion mit funktioneller Relevanz.
Mit Bescheid vom 20.07.2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin vorläufige Rente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente für die Zeit vom 13.11.1995 bis 31.03.1996. Zugleich lehnte sie eine darüber hinausgehende Rentengewährung mit der Begründung ab, es liege keine MdE in rentenberechtigendem Grade mehr vor. Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 06.10.2000).
Hiergegen erhob die Klägerin am 25.10.2000 Klage bei dem Sozialgericht Ulm (SG) mit dem Ziel, die Beklagte zur Gewährung von Rente nach einer MdE um 50 v.H. ab 13.11.1995 zu verurteilen. Hierfür berief sich die Klägerin auf die von ihr vorgelegten Unterlagen. Aus dem vor dem Landgericht Ellwangen geführten Rechtsstreit 5 O 20/00 wurde vorgelegt das Kfz-technische Gutachten von Dipl.-Ing. P. vom 18.12.2000 (die Klägerin sei im Unfallzeitpunkt angegurtet gewesen), das Gutachten von Oberarzt Dr. G. vom 02.05.2001 mit ergänzender Stellungnahme vom 26.07.2001 (richtungweisende Verschlimmerung des Bandscheibenvorfalls in Höhe HWK 5/6 denkbar, Bandscheibenvorfall der LWS nicht unfallbedingt), das Protokoll über die Befragung des Sachverständigen Dr. G. ("traumatische MdE" 20 v.H., Gesamt-MdE der Wirbelsäule 30 v.H.), der Bescheid des Versorgungsamts Ulm vom 21.05.2003 (Grad der Behinderung (GdB) 50 unter Mitberücksichtigung einer seelischen Störung, eines chronischen Schmerzsyndroms und einer Medikamentenabhängigkeit) und das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie Dr. V., welches dieser am 26.11.2002 in dem Rechtsstreit S 9 SB 1090/01 im Auftrag des SG erstattet hatte. Darin finden sich die Diagnosen einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10 F 43.21), einer Tramal- und Benzodiazepinabhängigkeit und eines Nikotinabusus.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Im Januar 2001 wurde bei der Klägerin im Rehabilitationskrankenhaus U. eine Nukleotonie L 5/S 1 und eine Operation mit zentraler Fusion L 4/5 und L 5/S1 durchgeführt.
Mit Urteil vom 07.11.2003 - den früheren Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 17.12.2003 - wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf das Gutachten von Prof. Dr. K ... Hingegen könne den Gutachten des Dr. G. sowie des Dr. V. nicht gefolgt werden. Da die durch den Unfall allein verursachte HWS-Distorsion des Schweregrades II zwischenzeitlich folgenlos abgeheilt sei, stehe der Klägerin über den von der Beklagten anerkannten Rentenanspruch hinaus keine höhere oder weitere Rente zu.
Hiergegen richtet sich die am 05.01.2004 bei dem SG eingegangene Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, die angefochtene Entscheidung sei bezüglich der Tatsachenfeststellung, der Beweiswürdigung und der rechtlichen Schlussfolgerung rechtsfehlerhaft. Insbesondere aufgrund der Stellungnahme von Dr. G. vom 26.07.2001 stehe fest, dass es bei dem Unfall, da sie zuvor über keinerlei Probleme von Seiten der HWS geklagt habe, zu einer richtungweisenden Verschlimmerung gekommen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 07.11.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2000 zu verurteilen, ihr über den 31.03.1996 hinaus Rente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise von der Röntgenologin Dr. P.-S., K.-L., ein radiologisches Gutachten einzuholen zu den Fragen, ob bereits zum Unfallzeitpunkt erhebliche degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule vorgelegen haben, wie sich diese in der Zeit nach dem Unfall entwickelt haben und ob der Eintritt einer diskoligamentären Verletzung bei dem Unfallereignis wahrscheinlich sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Am 30.03.04 wurde bei der Klägerin wegen des Bandscheibenvorfalls im Segment C 5/6 und der dort vorhandenen Retrospondylose ein operativer Eingriff durchgeführt.
Auf den Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat von dem Ärztlichen Direktor der Rheumaklinik B. F., dem Orthopäden Prof. Dr. B., das Gutachten vom 29.11.2004 mit der Ergänzung vom 21.03.2005 eingeholt. Hinsichtlich der Bandscheibenschädigungen im Bereich der LWS hat der Sachverständige dargelegt, diese seien mit Sicherheit nicht als Unfallfolge anzuerkennen, weil die Klägerin schon früher wegen LWS-Beschwerden durch Dr. S. behandelt worden sei und ausweislich des vorliegenden Vorerkrankungsverzeichnisses vom 24. bis 29.07.1995 wegen eines Facettensyndroms bei L 5/S 1 krank geschrieben gewesen sei. Unmittelbar nach dem Unfall seien keinerlei Beschwerden im Bereich der LWS aktenkundig, solche seien vielmehr erst nach einem leeren Intervall von fast einem Jahr aufgetreten. Im Bereich der HWS gestalte sich die Situation wesentlich schwieriger und komplexer. Vor dem Unfallereignis seien hier keinerlei Probleme aktenkundig. Die unmittelbar nach dem Unfallereignis aufgetretenen starken Beschwerden im Bereich der HWS mit Hinweisen auf eine direkte Verletzung (Einblutung im Bereich des Kehlkopfes) seien Anlass gewesen, noch am Unfalltag Röntgenaufnahmen der HWS anzufertigen. Diese hätten keine wesentlichen degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS gezeigt. Hierin sei er sich mit Prof. Dr. K. und Dr. G. einig. Zu Unrecht hätten jedoch viele der Vorgutachter von einem sechs- oder sogar achtwöchigen freien Intervall gesprochen. Richtig sei dagegen, dass bereits unmittelbar nach dem Unfall Beschwerden lokal aktenkundig geworden seien, die sich auch im weiteren Verlauf nicht gebessert hätten. Erstmals sei am 29.01.1996 eine Nervenwurzelirritation der Nervenwurzel C 6 links aktenkundig geworden. Die Tatsache, dass die Röntgenaufnahmen vom 15.04.1996 und die kernspintomographischen Aufnahmen vom 19.(richtig: 18.)04.1996 erhebliche sekundäre reparative Veränderungen im Bewegungssegment C 5/6 zeigten, obwohl in allen Nachbarsegmenten weiterhin keine degenerativen Veränderungen bestünden, spreche für eine diskoligamentäre Verletzung im Bewegungssegment C 5/6, die unmittelbar nach dem Unfall zu erheblichen lokalen Beschwerden und erst im weiteren Verlauf zu einem Wurzelkontakt durch Bandscheibengewebe mit entsprechender Irritation einer Nervenwurzel geführt habe. Seit dem Wegfall der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit betrage die MdE 20 v.H.
Hierzu hat die Beklagte die gutachterliche Stellungnahme ihres beratenden Chirurgen Dr. L. vom 23.04.2005 mit der Ergänzung vom 09.05.2005 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, weder aus dem DAB noch aus den Berichten vom 28.09.1995 und vom 30.05.1997 ergäben sich Befunde, welche die Diagnose einer "HWS-Distorsion" stützen würden. Die mehrfach beschriebene "Steilstellung" der HWS sei kein Befund, der auf eine erlittene Verletzung hinweise, sondern in aller Regel Folge davon, dass der Verletzte von der Röntgenassistentin aufgefordert werde, den Hals "lang" zu machen. Aus den Berichten der Neurologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses H. vom 26.04.1996 und 14.05.1997 ergebe sich, dass die Klägerin unfallnah keine Beschwerden im Bereich der HWS angegeben habe. Die Unterstellung von Prof. Dr. B., dass kein beschwerdefreies Intervall zwischen dem Unfall vom 22.09.1995 und der Manifestation von Beschwerden am 15.10.1995 bestanden habe, sei deshalb nicht richtig. Die von Prof. Dr. B. unterstellte diskoligamentäre Bandverletzung setze eine erhebliche Gewalteinwirkung auf die HWS voraus, die sofort zu gravierenden Beschwerden und Funktionseinbußen führe. Der Beschwerdeverlauf bei der Klägerin sei hiermit nicht vereinbar. Technisch lasse sich ebenfalls keinerlei Verletzung sichern. Die Röntgenaufnahmen vom 22.09.1995 und vom 15.04.1996 brächten völlig identische Befunde zur Darstellung. Prof. Dr. B. habe die Darstellungskraft der am 22.09.1995 angefertigten Röntgenaufnahmen überfordert, wenn er argumentiere, dort kämen die Veränderungen noch nicht zur Darstellung, die am 18.04.1996 kernspintomographisch sichtbar geworden seien. Selbst wenn man im Übrigen unterstellen wollte, dass sich bildtechnisch nach dem 22.09.1995 signifikante Veränderungen ergeben hätten - was tatsächlich nicht zu belegen sei - seien diese nicht verletzungsspezifisch. Denn der Bandapparat sei jeweils unverletzt zur Darstellung gekommen. Auch der - beigezogene - Operationsbericht des Neurochirurgen Dr. H. über die am 30.03.2004 durchgeführte Bandscheibenoperation im Segment C 5/C 6 ergebe keinerlei Hinweise auf eine stattgehabte Bandverletzung. Die Spondylosis an der hinteren Wirbelkörper-/Bandscheibengrenze stelle eine typische Folgeveränderung eines Bandscheibenschadens dar. Dass bei der Klägerin im Jahr 2001 das Segment L 5/S 1 operativ versteift worden sei, spreche dafür, dass die bei der Klägerin vorliegenden degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren HWS und der unteren LWS "Kombinationsbefunde" seien.
In seiner gemäß § 109 SGG abgegebenen ausführlichen Replik vom 27.12.2005 hat Prof. Dr. B. seinen bisherigen Standpunkt bekräftigt. Dr. L. argumentiere einseitig zu Ungunsten der Verletzten. Dass bei der Klägerin am Unfalltag Röntgenaufnahmen der HWS angefertigt worden seien und der Klägerin das Tragen einer Schanz’schen Krawatte empfohlen worden sei, spreche dafür, dass der D-Arzt im Befundbereich Mängel aufweise bzw. hier die Dokumentation unzureichend gewesen sei. Zwar erlaube eine Steilstellung der HWS noch keinen sicheren Schluss auf eine erlittene Verletzung, da sie häufig nur aufnahmetechnisch bedingt sei. Dagegen sei kein Umkehrschluss zulässig, dass eine steilgestellte HWS keinen Hinweis für eine Primärverletzung bedeute. Ohnehin würden strukturelle Primärschädigungen im Bereich der HWS sehr häufig übersehen. Das diagnostische und therapeutische Vorgehen der Erstbehandler spreche ferner eindeutig dafür, dass zusätzlich zu der gesicherten Kehlkopfverletzung auch eine - wie auch immer geartete - Verletzung der HWS vorgelegen habe. Soweit Dr. L. ausgeführt habe, der Beschwerdeverlauf bei der Klägerin sei mit einer Verletzung der HWS unvereinbar, sei richtig, dass eine Band- oder Bandscheibenverletzung im Regelfall sofort zu gravierenden Beschwerden und Funktionseinbußen führe. Im Einzelfall könne es hiervon aber auch Abweichungen geben. In Übereinstimmung mit Prof. Dr. G. und Dr. G. sei er nach wie vor davon überzeugt, dass sich auf den Röntgenbildern vom 15.04.1996 eine Zunahme der degenerativen Veränderungen im Bewegungssegment C 5/6 gegenüber dem Zustand vom 22.09.1995 zeige. Im Übrigen sei die Auffassung von Dr. L., dass Retrospondylosen im Röntgenseitbild nicht erkannt werden könnten, nicht korrekt. Die im Falle der Klägerin angefertigten Nativröntgenbilder seien ungeeignet, Verletzungen des Bandapparates zu bestätigen oder zu widerlegen. Funktionsaufnahmen oder kernspintomographische Bilder seien primär nicht angefertigt worden. Schließlich sei auch der Operationsbericht von Dr. H. nicht geeignet, Verletzungsfolgen im Bereich der HWS zu verifizieren oder zu widerlegen.
Sodann hat die Beklagte das von dem Orthopäden Prof. Dr. L. nach Aktenlage erstattete Gutachten vom 20.09.2006 vorgelegt, in dem sich dieser insbesondere mit dem Gutachten von Dr. L. vom 23.04.2005/09.05.2005 auseinander gesetzt hat. In Übereinstimmung mit Prof. Dr. B. kommt er darin zu dem Ergebnis, die Klägerin habe bei dem Unfall eine diskoligamentäre Verletzung der HWS im Segment HWK 5/6 mit posttraumatischer Osteochondrose, Retrospondylose sowie beginnender ventraler Spondylose erlitten. Hierauf deuteten die Befunde aus der Röntgenverlaufsserie der HWS und die MRT-Kontrollen der HWS hin. Die scheinbar nach dem Unfall fehlende organbezogen auf die HWS hindeutende Schmerzsymptomatik lasse sich einerseits aus der muskulären Verspannung und damit Sicherung des verletzten Bewegungssegmentes erklären. Andererseits habe die multilokuläre und multifaktorielle Schmerzsymptomatik, erlitten durch die vielfachen Stauchungen und die Zerrung einschließlich der gravierenden Verletzung des Kehlkopfes und der Zunge die HWS-Verletzung überdeckt. Nach Verlust der schmerzreflektorischen Sicherung habe sich die HWS-Verletzung demaskiert und nach Zunahme der Reparationsvorgänge an der verletzten Bandscheibe und schließlich der ausgeprägten, überschießenden osteochondralen knöchernen Reaktion habe sich die Nacken-Armschmerzsymptomatik entwickelt, die ebenfalls auch aufgrund neurologischer Untersuchung sehr gut dokumentiert sei. Nunmehr bestehe eine knöchern konsolidierte, diskoligamentäre Verletzung des Bewegungssegmentes HWK 5/6 mit Erstarrung des Bewegungssegments und Funktionseinbuße sowie intermittierendem Nervenwurzelkontakt, die mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten sei.
Zuletzt hat die Beklagte die Stellungnahme des sie beratenden Radiologen Prof. Dr. P. vom 13.02.2007 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, die Röntgenaufnahmen vom 22.09.1995 zeigten eine Steilstellung der HWS mit angedeuteter Knickbildung zwischen HWK 4 und 5. An der Oberkante von HWK 6 zeige sich eine deutliche Randkantenausziehung. Auch seien die kleinen Wirbelgelenke von HWK 6 schon etwas vermehrt sklerosiert. Eine deutliche Sklerosierung wiesen die kleinen Wirbelgelenke zwischen HWK 7 und BWK 1 auf. Auf den Aufnahmen der HWS vom 13.09.2000 erkenne man schon deutlich zunehmende Randkantenausziehungen an der Hinterkante von HWK 5 und 6 mit Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes sowie eine Knickbildung zwischen HWK 4 und 5 nach ventral. Die letzten Aufnahmen vom 30.07.2003 zeigten, dass die Randkantenausziehungen noch stärker geworden seien. "Funktionsaufnahmen insbesondere auch 2003" zeigten, dass die untere HWS zwischen HWK 5 und 6 unbeweglich bleibe und die Hauptbewegung zwischen HWK 4 und 5 stattfinde. Diese größere Beweglichkeit der HWS im Segment HWK 4 und 5 resultiere daraus, dass die unteren Segmente HWK 5/6, HWK 7 und BWK 1 sich kaum bewegten, da bereits bei den Unfallaufnahmen zwischen HWK 5 und 6 degenerative Veränderungen zu erkennen seien. Diese vermehrte Beweglichkeit mit Knickbildung zwischen HWK 4 und 5 spreche dagegen, dass eine diskoligamentäre Verletzung zwischen HWK 5 und 6 aufgetreten sei. Hier sei auf keiner Funktionsaufnahme eine vermehrte Beweglichkeit bzw. Knickbildung zu erkennen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen, weil die Klägerin über den 31.03.1996 hinaus Anspruch auf Verletztenrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente hat.
Die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Verletztenrente hat, richtet sich gemäß § 212 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) nach der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls vom 22.09.1995 geltenden Reichsversicherungsordnung (RVO). Insbesondere greift hier die Ausnahmevorschrift des § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII nicht ein. Danach gelten u. a. die Vorschriften über Renten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII am 01.01.1997 eingetreten sind, wenn die Leistung nach dem Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzusetzen war. Zwar hat die Beklagte erstmals mit Bescheid vom 20.07.2000 über die Frage eines Rentenanspruchs entschieden. Es kommt jedoch für die Anwendung des § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII maßgeblich auf den Zeitpunkt der materiellen Anspruchsentstehung an. Zutreffend hat die Beklagte selbst den Beginn des Rentenanspruchs auf den 13.11.1995 gelegt.
Der Verletzte erhält eine Rente, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist (§ 580 Abs. 1 Satz 1 und § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 548 Abs. 1 Satz 1 RVO). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, d. h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSG, Urteil vom 4. August 1955 - 2 RU 62/54 - BSGE 1, 174, 178; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 9b RU 38/84 - SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung der unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 - SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23; BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R - HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 - HVBG-Info 1989, 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen bzw. versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, sodass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt - in gleichem Maße - wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen Bedingung/en eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 RU 86/56 - SozR § 542 Nr. 27; BSG, Urteil vom 1. Dezember 1960 - 5 RKn 66/59 - SozR § 542 Nr. 32). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Als Folge des Arbeitsunfalls vom 22.09.1995 liegt bei der Klägerin eine nunmehr knöchern konsolidierte diskoligamentäre Verletzung des Bewegungssegments HWK 5/6 mit Verstarrung des Bewegungssegmentes und Funktionseinbuße sowie intermittierendem Nervenwurzelkontakt vor. Hierdurch ist die Klägerin, bezogen auf die Gesamtheit des Erwerbslebens, um 20 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert. Hierfür stützt sich der Senat zum einen auf das gemäß § 109 SGG von Prof. Dr. B. eingeholte Gutachten und zum anderen auf das im Auftrag der Beklagten erstattete Gutachten von Prof. Dr. L. vom 20.09.2006. Beide Gutachten überzeugen den Senat, weil sie, in allen wesentlichen Punkten übereinstimmend, eine schlüssige Erklärung dafür geben, dass bei der Klägerin im Unfallzeitpunkt allenfalls ganz geringfügige degenerative Veränderungen der HWS vorgelegen haben, die vor dem Unfall noch nie in einer Beschwerdesymptomatik manifest geworden waren. Bereits die Röntgenaufnahmen vom 15.04.1996 und die kernspintomographischen Aufnahmen vom 18.04.1996 zeigen jedoch erhebliche sekundäre reparative Veränderungen im Bewegungssegment C 5/6, ohne dass sich in den übrigen Segmenten der HWS eine entsprechende Entwicklung gezeigt hätte. Insbesondere Prof. Dr. L. hat im Einzelnen aufgezeigt, dass sich in der Röntgenaufnahme der HWS vom 15.04.1996, also sechs Monate nach dem Unfall, eine feine knöcherne Zuschärfung an der Hinterkante der Grundplatte von HWK 5 als Ausdruck einer beginnenden Retrospondylose findet. Diese zunächst diskrete spondylotische Reaktion wird in der MRT-Aufzeichnung der HWS vom 18.04.1996 bestätigt. Hier finden sich osteochondrale Reaktionen mit einer geringen Bandscheibenvorwölbung. Diese osteochondrotische Reaktion zeigt im Verlauf der Röntgenkontrolle eine erhebliche Zunahme mit Verschmälerung der Bandscheibe des Bewegungssegments HWK 5/6 und einer ausgeprägten erheblichen Retrospondylose sowie Wirbelkörperseitengelenksarthrose und einer beginnenden ventralen Spondylose. Auch das MRT der HWS vom 17.06.2002 zeigt im Vergleich zum vorausgegangenen MRT eine erhebliche und isolierte Verschmälerung der Bandscheibe HWK 5/6 mit kräftiger knöchern-weichteiliger Protrusion und einer ausgeprägten osteochondralen Reaktion an den Grund- und Deckplatten HWK 5/6 mit deutlicher Einengung des Spinalkanales links. Die geschilderten Befunde aus der Röntgenverlaufsserie der HWS und die MRT-Kontrollen der HWS machen es nach der Überzeugung des Senats wahrscheinlich, dass die Klägerin am Unfalltag eine diskoligamentäre Verletzung des Bewegungssegments HWK 5/6 erlitten hat. Unfallhergang und Verletzungsmuster waren geeignet, eine Verletzung der HWS hervorzurufen. Wie Prof. Dr. B. im Einzelnen dargelegt hat, hat es sich bei der Verletzung um keine HWS-Schleuderverletzung im Sinne der traumatologischen Definition mit rasch aufeinander folgenden Doppelimpulsen wie z. B. bei der Heckkollision mit Aufschieben des Fahrzeugs auf den Vordermann gehandelt, sondern um eine Kontaktverletzung des Kopfes und auch der HWS. Hierfür sprechen die diversen äußeren Verletzungszeichen mit Prellmarken und Hautabschürfungen an Kopf, Hals und Brustbein und auch der Zungenbiss. Bereits die Anprallverletzung des Schädels, wahrscheinlich hervorgerufen durch den Aufprall auf die Frontscheibe oder auf das Armaturenbrett, war geeignet, indirekt Verletzungen der Halswirbelsäule zu erzeugen. Hierbei kommt es - so überzeugend Prof. Dr. L. - nicht wesentlich darauf an, ob die Klägerin im Unfallzeitpunkt in ihrem PKW mit dem Sicherheitsgurt angeschnallt war oder nicht. Die am Unfalltag angefertigten Röntgenbilder der HWS zeigen keine knöcherne Verletzung. Die im seitlichen Röntgenbild erkennbare Streckstellung ist haltungsbedingt und nur von geringem Aussagewert, da bereits die Lagerung der Klägerin beim Röntgen zu dieser Haltung führen konnte. Insoweit stimmt der Senat Dr. L. zu, der vor einer Überbewertung der Aussagekraft einer im Röntgenbild sichtbaren Streckstellung der HWS gewarnt hat. Als Hinweis auf eine erhebliche Verletzung im Bereich des Segments HWK 5/6 wertet der Senat jedoch mit Prof. Dr. L., dass die gesamten vorliegenden Röntgenaufnahmen der HWS eine sehr unterschiedliche röntgenologische Darstellung des retropharyngealen/präzervikalen Raumes, also des Raums zwischen der Rachenhöhle und der HWS, aufweisen. Dieser Bereich ist auf den Unfallaufnahmen der HWS mäßig verbreitert, reicht aber weit nach cranial bis HWK 3, während auf allen anderen späteren Röntgenaufnahmen der HWS im seitlichen Strahlengang dieser retropharyngeale/präzervikale Raum seine größte Breite in Höhe von HWK 5/6 aufweist. Diese Entwicklung des Röntgenphänomens könnte dafür sprechen, dass der besagte Raum nach dem Unfall durch ein Hämatom, einen Erguss oder eine Weichteilschwellung eingeengt war, während er auf den späteren Aufnahmen seine größte Breite in Höhe HWK 5/6 aufweist. Wichtiger ist jedoch, dass sich in der Röntgenaufnahme der HWS vom 15.04.1996, also sechs Monate nach dem Unfall, bereits eine feine knöcherne Zuschärfung an der Hinterkante der Grundplatte von HWK 5 als Ausdruck einer beginnenden Retrospondylose findet. Diese zunächst nur diskrete spondylotische Reaktion wurde durch die MRT-Untersuchung der HWS vom 18.04.1996 bestätigt. Hier fanden sich osteochondrale Reaktionen mit einer geringen Bandscheibenvorwölbung. Der Senat hält deshalb für überzeugend, dass das bei der Klägerin aufgetretene Verletzungsmuster, die geklagten Beschwerden und sowohl der röntgenologisch dokumentierte als auch der klinisch beschriebene Ablauf mit der Beschwerdeschilderung zwanglos die Schlussfolgerung zulassen, dass die Klägerin eine diskoligamentäre Verletzung der HWS im Bewegungssegment HWK 5/6 erlitten hat, die nicht zu einem Bandscheibenprolaps geführt hat, sondern zu einer erheblichen osteochondralen Reaktion mit der Folge einer Bandscheibenvorwölbung. Dr. L. ist zwar zuzugeben, dass eine Band- oder Bandscheibenverletzung in der Regel sofort zu gravierenden Beschwerden und Funktionseinbußen führt. Mit Prof. Dr. B. ist jedoch darauf hinzuweisen, dass solche Verletzungen relativ häufig nicht erkannt werden. Im Falle der Klägerin kommt hinzu, dass sich die nach dem Unfall scheinbar fehlende organbezogen auf die HWS beziehende Schmerzsymptomatik einerseits aus der muskulären Verspannung und aus dem Tragen der Schanz’schen Krawatte mit dem Erfolg einer Sicherung des verletzten Bewegungssegments erklären lässt, wie dies auch dokumentiert ist. Ferner stand für die Klägerin zunächst die multilokuläre und multifaktorielle Schmerzsymptomatik, welche sie durch die vielfachen Stauchungen und die gravierenden Verletzungen ihres Kehlkopfs und der Zunge erlitten hatte, im Vordergrund. Erst nach Verlust der schmerzreflektorischen Sicherung "demaskierte" sich die HWS-Verletzung, und nach Zunahme der Reparationsvorgänge an der verletzten Bandscheibe und des Bandapparates im Segment HWK 5/6 einschließlich der ausgeprägten überschießenden osteochondralen knöchernen Reaktion entwickelte sich die Nacken-Armschmerz-Symptomatik, die durch die Neurologen dokumentiert worden ist.
Die Stellungnahme von Dr. L. überzeugt den Senat vor allem deshalb nicht, weil er dem oben ausführlich wiedergegebenen röntgenologischen Verlauf mit der rasanten Zunahme von Veränderungen schon innerhalb eines halben Jahres nicht hinreichend Rechnung getragen hat. Als einziger Beurteiler hat er die Auffassung vertreten, die Nativ-Röntgenaufnahmen vom 22.09.1995 und vom 15.04.1996 brächten völlig identische Befunde zur Darstellung. Dagegen haben Prof. Dr. Dr. G., Dr. G., Prof. Dr. B. und Prof. Dr. L. einhellig eine Zunahme der degenerativen Veränderungen im Bewegungssegment HWK 5/6 zwischen dem 22.09.1995 und dem 15.04.1996 bejaht. Prof. Dr. P. hat sich in seiner Stellungnahme vom 13.02.2007 mit dieser Problematik überhaupt nicht auseinander gesetzt, obwohl sie unter den Vorgutachtern höchst kontrovers diskutiert worden war. Seiner Stellungnahme kommt schon deshalb nur ein geringer Beweiswert zu, weil er auf die beiden Röntgenbilder vom 15.04.1996 mit keinem Wort eingegangen ist. Seine Interpretation der Röntgenaufnahmen vom 22.09.1995 betont eine Knickbildung zwischen HWK 4 und 5 nach ventral. Dem entspricht jedoch, dass schon Prof. Dr. L. im Segment HWK 4/5 einen sehr diskreten Versatz nach ventral beschrieben hat. Als weitere Regelwidrigkeiten führt er an der Oberkante von HWK 6 eine deutliche Randkantenausziehung auf; auch die kleinen Wirbelgelenke von HWK 6 seien schon etwas vermehrt sklerosiert. Auf die Frage, ob dieser Befund dem Alter wesentlich vorauseilt, geht Prof. Dr. P. nicht ein. Auch fällt auf, dass er eine deutliche Sklerosierung der kleinen Wirbelgelenke zwischen HWK 7 und BWK 1 beschreibt, die offenbar deutlich stärker ausgeprägt ist als im Bereich zwischen HWK 5 und 6. Die Befundung der Kernspintomographie vom "18.04.1997" (richtig: 18.04.1996) ist sehr knapp ausgefallen. Man vermisst jegliche Ausführungen zu der Frage, in welchem Ausmaß die Veränderungen seit dem 22.09.1995 zugenommen haben und ob diese Zunahme als üblich in einem körpereigenen Degenerationsprozess gewertet werden kann. Irreführend ist der Satz "Bei den Funktionsaufnahmen, insbesondere auch 2003, ist hier (gemeint ist die Knickbildung zwischen HWK 4 und 5) die größte Beweglichkeit der HWS". Funktionsaufnahmen existieren nämlich ausschließlich vom 15.01.2003 und vom 30.07.2003. Soweit Prof. Dr. P. auf Seite 4 seiner Stellungnahme unter 1. ausführt, die Funktionsaufnahmen und die "kontinuierliche Entwicklung der Osteochondrose und Spondylosis deformans und Unkovertebralarthrose insbesondere zwischen HWK 5 und 6" spreche gegen eine akute diskoligamentäre Verletzung bei HWK 5/6, ist er der Gefahr eines Zirkelschlusses erlegen, weil er eine kontinuierliche körpereigene Entwicklung postuliert, ohne sich mit der gegensätzlichen Meinung von Prof. Dr. L. und Prof. Dr. B. auch nur mit einem Wort auseinander zu setzen. Ebenso wenig erörtert er die Frage, wie erheblich die nach seiner Meinung am 22. 09.1995 vorhanden gewesenen degenerativen Veränderungen im Segment HWK 5/6 waren, ob der Unfall insoweit Veränderungen bewirkt hat und ob er ggf. hierfür im Sinne der Kausallehre von der wesentlichen Bedingung wesentlich war. Seine Schlussfolgerung, die vorhandenen Röntgen- und MRT-Befunde sprächen gegen eine bei dem Unfall erlittene diskoligamentäre Verletzung, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.
Den Gutachten und Stellungnahmen von Prof. Dr. Dr. G., Dr ... G., Prof. Dr. K. und Dr. G. war schon deshalb nicht zu folgen, weil ihre Beurteilungen ausnahmslos eine Auseinandersetzung mit dem Röntgenverlauf vermissen lassen. Im Übrigen hat Prof. Dr. B. auf den Seiten 27 bis 29 seines Gutachtens vom 29.11.2004 zutreffend zu den Vorgutachten Stellung genommen, sodass hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann. Der Senat folgt dem überaus sorgfältigen und abgewogenen Gutachten Prof. Dr. B.s schließlich auch darin, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Bandscheibenschädigungen im Bereich der LWS als Unfallfolgen mit Sicherheit nicht gegeben sind. Insoweit wird auf die Ausführungen auf Seite 24 und 25 seines Gutachtens verwiesen.
Bei der Bewertung der unfallbedingten MdE stützt sich der Senat auf das auch insoweit überzeugende Gutachten von Prof. Dr. L ... Mit seiner Bewertung der Unfallfolgen befindet er sich im Übrigen auch in Übereinstimmung mit der Beurteilung von Dr. G ... Dass die Klägerin auf psychischem Gebiet entgegen der von Dr. V. vertretenen Auffassung keine im Unfallzusammenhang stehende Anpassungsstörung erlitten hat, hat das SG auf den Seiten 9 bis 11 des angefochtenen Urteils ausführlich und zutreffend dargelegt. Hierauf wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Hiergegen hat die Klägerin im Übrigen im Berufungsverfahren keine Einwendungen erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten aus dem erstinstanzlichen Verfahren sowie die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Verletztenrente.
Die 1967 geborene Klägerin befuhr am 22.09.1995 auf dem Weg zur Arbeit gegen sechs Uhr morgens mit einer Geschwindigkeit von 60 bis 80 km/h die Bundesstraße von N. in Richtung H ... Ein ihr entgegen kommender PKW-Fahrer wollte nach links in einen Gemeindeverbindungsweg abbiegen und beachtete dabei nicht den Vorrang des PKWs der Klägerin. Diese versuchte, dem abbiegenden PKW noch nach links auszuweichen, konnte einen Aufprall jedoch nicht mehr verhindern. An beiden Fahrzeugen entstand Totalschaden. Notarzt Dr. M. beschrieb im H-Arztbericht vom 22.09.1995 u. a. Prellmarken im Bereich der Stirn-Haargrenze (mit oberflächlicher Wunde), an der rechten oberen Brustseite, an der Halsvorderseite und im Bereich beider Kniestreckseiten. Er wies die Klägerin zur Behandlung in die Chirurgische Klinik des Ostalbklinikums A. ein. Im Durchgangsarztbericht (DAB) vom 22.09.1995 stellte Chefarzt Prof. Dr. H. aufgrund klinischer und röntgenologischer Untersuchung von Becken, Thorax, Sternum, Halswirbelsäule (HWS) in zwei Ebenen und Schädel in zwei Ebenen (keine knöcherne Verletzung, HWS-Steilstellung) die Diagnosen Sternumprellung, HWS-Distorsion, Schürfwunden im Gesicht. Im Bericht des Ostalbklinikums vom 28.09.1995 wurden als weitere Diagnosen Zungenbisswunde und Kehlkopfprellung aufgeführt. Am 27.09.1995 wurde die Klägerin aus der stationären in die ambulante Weiterbehandlung ihres Hausarztes Dr. S. entlassen. Ausweislich seines Berichts vom 26.03.1999 klagte die Klägerin in der Folgezeit vor allem über starke Brustbeinbeschwerden sowie Angstzustände. Aufgrund der daraufhin veranlassten nochmaligen Vorstellung im O.klinikum stellte Prof. Dr. H. im Zwischenbericht vom 16.10.1995 die Verdachtsdiagnose parasternaler Rippenfrakturen. Am 17.10.1995 klagte die Klägerin gegenüber Dr. S. über heftigste Schmerzen im Bereich der HWS. Dieser verschrieb der Klägerin bis zu seiner Untersuchung vom 09.11.1995 Krankengymnastik, Massagen und Fangopackungen. Am 16.11.1995 teilte er der Beklagten mit, die Klägerin sei seit 13.11.1995 wieder arbeitsfähig. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage nach vorläufiger Schätzung über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus 0 v.H. Ende Januar 1996 stellte sich die Klägerin wiederum bei Dr. S. wegen heftigster Nackenbeschwerden vor. Am 29.01.1996 gab sie erstmals an, starke Schmerzen im linken Arm und in der linken Schulter zu verspüren. Am 10.04.1996 klagte sie erneut über Schmerzen im Bereich der HWS sowie (jetzt auch) der Lendenwirbelsäule (LWS). Dr. S. überwies die Klägerin an die neurologische Abteilung des Kreiskrankenhauses H. In deren Arztbrief vom 17.04.1996 heißt es, die Heilbehandlung nach dem Unfall auch mit der Halskrawatte sei zunächst wohl ganz erfolgreich gewesen. Nun hätten die Schmerzen vor acht Wochen wieder begonnen und stetig weiter zugenommen. Am 18.04.1996 fertigte der Radiologe Dr. R. ein Kernspintomogramm der HWS an. In seiner Beurteilung vom 19.04.1996 führte er aus, bei Zustand nach Schleudertrauma finde sich eine Streckhaltung der HWS und eine mäßiggradige Osteochondrose HWK 5/6 mit ganz flachem links medio-lateralem Bandscheibenvorfall, links ans Neuroforamen reichend mit wohl Affektion der C6-Wurzel links. Vermutlich sei der Befund bereits durch Retrospondylose knöchern abgestützt. In ihrem Arztbrief vom 26.04.1996 führten Oberarzt Dr. H.-H. und Assistenzarzt Dr. K. von der Neurologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses H. aus, die Klägerin habe angegeben, sie habe nach ihrem Unfall vom 22.09.1995 zunächst keine Beschwerden im Bereich des Halses gehabt. Ca. sechs Wochen später habe sie beim Einsteigen in ein Auto einen einschießenden Schmerz im Bereich des Nackens gespürt, der seitdem in wechselnder Intensität fortbestehe. Da die Symptomatik erst in zeitlichem Abstand zum Unfallgeschehen aufgetreten sei, sei ein Zusammenhang eher unwahrscheinlich. Allenfalls könne der vorbestehende Bandscheibenvorfall durch das Trauma symptomatisch geworden sein.
Am 20.09.1996 erhob der Radiologe Dr. R. mittels einer Computertomographie der LWS einen leichtgradigen zentralen umschriebenen Bandscheibenvorfall L 4/5 und eine geringfügige Protrusio L 5/S 1 bei leichter chondrotisch bedingter Einengung der Neuroforamina in gleicher Höhe. Nachdem die Klägerin bei dem damaligen Arbeitsamt A. einen Antrag auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation gestellt hatte, kam Medizinaloberrätin Dr. K. im arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 05.11.1996 zu dem Ergebnis, eine berufliche Neuorientierung werde nicht zwingend wegen der Unfallfolgen, sondern mit größerer Wahrscheinlichkeit wegen schicksalsmäßig erworbener Bedingungen notwendig.
Mit Schreiben vom 10.02.1999 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Verletztenrente. Sie legte zahlreiche Arztbriefe, Stellungnahmen behandelnder Ärzte für die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners sowie die im Rechtsstreit 5 OH 14/97 im Auftrag des Landgerichts Ellwangen erstatteten neuroradiologischen Gutachten vom 15. und 20.01.1998 und das neurochirurgische Fachgutachten von Prof. Dr. Dr. G. und Dr. O. von der Abteilung für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. vom 06.03.1998 vor. Oberarzt Dr. H.-H. führte in seiner Stellungnahme vom 22.05.1997 aus, es handle sich allenfalls um die Aktivierung eines vorbestehenden Leidens. Auch diese Einschätzung sei mit großem Fragezeichen zu versehen, da ein beschwerdefreies Intervall von ca. sechs Wochen ohne Brückensymptome bestehe. Prof. Dr. V. und Oberarzt Dr. K. führten in ihrem neurologischen Gutachten unter dem 15.01.1998 aus, die leichten Ausziehungen der Wirbelkörperhinterkanten von HWK 5 und HWK 6 entsprächen degenerativen Veränderungen, die in kausalem Zusammenhang mit dem inzwischen 28 Monate zurückliegenden HWS-Trauma stehen könnten. Dasselbe gelte für die Streckfehlhaltung und die skoliotische Achsabweichung des oberen und mittleren HWS-Drittels nach links. Prof. Dr. Dr. G. vertrat in dem erwähnten Gutachten die Auffassung, weil die ausgeprägten HWS-Beschwerden erst nach sechs Wochen aufgetreten seien, entfalle eine wesentliche Voraussetzung, um den Unfall als unmittelbare Ursache des Bandscheibenvorfalls anzuschuldigen. Es könne jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass der Unfall zu der richtungweisenden Verschlechterung einer vorbestehenden degenerativen Erkrankung der Bandscheiben geführt habe, die sich dann nach sechs Wochen in einem Bandscheibenvorfall manifestiert habe. Die Beklagte holte von der AOK H. das Vorerkrankungsverzeichnis vom 12.04.1999 ein und zog von der Staatsanwaltschaft Ellwangen die Ermittlungsakten 54 VRs 34 Js 132/96 mit dem Kfz-technischen Gutachten von Dipl.-Ing. P. vom 29.12.1995 bei. Sodann holte die Beklagte von Oberarzt Dr. G. von der Abteilung für Neurochirurgie des Universitätsklinikums T. das neurochirurgische Gutachten vom 16.12.1999 ein. Dieser führte zusammenfassend aus, die Klägerin leide an einem chronischen Schmerzsyndrom im Bereich der HWS und LWS. Die degenerative Erkrankung der Wirbelsäule sei nicht Folge des Unfalls, sondern anlagebedingt und schicksalhaft verursacht. Der angeschuldigte Vorgang habe nur indirekt den Vorschaden der Wirbelsäule vom asymptomatischen in den symptomatischen Bereich gebracht. Die Symptome hätten auch ohne den Unfall auftreten können, der "allerdings mindestens als Ursache für diese vorübergehende Verschlimmerung angesehen werden" müsse. Der Zeitraum für die vorübergehende Verschlimmerung sei nicht genau einzugrenzen. Die Gesamt-MdE aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung sei mit 30 v.H. einzuschätzen. Hierzu führte der die Beklagte beratende Chirurg Dr. G. in seiner Stellungnahme vom 08.02.2000 nach Durchsicht der vorliegenden Röntgenaufnahmen und unter teilweiser Aufgabe seiner vorausgegangenen Stellungnahme vom 10.01.2000 aus, da unfallfremde degenerative Veränderungen zum Zeitpunkt des Unfalls nicht vorgelegen hätten, könnten "die Beschwerden und die Befunde an der HWS nicht von vornherein abgelehnt werden." Der zeitliche Ablauf spreche allerdings absolut gegen einen traumatischen Bandscheibenvorfall im HWS- oder LWS-Bereich. Auf der anderen Seite könnten die Fehlstellungen an der HWS zu Blockierungen und entsprechenden Beschwerden führen, sodass ein Unfallzusammenhang eher wahrscheinlich sei. Die MdE schätze er ab Arbeitsfähigkeit vorübergehend mit 20 v.H. ein.
Im Auftrag der Beklagten erstattete ferner der Ärztliche Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik und Poliklinik U., Prof. Dr. K., das Gutachten vom 09.06.2000 und PD Dr. R. von der Neurologischen Universitätsklinik U. das neurologische Gutachten vom 28.06.2000. Prof. Dr. K. legte dar, aufgrund der vorliegenden Kollisionsdynamik sei hier von Gravitationskräften zwischen 4 und 5,5 G auszugehen, was ohne Zweifel im verletzungsrelevanten Bereich hinsichtlich einer zervikalen Beschleunigungsverletzung liege. Der Unfall habe eine Beschleunigungsverletzung der HWS vom Schweregrad II im Sinne einer nuchalen Distorsion verursacht. Dagegen bestehe kein Kausalzusammenhang zu dem Bandscheibenvorfall C 5/6 links. Dies folge schon daraus, dass sich eine Verlaufsänderung nicht zeitnah zum Unfallereignis, sondern verzögert erst nach sechs Wochen abgespielt habe. Zum anderen seien zur Auslösung von direkten Diskusschädigungen nur Gravitationskräfte ab 8,5 G geeignet, die hier keineswegs erreicht worden seien. Ferner wären im Rahmen diskaler Verletzungen entweder diskoligamentäre Läsionen oder knöcherne Läsionen zu erwarten gewesen; keines von beiden sei bei der Klägerin der Fall gewesen. Auf die Frage nach konstitutionellen Besonderheiten und konkurrierenden Ursachen führte Prof. Dr. K. ferner aus, im Rahmen der erhobenen radiologischen Befunde sei als anlagebedingter Aspekt eine Spondylarthrose der unteren Zervikalsegmente zu erheben gewesen, retrospektiv habe weiterhin ein klinisch stummer Bandscheibenvorfall C 5/6 links vorgelegen. Ein manifestes Krankheitsgeschehen hätte sich im Rahmen jeder Gelegenheitsursache ergeben können, sodass hier keine richtungweisende Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens anzunehmen sei. Die unfallbedingte MdE habe ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit bis 22.03.1996 20 v.H, danach bis 22.09.1996 10 v.H. und ab 23.09.1996 0 v.H. betragen. Prof. Dr. R. beschrieb in seinem Gutachten eine geringfügige C 6-Schmerzsymptomatik ohne eindeutige sensible oder motorische Reiz- oder Ausfallerscheinungen. Insgesamt bestehe auf neurologischem Gebiet zur Zeit keine eigenständige Läsion mit funktioneller Relevanz.
Mit Bescheid vom 20.07.2000 bewilligte die Beklagte der Klägerin vorläufige Rente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente für die Zeit vom 13.11.1995 bis 31.03.1996. Zugleich lehnte sie eine darüber hinausgehende Rentengewährung mit der Begründung ab, es liege keine MdE in rentenberechtigendem Grade mehr vor. Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 06.10.2000).
Hiergegen erhob die Klägerin am 25.10.2000 Klage bei dem Sozialgericht Ulm (SG) mit dem Ziel, die Beklagte zur Gewährung von Rente nach einer MdE um 50 v.H. ab 13.11.1995 zu verurteilen. Hierfür berief sich die Klägerin auf die von ihr vorgelegten Unterlagen. Aus dem vor dem Landgericht Ellwangen geführten Rechtsstreit 5 O 20/00 wurde vorgelegt das Kfz-technische Gutachten von Dipl.-Ing. P. vom 18.12.2000 (die Klägerin sei im Unfallzeitpunkt angegurtet gewesen), das Gutachten von Oberarzt Dr. G. vom 02.05.2001 mit ergänzender Stellungnahme vom 26.07.2001 (richtungweisende Verschlimmerung des Bandscheibenvorfalls in Höhe HWK 5/6 denkbar, Bandscheibenvorfall der LWS nicht unfallbedingt), das Protokoll über die Befragung des Sachverständigen Dr. G. ("traumatische MdE" 20 v.H., Gesamt-MdE der Wirbelsäule 30 v.H.), der Bescheid des Versorgungsamts Ulm vom 21.05.2003 (Grad der Behinderung (GdB) 50 unter Mitberücksichtigung einer seelischen Störung, eines chronischen Schmerzsyndroms und einer Medikamentenabhängigkeit) und das Gutachten des Facharztes für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie Dr. V., welches dieser am 26.11.2002 in dem Rechtsstreit S 9 SB 1090/01 im Auftrag des SG erstattet hatte. Darin finden sich die Diagnosen einer Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion (ICD-10 F 43.21), einer Tramal- und Benzodiazepinabhängigkeit und eines Nikotinabusus.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Im Januar 2001 wurde bei der Klägerin im Rehabilitationskrankenhaus U. eine Nukleotonie L 5/S 1 und eine Operation mit zentraler Fusion L 4/5 und L 5/S1 durchgeführt.
Mit Urteil vom 07.11.2003 - den früheren Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 17.12.2003 - wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen stützte es sich auf das Gutachten von Prof. Dr. K ... Hingegen könne den Gutachten des Dr. G. sowie des Dr. V. nicht gefolgt werden. Da die durch den Unfall allein verursachte HWS-Distorsion des Schweregrades II zwischenzeitlich folgenlos abgeheilt sei, stehe der Klägerin über den von der Beklagten anerkannten Rentenanspruch hinaus keine höhere oder weitere Rente zu.
Hiergegen richtet sich die am 05.01.2004 bei dem SG eingegangene Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, die angefochtene Entscheidung sei bezüglich der Tatsachenfeststellung, der Beweiswürdigung und der rechtlichen Schlussfolgerung rechtsfehlerhaft. Insbesondere aufgrund der Stellungnahme von Dr. G. vom 26.07.2001 stehe fest, dass es bei dem Unfall, da sie zuvor über keinerlei Probleme von Seiten der HWS geklagt habe, zu einer richtungweisenden Verschlimmerung gekommen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 07.11.2003 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.10.2000 zu verurteilen, ihr über den 31.03.1996 hinaus Rente nach einer MdE um 20 v.H. zu gewähren, hilfsweise von der Röntgenologin Dr. P.-S., K.-L., ein radiologisches Gutachten einzuholen zu den Fragen, ob bereits zum Unfallzeitpunkt erhebliche degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule vorgelegen haben, wie sich diese in der Zeit nach dem Unfall entwickelt haben und ob der Eintritt einer diskoligamentären Verletzung bei dem Unfallereignis wahrscheinlich sei.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Am 30.03.04 wurde bei der Klägerin wegen des Bandscheibenvorfalls im Segment C 5/6 und der dort vorhandenen Retrospondylose ein operativer Eingriff durchgeführt.
Auf den Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat der Senat von dem Ärztlichen Direktor der Rheumaklinik B. F., dem Orthopäden Prof. Dr. B., das Gutachten vom 29.11.2004 mit der Ergänzung vom 21.03.2005 eingeholt. Hinsichtlich der Bandscheibenschädigungen im Bereich der LWS hat der Sachverständige dargelegt, diese seien mit Sicherheit nicht als Unfallfolge anzuerkennen, weil die Klägerin schon früher wegen LWS-Beschwerden durch Dr. S. behandelt worden sei und ausweislich des vorliegenden Vorerkrankungsverzeichnisses vom 24. bis 29.07.1995 wegen eines Facettensyndroms bei L 5/S 1 krank geschrieben gewesen sei. Unmittelbar nach dem Unfall seien keinerlei Beschwerden im Bereich der LWS aktenkundig, solche seien vielmehr erst nach einem leeren Intervall von fast einem Jahr aufgetreten. Im Bereich der HWS gestalte sich die Situation wesentlich schwieriger und komplexer. Vor dem Unfallereignis seien hier keinerlei Probleme aktenkundig. Die unmittelbar nach dem Unfallereignis aufgetretenen starken Beschwerden im Bereich der HWS mit Hinweisen auf eine direkte Verletzung (Einblutung im Bereich des Kehlkopfes) seien Anlass gewesen, noch am Unfalltag Röntgenaufnahmen der HWS anzufertigen. Diese hätten keine wesentlichen degenerativen Veränderungen im Bereich der HWS gezeigt. Hierin sei er sich mit Prof. Dr. K. und Dr. G. einig. Zu Unrecht hätten jedoch viele der Vorgutachter von einem sechs- oder sogar achtwöchigen freien Intervall gesprochen. Richtig sei dagegen, dass bereits unmittelbar nach dem Unfall Beschwerden lokal aktenkundig geworden seien, die sich auch im weiteren Verlauf nicht gebessert hätten. Erstmals sei am 29.01.1996 eine Nervenwurzelirritation der Nervenwurzel C 6 links aktenkundig geworden. Die Tatsache, dass die Röntgenaufnahmen vom 15.04.1996 und die kernspintomographischen Aufnahmen vom 19.(richtig: 18.)04.1996 erhebliche sekundäre reparative Veränderungen im Bewegungssegment C 5/6 zeigten, obwohl in allen Nachbarsegmenten weiterhin keine degenerativen Veränderungen bestünden, spreche für eine diskoligamentäre Verletzung im Bewegungssegment C 5/6, die unmittelbar nach dem Unfall zu erheblichen lokalen Beschwerden und erst im weiteren Verlauf zu einem Wurzelkontakt durch Bandscheibengewebe mit entsprechender Irritation einer Nervenwurzel geführt habe. Seit dem Wegfall der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit betrage die MdE 20 v.H.
Hierzu hat die Beklagte die gutachterliche Stellungnahme ihres beratenden Chirurgen Dr. L. vom 23.04.2005 mit der Ergänzung vom 09.05.2005 vorgelegt. Dieser hat ausgeführt, weder aus dem DAB noch aus den Berichten vom 28.09.1995 und vom 30.05.1997 ergäben sich Befunde, welche die Diagnose einer "HWS-Distorsion" stützen würden. Die mehrfach beschriebene "Steilstellung" der HWS sei kein Befund, der auf eine erlittene Verletzung hinweise, sondern in aller Regel Folge davon, dass der Verletzte von der Röntgenassistentin aufgefordert werde, den Hals "lang" zu machen. Aus den Berichten der Neurologischen Abteilung des Kreiskrankenhauses H. vom 26.04.1996 und 14.05.1997 ergebe sich, dass die Klägerin unfallnah keine Beschwerden im Bereich der HWS angegeben habe. Die Unterstellung von Prof. Dr. B., dass kein beschwerdefreies Intervall zwischen dem Unfall vom 22.09.1995 und der Manifestation von Beschwerden am 15.10.1995 bestanden habe, sei deshalb nicht richtig. Die von Prof. Dr. B. unterstellte diskoligamentäre Bandverletzung setze eine erhebliche Gewalteinwirkung auf die HWS voraus, die sofort zu gravierenden Beschwerden und Funktionseinbußen führe. Der Beschwerdeverlauf bei der Klägerin sei hiermit nicht vereinbar. Technisch lasse sich ebenfalls keinerlei Verletzung sichern. Die Röntgenaufnahmen vom 22.09.1995 und vom 15.04.1996 brächten völlig identische Befunde zur Darstellung. Prof. Dr. B. habe die Darstellungskraft der am 22.09.1995 angefertigten Röntgenaufnahmen überfordert, wenn er argumentiere, dort kämen die Veränderungen noch nicht zur Darstellung, die am 18.04.1996 kernspintomographisch sichtbar geworden seien. Selbst wenn man im Übrigen unterstellen wollte, dass sich bildtechnisch nach dem 22.09.1995 signifikante Veränderungen ergeben hätten - was tatsächlich nicht zu belegen sei - seien diese nicht verletzungsspezifisch. Denn der Bandapparat sei jeweils unverletzt zur Darstellung gekommen. Auch der - beigezogene - Operationsbericht des Neurochirurgen Dr. H. über die am 30.03.2004 durchgeführte Bandscheibenoperation im Segment C 5/C 6 ergebe keinerlei Hinweise auf eine stattgehabte Bandverletzung. Die Spondylosis an der hinteren Wirbelkörper-/Bandscheibengrenze stelle eine typische Folgeveränderung eines Bandscheibenschadens dar. Dass bei der Klägerin im Jahr 2001 das Segment L 5/S 1 operativ versteift worden sei, spreche dafür, dass die bei der Klägerin vorliegenden degenerativen Veränderungen im Bereich der unteren HWS und der unteren LWS "Kombinationsbefunde" seien.
In seiner gemäß § 109 SGG abgegebenen ausführlichen Replik vom 27.12.2005 hat Prof. Dr. B. seinen bisherigen Standpunkt bekräftigt. Dr. L. argumentiere einseitig zu Ungunsten der Verletzten. Dass bei der Klägerin am Unfalltag Röntgenaufnahmen der HWS angefertigt worden seien und der Klägerin das Tragen einer Schanz’schen Krawatte empfohlen worden sei, spreche dafür, dass der D-Arzt im Befundbereich Mängel aufweise bzw. hier die Dokumentation unzureichend gewesen sei. Zwar erlaube eine Steilstellung der HWS noch keinen sicheren Schluss auf eine erlittene Verletzung, da sie häufig nur aufnahmetechnisch bedingt sei. Dagegen sei kein Umkehrschluss zulässig, dass eine steilgestellte HWS keinen Hinweis für eine Primärverletzung bedeute. Ohnehin würden strukturelle Primärschädigungen im Bereich der HWS sehr häufig übersehen. Das diagnostische und therapeutische Vorgehen der Erstbehandler spreche ferner eindeutig dafür, dass zusätzlich zu der gesicherten Kehlkopfverletzung auch eine - wie auch immer geartete - Verletzung der HWS vorgelegen habe. Soweit Dr. L. ausgeführt habe, der Beschwerdeverlauf bei der Klägerin sei mit einer Verletzung der HWS unvereinbar, sei richtig, dass eine Band- oder Bandscheibenverletzung im Regelfall sofort zu gravierenden Beschwerden und Funktionseinbußen führe. Im Einzelfall könne es hiervon aber auch Abweichungen geben. In Übereinstimmung mit Prof. Dr. G. und Dr. G. sei er nach wie vor davon überzeugt, dass sich auf den Röntgenbildern vom 15.04.1996 eine Zunahme der degenerativen Veränderungen im Bewegungssegment C 5/6 gegenüber dem Zustand vom 22.09.1995 zeige. Im Übrigen sei die Auffassung von Dr. L., dass Retrospondylosen im Röntgenseitbild nicht erkannt werden könnten, nicht korrekt. Die im Falle der Klägerin angefertigten Nativröntgenbilder seien ungeeignet, Verletzungen des Bandapparates zu bestätigen oder zu widerlegen. Funktionsaufnahmen oder kernspintomographische Bilder seien primär nicht angefertigt worden. Schließlich sei auch der Operationsbericht von Dr. H. nicht geeignet, Verletzungsfolgen im Bereich der HWS zu verifizieren oder zu widerlegen.
Sodann hat die Beklagte das von dem Orthopäden Prof. Dr. L. nach Aktenlage erstattete Gutachten vom 20.09.2006 vorgelegt, in dem sich dieser insbesondere mit dem Gutachten von Dr. L. vom 23.04.2005/09.05.2005 auseinander gesetzt hat. In Übereinstimmung mit Prof. Dr. B. kommt er darin zu dem Ergebnis, die Klägerin habe bei dem Unfall eine diskoligamentäre Verletzung der HWS im Segment HWK 5/6 mit posttraumatischer Osteochondrose, Retrospondylose sowie beginnender ventraler Spondylose erlitten. Hierauf deuteten die Befunde aus der Röntgenverlaufsserie der HWS und die MRT-Kontrollen der HWS hin. Die scheinbar nach dem Unfall fehlende organbezogen auf die HWS hindeutende Schmerzsymptomatik lasse sich einerseits aus der muskulären Verspannung und damit Sicherung des verletzten Bewegungssegmentes erklären. Andererseits habe die multilokuläre und multifaktorielle Schmerzsymptomatik, erlitten durch die vielfachen Stauchungen und die Zerrung einschließlich der gravierenden Verletzung des Kehlkopfes und der Zunge die HWS-Verletzung überdeckt. Nach Verlust der schmerzreflektorischen Sicherung habe sich die HWS-Verletzung demaskiert und nach Zunahme der Reparationsvorgänge an der verletzten Bandscheibe und schließlich der ausgeprägten, überschießenden osteochondralen knöchernen Reaktion habe sich die Nacken-Armschmerzsymptomatik entwickelt, die ebenfalls auch aufgrund neurologischer Untersuchung sehr gut dokumentiert sei. Nunmehr bestehe eine knöchern konsolidierte, diskoligamentäre Verletzung des Bewegungssegmentes HWK 5/6 mit Erstarrung des Bewegungssegments und Funktionseinbuße sowie intermittierendem Nervenwurzelkontakt, die mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten sei.
Zuletzt hat die Beklagte die Stellungnahme des sie beratenden Radiologen Prof. Dr. P. vom 13.02.2007 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, die Röntgenaufnahmen vom 22.09.1995 zeigten eine Steilstellung der HWS mit angedeuteter Knickbildung zwischen HWK 4 und 5. An der Oberkante von HWK 6 zeige sich eine deutliche Randkantenausziehung. Auch seien die kleinen Wirbelgelenke von HWK 6 schon etwas vermehrt sklerosiert. Eine deutliche Sklerosierung wiesen die kleinen Wirbelgelenke zwischen HWK 7 und BWK 1 auf. Auf den Aufnahmen der HWS vom 13.09.2000 erkenne man schon deutlich zunehmende Randkantenausziehungen an der Hinterkante von HWK 5 und 6 mit Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes sowie eine Knickbildung zwischen HWK 4 und 5 nach ventral. Die letzten Aufnahmen vom 30.07.2003 zeigten, dass die Randkantenausziehungen noch stärker geworden seien. "Funktionsaufnahmen insbesondere auch 2003" zeigten, dass die untere HWS zwischen HWK 5 und 6 unbeweglich bleibe und die Hauptbewegung zwischen HWK 4 und 5 stattfinde. Diese größere Beweglichkeit der HWS im Segment HWK 4 und 5 resultiere daraus, dass die unteren Segmente HWK 5/6, HWK 7 und BWK 1 sich kaum bewegten, da bereits bei den Unfallaufnahmen zwischen HWK 5 und 6 degenerative Veränderungen zu erkennen seien. Diese vermehrte Beweglichkeit mit Knickbildung zwischen HWK 4 und 5 spreche dagegen, dass eine diskoligamentäre Verletzung zwischen HWK 5 und 6 aufgetreten sei. Hier sei auf keiner Funktionsaufnahme eine vermehrte Beweglichkeit bzw. Knickbildung zu erkennen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten des Senats, des SG und auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen, weil die Klägerin über den 31.03.1996 hinaus Anspruch auf Verletztenrente in Höhe von 20 v.H. der Vollrente hat.
Die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Verletztenrente hat, richtet sich gemäß § 212 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) nach der im Zeitpunkt des Versicherungsfalls vom 22.09.1995 geltenden Reichsversicherungsordnung (RVO). Insbesondere greift hier die Ausnahmevorschrift des § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII nicht ein. Danach gelten u. a. die Vorschriften über Renten auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII am 01.01.1997 eingetreten sind, wenn die Leistung nach dem Inkrafttreten des SGB VII erstmals festzusetzen war. Zwar hat die Beklagte erstmals mit Bescheid vom 20.07.2000 über die Frage eines Rentenanspruchs entschieden. Es kommt jedoch für die Anwendung des § 214 Abs. 3 Satz 1 SGB VII maßgeblich auf den Zeitpunkt der materiellen Anspruchsentstehung an. Zutreffend hat die Beklagte selbst den Beginn des Rentenanspruchs auf den 13.11.1995 gelegt.
Der Verletzte erhält eine Rente, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist (§ 580 Abs. 1 Satz 1 und § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (§ 548 Abs. 1 Satz 1 RVO). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.
Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, d. h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSG, Urteil vom 4. August 1955 - 2 RU 62/54 - BSGE 1, 174, 178; BSG, Urteil vom 14. November 1984 - 9b RU 38/84 - SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung der unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 - SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23; BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R - HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 - HVBG-Info 1989, 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen bzw. versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.
Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, sodass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt - in gleichem Maße - wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen Bedingung/en eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 RU 86/56 - SozR § 542 Nr. 27; BSG, Urteil vom 1. Dezember 1960 - 5 RKn 66/59 - SozR § 542 Nr. 32). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).
Als Folge des Arbeitsunfalls vom 22.09.1995 liegt bei der Klägerin eine nunmehr knöchern konsolidierte diskoligamentäre Verletzung des Bewegungssegments HWK 5/6 mit Verstarrung des Bewegungssegmentes und Funktionseinbuße sowie intermittierendem Nervenwurzelkontakt vor. Hierdurch ist die Klägerin, bezogen auf die Gesamtheit des Erwerbslebens, um 20 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert. Hierfür stützt sich der Senat zum einen auf das gemäß § 109 SGG von Prof. Dr. B. eingeholte Gutachten und zum anderen auf das im Auftrag der Beklagten erstattete Gutachten von Prof. Dr. L. vom 20.09.2006. Beide Gutachten überzeugen den Senat, weil sie, in allen wesentlichen Punkten übereinstimmend, eine schlüssige Erklärung dafür geben, dass bei der Klägerin im Unfallzeitpunkt allenfalls ganz geringfügige degenerative Veränderungen der HWS vorgelegen haben, die vor dem Unfall noch nie in einer Beschwerdesymptomatik manifest geworden waren. Bereits die Röntgenaufnahmen vom 15.04.1996 und die kernspintomographischen Aufnahmen vom 18.04.1996 zeigen jedoch erhebliche sekundäre reparative Veränderungen im Bewegungssegment C 5/6, ohne dass sich in den übrigen Segmenten der HWS eine entsprechende Entwicklung gezeigt hätte. Insbesondere Prof. Dr. L. hat im Einzelnen aufgezeigt, dass sich in der Röntgenaufnahme der HWS vom 15.04.1996, also sechs Monate nach dem Unfall, eine feine knöcherne Zuschärfung an der Hinterkante der Grundplatte von HWK 5 als Ausdruck einer beginnenden Retrospondylose findet. Diese zunächst diskrete spondylotische Reaktion wird in der MRT-Aufzeichnung der HWS vom 18.04.1996 bestätigt. Hier finden sich osteochondrale Reaktionen mit einer geringen Bandscheibenvorwölbung. Diese osteochondrotische Reaktion zeigt im Verlauf der Röntgenkontrolle eine erhebliche Zunahme mit Verschmälerung der Bandscheibe des Bewegungssegments HWK 5/6 und einer ausgeprägten erheblichen Retrospondylose sowie Wirbelkörperseitengelenksarthrose und einer beginnenden ventralen Spondylose. Auch das MRT der HWS vom 17.06.2002 zeigt im Vergleich zum vorausgegangenen MRT eine erhebliche und isolierte Verschmälerung der Bandscheibe HWK 5/6 mit kräftiger knöchern-weichteiliger Protrusion und einer ausgeprägten osteochondralen Reaktion an den Grund- und Deckplatten HWK 5/6 mit deutlicher Einengung des Spinalkanales links. Die geschilderten Befunde aus der Röntgenverlaufsserie der HWS und die MRT-Kontrollen der HWS machen es nach der Überzeugung des Senats wahrscheinlich, dass die Klägerin am Unfalltag eine diskoligamentäre Verletzung des Bewegungssegments HWK 5/6 erlitten hat. Unfallhergang und Verletzungsmuster waren geeignet, eine Verletzung der HWS hervorzurufen. Wie Prof. Dr. B. im Einzelnen dargelegt hat, hat es sich bei der Verletzung um keine HWS-Schleuderverletzung im Sinne der traumatologischen Definition mit rasch aufeinander folgenden Doppelimpulsen wie z. B. bei der Heckkollision mit Aufschieben des Fahrzeugs auf den Vordermann gehandelt, sondern um eine Kontaktverletzung des Kopfes und auch der HWS. Hierfür sprechen die diversen äußeren Verletzungszeichen mit Prellmarken und Hautabschürfungen an Kopf, Hals und Brustbein und auch der Zungenbiss. Bereits die Anprallverletzung des Schädels, wahrscheinlich hervorgerufen durch den Aufprall auf die Frontscheibe oder auf das Armaturenbrett, war geeignet, indirekt Verletzungen der Halswirbelsäule zu erzeugen. Hierbei kommt es - so überzeugend Prof. Dr. L. - nicht wesentlich darauf an, ob die Klägerin im Unfallzeitpunkt in ihrem PKW mit dem Sicherheitsgurt angeschnallt war oder nicht. Die am Unfalltag angefertigten Röntgenbilder der HWS zeigen keine knöcherne Verletzung. Die im seitlichen Röntgenbild erkennbare Streckstellung ist haltungsbedingt und nur von geringem Aussagewert, da bereits die Lagerung der Klägerin beim Röntgen zu dieser Haltung führen konnte. Insoweit stimmt der Senat Dr. L. zu, der vor einer Überbewertung der Aussagekraft einer im Röntgenbild sichtbaren Streckstellung der HWS gewarnt hat. Als Hinweis auf eine erhebliche Verletzung im Bereich des Segments HWK 5/6 wertet der Senat jedoch mit Prof. Dr. L., dass die gesamten vorliegenden Röntgenaufnahmen der HWS eine sehr unterschiedliche röntgenologische Darstellung des retropharyngealen/präzervikalen Raumes, also des Raums zwischen der Rachenhöhle und der HWS, aufweisen. Dieser Bereich ist auf den Unfallaufnahmen der HWS mäßig verbreitert, reicht aber weit nach cranial bis HWK 3, während auf allen anderen späteren Röntgenaufnahmen der HWS im seitlichen Strahlengang dieser retropharyngeale/präzervikale Raum seine größte Breite in Höhe von HWK 5/6 aufweist. Diese Entwicklung des Röntgenphänomens könnte dafür sprechen, dass der besagte Raum nach dem Unfall durch ein Hämatom, einen Erguss oder eine Weichteilschwellung eingeengt war, während er auf den späteren Aufnahmen seine größte Breite in Höhe HWK 5/6 aufweist. Wichtiger ist jedoch, dass sich in der Röntgenaufnahme der HWS vom 15.04.1996, also sechs Monate nach dem Unfall, bereits eine feine knöcherne Zuschärfung an der Hinterkante der Grundplatte von HWK 5 als Ausdruck einer beginnenden Retrospondylose findet. Diese zunächst nur diskrete spondylotische Reaktion wurde durch die MRT-Untersuchung der HWS vom 18.04.1996 bestätigt. Hier fanden sich osteochondrale Reaktionen mit einer geringen Bandscheibenvorwölbung. Der Senat hält deshalb für überzeugend, dass das bei der Klägerin aufgetretene Verletzungsmuster, die geklagten Beschwerden und sowohl der röntgenologisch dokumentierte als auch der klinisch beschriebene Ablauf mit der Beschwerdeschilderung zwanglos die Schlussfolgerung zulassen, dass die Klägerin eine diskoligamentäre Verletzung der HWS im Bewegungssegment HWK 5/6 erlitten hat, die nicht zu einem Bandscheibenprolaps geführt hat, sondern zu einer erheblichen osteochondralen Reaktion mit der Folge einer Bandscheibenvorwölbung. Dr. L. ist zwar zuzugeben, dass eine Band- oder Bandscheibenverletzung in der Regel sofort zu gravierenden Beschwerden und Funktionseinbußen führt. Mit Prof. Dr. B. ist jedoch darauf hinzuweisen, dass solche Verletzungen relativ häufig nicht erkannt werden. Im Falle der Klägerin kommt hinzu, dass sich die nach dem Unfall scheinbar fehlende organbezogen auf die HWS beziehende Schmerzsymptomatik einerseits aus der muskulären Verspannung und aus dem Tragen der Schanz’schen Krawatte mit dem Erfolg einer Sicherung des verletzten Bewegungssegments erklären lässt, wie dies auch dokumentiert ist. Ferner stand für die Klägerin zunächst die multilokuläre und multifaktorielle Schmerzsymptomatik, welche sie durch die vielfachen Stauchungen und die gravierenden Verletzungen ihres Kehlkopfs und der Zunge erlitten hatte, im Vordergrund. Erst nach Verlust der schmerzreflektorischen Sicherung "demaskierte" sich die HWS-Verletzung, und nach Zunahme der Reparationsvorgänge an der verletzten Bandscheibe und des Bandapparates im Segment HWK 5/6 einschließlich der ausgeprägten überschießenden osteochondralen knöchernen Reaktion entwickelte sich die Nacken-Armschmerz-Symptomatik, die durch die Neurologen dokumentiert worden ist.
Die Stellungnahme von Dr. L. überzeugt den Senat vor allem deshalb nicht, weil er dem oben ausführlich wiedergegebenen röntgenologischen Verlauf mit der rasanten Zunahme von Veränderungen schon innerhalb eines halben Jahres nicht hinreichend Rechnung getragen hat. Als einziger Beurteiler hat er die Auffassung vertreten, die Nativ-Röntgenaufnahmen vom 22.09.1995 und vom 15.04.1996 brächten völlig identische Befunde zur Darstellung. Dagegen haben Prof. Dr. Dr. G., Dr. G., Prof. Dr. B. und Prof. Dr. L. einhellig eine Zunahme der degenerativen Veränderungen im Bewegungssegment HWK 5/6 zwischen dem 22.09.1995 und dem 15.04.1996 bejaht. Prof. Dr. P. hat sich in seiner Stellungnahme vom 13.02.2007 mit dieser Problematik überhaupt nicht auseinander gesetzt, obwohl sie unter den Vorgutachtern höchst kontrovers diskutiert worden war. Seiner Stellungnahme kommt schon deshalb nur ein geringer Beweiswert zu, weil er auf die beiden Röntgenbilder vom 15.04.1996 mit keinem Wort eingegangen ist. Seine Interpretation der Röntgenaufnahmen vom 22.09.1995 betont eine Knickbildung zwischen HWK 4 und 5 nach ventral. Dem entspricht jedoch, dass schon Prof. Dr. L. im Segment HWK 4/5 einen sehr diskreten Versatz nach ventral beschrieben hat. Als weitere Regelwidrigkeiten führt er an der Oberkante von HWK 6 eine deutliche Randkantenausziehung auf; auch die kleinen Wirbelgelenke von HWK 6 seien schon etwas vermehrt sklerosiert. Auf die Frage, ob dieser Befund dem Alter wesentlich vorauseilt, geht Prof. Dr. P. nicht ein. Auch fällt auf, dass er eine deutliche Sklerosierung der kleinen Wirbelgelenke zwischen HWK 7 und BWK 1 beschreibt, die offenbar deutlich stärker ausgeprägt ist als im Bereich zwischen HWK 5 und 6. Die Befundung der Kernspintomographie vom "18.04.1997" (richtig: 18.04.1996) ist sehr knapp ausgefallen. Man vermisst jegliche Ausführungen zu der Frage, in welchem Ausmaß die Veränderungen seit dem 22.09.1995 zugenommen haben und ob diese Zunahme als üblich in einem körpereigenen Degenerationsprozess gewertet werden kann. Irreführend ist der Satz "Bei den Funktionsaufnahmen, insbesondere auch 2003, ist hier (gemeint ist die Knickbildung zwischen HWK 4 und 5) die größte Beweglichkeit der HWS". Funktionsaufnahmen existieren nämlich ausschließlich vom 15.01.2003 und vom 30.07.2003. Soweit Prof. Dr. P. auf Seite 4 seiner Stellungnahme unter 1. ausführt, die Funktionsaufnahmen und die "kontinuierliche Entwicklung der Osteochondrose und Spondylosis deformans und Unkovertebralarthrose insbesondere zwischen HWK 5 und 6" spreche gegen eine akute diskoligamentäre Verletzung bei HWK 5/6, ist er der Gefahr eines Zirkelschlusses erlegen, weil er eine kontinuierliche körpereigene Entwicklung postuliert, ohne sich mit der gegensätzlichen Meinung von Prof. Dr. L. und Prof. Dr. B. auch nur mit einem Wort auseinander zu setzen. Ebenso wenig erörtert er die Frage, wie erheblich die nach seiner Meinung am 22. 09.1995 vorhanden gewesenen degenerativen Veränderungen im Segment HWK 5/6 waren, ob der Unfall insoweit Veränderungen bewirkt hat und ob er ggf. hierfür im Sinne der Kausallehre von der wesentlichen Bedingung wesentlich war. Seine Schlussfolgerung, die vorhandenen Röntgen- und MRT-Befunde sprächen gegen eine bei dem Unfall erlittene diskoligamentäre Verletzung, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.
Den Gutachten und Stellungnahmen von Prof. Dr. Dr. G., Dr ... G., Prof. Dr. K. und Dr. G. war schon deshalb nicht zu folgen, weil ihre Beurteilungen ausnahmslos eine Auseinandersetzung mit dem Röntgenverlauf vermissen lassen. Im Übrigen hat Prof. Dr. B. auf den Seiten 27 bis 29 seines Gutachtens vom 29.11.2004 zutreffend zu den Vorgutachten Stellung genommen, sodass hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann. Der Senat folgt dem überaus sorgfältigen und abgewogenen Gutachten Prof. Dr. B.s schließlich auch darin, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung der Bandscheibenschädigungen im Bereich der LWS als Unfallfolgen mit Sicherheit nicht gegeben sind. Insoweit wird auf die Ausführungen auf Seite 24 und 25 seines Gutachtens verwiesen.
Bei der Bewertung der unfallbedingten MdE stützt sich der Senat auf das auch insoweit überzeugende Gutachten von Prof. Dr. L ... Mit seiner Bewertung der Unfallfolgen befindet er sich im Übrigen auch in Übereinstimmung mit der Beurteilung von Dr. G ... Dass die Klägerin auf psychischem Gebiet entgegen der von Dr. V. vertretenen Auffassung keine im Unfallzusammenhang stehende Anpassungsstörung erlitten hat, hat das SG auf den Seiten 9 bis 11 des angefochtenen Urteils ausführlich und zutreffend dargelegt. Hierauf wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Hiergegen hat die Klägerin im Übrigen im Berufungsverfahren keine Einwendungen erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved