S 12 KA 876/06

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 876/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 46/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Er hat auch die Gerichtskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um eine sachlich-rechnerische Berichtigung im Quartal II/05 und hierbei um die Absetzung der Leistung nach Nr. 32763 EBM 2005 (413 x) bzw. um die nachträgliche Korrektur der Leistungen in Leistungen nach Nr. 32767 EBM 2005.

Der Kläger ist als Facharzt für Urologie mit Praxissitz in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im streitbefangenen Quartal setzte die Beklagte das Nettohonorar (nach Abzug von Verwaltungskosten) auf 37.191,01 Euro fest.

Mit Bescheid vom 30.09.2005 setzte die Beklagte 413 mal die Leistungen nach Nr. 32763 EBM 2005 ab. Sie begründete dies damit, dass keine Abrechnungsgenehmigung vorliege.

Hiergegen legte der Kläger am 06.10.2005 Widerspruch ein. Er führte aus, es sei ihm ein systematischer Fehler unterlaufen, die inkorrekt abgerechnete Ziffer 32763 EBM 2005 müsse durch die Ziffer 32767 EBM 2005 ersetzt werden. Er habe mit der Abrechnung eine neue Angestellte betraut gehabt, die sonst immer sehr sorgfältig und gewissenhaft arbeite. Diese habe, unbemerkt von ihm, die fehlerhafte Eingabe gemacht. Nach Eingabe in die EDV sei der Fehler für ihn nicht mehr erkennbar gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.07.2006, zugestellt am 11.07., wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In der Begründung führte sie aus, mit Einreichung der Abrechnung bestätige der Arzt deren Richtigkeit. Im Honorarverteilungsvertrag sei entgegen den Vorläuferregelungen eine Nachfrist zur Berichtigung nicht eingeräumt worden. Nach einem Vorstandsbeschluss werde jedoch die Korrekturmöglichkeit fortgeführt, für die Quartale II und III/05 werde die Frist von sechs auf zehn Wochen und für das Quartal IV/05 auf acht Wochen verlängert. Im Ausnahmefall könne diese Frist verlängert und eine Korrektur der Abrechnungsunterlagen noch nach dieser Frist zugelassen werden. Die Nachfrist sei aber zum Zeitpunkt der Einreichung des Widerspruchs bereits abgelaufen gewesen. Der Kläger habe keine Gründe vorgetragen, die einen Ausnahmetatbestand rechtfertigten.

Hiergegen hat der Kläger am 07.08.2006 die Klage erhoben. Zur Begründung trägt er ergänzend zu seinen bisherigen Ausführungen vor, seine dafür ausgebildete, sonst sehr sorgfältige und zuverlässige Mitarbeiterin, Frau B., die seit Anbeginn die Abrechnungsziffern stets korrekt eingegeben habe, sei ein Zahlendreher unterlaufen. Frau B. werde stichprobenhaft regelmäßig kontrolliert, Beanstandungen hätte es bisher nicht gegeben. Für die Rechtsauffassung der Beklagten fehle es an einer Rechtsgrundlage. Die Frist sei zu kurz bemessen und nicht erforderlich. Ausnahmen könnten nicht auf Fälle höherer Gewalt beschränkt werden. Es reiche eine Abweichung vom Normalgeschehen aus. Er habe die Abrechnung vor Absendung angesehen und habe eine Unrichtigkeit nicht feststellen können. Erschwerend sei die Umstellung der Abrechnung von vier auf fünf Ziffern hinzugekommen. Früher sei er auch bei Fehlern von Mitarbeitern der Bezirksstelle telefonisch unterrichtet worden. Die finanzielle Einbuße von 3.675,70 Euro sei nicht unerheblich. Hinzu komme allein ein Materialaufwand von 1.284,43 Euro.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 30.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2006 insoweit aufzuheben, als eine Berichtigung der Abrechnung für das Quartal II/05 abgelehnt wurde, und die Beklagte zu verurteilen, ihm 413 mal die Leistungen nach Nr. 32767 EBM 2005 zu vergüten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie nimmt insoweit Bezug auf die Begründung des Widerspruchsbescheids. Ergänzend trägt sie vor, in den Honorarverteilungsregelungen könnten Ausschlussfristen ausgestaltet werden. Einer ausdrücklichen Ermächtigung bedürfe sie hierfür nicht im Honorarverteilungsvertrag selbst. Eine Existenzgefährdung liege nicht vor. Den Absetzungen in Höhe von etwa 3.500 Euro stehe ein Honoraranspruch von 38.3988,36 Euro gegenüber. Aufgrund der quartalsweisen Vergütung sei eine kurze Korrekturfrist notwendig. Angesichts der Datenmenge könne sie die Abrechnung nur in sehr eingeschränkten Umfang überprüfen. Sie müsse sich auf die Richtigkeit der Abrechnungsunterlagen verlassen können. Die Richtigkeit der Eingabe gehöre zum Verantwortungsbereich des Klägers. Nur in Fällen höherer Gewalt komme eine Fristverlängerung in Betracht. Diese Fälle seien ausgesprochen selten, so dass eine Honorarverwerfung im Folgequartal nicht zu befürchten sei. Es sei nicht ersichtlich, wie den Mitarbeitern der Bezirksstelle der Fehler hätte auffallen sollen, wenn er dem Kläger schon selbst nicht aufgefallen sei. Eine Verpflichtung ihrerseits bestehe nicht. Gerade wegen der Umstellung auf den EBM 2005 hätte der Kläger besondere Sorgfalt walten lassen müssen. Dass ein Arzt eine Leistung nicht abrechnen dürfe, bedeute nicht, dass er dies auch tatsächlich nicht tue. Für einen Ausnahmefall sei zumindest zu verlangen, dass dem Arzt kein Verschulden an der Fehlerhaftigkeit treffe, dass also der Korrekturbedarf nicht dem Kläger angelastet werden könne. Dem Kläger sei auch von der Restzahlung mehr als die Hälfte verblieben. Die Restzahlung sei auch kein geeigneter Maßstab. Sachkosten seien mit der Vergütung für die Leistung abgegolten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid vom 30.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2006 ist rechtmäßig. Er war daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm 413 mal die Leistungen nach Nr. 32767 EBM 2005 für das Quartal II/05 vergütet wird. Die Klage war abzuweisen.

Die Beklagte war grundsätzlich zuständig für die sachlich-rechnerische Berichtigung.

Nach § 75 Abs. 1 SGB V haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragszahnärztliche Versorgung sicher zu stellen und den Krankenkassen und ihren Verbänden gegenüber die Gewähr dafür zu übernehmen, dass die vertragszahnärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht. Nach § 75 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz haben die Kassenärztlichen Vereinigungen die Erfüllung der den Vertragsärzten obliegenden Pflichten zu überwachen. Zu den Pflichten der Vertragsärzte gehört unter anderem auch eine ordnungsgemäße Abrechnung der von ihnen erbrachten Leistungen. Es obliegt deshalb nach § 45 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) bzw. § 34 des Ersatzkassenvertrages-Ärzte (EKV-Ä) der Beklagten, die vom Vertragsarzt eingereichten Honoraranforderungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und ggf. zu berichtigen.

Die Leistungen nach Nrn. 32763 wurden von der Beklagten aus den von ihr angegebenen Gründen zu Recht abgesetzt. Gegen diese Absetzung hat sich der Kläger auch nicht gewandt.

Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf Nachvergütung der 413 Leistungen nach Nr. 32767 EBM 2005.

Nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Verbänden der Krankenkassen zur Honorarverteilung für die Quartale 2/2005 bis 4/2005, veröffentlicht als Anlage 2 zum Landesrundschreiben/Bekanntmachung der Beklagten vom 10.11.2005 (im Folgenden: HVV), sind die Abrechnungsunterlagen für jedes abgelaufene Abrechnungsquartal bis zu dem von der KV Hessen festgesetzten Termin bei der zuständigen Bezirksstelle der KV Hessen einzureichen (§ 8, Abschnitt 8.1 Abs. 1 HVV). Mit der Abgabe der Behandlungsausweise und gegebenenfalls eines maschinell verwertbaren Datenträgers bestätigen der Arzt bzw. Psychotherapeut oder bei einer Gemeinschaftspraxis die Ärzte bzw. Psychotherapeuten in einer Sammelerklärung/Quartalserklärung, dass die zur Abrechnung eingereichten Leistungen nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen sowie nach den Vorgaben dieses Honorarverteilungsvertrages erbracht worden sind, notwendig waren und die eingereichte Abrechnung sachlich richtig und vollständig ist (§ 8, Abschnitt 8.1 Abs. 3 Satz 1 HVV). Einzelheiten der Verfahrensweise bei verspäteter Abrechnungsabgabe bzw. bei nicht ordnungsgemäßer Rechnungslegung regelt die KV Hessen in eigener Zuständigkeit (§ 8, Abschnitt 8.2 HVV). Entsprechend hat der Vorstand der Beklagten am 29.08.2005 beschlossen, die ehemalige LZ 601 HVM im Sinne einer Übergangsregelung fortzuführen; allerdings mit der Maßgabe, dass der Zeitraum von sechs Wochen auf zehn Wochen verlängert wird. Mit weiterem Beschluss vom 09.01.2006 hat er die Frist für das Quartal IV/05 auf acht Wochen reduziert. Damit wurde Abs. 5 der LZ 601 HVM des zuvor geltenden Honorarverteilungsmaßstabs übernommen; bei den Abs. 1 bis 4 handelte sich um Regelungen, die bereits durch § 8, Abschnitt 8.1 HVV übernommen worden waren. Abs. 5 der LZ 601 HVM lautete: "Die Bezirksstelle kann gestatten, dass ein Arzt bzw. Psychotherapeut innerhalb der ersten 6 Wochen nach Ende eines Abrechnungsvierteljahres seine bereits eingereichten Abrechnungsunterlagen in den Geschäftsräumen der Bezirksstelle in Anwesenheit eines Bevollmächtigten der Bezirksstelle berichtigt. In begründeten Ausnahmefällen kann diese Frist verlängert werden."

Wenn die Kammer auch grundsätzlich der Auffassung ist, dass Fragen der verspäteten Abrechnungsabgabe, der Abgeltung des Verwaltungsaufwandes bei Fristversäumnis und des Verlusts des Abrechnungsanspruches in ihren Grundzügen auch inhaltlich im HVV nach § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V zu regeln sind (vgl. BSG, Urt. v. 21.10.1998 - B 6 KA 71/97 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 28 = BSGE 83, 52 = NZS 1999, 362, zitiert nach juris, Rdnr. 28; BSG, Urt. v. 26.06.2002 - B 6 KA 28/01 R - SozR 3-2500 § 85 Nr. 47 = NZS 2003, 494), so kann aufgrund der grundsätzlichen Ermächtigungsnorm in § 8, Abschnitt 8.2 HVV die Statuierung einer Regelung durch Übernahme einer Vorgängerregelung hingenommen werden. Der Inhalt des Abs. 5 der LZ 601 HVM ist aber ebf. rechtlich nicht zu beanstanden.

Es ist eine der grundlegenden Pflichten jedes Vertragsarztes, die erbrachten Leistungen peinlich genau abzurechnen, weil die korrekte Abrechnung von der Kassenärztlichen Vereinigungen angesichts der Vielzahl der von ihr in jedem Quartal zu bewältigenden Datenmengen nur in eingeschränktem Umfang überprüft werden kann (vgl. BSG, Urt. v. 24.11.1993 - 6 RKa 70/91 - BSGE 73, 234 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 4, juris Rdnr. 22; BSG, Urt. v. 25.10.1989 - 6 RKa 28/88 - BSGE 66, 6, 8 = SozR SozR 2200 § 368a Nr 24, juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 08.07.1981 – 6 RKa 17/80 - USK 81172, juris Rdnr. 31). Der Grundsatz der peinlich genauen Abrechnung gilt unabhängig davon, ob die Abrechnung auf manuellem Wege oder mittels elektronischer Datenträger erfolgt. Auch wenn sich der Vertragsarzt im zweiten Fall entsprechender Abrechnungsprogramme bedient, entlastet ihn dies nicht davon, sich vor Weiterleitung der Diskette an die Kassenärztliche Vereinigung wenigstens anhand von Stichproben zu vergewissern, dass die dort enthaltenen Angaben frei von Fehlern sind, unabhängig davon, ob diese auf eigenen Falscheingaben oder auf Mängeln der benutzten Software beruhen (vgl. LSG Niedersachsen, Beschl. v. 17.02.2005 - L 3 KA 218/04 ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 15.01.1997 - L 11 Ka 74/96 - NZS 1997, 384, 386).

Der Arzt hat daher mit Abgabe der Abrechnung in einer Sammelerklärung/Quartalserklärung zu bestätigen, dass die zur Abrechnung eingereichten Leistungen nach den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen sowie nach den Vorgaben des Honorarverteilungsmaßstabs erbracht worden sind, notwendig waren und die eingereichte Abrechnung sachlich richtig und vollständig ist (vgl. § 8, Abschnitt 8.1 Abs. 3 Satz 1 HVV).

Die Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. jetzt die Vertragspartner des Honorarverteilungsvertrages sind auf der Rechtsgrundlage des § 85 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB V befugt, in ihrem HVM/HVV Regelungen über die Modalitäten der Abrechnung durch die Vertragsärzte zu treffen. Sie dürfen in diesem Zusammenhang auch Abrechnungsfristen vorgeben und diese als Ausschlussfristen ausgestalten. Im HVM/HVV können insbesondere nicht nur die Fristen geregelt werden, die die Vertragsärzte bei der Abrechnung einhalten müssen, sondern auch die Folgen, die sich aus einem Fristversäumnis für die Abrechnungen ergeben. § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V lässt daher auch eine Regelung im HVM zu, nach der Abrechnungsscheine von der Vergütung ausgeschlossen sind, die nicht innerhalb des festgesetzten Einsendetermins zur Abrechnung eingereicht werden. Die Ausgestaltung einer Abrechnungsfrist als Ausschlussfrist stellt für sich genommen keinen derart schwerwiegenden Eingriff in die Berufsausübung dar, dass für ihn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung erforderlich wäre. Zweck der Honorarverteilung ist, dass nach jedem Quartal möglichst schnell und möglichst umfassend die für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge ausgekehrt werden. Dies entspricht vor allem dem Interesse der Vertragsärzte. Denn diese sind - insbesondere wegen der zu bestreitenden Praxiskosten - auf eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Leistungserbringung und Leistungshonorierung angewiesen. Auch widerspräche die Zahlung lediglich von Abschlägen auf das voraussichtliche Honorar über einen längeren Zeitraum hinweg dem berechtigten Interesse der Ärzte an der Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen. Der Zeitpunkt, zu dem die KV nach Abschluss des jeweiligen Quartals die Abrechnung vorzunehmen und den Vertragsärzten ein Honorarbescheid zu erteilen hat, ist bundesrechtlich zwar nicht vorgegeben. Die KVen sind jedoch gehalten, die ihnen von den Krankenkassen gezahlte Gesamtvergütung (§ 85 Abs. 1 SGB V) umgehend an die Vertragsärzte zu verteilen (§ 85 Abs. 4 SGB V). Demgemäß sind die KVen verpflichtet, den Vertragsärzten alsbald nach Quartalsabschluss Honorarbescheide zu erteilen. Zahlreiche Bestimmungen sowohl der Bundesmantelverträge als auch des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen legen fest bzw. setzen voraus, dass die vertragsärztlichen Leistungen in einem Kalendervierteljahr zusammengefasst vom Vertragsarzt abgerechnet und von der Kassenärztlichen Vereinigung vergütet werden. Der Eigengesetzlichkeit eines auf das einzelne Quartal ausgerichteten Gesamtvergütungssystems entspricht es, Zahlungen möglichst aus der für das jeweilige Quartal zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung vorzunehmen und Rückstellungen oder Nachvergütungen weitestgehend zu vermeiden. Die Bildung von Rückstellungen, d. h. der Einbehalt von Teilen der für ein Quartal entrichteten Gesamtvergütung, kann unerwünschte Auswirkungen auf die Finanzierbarkeit vertragsärztlicher Praxen und damit letztlich auf die Versorgung der Versicherten haben. Auch die berechtigten Belange der Krankenkassen können tangiert sein, wenn diese die Gesamtvergütung in gesetzeskonformer Höhe an die Kassenärztliche Vereinigung entrichten, die Vertragsärzte davon aber nur Teile erhalten, die eine angemessene Vergütung der von ihnen erbrachten Leistungen möglicherweise nicht gewährleisten. Schließlich sind zahlreiche mengenbegrenzende Regelungen in Honorarverteilungsmaßstäben, wie etwa Fallzahlzuwachsbeschränkungen oder Individualbudgets, auf das einzelne Quartal bezogen. Die Kassenärztliche Vereinigung muss deshalb gewährleisten können, dass prinzipiell alle Leistungen eines Quartals rechtzeitig abgerechnet und von derartigen Steuerungsinstrumenten erfasst werden. Hierfür müssen Anreize zur Verlagerung von Abrechnungen in Folgequartale, etwa wenn die elektronische Erfassung der Abrechnungswerte einer Praxis einen starken und partiell unerwünschten Fallzahlzuwachs anzeigt, vermieden werden. Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur gestattet, sondern sachlich geboten, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass alle vertragsärztlichen Leistungen eines Quartals weitestgehend aus den für dieses Quartal von den Krankenkassen entrichteten Gesamtvergütungen honoriert werden. Die Ausgestaltung von Abrechnungsfristen als materielle Ausschlussfristen ist zur Erreichung einer möglichst zügigen, zeitgerechten und vollständigen Verteilung der Gesamtvergütung grundsätzlich geeignet. Fristen für die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen dienen umso mehr einer schnellen und umfassenden Honorarverteilung, je weniger Ausnahmen sie zulassen. Auf der anderen Seite können von Ausschlussfristen erhebliche Wirkungen für den Vergütungsanspruch des Vertragsarztes ausgehen. Vertragsärzte, die auf Grund eines Versehens oder einer möglicherweise nicht sofort erkennbaren Störung im elektronischen Übermittlungssystem oder in der praxiseigenen Software einen größeren Teil ihrer Abrechnungen nicht zu dem von der Kassenärztlichen Vereinigung gesetzten Termin vorlegen, laufen Gefahr, keinerlei Vergütung ihrer vertragsärztlichen Leistungen zu erhalten. Solche Auswirkungen einer nicht weiter differenzierten und abgestuften Ausschlussfrist sind durch die Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 SGB V nicht gedeckt und stellen zugleich eine unverhältnismäßige Einschränkung des durch Art 12 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rechts der Vertragsärzte auf eine Honorierung ihrer Leistungen dar. Das billigenswerte Ziel möglichst frühzeitiger, zu einem einheitlichen Zeitpunkt abgeschlossener Abrechnungen der vertragsärztlichen Leistungen rechtfertigt und fordert eine rigide und vor allem kurze Ausschlussfrist nicht (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 19 = SGb 2006, 370, juris Rdnr. 21 - 25). Sachgerechterweise kann die nachträgliche Korrektur von bereits vorgelegten Abrechnungsscheinen ausgeschlossen sein (vgl. BSG, Urt. v. 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R – aaO., Rdnr. 26).

Ausgehend hiervon ist die Übernahme des § 6 LZ 601 Abs. 5 der vorhergehenden Honorarverteilungsregelung nicht zu beanstanden, wie die Kammer bereits entschieden hat (vgl. SG Marburg, Urt. v. 29.11.2006, - S 12 KA 290/06 -; www.sozialgerichtsbarkeit.de; SG Marburg, Urt. v. 29.11.2006 - S 12 KA 888/06 - www.sozialgerichtsbarkeit.de; s. a. SG Marburg, Urt. v. 09.11.2005 – S 12 KA 28/05 – www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Die Abrechnungsregelungen sehen ein abgestuftes System für die Fälle verspäteter Abrechnung vor. Zunächst wird von der Beklagten ein Termin zur Abrechnung festgelegt (§ 8, Abschnitt 8.1 Abs. 1 HVV), der in der Regel etwa 10 Tage beträgt. Korrekturen können noch innerhalb von zehn Wochen nach Ende eines Abrechnungsvierteljahres eingereicht werden, also etwa innerhalb von über zwei Monaten nach Ende der Einreichungsfrist. In begründeten Ausnahmefällen kann diese Frist verlängert werden.

Soweit es jedenfalls wie hier nicht um das gänzliche Fehlen einer Abrechnung, sondern lediglich um die Korrektur bereits abgerechneter Behandlungsfälle geht, ist dieses abgestufte System nicht zu beanstanden. Eine teilweise Unrichtigkeit der Abrechnung ist gegenüber dem Fehlen oder dem Ausschluss der gesamten Abrechnung von geringerem Gewicht. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Abrechnung, die ausschließlich im Verantwortungsbereich des die Abrechnung einreichenden Arztes liegt, ist auch von der Verspätung einer Einreichung der gesamten Abrechnung zu unterscheiden. Ob der HVV auch die Nachreichung fehlender Teile einer Abrechnung, also bisher nicht eingereichter Behandlungsfälle zulässt, und innerhalb welcher Fristen, kann hier dahinstehen, da es für die klägerische Praxis nur um die Korrektur bereits abgerechneter Behandlungsfälle geht.

Nach den genannten Abrechnungsregelungen ist die Korrekturfrist nur in "begründeten Ausnahmefällen" zu verlängern. Es kann hier dahinstehen, ob hierbei ausschließlich Fälle höherer Gewalt zu verstehen sind. Jedenfalls reicht ein schlichtes Versehen, Vergessen oder fehlerhaftes Abrechnen nicht aus. Der Vertragsarzt kann sich dabei wegen des Gebots der peinlich genauen Abrechnung auch nicht darauf berufen, bei dem eingesetzten Personal handele es sich um ein bisher stets zuverlässig gewesenes Personal und er sei seinen Überwachungspflichten wenigstens durch stichprobenartige Kontrollen nachgekommen. Delegiert er die Abrechnung, so muss er sich das Handeln der Mitarbeiter insoweit als eigenes Handeln bzw. eigenes Verschulden zurechnen lassen. Erst wenn ein "begründeter Ausnahmefall" vorliegt, ist Raum für weitere Ermessenserwägungen der Beklagten.

Nach den Einlassungen des Klägers ist nicht schlichtes technisches Versagen im Sinne einer höheren Gewalt für die fehlerhafte Abrechnung Ursache. Der Kläger hat selbst dargelegt, dass Ursache eine fehlerhafte Eingabe ist. Hierbei kann es sich nicht durchweg um einen "Zahlendreher" gehandelt haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass in der Praxis des Klägers die Angabe einmal standardisiert wurde. Hierbei obliegen dem Kläger aber auch gesteigerte Überwachungspflichten, da eine evtl. Falscheingabe Auswirkungen für alle Behandlungsfälle, bei denen die Leistung anfällt, zur Folge hat.

Nach allem waren der angefochtene Bescheid rechtmäßig und die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
Saved