Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 2a V 436/91
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 382/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 29. Januar 1993 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1956 geborene Kläger begehrt Entschädigung (Rente) für die Folgen einer gesundheitlichen Schädigung, die er als Angehöriger der Nationalen Volksarmee (NVA) erlitten hat.
Den Antrag stellte der Kläger am 2. April 1990, nachdem er am 13. Januar 1990, aus der DDR kommend, seinen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen hatte. Der Kläger gab an, er habe vom 6. Mai 1975 bis zum 29. Oktober 1976 seinen Grundwehrdienst bei der NVA verrichtet und am 10. Oktober 1976 bei einem organisierten Freizeitsport – Fußballspiel im Rahmen einer Regimentsmeisterschaft – eine Verletzung am linken Kniegelenk erlitten. Durch intensive Nachbehandlung seien die Beschwerden größtenteils zunächst abgeheilt gewesen. Erst Anfang der 80er Jahre hätten sich die Beschwerden am linken Knie wieder verstärkt bemerkbar gemacht und er habe sich daraufhin Anfang 1986 an das Wehrbezirkskommando zwecks Anerkennung als Wehrdienstbeschädigung gewandt. Rückwirkend zum 1. Juli 1983 sei ihm daraufhin vom FDGB-Kreisvorstand N. eine Unfallrente nach einem Körperschaden von 20 % in Höhe von 80 Mark monatlich gewährt worden. Der Kläger legte eine Bescheinigung über die Anerkennung einer Dienstbeschädigung der NVA, Wehrbezirkskommando E., vom 8. Juli 1986 vor, eine Dienstbeschädigungsliste bei Unfall vom 28. November 1986 sowie einen Bescheid des FDGB-Kreisvorstandes N. vom 11. September 1986 über die Bewilligung einer Unfallrente.
Der Beklagte zog das ärztliche Gutachten der NVA, Lazarett G. der Fachärztin für Orthopädie Dr. K. vom 12. Juni 1986 zum Verfahren bei und holte einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Arztes Dr. S. vom 31. Juli 1990 ein. In der versorgungsärztlichen Untersuchungsstelle Kassel (VUSt) ließ der Beklagte den Kläger durch den Arzt für Chirurgie Dr. L. begutachten. Der Versorgungsarzt führte in seinem Gutachten vom 6. März 1991 aus, bei dem Kläger wurden Knorpeldegenerationen und geringe Arthrosen an beiden Kniegelenken vorliegen, wenn auch rechts deutlich geringer als links. Am linken Kniegelenk sei außerdem eine rezidivierende Osteochondrosis dissecans neben einer Höhenminderung des äußeren und einer Ausweitung des inneren Gelenkspaltes festzustellen. Im Rahmen der Zusammenhangsbegutachtung sei daraufhinzuweisen, daß der Kläger die erste linksseitige Knieverletzung bereits bei privatem Fußballspiel im Jahre 1972 erlitten habe und die dort deutlich stärker als am rechten Knie ausgeprägten Veränderungen mit ihrem Beginn wahrscheinlich bereits auf dieses erste Unfallereignis datiert werden müßten. Die Osteochondrosis dissecans des linken Kniegelenkes sei indes nicht nur durch die 1972 und 1976 belegten Traumatisierungen ausgelöst, sondern durch immer wiederkehrende Überbeanspruchungen bei früherem, jahrelangen Fußballspiel. Die im Oktober 1976 erlittene dienstliche Traumatisierung sei nur als vorübergehende, aber nicht richtunggebende Verschlimmerung einzustufen, die insofern keine nachweisbaren Folgen hinterlassen habe. Unter Berücksichtigung der glaubhaften subjektiven Beschwerden sei trotz fehlender Funktionsbeeinträchtigungen an den Kniegelenken ein GdB von 20 angemessen, weil im linken Kniegelenk mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gut reiskorngroßer Freikörper vorliege, der jederzeit zu Einklemmungserscheinungen führen könne. Eine Schädigungsfolge sei indes derzeit nicht mehr zu benennen.
Mit Bescheid vom 29. Mai 1991 lehnte der Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Versorgung nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ab. Zur Begründung führte er aus, bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen könne zwar bei einem Zuzug in die Bundesrepublik bis zum 18. Mai 1990 mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung für Schädigungen im Zusammenhang mit dem Dienst in der NVA Beschädigtenversorgung im Wege des Härteausgleiches nach § 89 BVG gewährt werden. Die im Oktober 1976 erlittene Schädigung des Klägers sei indes nur als vorübergehende, nicht aber als richtunggebende Verschlimmerung anzuerkennen, die keine nachweisbaren Folgen hinterlassen habe. Ein Gesundheitsschaden, der auf das damalige schädigende Ereignis zurückzuführen sei, liege somit nicht vor, so daß sich die Frage einer Einbeziehung in die Versorgung des BVG analog § 82 Abs. 2 BVG im Wege des Härteausgleiches nicht mehr stelle.
Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Verletzung im Jahre 1972 sei nur oberflächlicher Natur gewesen und das Unfallereignis am 11. Oktober 1976 sei die eigentliche schädigende Ursache für das jetzt vorliegende Behinderungsausmaß. Zudem sei der Beklagte an die – in der DDR – einmal anerkannte Dienstbeschädigung gebunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 1991 – ein Zustellungsnachweis findet sich in den Beschädigtenakten des Beklagten nicht – wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, nach gutachterlicher Beurteilung, die im Einklang mit der herrschenden medizinischen Lehrmeinung stehe, sei die bei dem Kläger vorliegende Osteochondrosis dissecans als aseptische Knochennekrose auf jahrelange Überlastungen und nicht allein auf ein einmaliges Unfallereignis zurückzuführen. Bei den festgestellten Veränderungen beider Kniegelenke handele es sich also um Nichtschädigungsleiden, die einen Versorgungsanspruch nach dem BVG ausschließen würden. Sofern der Kläger die Auffassung vertrete, daß der Anerkennungsbescheid des Wehrbezirkskommandos E. vom 8. Juli 1986 für die Versorgungsverwaltung rechtsverbindlich sei, sei dies unzutreffend; entsprechende Regelungen seien im Einigungsvertrag vom 23. September 1990 weder für das BVG noch für das Soldatenversorgungsgesetz (SVG) getroffen worden.
Mit seiner am 13. November 1991 beim Sozialgericht Fulda eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf eine Beschädigtenrente aufgrund der im Jahre 1976 im Rahmen seines Grundwehrdienstes bei der NVA erlittenen Knieverletzung weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat zum Verfahren beigezogen die Unterlagen des Kreiskrankenhauses B. über ambulante und stationäre Behandlungen des Klägers seit dem 25. November 1985, Unterlagen des S. krankenhases, Landkreis N. eine medizinische Dokumentation von Dr. S. – sowie das Krankenblatt der medizinischen Akademie E. über eine ambulante Untersuchung des Klägers am 20. November 1976.
Mit Urteil vom 29. Januar 1993 hat das Sozialgericht Fulda die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht im wesentlichen ausgeführt, entgegen der Auffassung des Klägers sei es nicht zutreffend, daß der Beklagte an die Feststellung der Dienstbeschädigung im FDGB-Bescheid vom 8. Juli 1986 gebunden sei, denn die Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes würde den Adressaten und die übrigen Beteiligten des Verfahrens betreffen, also die juristische Person, die den Verwaltungsakt erlassen habe. Die §§ 80 Satz 1 und 81 Abs. 1 SVG kämen als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers nicht in Betracht, da der Personenkreis, auf den das SVG Anwendung finde, begrenzt sei auf ehemalige Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen, soweit im einzelnen nichts anderes bestimmt sei. Die nachfolgenden Vorschriften des SVG bestimmten im Hinblick auf die aus dem Wehrdienstverhältnis ausgeschiedenen Soldaten der ehemaligen NVA aber nichts anderes. Dies treffe auch auf die Regelungen des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31. August 1990 zu (Bundesgesetzblatt II/889 ff.). Mit der Rechtstellung der Soldaten der früheren NVA befasse sich Anlage I/Kapitel IXX/Sachgebiet Buchstabe b zum Einigungsvertrag, wonach das SVG keine Anwendung auf Soldaten findet, die aus einem Wehrdienstverhältnis der ehemaligen NVA ausgeschieden sind (Abschnitt III Nr. 5 b, S. 1146). Beschädigtenversorgung nach den Vorschriften des SVG würden nur Soldaten erhalten, die nach dem Wirksamwerden des Beitritts (Art. 1 Absatz 1 Satz 1 des Einigungsvertrages: 3. Oktober 1990) eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hätten (Abschnitt II/Ziff. 2/§ 6 Abs. 1 Satz 2 S. 1145). § 92 a SVG und die auf dieser Vorschrift beruhende Soldatenversorgungs-Übergangsverordnung vom 24. Juli 1991 (Bundesgesetzbl. I/1721) bestimmten den Personenkreis der Anspruchsberechtigten ebenso (§ 1 Abs. 2 Ziff. 1 der Verordnung). Das Sozialgericht hat weiter ausgeführt, auf das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung lasse sich der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch des Klägers ebenfalls nicht stützen. Wäre der Unfall am 10. Oktober 1976 am Ort der Anmeldung des Anspruchs (Fulda) oder am Sitz der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung eingetreten, wäre das Verletzungsereignis ein "während der Ausübung des Wehrdienstes erlittener Unfall” (§ 81 Abs. 1 SVG) mit der Folge, daß der Versicherungsschutz nach dem 3. Buch der Reichsversicherungsordnung – RVO – entfalle (§ 5 Abs. 2 Fremdrentengesetz – FRG – in Verbindung mit § 541 Abs. 1 Ziff. 2 RVO). Die Auffassung des Beklagten – so das Sozialgericht – stehe in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25. Oktober 1989 – 2 RU 40/86 –) und mit der Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (Rundschreiben vom 8. Oktober 1991, Bundesarbeitsblatt 1991, Nr. 12, S. 81), wonach als Rechtsgrundlage für eine Entschädigung bei der Ableistung des Grundwehrdienstes in der NVA die §§ 82 Abs. 2, 89 Abs. 1 BVG heranzuziehen seien. Als "Ausgleich” im Sinne von § 89 Abs. 1 BVG käme grundsätzlich auch eine Beschädigtengrundrente, die der Kläger beansprucht, in Betracht. Die Voraussetzungen für eine solche Grundrente seien indes nicht gegeben. Aus den vorliegenden Unterlagen gehe zwar hervor, daß der Kläger am 10. Oktober 1976 eine gesundheitliche Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG erlitten habe, indem er bei der Teilnahme als Wehrdienstleistender an einem Fußballspiel im Rahmen einer dienstlich organisierten Regimentsmeisterschaft einen Unfall mit einer gesundheitlichen Schädigung am linken Knie erlitten hat. Zwischen den gegenwärtig festzustellenden medizinischen Befunden am linken Kniegelenk und der gesundheitlichen Schädigung sei indes der vom Gesetz (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG) geforderte ursächliche Zusammenhang weder mit Sicherheit noch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Dies ergebe sich aus dem chirurgischen Gutachten des Versorgungsarztes Dr. L. vom 6. März 1991. Der Gutachter habe daraufhingewiesen, daß der Kläger nicht erst am 10. Oktober 1976, sondern schon vor Beginn der Wehrdienstleistung, nämlich im Jahre 1972, eine Verletzung des linken Kniegelenks beim Fußballspiel erlitten habe. Dieser Hinweis in dem Gutachten werde durch mehrere medizinische Unterlagen, die das Gericht beigezogen habe, belegt; u.a. nenne der Musterungsbefund vom 5. April 1974 unter der Unterschrift "eigene durchgemachte Erkrankungen” eine Punktion 1972 des linken Kniegelenks nach traumatischem Erguß. Aus den im gerichtlichen Verfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen würde ferner eine Verletzung des linken Kniegelenks nach Beendigung der Wehrdienstleistung am 16. August 1986 dokumentiert. So heiße es in dem ärztlichen Gutachten des Kreiskrankenhauses B. vom 8. April 1987, "am 16. August 1986 von einem Pkw angefahren; Patient fuhr auf dem Moped und fiel auf das linke Knie, Schienbein und Ellenbogen”. Dem Gutachter Dr. L. sei zu folgen, der dargelegt habe, das einmalige Unfallereignis am 10. Oktober 1976 könne deswegen nicht als wesentliche Ursache des jetzt bestehenden Krankheitsbildes angesehen werden, da bei dem Kläger die Erkrankung Osteochondrosis dissecans (Erweichung und Herauslösung eines Knochen- und Knorpelstücks aus einer Gelenkfläche mit Bildung eines freien Gelenkkörpers) bestehe, die in aller Regel nicht durch ein einmaliges traumatisches Ereignis, sondern durch häufig wiederkehrende Überbeanspruchung des Gelenks ursächlich hervorgerufen würde. Diese Auffassung des Gutachters würde im übrigen durch die von dem Gericht beigezogenen medizinischen Unterlagen bestätigt. Die Ambulanzkarte der medizinischen Akademie – Orthopädische Klinik – enthalte unter dem 26. November 1976 die Diagnose "Osteochondrosis dissecans links”. In dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses B. – Orthopädische Abteilung – vom 30. Dezember 1976 und in den Krankenblattaufzeichnungen des Orthopäden Dr. S. vorgelegt vom S. krankenhaus N. werde die operative Behandlung einer ulzerösen Veränderung des Knorpelgewebes der linken Patellagelenkfläche mit Ausbildung eines freien Gelenkkörpers geschildert. Die Beurteilung in dem Fachgutachten vom 6. März 1991 stehe auch in Übereinstimmung mit dem versorgungs- und unfallmedizinischen Schrifttum.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 30. März 1993 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat der Kläger die am 22. April 1993 beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangene Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, daß ihm eine Beschädigtenrente nach den Vorschriften des BVG zusteht.
Der Senat hat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung zum Verfahren beigeladen (Beschluss vom 8. Juni 1998).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 29. Januar 1993 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Mai 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1991 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des am 10. Oktober 1976 erlittenen Unfalls Beschädigtenrente nach einer MdE von 25 v.H. seit dem Monat der Antragstellung (1. April 1990) zu gewähren,
hilfsweise,
ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen,
höchsthilfsweise,
die Beigeladene zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des am 10. Oktober 1976 erlittenen Unfalls dem Grunde nach Leistungen nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist weiterhin der Auffassung, bei den festgestellten Veränderungen am linken Kniegelenk handele es sich um Nichtschädigungsleiden, da die bei dem Kläger vorliegende Osteochondrosis dissecans als aseptische Knochennekrose auf jahrelange Überlastungen und nicht allein auf ein einmaliges Unfallereignis zurückzuführen sei. Dazu beruft sich der Beklagte insbesondere auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen im Berufungsverfahren durch Frau Dr. F. vom 12. April 1994 sowie vom 20. September 1994.
Die Beigeladene beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, sie sei für eine Entschädigung im vorliegenden Fall nicht zuständig und verneint im übrigen (wie der Beklagte) die Kausalität zwischen den nunmehr geltend gemachten Gesundheitsstörungen und der Schädigung.
Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung ein medizinisches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. W., Direktor der unfallchirurgischen-orthopädischen Klinik des Städtischen Klinikums F. vom 28. Februar 1994 mit einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 28. August 1994 eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten bzw. der ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, bei dem Kläger liege eine posttraumatische Arthrose im Bereich des linken Kniegelenkes mit geringer Bewegungseinschränkung und leichter Muskelverschmächtigung im linken Oberschenkel vor. Als Ursache dieser Veränderung komme in erster Linie der Unfall vom 10. Oktober 1976 in Betracht. Die nach dem Unfall erfolgte zweimalige, blutige Punktion des linken Kniegelenkes spreche eindeutig für ein frisches, traumatisches Ereignis und somit für eine osteochondrale Fraktur im Bereich der Patellarrückfläche und gegen das Vorliegen einer Osteochondrosis dissecans. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 20 v.H. einzuschätzen.
Zum Sach- und Streitstand im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die Beschädigtenakte des Beklagten (Grundlisten-Nr. XXXXX), die zum Verfahren beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sache verhandeln und entscheiden, obgleich die Beigeladene im Termin nicht anwesend bzw. vertreten war. Mit der Ladung sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, daß im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann sowie eine Entscheidung nach Aktenlage möglich ist (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 S. 2, 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 2 SGG) und auch an sich statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG).
In der Sache ist die Berufung unbegründet. Das Sozialgericht Fulda hat die Klage mit Urteil vom 29. Januar 1993 zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1991 ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gegenüber dem Beklagten noch einen Anspruch auf Leistungen nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gegenüber der Beigeladenen.
Das Sozialgericht (ebenso wie der Beklagte) ist dabei zu Recht davon ausgegangen, daß die Eingliederung des Klägers nach seiner Übersiedlung aus der früheren DDR in das Arbeits- und Sozialgefüge der Bundesrepublik Deutschland wegen der Folgen des in der DDR erlittenen Unfalls – für die der Kläger in der früheren DDR eine Unfallrente erhalten hat – (nur) durch Versorgung im Wege des Härteausgleichs nach § 82 Abs. 2 BVG in Verbindung mit § 89 Abs. 1 BVG erfolgen kann.
Die nach dem Recht der ehemaligen DDR von dem FDGB-Kreisvorstand gezahlte Unfallrente ist nicht von den Trägem der gesetzlichen Unfallversicherung – hier der Beigeladenen – zu übernehmen, da der Kläger sich am 18. Mai 1990 im (damaligen) Bundesgebiet gewöhnlich aufgehalten hat (s. zum Stichtag Art. 24 § 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 – Staatsvertragsgesetz) und sein Eingliederungsbegehren vor dem Inkrafttreten des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) am 1. Januar 1992 zu einer Zeit (im April 1990) geltend gemacht hat, als für Übersiedler aus der DDR noch uneingeschränkt Fremdrentenrecht galt (s. § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung – RVO –; BSG, Urteil vom 18. Juni 1996 – 9 RV 6/94 –).
Die Eingliederung des Klägers als ehemaligen NVA-Soldaten erfolgt vorliegend auch nicht über das Fremdrentengesetz (FRG) durch Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies ergibt sich – wie das Sozialgericht zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (siehe u.a. BSG, Urteil vom 25. Oktober 1989 – 2 RU 40/86 –) ausgeführt hat – aus § 5 Abs. 2 FRG in Verbindung mit § 541 Abs. 1 Nr. 2 RVO in der Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963. Nach diesen Vorschriften ist das Konkurrenzverhältnis beim Zusammentreffen von Unfall- und Versorgungsansprüchen aus dem gleichen Sachverhalt dahingehend zu lösen, daß die Versorgung als Sondersystem gegenüber der Unfallversicherung vorrangig ist (s. auch BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990 – 2 RU 63/89 –). Nach der Rechtsprechung des 2. und 9. Senates des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1989 – a.a.O. –; BSG, Urteile vom 18. Juni 1996 – a.a.O. – und vom 4. Februar 1998 – B 9v 6/96 R–), der sich der Senat anschließt, hat auch die Eingliederung von ehemaligen Angehörigen der NVA der ehemaligen DDR, die in Erfüllung gesetzlicher Wehrpflicht eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, – vorrangig – im sozialen Entschädigungsrecht zu erfolgen. In Übereinstimmung mit den einschlägigen Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit (siehe Rundschreiben des BMA vom 8. Oktober 1991, Bundesarbeitsblatt 1991, Nr. 12, S. 81) ist dieser Personenkreis im Wege des Härteausgleichs nach § 82 Abs. 2 BVG i.V.m. § 89 Abs. 1 BVG zu entschädigen, sofern dieser Personenkreis, wie der Kläger, vor dem Stichtag des 19. Mai 1990 in die damalige Bundesrepublik übergesiedelt ist und damit noch keine Ansprüche – auf Übernahme der in der ehemaligen DDR gezahlten Unfallrente – nach dem Einigungsvertrag geltend machen kann (siehe Anlage II, Kapitel I, Sachgebiet S, Abschnitt III, Nrn. 6, 8 des Einigungsvertrages i.V.m. § 20 Rentenangleichungsgesetz der ehemaligen DDR). Durch die Anwendung des § 82 Abs. 2 BVG, der sich nach dem Wortlaut nur auf den Personenkreis der Vertriebenen im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) bezieht, im Wege des Härteausgleichs auch auf den Personenkreis der Übersiedler – bis zum 19. Mai 1990 – wird dem rechtspolitischen Gedanken des § 82 Abs. 2 BVG Rechnung getragen, der allen Deutschen und deutschen Volkszugehörigen Versorgungsschutz einräumen wollte, die in Erfüllung gesetzlicher Wehrpflicht außerhalb des Geltungsbereichs des BVG eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben und die ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des BVG genommen hatten und die keinen zu verwirklichenden Anspruch aus der gleichen Ursache gegen das Land hatten, das die Dienstpflicht gefordert hatte (siehe Rundschreiben des BMA vom 8. Oktober 1991, a.a.O., Einleitende Ausführungen; BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 – a.a.O. –).
Der Beklagte hätte Verwaltungsermessen (§ 39 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – SGB I) entsprechend dem Zweck der Ermächtigung nach den §§ 82 Abs. 2, 89 Abs. 1 BVG in Verbindung mit dem Rundschreiben des BMA vom 8. Oktober 1991 nur dann ausüben müssen, wenn der Kläger eine Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG erlitten haben sollte (siehe auch BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 – a.a.O. –). Nach dieser Vorschrift erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung, wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes oder durch die dem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat (§ 1 Abs. 1 BVG wie § 81 Abs. 1 SVG).
Wie oben schon ausgeführt, ereignete sich der Unfall des Klägers am 10. Oktober 1976 während der Ausübung des Wehrdienstes bei der NVA der früheren DDR und führte zu der gesundheitlichen Schädigung am linken Kniegelenk des Klägers in Form einer Distorsion mit nachfolgender Bewegungseinschränkung und schmerzhafter Anschwellung, wie sich aus dem ärztlichen Gutachten der NVA vom 12. Juni 1986 ergibt. Zutreffend hat das Sozialgericht indes das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BVG verneint, da die aktuellen gesundheitlichen Befunde des Klägers nicht als Folge dieser Schädigung im Sinne des versorgungsrechtlich relevanten Kausalzusammenhangs anzuerkennen sind. Dabei genügt nach § 1 Abs. 3 BVG zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BVG liegt vor, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (siehe Verwaltungsvorschrift Nr. 9 zu § 1 BVG). Ursachen sind die Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (vgl. Verwaltungsvorschrift Nr. 2 zu § 1 BVG).
Das Sozialgericht hat zu Recht unter ausführlicher Würdigung des versorgungsärztlichen Gutachtens von Dr. L. und den im Klageverfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen, der Ambulanzkarte der medizinischen Akademie B. – Orthopädische Klinik – vom 26. November 1976, dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses B.– orthopädische Abteilung – vom 30. Dezember 1976 sowie den Krankenblattaufzeichnungen des Orthopäden Dr. S. (vorgelegt vom krankenhaus N., Befund vom 3. Dezember 1976 mit Auswertung einer Röntgenaufnahme vom 16. November 1976) festgestellte, daß das einmalige Unfallereignis am 10. Oktober 1976 nicht als wesentliche Ursache des aktuellen bestehenden Krankheitsbildes angesehen werden kann, da bei dem Kläger von dem Bestehen der Erkrankung "Osteochondrosis dissecans” (Erweichung und Herauslösung eines Knochen- und Knorpelstücks aus der Gelenkfläche mit Bildung eines freien Gelenkkörpers) auszugehen ist, die nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft zu den aseptischen Knochennekrosen gehöre und in aller Regel nicht durch ein einmaliges traumatisches Ereignis, sondern durch häufig wiederkehrende Überbeanspruchung des Gelenks ursächlich hervorgerufen wird.
Auch die weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren ergeben nicht, daß die gegenwärtig im linken Kniegelenk bestehenden Befunde auf die am 10. Oktober 1976 erlittene Distorsion des linken Kniegelenkes zurückzuführen ist. Insbesondere vermochte das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. W. vom 28. Februar 1994 nicht zu überzeugen, das einen solchen Kausalzusammenhang bejaht. In dem Sachverständigengutachten sind die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren beigezogenen Behandlungsunterlagen des Klägers über Behandlungen vor dem Unfall vom 10. Oktober 1976 und unmittelbar nach dem Unfall nicht vollständig und richtig ausgewertet. Insbesondere stimmt die Behauptung des Gutachters nicht, der Kläger sei seit dem ersten Knieunfall bei einem privaten Fußballspiel im Jahre 1972 völlig beschwerdefrei gewesen. Zutreffend hat Frau Dr. F. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12. April 1994 bei der Auswertung des Gutachtens darauf hingewiesen, daß die in der Verwaltungsakte vorliegenden Befunde aufgrund der Musterung am 5. April 1974 als durchgemachte Erkrankung enthalten, "Punktion des linken Kniegelenkes und traumatischer Erguß 1972” sowie unter der Rubrik jetzige Beschwerden, "bei längerem Laufen Schmerzen im linken Knie”. In der Krankenblattakte der medizinischen Akademie E. findet sich unter dem Datum des 26. November 1978 zudem der Vermerk "seit 1971 Beschwerden am linken Knie, Patient sei häufig mit dem Knie umgeknickt”. Ein gleichartiger Hinweis findet sich bei der von dem S. krankenhaus Landkreis N. übersandten Dokumentation von Dr. S., in der unter dem Datum des 3. Dezember 1976 angegeben ist, "vor fünf Jahren auf eine Kante gesprungen, linkes Knie nach hinten durchgedrückt; seitdem Kniebeschwerden; er knicke beim Fußballspielen mit dem Knie häufig weg”. Bei den vom Kreiskrankenhaus B. – Orthopädische Abteilung – vom Sozialgericht beigezogenen Befundunterlagen findet sich unter dem Datum 25. November 1985 der Hinweis, "Patient war Fußballer, hatte wiederholt Beschwerden im linken Kniegelenk gehabt und ist trotzdem bei der Musterung als tauglich beurteilt worden”. Abgesehen davon, daß der Sachverständige Prof. Dr. W. die Schäden am Kniegelenk vor dem hier maßgeblichen Unfall im Oktober 1976 nicht gewürdigt hat, hat er die versorgungsärztliche Diagnose von Dr. , das Vorliegen einer Osteochondrosis dissecans am linken Knie, verneint, ohne dafür in seinem Gutachten und in der ergänzenden Stellungnahme vom 28. August 1994 schlüssige Gründe anzuführen. Wie das Sozialgericht schon zutreffend ausgeführt hat, spricht indessen für die Auffassung von Dr. L. von dem Vorliegen eines solchen anlagebedingten Leidens, daß sich die Diagnose "Osteochondrosis dissecans links” in mehreren Befunden findet, die zeitnah zu dem Unfallereignis und in Kenntnis dieses Ereignisses von medizinischen Fachärzten für Orthopädie erstellt worden sind. Frau Dr. F. hat in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20. September 1994 zu Recht argumentiert, daß der hier vorliegenden Diagnose des Kollegen, der 1976 das Kniegelenk offen zur Einsicht vorliegen hatte, und der mehrere (nicht nur einen) freie Gelenkkörper aus dem Kniegelenk entfernte und zusätzlich das typische Bild einer Chondropathia Patellae an der Rückseite der Kniescheibe beschrieb, größere Bedeutung zukommt als den heutigen, 20 Jahre später geäußerten Vermutungen über die Ursache der 1976 entfernten freien Gelenkkörper. Der Senat geht daher mit Dr. L. davon aus, daß wahrscheinlich nicht nur die in 1972 und 1976 belegten Traumatisierungen, sondern immer wiederkehrende Überbeanspruchungen bei früher jahrelangem Fußballspiel die Osteochondrosis dissecans des linken Kniegelenkes ausgelöst haben und daß das wehrdienstliche Ereignis aus dem Jahre 1976 nur als vorübergehende Verschlimmerung einzustufen ist und keine nachweisbaren Folgen hinterlassen hat. Jedenfalls spricht mehr gegen als für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den aktuellen Befunden des Klägers am linken Kniegelenk und dem Unfallereignis aus dem Jahre 1976. Die Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. W., daß ein direkter Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 10. Oktober 1976 und dem aktuellen Körperschaden besteht, ist allenfalls möglich. Dies genügt indes nicht, um den ursächlichen Zusammenhang zwischen den Gesundheitsstörungen als Folge einer Schädigung zu bejahen, (s. dazu Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 6. März 1990 – L-4/5/V-1110/89 –).
Im übrigen käme aber die Bewilligung einer Grundrente, die der Kläger hier begehrt, selbst dann nicht in Betracht, wenn man dem Gutachten von Prof. Dr. W. folgt und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den aktuellen Gesundheitsstörungen am linken Kniegelenk und der Schädigung im Jahre 1976 annimmt Nach § 31 Abs. 1 BVG erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente erst bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H., wobei nach § 31 Abs. 2 BVG eine um 5 v.H. geringere Minderung der Erwerbsfähigkeit von den in der Vorschrift genannten Vom-Hundert-Sätzen mitumfaßt wird. Die bei dem Kläger aktuell am linken Kniegelenk bestehenden Gesundheitsstörungen bedingen indes nach den Feststellungen von Prof. Dr. W. (in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Dr. L. in dem versorgungsärztlichen Gutachten aus dem Jahre 1991) nur eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H.
Das Begehren des Klägers auf Bewilligung einer Beschädigtenrente läßt sich somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der 1956 geborene Kläger begehrt Entschädigung (Rente) für die Folgen einer gesundheitlichen Schädigung, die er als Angehöriger der Nationalen Volksarmee (NVA) erlitten hat.
Den Antrag stellte der Kläger am 2. April 1990, nachdem er am 13. Januar 1990, aus der DDR kommend, seinen Wohnsitz im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland genommen hatte. Der Kläger gab an, er habe vom 6. Mai 1975 bis zum 29. Oktober 1976 seinen Grundwehrdienst bei der NVA verrichtet und am 10. Oktober 1976 bei einem organisierten Freizeitsport – Fußballspiel im Rahmen einer Regimentsmeisterschaft – eine Verletzung am linken Kniegelenk erlitten. Durch intensive Nachbehandlung seien die Beschwerden größtenteils zunächst abgeheilt gewesen. Erst Anfang der 80er Jahre hätten sich die Beschwerden am linken Knie wieder verstärkt bemerkbar gemacht und er habe sich daraufhin Anfang 1986 an das Wehrbezirkskommando zwecks Anerkennung als Wehrdienstbeschädigung gewandt. Rückwirkend zum 1. Juli 1983 sei ihm daraufhin vom FDGB-Kreisvorstand N. eine Unfallrente nach einem Körperschaden von 20 % in Höhe von 80 Mark monatlich gewährt worden. Der Kläger legte eine Bescheinigung über die Anerkennung einer Dienstbeschädigung der NVA, Wehrbezirkskommando E., vom 8. Juli 1986 vor, eine Dienstbeschädigungsliste bei Unfall vom 28. November 1986 sowie einen Bescheid des FDGB-Kreisvorstandes N. vom 11. September 1986 über die Bewilligung einer Unfallrente.
Der Beklagte zog das ärztliche Gutachten der NVA, Lazarett G. der Fachärztin für Orthopädie Dr. K. vom 12. Juni 1986 zum Verfahren bei und holte einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Arztes Dr. S. vom 31. Juli 1990 ein. In der versorgungsärztlichen Untersuchungsstelle Kassel (VUSt) ließ der Beklagte den Kläger durch den Arzt für Chirurgie Dr. L. begutachten. Der Versorgungsarzt führte in seinem Gutachten vom 6. März 1991 aus, bei dem Kläger wurden Knorpeldegenerationen und geringe Arthrosen an beiden Kniegelenken vorliegen, wenn auch rechts deutlich geringer als links. Am linken Kniegelenk sei außerdem eine rezidivierende Osteochondrosis dissecans neben einer Höhenminderung des äußeren und einer Ausweitung des inneren Gelenkspaltes festzustellen. Im Rahmen der Zusammenhangsbegutachtung sei daraufhinzuweisen, daß der Kläger die erste linksseitige Knieverletzung bereits bei privatem Fußballspiel im Jahre 1972 erlitten habe und die dort deutlich stärker als am rechten Knie ausgeprägten Veränderungen mit ihrem Beginn wahrscheinlich bereits auf dieses erste Unfallereignis datiert werden müßten. Die Osteochondrosis dissecans des linken Kniegelenkes sei indes nicht nur durch die 1972 und 1976 belegten Traumatisierungen ausgelöst, sondern durch immer wiederkehrende Überbeanspruchungen bei früherem, jahrelangen Fußballspiel. Die im Oktober 1976 erlittene dienstliche Traumatisierung sei nur als vorübergehende, aber nicht richtunggebende Verschlimmerung einzustufen, die insofern keine nachweisbaren Folgen hinterlassen habe. Unter Berücksichtigung der glaubhaften subjektiven Beschwerden sei trotz fehlender Funktionsbeeinträchtigungen an den Kniegelenken ein GdB von 20 angemessen, weil im linken Kniegelenk mit hoher Wahrscheinlichkeit ein gut reiskorngroßer Freikörper vorliege, der jederzeit zu Einklemmungserscheinungen führen könne. Eine Schädigungsfolge sei indes derzeit nicht mehr zu benennen.
Mit Bescheid vom 29. Mai 1991 lehnte der Beklagte einen Anspruch des Klägers auf Versorgung nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) ab. Zur Begründung führte er aus, bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen könne zwar bei einem Zuzug in die Bundesrepublik bis zum 18. Mai 1990 mit Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung für Schädigungen im Zusammenhang mit dem Dienst in der NVA Beschädigtenversorgung im Wege des Härteausgleiches nach § 89 BVG gewährt werden. Die im Oktober 1976 erlittene Schädigung des Klägers sei indes nur als vorübergehende, nicht aber als richtunggebende Verschlimmerung anzuerkennen, die keine nachweisbaren Folgen hinterlassen habe. Ein Gesundheitsschaden, der auf das damalige schädigende Ereignis zurückzuführen sei, liege somit nicht vor, so daß sich die Frage einer Einbeziehung in die Versorgung des BVG analog § 82 Abs. 2 BVG im Wege des Härteausgleiches nicht mehr stelle.
Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Verletzung im Jahre 1972 sei nur oberflächlicher Natur gewesen und das Unfallereignis am 11. Oktober 1976 sei die eigentliche schädigende Ursache für das jetzt vorliegende Behinderungsausmaß. Zudem sei der Beklagte an die – in der DDR – einmal anerkannte Dienstbeschädigung gebunden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 1991 – ein Zustellungsnachweis findet sich in den Beschädigtenakten des Beklagten nicht – wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, nach gutachterlicher Beurteilung, die im Einklang mit der herrschenden medizinischen Lehrmeinung stehe, sei die bei dem Kläger vorliegende Osteochondrosis dissecans als aseptische Knochennekrose auf jahrelange Überlastungen und nicht allein auf ein einmaliges Unfallereignis zurückzuführen. Bei den festgestellten Veränderungen beider Kniegelenke handele es sich also um Nichtschädigungsleiden, die einen Versorgungsanspruch nach dem BVG ausschließen würden. Sofern der Kläger die Auffassung vertrete, daß der Anerkennungsbescheid des Wehrbezirkskommandos E. vom 8. Juli 1986 für die Versorgungsverwaltung rechtsverbindlich sei, sei dies unzutreffend; entsprechende Regelungen seien im Einigungsvertrag vom 23. September 1990 weder für das BVG noch für das Soldatenversorgungsgesetz (SVG) getroffen worden.
Mit seiner am 13. November 1991 beim Sozialgericht Fulda eingegangenen Klage hat der Kläger sein Begehren auf eine Beschädigtenrente aufgrund der im Jahre 1976 im Rahmen seines Grundwehrdienstes bei der NVA erlittenen Knieverletzung weiterverfolgt. Das Sozialgericht hat zum Verfahren beigezogen die Unterlagen des Kreiskrankenhauses B. über ambulante und stationäre Behandlungen des Klägers seit dem 25. November 1985, Unterlagen des S. krankenhases, Landkreis N. eine medizinische Dokumentation von Dr. S. – sowie das Krankenblatt der medizinischen Akademie E. über eine ambulante Untersuchung des Klägers am 20. November 1976.
Mit Urteil vom 29. Januar 1993 hat das Sozialgericht Fulda die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Sozialgericht im wesentlichen ausgeführt, entgegen der Auffassung des Klägers sei es nicht zutreffend, daß der Beklagte an die Feststellung der Dienstbeschädigung im FDGB-Bescheid vom 8. Juli 1986 gebunden sei, denn die Bindungswirkung eines Verwaltungsaktes würde den Adressaten und die übrigen Beteiligten des Verfahrens betreffen, also die juristische Person, die den Verwaltungsakt erlassen habe. Die §§ 80 Satz 1 und 81 Abs. 1 SVG kämen als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers nicht in Betracht, da der Personenkreis, auf den das SVG Anwendung finde, begrenzt sei auf ehemalige Soldaten der Bundeswehr und ihre Hinterbliebenen, soweit im einzelnen nichts anderes bestimmt sei. Die nachfolgenden Vorschriften des SVG bestimmten im Hinblick auf die aus dem Wehrdienstverhältnis ausgeschiedenen Soldaten der ehemaligen NVA aber nichts anderes. Dies treffe auch auf die Regelungen des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31. August 1990 zu (Bundesgesetzblatt II/889 ff.). Mit der Rechtstellung der Soldaten der früheren NVA befasse sich Anlage I/Kapitel IXX/Sachgebiet Buchstabe b zum Einigungsvertrag, wonach das SVG keine Anwendung auf Soldaten findet, die aus einem Wehrdienstverhältnis der ehemaligen NVA ausgeschieden sind (Abschnitt III Nr. 5 b, S. 1146). Beschädigtenversorgung nach den Vorschriften des SVG würden nur Soldaten erhalten, die nach dem Wirksamwerden des Beitritts (Art. 1 Absatz 1 Satz 1 des Einigungsvertrages: 3. Oktober 1990) eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hätten (Abschnitt II/Ziff. 2/§ 6 Abs. 1 Satz 2 S. 1145). § 92 a SVG und die auf dieser Vorschrift beruhende Soldatenversorgungs-Übergangsverordnung vom 24. Juli 1991 (Bundesgesetzbl. I/1721) bestimmten den Personenkreis der Anspruchsberechtigten ebenso (§ 1 Abs. 2 Ziff. 1 der Verordnung). Das Sozialgericht hat weiter ausgeführt, auf das Recht der gesetzlichen Unfallversicherung lasse sich der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch des Klägers ebenfalls nicht stützen. Wäre der Unfall am 10. Oktober 1976 am Ort der Anmeldung des Anspruchs (Fulda) oder am Sitz der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung eingetreten, wäre das Verletzungsereignis ein "während der Ausübung des Wehrdienstes erlittener Unfall” (§ 81 Abs. 1 SVG) mit der Folge, daß der Versicherungsschutz nach dem 3. Buch der Reichsversicherungsordnung – RVO – entfalle (§ 5 Abs. 2 Fremdrentengesetz – FRG – in Verbindung mit § 541 Abs. 1 Ziff. 2 RVO). Die Auffassung des Beklagten – so das Sozialgericht – stehe in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 25. Oktober 1989 – 2 RU 40/86 –) und mit der Auffassung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (Rundschreiben vom 8. Oktober 1991, Bundesarbeitsblatt 1991, Nr. 12, S. 81), wonach als Rechtsgrundlage für eine Entschädigung bei der Ableistung des Grundwehrdienstes in der NVA die §§ 82 Abs. 2, 89 Abs. 1 BVG heranzuziehen seien. Als "Ausgleich” im Sinne von § 89 Abs. 1 BVG käme grundsätzlich auch eine Beschädigtengrundrente, die der Kläger beansprucht, in Betracht. Die Voraussetzungen für eine solche Grundrente seien indes nicht gegeben. Aus den vorliegenden Unterlagen gehe zwar hervor, daß der Kläger am 10. Oktober 1976 eine gesundheitliche Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG erlitten habe, indem er bei der Teilnahme als Wehrdienstleistender an einem Fußballspiel im Rahmen einer dienstlich organisierten Regimentsmeisterschaft einen Unfall mit einer gesundheitlichen Schädigung am linken Knie erlitten hat. Zwischen den gegenwärtig festzustellenden medizinischen Befunden am linken Kniegelenk und der gesundheitlichen Schädigung sei indes der vom Gesetz (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BVG) geforderte ursächliche Zusammenhang weder mit Sicherheit noch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festzustellen. Dies ergebe sich aus dem chirurgischen Gutachten des Versorgungsarztes Dr. L. vom 6. März 1991. Der Gutachter habe daraufhingewiesen, daß der Kläger nicht erst am 10. Oktober 1976, sondern schon vor Beginn der Wehrdienstleistung, nämlich im Jahre 1972, eine Verletzung des linken Kniegelenks beim Fußballspiel erlitten habe. Dieser Hinweis in dem Gutachten werde durch mehrere medizinische Unterlagen, die das Gericht beigezogen habe, belegt; u.a. nenne der Musterungsbefund vom 5. April 1974 unter der Unterschrift "eigene durchgemachte Erkrankungen” eine Punktion 1972 des linken Kniegelenks nach traumatischem Erguß. Aus den im gerichtlichen Verfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen würde ferner eine Verletzung des linken Kniegelenks nach Beendigung der Wehrdienstleistung am 16. August 1986 dokumentiert. So heiße es in dem ärztlichen Gutachten des Kreiskrankenhauses B. vom 8. April 1987, "am 16. August 1986 von einem Pkw angefahren; Patient fuhr auf dem Moped und fiel auf das linke Knie, Schienbein und Ellenbogen”. Dem Gutachter Dr. L. sei zu folgen, der dargelegt habe, das einmalige Unfallereignis am 10. Oktober 1976 könne deswegen nicht als wesentliche Ursache des jetzt bestehenden Krankheitsbildes angesehen werden, da bei dem Kläger die Erkrankung Osteochondrosis dissecans (Erweichung und Herauslösung eines Knochen- und Knorpelstücks aus einer Gelenkfläche mit Bildung eines freien Gelenkkörpers) bestehe, die in aller Regel nicht durch ein einmaliges traumatisches Ereignis, sondern durch häufig wiederkehrende Überbeanspruchung des Gelenks ursächlich hervorgerufen würde. Diese Auffassung des Gutachters würde im übrigen durch die von dem Gericht beigezogenen medizinischen Unterlagen bestätigt. Die Ambulanzkarte der medizinischen Akademie – Orthopädische Klinik – enthalte unter dem 26. November 1976 die Diagnose "Osteochondrosis dissecans links”. In dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses B. – Orthopädische Abteilung – vom 30. Dezember 1976 und in den Krankenblattaufzeichnungen des Orthopäden Dr. S. vorgelegt vom S. krankenhaus N. werde die operative Behandlung einer ulzerösen Veränderung des Knorpelgewebes der linken Patellagelenkfläche mit Ausbildung eines freien Gelenkkörpers geschildert. Die Beurteilung in dem Fachgutachten vom 6. März 1991 stehe auch in Übereinstimmung mit dem versorgungs- und unfallmedizinischen Schrifttum.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 30. März 1993 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat der Kläger die am 22. April 1993 beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangene Berufung eingelegt. Er ist weiterhin der Auffassung, daß ihm eine Beschädigtenrente nach den Vorschriften des BVG zusteht.
Der Senat hat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung zum Verfahren beigeladen (Beschluss vom 8. Juni 1998).
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 29. Januar 1993 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Mai 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1991 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des am 10. Oktober 1976 erlittenen Unfalls Beschädigtenrente nach einer MdE von 25 v.H. seit dem Monat der Antragstellung (1. April 1990) zu gewähren,
hilfsweise,
ihm unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen,
höchsthilfsweise,
die Beigeladene zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des am 10. Oktober 1976 erlittenen Unfalls dem Grunde nach Leistungen nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist weiterhin der Auffassung, bei den festgestellten Veränderungen am linken Kniegelenk handele es sich um Nichtschädigungsleiden, da die bei dem Kläger vorliegende Osteochondrosis dissecans als aseptische Knochennekrose auf jahrelange Überlastungen und nicht allein auf ein einmaliges Unfallereignis zurückzuführen sei. Dazu beruft sich der Beklagte insbesondere auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen im Berufungsverfahren durch Frau Dr. F. vom 12. April 1994 sowie vom 20. September 1994.
Die Beigeladene beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, sie sei für eine Entschädigung im vorliegenden Fall nicht zuständig und verneint im übrigen (wie der Beklagte) die Kausalität zwischen den nunmehr geltend gemachten Gesundheitsstörungen und der Schädigung.
Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung ein medizinisches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. W., Direktor der unfallchirurgischen-orthopädischen Klinik des Städtischen Klinikums F. vom 28. Februar 1994 mit einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 28. August 1994 eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten bzw. der ergänzenden Stellungnahme ausgeführt, bei dem Kläger liege eine posttraumatische Arthrose im Bereich des linken Kniegelenkes mit geringer Bewegungseinschränkung und leichter Muskelverschmächtigung im linken Oberschenkel vor. Als Ursache dieser Veränderung komme in erster Linie der Unfall vom 10. Oktober 1976 in Betracht. Die nach dem Unfall erfolgte zweimalige, blutige Punktion des linken Kniegelenkes spreche eindeutig für ein frisches, traumatisches Ereignis und somit für eine osteochondrale Fraktur im Bereich der Patellarrückfläche und gegen das Vorliegen einer Osteochondrosis dissecans. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei mit 20 v.H. einzuschätzen.
Zum Sach- und Streitstand im übrigen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte sowie die Beschädigtenakte des Beklagten (Grundlisten-Nr. XXXXX), die zum Verfahren beigezogen worden sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in der Sache verhandeln und entscheiden, obgleich die Beigeladene im Termin nicht anwesend bzw. vertreten war. Mit der Ladung sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, daß im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann sowie eine Entscheidung nach Aktenlage möglich ist (§§ 153 Abs. 1, 110 Abs. 1 S. 2, 126 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 2 SGG) und auch an sich statthaft (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG).
In der Sache ist die Berufung unbegründet. Das Sozialgericht Fulda hat die Klage mit Urteil vom 29. Januar 1993 zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 1991 ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) gegenüber dem Beklagten noch einen Anspruch auf Leistungen nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung gegenüber der Beigeladenen.
Das Sozialgericht (ebenso wie der Beklagte) ist dabei zu Recht davon ausgegangen, daß die Eingliederung des Klägers nach seiner Übersiedlung aus der früheren DDR in das Arbeits- und Sozialgefüge der Bundesrepublik Deutschland wegen der Folgen des in der DDR erlittenen Unfalls – für die der Kläger in der früheren DDR eine Unfallrente erhalten hat – (nur) durch Versorgung im Wege des Härteausgleichs nach § 82 Abs. 2 BVG in Verbindung mit § 89 Abs. 1 BVG erfolgen kann.
Die nach dem Recht der ehemaligen DDR von dem FDGB-Kreisvorstand gezahlte Unfallrente ist nicht von den Trägem der gesetzlichen Unfallversicherung – hier der Beigeladenen – zu übernehmen, da der Kläger sich am 18. Mai 1990 im (damaligen) Bundesgebiet gewöhnlich aufgehalten hat (s. zum Stichtag Art. 24 § 1 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 – Staatsvertragsgesetz) und sein Eingliederungsbegehren vor dem Inkrafttreten des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) am 1. Januar 1992 zu einer Zeit (im April 1990) geltend gemacht hat, als für Übersiedler aus der DDR noch uneingeschränkt Fremdrentenrecht galt (s. § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung – RVO –; BSG, Urteil vom 18. Juni 1996 – 9 RV 6/94 –).
Die Eingliederung des Klägers als ehemaligen NVA-Soldaten erfolgt vorliegend auch nicht über das Fremdrentengesetz (FRG) durch Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies ergibt sich – wie das Sozialgericht zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 2. Senats des Bundessozialgerichts (siehe u.a. BSG, Urteil vom 25. Oktober 1989 – 2 RU 40/86 –) ausgeführt hat – aus § 5 Abs. 2 FRG in Verbindung mit § 541 Abs. 1 Nr. 2 RVO in der Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963. Nach diesen Vorschriften ist das Konkurrenzverhältnis beim Zusammentreffen von Unfall- und Versorgungsansprüchen aus dem gleichen Sachverhalt dahingehend zu lösen, daß die Versorgung als Sondersystem gegenüber der Unfallversicherung vorrangig ist (s. auch BSG, Urteil vom 17. Oktober 1990 – 2 RU 63/89 –). Nach der Rechtsprechung des 2. und 9. Senates des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 25. Oktober 1989 – a.a.O. –; BSG, Urteile vom 18. Juni 1996 – a.a.O. – und vom 4. Februar 1998 – B 9v 6/96 R–), der sich der Senat anschließt, hat auch die Eingliederung von ehemaligen Angehörigen der NVA der ehemaligen DDR, die in Erfüllung gesetzlicher Wehrpflicht eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, – vorrangig – im sozialen Entschädigungsrecht zu erfolgen. In Übereinstimmung mit den einschlägigen Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit (siehe Rundschreiben des BMA vom 8. Oktober 1991, Bundesarbeitsblatt 1991, Nr. 12, S. 81) ist dieser Personenkreis im Wege des Härteausgleichs nach § 82 Abs. 2 BVG i.V.m. § 89 Abs. 1 BVG zu entschädigen, sofern dieser Personenkreis, wie der Kläger, vor dem Stichtag des 19. Mai 1990 in die damalige Bundesrepublik übergesiedelt ist und damit noch keine Ansprüche – auf Übernahme der in der ehemaligen DDR gezahlten Unfallrente – nach dem Einigungsvertrag geltend machen kann (siehe Anlage II, Kapitel I, Sachgebiet S, Abschnitt III, Nrn. 6, 8 des Einigungsvertrages i.V.m. § 20 Rentenangleichungsgesetz der ehemaligen DDR). Durch die Anwendung des § 82 Abs. 2 BVG, der sich nach dem Wortlaut nur auf den Personenkreis der Vertriebenen im Sinne des § 1 Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) bezieht, im Wege des Härteausgleichs auch auf den Personenkreis der Übersiedler – bis zum 19. Mai 1990 – wird dem rechtspolitischen Gedanken des § 82 Abs. 2 BVG Rechnung getragen, der allen Deutschen und deutschen Volkszugehörigen Versorgungsschutz einräumen wollte, die in Erfüllung gesetzlicher Wehrpflicht außerhalb des Geltungsbereichs des BVG eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben und die ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des BVG genommen hatten und die keinen zu verwirklichenden Anspruch aus der gleichen Ursache gegen das Land hatten, das die Dienstpflicht gefordert hatte (siehe Rundschreiben des BMA vom 8. Oktober 1991, a.a.O., Einleitende Ausführungen; BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 – a.a.O. –).
Der Beklagte hätte Verwaltungsermessen (§ 39 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – SGB I) entsprechend dem Zweck der Ermächtigung nach den §§ 82 Abs. 2, 89 Abs. 1 BVG in Verbindung mit dem Rundschreiben des BMA vom 8. Oktober 1991 nur dann ausüben müssen, wenn der Kläger eine Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG erlitten haben sollte (siehe auch BSG, Urteil vom 4. Februar 1998 – a.a.O. –). Nach dieser Vorschrift erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung, wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes oder durch die dem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat (§ 1 Abs. 1 BVG wie § 81 Abs. 1 SVG).
Wie oben schon ausgeführt, ereignete sich der Unfall des Klägers am 10. Oktober 1976 während der Ausübung des Wehrdienstes bei der NVA der früheren DDR und führte zu der gesundheitlichen Schädigung am linken Kniegelenk des Klägers in Form einer Distorsion mit nachfolgender Bewegungseinschränkung und schmerzhafter Anschwellung, wie sich aus dem ärztlichen Gutachten der NVA vom 12. Juni 1986 ergibt. Zutreffend hat das Sozialgericht indes das Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BVG verneint, da die aktuellen gesundheitlichen Befunde des Klägers nicht als Folge dieser Schädigung im Sinne des versorgungsrechtlich relevanten Kausalzusammenhangs anzuerkennen sind. Dabei genügt nach § 1 Abs. 3 BVG zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Schädigung die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 BVG liegt vor, wenn unter Berücksichtigung der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ursächlichen Zusammenhang spricht (siehe Verwaltungsvorschrift Nr. 9 zu § 1 BVG). Ursachen sind die Bedingungen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Haben mehrere Umstände zu einem Erfolg beigetragen, sind sie versorgungsrechtlich nur dann nebeneinander stehende Mitursachen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges annähernd gleichwertig sind. Kommt einem der Umstände gegenüber dem anderen eine überragende Bedeutung zu, ist dieser Umstand allein Ursache im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (vgl. Verwaltungsvorschrift Nr. 2 zu § 1 BVG).
Das Sozialgericht hat zu Recht unter ausführlicher Würdigung des versorgungsärztlichen Gutachtens von Dr. L. und den im Klageverfahren beigezogenen medizinischen Unterlagen, der Ambulanzkarte der medizinischen Akademie B. – Orthopädische Klinik – vom 26. November 1976, dem Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses B.– orthopädische Abteilung – vom 30. Dezember 1976 sowie den Krankenblattaufzeichnungen des Orthopäden Dr. S. (vorgelegt vom krankenhaus N., Befund vom 3. Dezember 1976 mit Auswertung einer Röntgenaufnahme vom 16. November 1976) festgestellte, daß das einmalige Unfallereignis am 10. Oktober 1976 nicht als wesentliche Ursache des aktuellen bestehenden Krankheitsbildes angesehen werden kann, da bei dem Kläger von dem Bestehen der Erkrankung "Osteochondrosis dissecans” (Erweichung und Herauslösung eines Knochen- und Knorpelstücks aus der Gelenkfläche mit Bildung eines freien Gelenkkörpers) auszugehen ist, die nach den Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft zu den aseptischen Knochennekrosen gehöre und in aller Regel nicht durch ein einmaliges traumatisches Ereignis, sondern durch häufig wiederkehrende Überbeanspruchung des Gelenks ursächlich hervorgerufen wird.
Auch die weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren ergeben nicht, daß die gegenwärtig im linken Kniegelenk bestehenden Befunde auf die am 10. Oktober 1976 erlittene Distorsion des linken Kniegelenkes zurückzuführen ist. Insbesondere vermochte das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. W. vom 28. Februar 1994 nicht zu überzeugen, das einen solchen Kausalzusammenhang bejaht. In dem Sachverständigengutachten sind die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren beigezogenen Behandlungsunterlagen des Klägers über Behandlungen vor dem Unfall vom 10. Oktober 1976 und unmittelbar nach dem Unfall nicht vollständig und richtig ausgewertet. Insbesondere stimmt die Behauptung des Gutachters nicht, der Kläger sei seit dem ersten Knieunfall bei einem privaten Fußballspiel im Jahre 1972 völlig beschwerdefrei gewesen. Zutreffend hat Frau Dr. F. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12. April 1994 bei der Auswertung des Gutachtens darauf hingewiesen, daß die in der Verwaltungsakte vorliegenden Befunde aufgrund der Musterung am 5. April 1974 als durchgemachte Erkrankung enthalten, "Punktion des linken Kniegelenkes und traumatischer Erguß 1972” sowie unter der Rubrik jetzige Beschwerden, "bei längerem Laufen Schmerzen im linken Knie”. In der Krankenblattakte der medizinischen Akademie E. findet sich unter dem Datum des 26. November 1978 zudem der Vermerk "seit 1971 Beschwerden am linken Knie, Patient sei häufig mit dem Knie umgeknickt”. Ein gleichartiger Hinweis findet sich bei der von dem S. krankenhaus Landkreis N. übersandten Dokumentation von Dr. S., in der unter dem Datum des 3. Dezember 1976 angegeben ist, "vor fünf Jahren auf eine Kante gesprungen, linkes Knie nach hinten durchgedrückt; seitdem Kniebeschwerden; er knicke beim Fußballspielen mit dem Knie häufig weg”. Bei den vom Kreiskrankenhaus B. – Orthopädische Abteilung – vom Sozialgericht beigezogenen Befundunterlagen findet sich unter dem Datum 25. November 1985 der Hinweis, "Patient war Fußballer, hatte wiederholt Beschwerden im linken Kniegelenk gehabt und ist trotzdem bei der Musterung als tauglich beurteilt worden”. Abgesehen davon, daß der Sachverständige Prof. Dr. W. die Schäden am Kniegelenk vor dem hier maßgeblichen Unfall im Oktober 1976 nicht gewürdigt hat, hat er die versorgungsärztliche Diagnose von Dr. , das Vorliegen einer Osteochondrosis dissecans am linken Knie, verneint, ohne dafür in seinem Gutachten und in der ergänzenden Stellungnahme vom 28. August 1994 schlüssige Gründe anzuführen. Wie das Sozialgericht schon zutreffend ausgeführt hat, spricht indessen für die Auffassung von Dr. L. von dem Vorliegen eines solchen anlagebedingten Leidens, daß sich die Diagnose "Osteochondrosis dissecans links” in mehreren Befunden findet, die zeitnah zu dem Unfallereignis und in Kenntnis dieses Ereignisses von medizinischen Fachärzten für Orthopädie erstellt worden sind. Frau Dr. F. hat in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20. September 1994 zu Recht argumentiert, daß der hier vorliegenden Diagnose des Kollegen, der 1976 das Kniegelenk offen zur Einsicht vorliegen hatte, und der mehrere (nicht nur einen) freie Gelenkkörper aus dem Kniegelenk entfernte und zusätzlich das typische Bild einer Chondropathia Patellae an der Rückseite der Kniescheibe beschrieb, größere Bedeutung zukommt als den heutigen, 20 Jahre später geäußerten Vermutungen über die Ursache der 1976 entfernten freien Gelenkkörper. Der Senat geht daher mit Dr. L. davon aus, daß wahrscheinlich nicht nur die in 1972 und 1976 belegten Traumatisierungen, sondern immer wiederkehrende Überbeanspruchungen bei früher jahrelangem Fußballspiel die Osteochondrosis dissecans des linken Kniegelenkes ausgelöst haben und daß das wehrdienstliche Ereignis aus dem Jahre 1976 nur als vorübergehende Verschlimmerung einzustufen ist und keine nachweisbaren Folgen hinterlassen hat. Jedenfalls spricht mehr gegen als für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den aktuellen Befunden des Klägers am linken Kniegelenk und dem Unfallereignis aus dem Jahre 1976. Die Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. W., daß ein direkter Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis vom 10. Oktober 1976 und dem aktuellen Körperschaden besteht, ist allenfalls möglich. Dies genügt indes nicht, um den ursächlichen Zusammenhang zwischen den Gesundheitsstörungen als Folge einer Schädigung zu bejahen, (s. dazu Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 6. März 1990 – L-4/5/V-1110/89 –).
Im übrigen käme aber die Bewilligung einer Grundrente, die der Kläger hier begehrt, selbst dann nicht in Betracht, wenn man dem Gutachten von Prof. Dr. W. folgt und einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den aktuellen Gesundheitsstörungen am linken Kniegelenk und der Schädigung im Jahre 1976 annimmt Nach § 31 Abs. 1 BVG erhalten Beschädigte eine monatliche Grundrente erst bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 v.H., wobei nach § 31 Abs. 2 BVG eine um 5 v.H. geringere Minderung der Erwerbsfähigkeit von den in der Vorschrift genannten Vom-Hundert-Sätzen mitumfaßt wird. Die bei dem Kläger aktuell am linken Kniegelenk bestehenden Gesundheitsstörungen bedingen indes nach den Feststellungen von Prof. Dr. W. (in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Dr. L. in dem versorgungsärztlichen Gutachten aus dem Jahre 1991) nur eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H.
Das Begehren des Klägers auf Bewilligung einer Beschädigtenrente läßt sich somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved