L 5 V 1145/79

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 1145/79
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 1979 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1962 geborene Kläger beantragte am 18. April 1978 die Feststellung seiner Behinderungen und der entsprechenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG). Nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen von Prof. Dr. E. U., Direktor der Chirurgischen Klinik des Krankenhauses N., F., vom 14. August 1978 sowie des ärztlichen Befundberichtes des Facharztes für Chirurgie Dr. med. C. J. vom 9. Oktober 1978 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 13. November 1978 bei dem Kläger folgende Behinderungen fest: Muskelminderung des linken Unterschenkels nach operativ behandeltem Unterschenkelbruch und bewertete den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) mit 25 v.H.

Hiergegen erhob der Kläger am 8. Dezember 1978 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage. Die Klage wurde von ihm jedoch trotz Erinnerung vom 13. März 1979 und 15. Mai 1979 nicht begründet.

Mit Urteil vom 28. September 1979 wies das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage als unzulässig ab. In den Entscheidungsgründen legte es dar, der Kläger habe nicht schlüssig vorgetragen, daß er durch den Bescheid des Beklagten vom 13. November 1978 beschwert sei. Im übrigen hielt es die Klage auch für unbegründet, denn die Behinderungen des Klägers seien mit einem Grad der MdE von 25 v.H. angemessen bewertet worden. Dies werde entscheidend bestätigt durch den Befundbericht des Facharztes für Chirurgie Dr. J. vom 28. September 1978. Ausdrücklich weist das Sozialgericht darauf hin, daß sich bei dem jugendlichen Kläger der Grad der MdE nicht aus der Einschränkung in Schule, Sport und Spiel ergebe, sondern nach der entsprechenden Beeinträchtigung Erwachsener mit gleicher Gesundheitsstörung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen sei. Ein Antrag des Klägers vom 28. September 1979 auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG wurde von dem erstinstanzlichen Gericht abgelehnt. Der Antrag sei aus grober Nachlässigkeit nicht früher gestellt worden und verzögere die Erledigung des Verfahrens erheblich.

Gegen dieses ihm am 11. Oktober 1979 zugestellte Urteil ist die Berufung beim Hessischen Landessozialgericht am 4. Oktober 1979 eingegangen. In der Berufungsbegründung macht der Kläger geltend, dem erstinstanzlichen Gericht seien sämtliche entscheidungserhebliche Informationen bekannt gewesen. Ausweislich der Akten des gerichtlichen und behördlichen Verfahrens hätten sowohl sein Antrag zur Feststellung der MdE vom 15. April 1978 als auch der ärztliche Befundbericht zu diesem Antrag sowie die Gutachten der behandelnden Ärzte vorgelegen. Nach diesen Gutachten hätte die Ausheilung der Unterschenkelfraktur einen derart unbefriedigenden Verlauf genommen, daß es jederzeit zu erneuten und starken Komplikationen kommen könne. Dies werde durch die Krankenberichte des N.-W.-Krankenhauses vom 21. Oktober 1976 und 24. Februar 1977 bewiesen, wonach er sich nach einem Bagatelltrauma einen erneuten Unterschenkel- und Plattenbruch zugezogen habe. Da eine abschließende Beurteilung des Falles ohne eine erneute Begutachtung nicht möglich sei, habe er den Antrag nach § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Anerbietung eines angemessenen Kostenvorschusses gestellt. Dieser Antrag sei zu Unrecht zurückgewiesen worden. Ihm könne weder Verschleppungsabsichten noch grobe Nachlässigkeit vorgeworfen werden.

Der Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG, einen entsprechenden Gutachter zu beauftragen, wurde von dem Kläger erneut gestellt. Der in diesem Zusammenhang von dem erkennenden Senat angeforderte Kostenvorschuß in Höhe von DM 500,– wurde vom Kläger jedoch trotz Erinnerung nicht gezahlt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 1979 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 13. November 1978 zu verurteilen, die bei ihm vorliegenden Behinderungen mit einer MdE von 75 v.H. zu bewerten.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, daß die vom Kläger begehrte MdE von 75 v.H. einem Oberschenkelverlust entspräche und der Unterschenkelbruch mit 25 v.H. nicht zu niedrig bewertet worden sei. Nach den Anhaltspunkten betrage die Höchst-MdE für einen Unterschenkelbruch 30 v.H. und dies auch nur, wenn er in Fehlstellung verheilt sei. Aus den vorliegenden Befundberichten ergebe sich jedoch, daß der Küntscher-Nagel schon im Februar 1978 entfernt wurde und sich erst nach langem Gehen und Stehen noch Beschwerden bemerkbar machten, mit deren weiterer Abnahme zu rechnen sei. Wenn der Kläger stattdessen mit erneuten Komplikationen rechne, so könnten solche möglichen künftigen Ereignisse lediglich im Rahmen eines Neufeststellungsantrages erfaßt werden.

Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Schwerbehindertenakten, welcher zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde, wird im einzelnen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG). Sie ist jedoch unbegründet. Nicht folgen konnte der erkennende Senat der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, daß die Klage unzulässig sei, weil der Kläger nicht behauptet habe, durch den Bescheid vom 13. November 1978 beschwert zu sein. Denn die Klage vom 8. Dezember 1978 gegen diesen Bescheid, mit der die Heraufsetzung der MdE auf mindestens 75 v.H. begehrt wird, zeigt, daß der Kläger seine Behinderungen, was die Höhe der MdE anbetrifft, als zu niedrig eingestuft sieht. Hierin liegt seiner Meinung nach eine Beeinträchtigung seiner Rechtsposition und die Rechtswidrigkeit des Beklagtenverhaltens. In dieser Situation ist davon auszugehen, daß der Kläger mit seinem Antrag im Verwaltungsverfahren nicht voll durchgedrungen ist. Er ist damit beschwert.

Zutreffend hat das Sozialgericht zur Überzeugung des Senats dagegen ausgeführt, daß die begehrte MdE um mindestens 75 v.H. einem Oberschenkelverlust entspricht und verglichen hiermit der Unterschenkelbruch mit 25 v.H. nicht zu niedrig bewertet wurde. Denn nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Begutachtung Behinderter nach dem Schwerbehindertengesetz – Ausgabe 1977 – beträgt die Höchst-MdE für einen in Fehlstellung verheilten Unterschenkelbruch 30 v.H. Eine solche Fehlstellung ist jedoch aufgrund des ärztlichen Befundberichtes des Facharztes für Chirurgie Dr. med. C. J. zu verneinen, denn dort wird ausgeführt, daß sich bei dem Kläger zwar eine Pseudoarthrose nach Bruch einer AO-Platte gebildet habe, die mit einem Küntscher-Nagel versorgt wurde, die Heilung der Unterschenkelfraktur jedoch einen guten Verlauf genommen hätte. Im Februar 1978 habe deshalb der Nagel entfernt werden können. Zwar klagt der Kläger noch über Schmerzen im linken Bein nach langem Stehen und Gehen, wie auch über Schmerzen im Unterschenkel und Fußgelenk. Dies reicht jedoch auch unter Berücksichtigung der bestehenden Muskelverschmächtigung nicht aus, von einem in Fehlstellung verheilten Unterschenkelbruch zu sprechen. Bei diesem medizinischen Sachverhalt sah sich der erkennende Senat auch nicht gedrängt, ein Gutachten von Amts wegen nach § 106 Abs. 3 Ziff. 5 SGG einzuholen. Die in diesem Zusammenhang von dem Kläger beantragte Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG konnte nicht erfolgen, weil es der Kläger trotz Erinnerung unterlassen hat, den hierzu erforderlichen Kostenvorschuß in Höhe von DM 500,– an die Staatskasse D. zu zahlen.

Im übrigen wird von dem erkennenden Senat darauf hingewiesen, daß der Kläger bei erneuten Komplikationen einen Neufeststellungsantrag stellen kann.

Für eine Zurückverweisung des Rechtsstreites an das Sozialgericht Frankfurt am Main bestand bei diesem Sachverhalt keine Veranlassung.

Aus den dargelegten Gründen war der Berufung der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG kam nach Lage des Falles nicht in Betracht.
Rechtskraft
Aus
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