L 5 V 513/73

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 513/73
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ergibt die Beweiswürdigung, daß die anerkannten Schädigungsfolgen und eine später schädigungsunabhängig aufgetretene Erkrankung gleichermaßen wesentliche Bedingungen für eine Selbsttötung gewesen sind, und Anlaß nur ihr Zusammenwirken war, dann ist sie Schädigungsfolge (In Anwendung der vom BSG neuerlich entwickelten Rechtsprechung zum Problem der Kausalität von sogenannten „Nachschäden”)
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. April 1973 aufgehoben.

Der Beklagte wird unter Aufhebung seines Bescheides vom 2. November 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1971 verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenrente ab Antragstellung zu gewähren.

Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Witwe des am 1920 geborenen und am 1. oder 2. Mai 1969 durch Strangulation freiwillig aus dem Leben geschiedenen G. U. (GU). Er hatte wegen "Verlust des rechten Unterschenkels, chronisch entzündliche Veränderungen im rechten Kniegelenk; Verkürzung des rechten Oberschenkels, Narben am rechten Oberschenkel, an der linken Schultergegend mit Bewegungsbehinderung im linken Schultergelenk, reizlose Narbe im Gesicht” als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) Rente nach einem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 v.H. erhalten (Umanerkennungsbescheid vom 16. Juli 1951). Vor seiner Schädigung und bis 1949 war er im elterlichen Betrieb als Landwirt tätig gewesen. Seit 1950 hatte er bei der Firma A. O. AG. in R. als Maschinenarbeiter in sitzender Tätigkeit in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden.

Zur Prüfung der Frage, ob die Selbsttötung mit dem anerkannten Kriegsleiden in ursächlichem Zusammenhang stehe, zog das Versorgungsamt D. die Akten der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht D. bei. Sie enthalten u.a. den Abschiedsbrief des GU, in dem es heißt, er ertrage dieses verpfuschte Leben nicht mehr. Die ferner eingeschaltete Versorgungsärztliche Untersuchungsstelle (VUSt) F. ermittelte bei Dr. S., der den Tod festgestellt hatte und bei dem Facharzt für innere Krankheiten Dr. St. als Hausarzt. Er teilte dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. am 29. Januar 1970 mit, GU habe seit 1958 gelegentlich in Behandlung gestanden, meist wegen Stumpfbeschwerden. 1961 hätten auch stenocardische Erscheinungen bestanden. Am 23. Dezember 1968 habe GU einen apoplektischen Insult mit einer linksseitigen Hemiparese erlitten, wegen dessen er zunächst im Kreiskrankenhaus G. behandelt und dann in der Neurochirurgischen Klinik M. untersucht worden sei. Es habe sich eine Stenose im Bereich der Arteria carotis interna gezeigt. Nach dem Schlaganfall habe er seine Situation pessimistisch beurteilt, besonders nach der vertrauensärztlichen Untersuchung, bei der ihm eröffnet worden sei, er könne mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit wohl nicht mehr rechnen. Deshalb habe er geglaubt, ein Leben in seinem Alter ohne Arbeit sei nicht mehr lebenswert. Mit dem Wort "verpfuschtes Leben” dürfte er seine Situation nach dem Schlaganfall gemeint haben. Die linksseitige Hemiparese habe sich zwar weitgehend zurückgebildet, doch sei ein Restzustand sowohl am linken Bein als auch am linken Arm noch nachweisbar gewesen. Da er rechte unterschenkelamputiert gewesen sei, dürfte die hinzugekommene Behinderung links sich zusätzlich ungünstig ausgewirkt haben. Er halte bei GU deshalb eine depressive Grundstimmung nach dem Schlaganfall für wahrscheinlich.

Unter Auswertung dieses Befundberichtes und Angaben der Klägerin über ihren Ehemann nahm Dr. H. in seinem Gutachten vom 8. April 1970 zusammenfassend dahin Stellung, daß der Selbstmord in einem Zustand subjektiver Ausweglosigkeit bei wesentlich beeinträchtigter freier Willensbestimmung begangen worden sei. Die anerkannten Schädigungsfolgen seien dafür wohl ohne wesentliche Bedeutung gewesen, da die Arbeitsunfähigkeit nicht hierdurch, sondern durch den schädigungsunabhängigen Schlaganfall bedingt gewesen sei.

Nachdem die Prüfärzte hiermit einverstanden gezeichnet hatten, lehnte das Versorgungsamt den von der Klägerin am 14. Mai 1969 gestellten Antrag auf Hinterbliebenenversorgung mit Bescheid vom 2. November 1970 ab.

Im Widerspruchsverfahren berief sich die Klägerin auf den Internisten Dr. St., der in einer ergänzenden Bescheinigung vom 1. Dezember 1970 angebe, bei ihrem Ehemann sei schon vor dem Schlaganfall eine depressive Stimmungslage vorhanden gewesen, die mit der erheblichen Behinderung durch das KB-Leiden in Verbindung gestanden habe oder dadurch sogar verursacht worden sei.

Diese Auffassung hielt der den Bescheid bestätigende Widerspruchsbescheid vom 24. August 1971 nicht für beweiskräftig.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt hat die Klägerin die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beantragt und den Direktor der Universitäts-Nervenklinik T., Prof. Dr. Sch., als Arzt ihres Vertrauens benannt. In ihrem Gutachten vom 26. Oktober 1972 haben Prof. Dr. L. und Dr. M. von der Direktion dieser Klinik in Vertretung des Prof. Dr. Sch. ausgeführt, sie seien zusammen mit Dr. St. und Dr. H. der Meinung, daß der wichtigste Grund für den Selbstmord des GU in dem Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit zu sehen sei. Wenn von einer depressiven Stimmungslage schon vor dem Schlaganfall berichtet werde, könne man annehmen, daß diese Ereignis einen Vorgeschädigten getroffen habe, der solange in seelisch labilem Gleichgewicht habe durchhalten können, wie er im Beruf seinen Mann habe stehen und für seine Familie sorgen können. Die radikale Durchführung des Selbstmordes weise darauf hin, daß er keine sogenannte Kurzschlußhandlung auf Grund einer plötzlichen Verstimmung, sondern geplant und ohne Tendenz vorbereitet gewesen sei. Der Hinweis auf das verpfuschte Leben im Abschiedsbrief mache wahrscheinlich, daß GU nicht nur einen kurzen Abschnitt eines halben Jahres nach dem Schlaganfall, sondern sein ganzes bewußt gelebtes Leben mit den Mühen und Schwierigkeiten bei dem Aufbau einer Existenz nach dem Kriege eines durch Beinamputation behinderten Mannes gemeint habe. Sie hielten hiernach die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen KB-Leiden und Suicid im Sinne einer Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung als Folge der Kriegsbeschädigung für gegeben. Die anerkannten Schädigungsfolgen seien mit einer MdE von 60 v.H. zutreffend bewertet gewesen.

Dieser Auffassung hat sich Dr. H. in seiner nervenfachärztlichen Äußerung vom 27. November 1972 nicht angeschlossen, sondern auf die besonders beeindruckende Situation nach dem Schlaganfall hingewiesen. Dieser könne als Nachschaden aber nicht mitberücksichtigt werden.

Mit Urteil vom 13. April 1973 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, nach den Aktenunterlagen und insbesondere unter Berücksichtigung des Berichtes des Hausarztes Dr. Steber vom Januar 1970 könne unter keinem Gesichtspunkt davon ausgegangen werden, daß die anerkannten Schädigungsfolgen eine wesentliche Rolle bei der Selbsttötung gespielt hätten oder Anlaß dafür gewesen seien, daß sich GU bei seiner Tat in einem Zustand wesentlich beeinträchtigender freier Willensbestimmung befunden habe.

Gegen dieses Urteil, das der Klägerin am 9. Mai 1973 zugestellt worden ist, richtet sich ihr am 21. Mai 1973 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen unter Hinweis auf das vom Sozialgericht zu Unrecht nicht ausführlich genug gewürdigte Gutachten der Universitäts-Nervenklinik T ...

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 13. April 1973 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 2. November 1970 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1971 zu verurteilen, Hinterbliebenenrente als Rechtsanspruch ab 1. Juni 1969 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat schriftliche Antragen an den Internisten Dr. Steber gerichtet, die dieser mit Schreiben vom 19. Juni und 1. Juli 1974 beantwortet hat. Auf ihren Inhalt wird verwiesen.

Die Versorgungs- und Witwenakten des Versorgungsamts Darmstadt mit den Archiv-Nummern und haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG). In der Sache hatte sie Erfolg.

Der Senat hält den Bescheid vom 2. November 1970 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheides für nicht vereinbar mit dem geltenden Recht. Der gegenteiligen Auffassung des Vordergerichts vermochte er sich nicht anzuschließen.

Rechtsgrundlage ist § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG, wonach die Witwe eines Beschädigten Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat, wenn er an den Folgen einer Schädigung gestorben ist. Da GU durch Selbsttötung aus dem Leben geschieden ist, kommt ferner noch die Vorschrift des § 1 Abs. 4 BVG zum Zuge. Hiernach gilt eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung nicht als Schädigung im Sinne dieses Gesetzes. Gemäß Nr. 10 der Verwaltungsvorschriften (VV) zu dieser Bestimmung ist eine Schädigung nur dann absichtlich herbeigeführt, wenn sie von dem Beschädigten erstrebt war. Die Selbsttötung ist jedoch nicht als absichtlich herbeigeführte Schädigung anzusehen, wenn eine Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung durch Tatbestände im Sinne des § 1 BVG wahrscheinlich ist (VV Nr. 11). Eine solche Beeinträchtigung schaltet die Absicht im Sinne des § 1 Abs. 4 BVGaus, obwohl der Wille zur Selbsttötung grundsätzlich vom freien Entschluß des Täters getragen wird.

Schon das frühere Reichsversorgungsgericht (Entscheidungssammlung Bd. 1 S. 66) hatte sich mit dem Fragenkomplex des Selbstmordes von Soldaten in bezug auf die Kausalkette zu befassen gehabt. Nach dem 2. Weltkrieg sind eine Anzahl von Urteilen aus der zweiten Instanz der Sozialgerichtsbarkeit und des Bundessozialgerichts (BSG) veröffentlicht worden (vgl. beispielhaft Breithaupt 1960 S. 145; Sozialgerichtsbarkeit 1965 S. 60 Nr. 26). In ihnen ist zu Recht stets ausgeführt worden, wesentlich dafür, ob die Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung durch Tatbestände des § 1 oder aber durch außerhalb dieser Vorschrift liegende Tatbestände herbeigeführt worden sei, sei das Vorhandensein des Kausalzusammenhangs zwischen dem jeweiligen Tatbestand und der Gesundheitsschädigung, welche die Selbsttötung zur Folge gehabt hätte. Dieser ursächliche Zusammenhang kann nach der Kausallehre des Versorgungsrechts nur bejaht werden, wenn ein schädigungsbedingter Tatbestand als wesentliche Bedingung mitgewirkt hat. Wesentlich bedeutet dabei, daß die Bedingung zumindest annähernd gleichwertig mitgewirkt haben muß. Umgekehrt ausgedrückt dürfen versorgungsfremde Umstände ihrerseits keine Veranlassung gegeben haben, den Verlust der freien Willensbestimmung vollständig herbeizuführen oder deren wesentliche Beeinträchtigung überwiegend eintreten zu lassen.

Wenn diese Gedanken auf den vorliegenden Fall übertragen werden, dann ist mithin zunächst nach dem schädigungsbedingten Tatbestand zu fragen. Er wird durch die anerkannten Schädigungsfolgen ausgefüllt, wobei nach Auffassung des Senats ohne wesentliche Bedeutung ist, daß sich das Selbstmordgeschehen in weitem zeitlichen Abstand von der Kriegsverwundung abgespielt hat. Das berührt § 1 Abs. 1 als gesetzliche Grundvoraussetzung nicht, sondern kann nur Bedeutung haben für die Abwägung der Wesentlichkeit aller in Betracht kommenden Kausalitätskomponenten.

Hieran anknüpfend ist das Gericht der Überzeugung, daß GU am 1. oder 2. Mai 1969 wegen der anerkannten Schädigungsfolgen allein keine Selbsttötung begangen hätte. Die Ausführungen des Nervenarztes Dr. H. sind in diesem Punkt völlig überzeugend. Weder hatte GU in der Zeit zuvor Anträge nach § 62 Abs. 1 BVG wegen Verschlimmerung seiner Kriegsverletzungen gestellt gehabt noch geht aus der Bescheinigung des Dr. St. vom 29. Januar 1970 etwas über besonders schmerzhafte Zustände hervor. GU hatte sich seit 1958 wegen Stumpfbeschwerden nur gelegentlich in dessen Behandlung befunden. Seine seelische Stimmungslage war durch die Amputation nach glaubhafter Schilderung der Klägerin zwar in Mitleidenschaft gezogen. Er wirkte noch verschlossener und ernster als es seiner Wesensart vor dem Kriege entsprochen hatte. Doch muß mit Dr. H. und auch mit den Ärzten der Universitäts-Nervenklinik T. davon ausgegangen werden, daß aus der Kriegsverwundung resultierende seelische Depression kompensiert gewesen waren und wahrscheinlich geblieben wären, wenn am 23. Dezember 1968 nicht der Schlaganfall mit seinen Folgen gekommen wäre. Dadurch war ein Ereignis eingetreten, welches das Leben von GU unerwartet und auf nicht absehbare Zeit zum Schlimmen hin verändert hat. Dieses Geschehnis ist als Ursache für die Selbsttötung am 1. oder 2. Mai 1969 nicht hinwegzudenken. Das realistische Erkennen der Tatsache, Frühinvalide geworden zu sein, muß für GU bei seiner Wesensart ein besonderer Schock gewesen sein. Hierauf haben der Hausarzt Dr. St., der Neurologe Dr. H. sowie Prof. Dr. L. und Dr. M. von der T. Universitätsklinik übereinstimmend und völlig überzeugend hingewiesen.

Dem Gefäßleiden vom Dezember 1968 vermochte der Senat aber andererseits die Bedeutung im Sinne des Setzens einer alleinigen oder überragenden wesentlichen Bedingung für die Kausalfrage nicht beizumessen. Das erkennende Gericht ist davon überzeugt, daß der Selbstmord seinetwegen zum geschehenen Zeitpunkt ebenfalls nicht begangen worden wäre. Die von sämtlichen Ärzten bestätigte seelische Depression mit der Folge des Ausschlusses der freien Willensbestimmung ist lediglich durch das Zusammentreffen der anerkannten Schädigungsfolgen mit dem Schlaganfallgeschehen erklärbar. Das hat rechtlich die Konsequenz, nach der Gleichwertigkeit der Bestimmungen forschen zu müssen. Hierbei war der Senat ebenso wie das Vordergericht und der Beklagte auf die aktenkundigen Fakten, dabei insbesondere auf den Abschiedsbrief und die Angaben der Klägerin über GU angewiesen. Überdies war die Auffassung der Ärzte beweiswürdigend abzuwägen, soweit das medizinische Sachgebiet berührt ist.

Bei dieser Prüfung kann nicht daran vorbeigegangen werden, daß GU vor allem nach der vertrauensärztlichen Nachuntersuchung im April 1969 gegrübelt und darunter gelitten hatte, daß er als rechtsseitig Unterschenkelamputierter mit noch weiteren wesentlichen Schädigungsfolgen an der rechten Körperseite nun gerade linksseitig von einem Schlaganfall getroffen war. Anders ist sein Ausspruch nicht zu deuten, er habe sein Bein ab und jetzt müsse ihm das noch passieren. Offenbar war ihm aus seiner Sicht deutlich geworden, daß die Lähmung der bislang weitgehend gesunden linken Seite ein Krüppeldasein verursacht hatte. So erklärt sich auch der Hinweis auf sein verpfuschtes Leben im Abschiedsbrief. Hierzu haben sich Prof. Dr. L. und Dr. M. auf Seiten 9 und 10 ihres Gutachtens vom 26. Oktober 1972 überzeugend ausgelassen. Dieser Schock des "Nutzlosseins” wird auslösendes Moment für die Selbsttötung gewesen sein. Er konnte bei der seelischen Grundhaltung von GU aber nur durch das unglückselige Verzahnen von Schädigungsfolge und Schlaganfall entstehen, so daß beim Selbstmordgeschehen weder die erstere noch der letztere wegzudenken ist. Damit überwiegt entgegen der Meinung des Beklagten und des Vordergerichts aber tatsächlich keine Bedingung. Wenn für die Genese der Depression, welche im Suicid gipfelte, nach Auffassung der T. Universitätsärzte richtigerweise auch ein multifaktorielles Geschehen anzunehmen sein wird – Dr. St. sagt in seiner Auskunft vom 19. Juni 1974 dasselbe – und wichtigster Faktor der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gewesen sein wird, so wurde diese gerade durch das Zusammenwirken von schädigungsbedingten und nichtschädigungsbedingten Umständen herbeigeführt. Hinzu kam ferner, worauf Dr. H. in seiner Stellungnahme vom 27. November 1972 auf Seiten 4 und 5 zutreffend hingewiesen hat, daß sich die anerkannten Schädigungsfolgen nach dem Schlaganfall wesentlich stärker im körperlichen und auch im psychischen Bereich ausgewirkt haben werden. Diese völlig berechtigte Annahme zwingt gleichfalls dazu, zusammen mit Dr. Steber den Schädigungsfolgen eine zumindest annähernd gleichwertige Bedingung zuzubilligen. Das genügt aber, um von einer wesentlichen Bedingung im Sinne der versorgungsrechtlichen Kausallehre zu sprechen.

Daß der Schlaganfall mit seinen Folgen ein sogenannter "Nachschaden” war, steht diesem vom Senat gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Die Rechtsprechung des BSG zur Nachschadensfrage in Fällen des § 30 Abs. 2 BVG, des Berufsschadensrechts sowie bei der Pflegezulage und dem Kleiderverschleiß (vgl. beispielhaft die Entscheidung des BSG vom 29. November 1973 Az.: 10 RV 617/72 und die dort zitierten weiteren Entscheidungen) läßt es nunmehr zu, Nachschäden auch bei der Frage zu berücksichtigen, inwieweit sie in Verbindung mit anerkannten Schädigungsfolgen zum Auftreten einer Depression mit Suicid geführt haben. Das ist nur konsequent, ohne der Rechtsauffassung des BSG in irgendeinem Punkt entgegenzustehen. So wie nach der Entscheidung des BSG a.a.O. die MdE auch dann nach § 30 Abs. 2 BVG höher zu bewerten ist, wenn der Beschädigte erst durch das Zusammenwirken von Schädigungsfolgen mit später aufgetretenen schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen in seinem Beruf besonders betroffen ist und hierfür die Schädigungsfolgen Ursache im Sinne der im Versorgungsrecht geltenden Kausaltheorie sind, so ist hier die Selbsttötung wegen des Zusammenwirkens der anerkannten Schädigungsfolgen mit den Schlaganfallsfolgen vorgenommen worden. Beide sind gleichwertige Bedingungen im Rechtssinne.

Nach alledem war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG, wie geschehen, zu entscheiden.
Rechtskraft
Aus
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