L 3 U 1172/95

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1/17 U 1088/92
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1172/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. September 1995 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Stützrente für die bei ihm vorliegende Berufskrankheit (BK) "Lärmschwerhörigkeit”. Streitig ist, wie hoch die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des bei dem Kläger als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz anerkannten Kriegsleidens zu bewerten ist.

Wegen einer im Februar 1945 erlittenen Granatsplitterverwundung beantragte der Kläger erstmals im Jahr 1969 die Gewährung einer Beschädigtenversorgung. Aufgrund eines von Dr. am 23. Juli 1970 erstellten Gutachtens stellte das Versorgungsamt durch Bescheid vom 6. Oktober 1970 als Schädigungsfolgen "Weichteilstecksplitter im rechten Unterschenkel und eine Narbe am rechten Unterschenkel mit Blutumlaufstörungen” fest. Die MdE schätzte Dr. in seinem Gutachten auf unter 10 v.H.

In einem von dem Chirurgen Dr. am 13. Dezember 1977 erstellten Gutachten gelangte dieser zu dem Ergebnis, die von Dr. im Bereich des rechten Unterschenkels beschriebene Venenerweiterung im Bereich der Narbe habe sich verschlimmert. Die MdE sei nun mit 10 v.H. zu bewerten. Als Schädigungsfolgen wurden durch Bescheid vom 11. Januar 1978 anerkannt: "Weichteilstecksplitter im rechten Unterschenkel mit Splitternarbe, narbenbedingte venöse Blutumlaufstörung des rechten Unterschenkels, mäßige Muskelverschmächtigung.”

Nachdem bei dem Kläger im Krankenhaus im August 1982 ein Stecksplitter im Bereich des rechten Oberschenkels entfernt worden war, erstellte die Ärztin unter dem 15. Dezember 1982 ein versorgungsamtsärztliches Gutachten. Entsprechend dem daraus resultierenden versorgungsamtsärztlichen Vorschlag wurde durch Bescheid vom 14. Januar 1983 eine wesentliche Verschlimmerung der Schädigungsfolgen verneint. Die Schädigungsfolgen wurden neu bezeichnet: "Reizlose Narbe am rechten Oberschenkel nach Splitterentfernung, Weichteilstecksplitter im rechten Unterschenkel mit Splitternarbe, narbenbedingte venöse Blutumlaufstörungen des rechten Unterschenkels, mäßige Muskelverschmächtigung”.

Weitere versorgungsamtsärztliche Gutachten wurden aufgrund eines Verschlimmerungsantrags des Klägers am 3. Juni 1985 – Medizinalrätin z. A. – und am 25. März 1992 – Medizinaldirektorin Dr. – erstellt. In beiden Gutachten wurde sowohl eine Verschlimmerung der anerkannten Schädigungsfolgen als auch das Hinzutreten von neu anzuerkennenden Schädigungsfolgen verneint.

Der Kläger beantragte im Januar 1987 bei der Beklagten die Anerkennung der BK "Lärmschwerhörigkeit”. Die Beklagte lehnte zunächst mit Bescheid vom 25. Juli 1991 die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als BK ab. Nachdem im Widerspruchsverfahren ein weiteres hno-ärztliches Gutachten von Prof. Dr. , Uni-Klinik , erstattet worden war, erkannte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 17. September 1992 eine "Lärmschwerhörigkeit” als BK an, lehnte jedoch die Gewährung einer Verletztenrente ab, weil die MdE nur 10 v.H. betrage.

Der Kläger hat hiergegen am 29. September 1992 beim Sozialgericht Gießen (SG) Klage erhoben und zunächst die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. begehrt.

Das SG hat von Amts wegen von dem Medizinaldirektor Dr. , F., ein hno-ärztliches Gutachten eingeholt. Dieser schätzte die MdE infolge Lärmschwerhörigkeit ebenfalls auf 10 v.H. und wies auf einen möglicherweise bestehenden Stützrententatbestand wegen der bei dem Kläger nach dem Bundesversorgungsgesetz anerkannter Schädigungsfolgen hin. Nachdem das SG die Schwerbehindertenakte und Beschädigtenakte des Klägers beigezogen hatte, ließ es von Dr. -Klinik in am 20. April 1995 ein angiologisches Gutachten erstellen und in der mündlichen Verhandlung am 19. September 1995 erläutern.

Dr. diagnostizierte bei dem Kläger reizlose Narbenverhältnisse und ausgeprägte Krampfaderkonvolute im Bereich des rechten Beines mehr als links, vor allem im Kniegelenksbereich und am oberen und mittleren Unterschenkel, im Bereich der Vorderseite, der lateralen Seite und der Hinterseite mit Besenreiserausbildung. Er gelangte zu dem Ergebnis, die Krampfaderbildung, vor allem im Bereich des rechten Beines, kniegelenksnah und im Bereich des rechten Unterschenkels mit Ausbildung von Besenreisern seien nicht mit Wahrscheinlichkeit mittel- oder unmittelbar im Sinne der Entstehung oder der Verschlimmerung durch die anerkannten Schädigungsfolgen bedingt. Für die zunehmende Ausprägung von retikulären, netzartigen Varizen und Besenreiservarizen seien eher eine gewisse genetische Disposition, der früher über Jahrzehnte ausgeübte stehende Beruf, die Knick-Senk-Spreizfüße sowie die Cox- und Gonarthrose mit hieraus resultierender relativer Immobilität verantwortlich zu machen. Die vorgefundenen Zeichen einer peripheren arteriellen Verschlußkrankheit Stadium II b seien wahrscheinlich auf die anamnestisch bekannten Risikofaktoren (inhalierendes Zigarettenrauchen, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus) zurückzuführen. Die Schädigungsfolgen hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Zusammenhang mit den von dem Kläger geklagten Beschwerden bezüglich der vorhandenen retikulären Variköse und den Besenreiservarizen im Bereich der rechten unteren Extremität.

In der mündlichen Verhandlung erklärte der Sachverständige, nicht alle venösen Blutumlaufstörungen des Klägers am rechten Bein seien auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen, ein Teil sei genetisch bedingt. Der genetisch bedingte Teil sei seines Erachtens der erheblichere. Inwieweit die Vorgutachter des Versorgungsamtes ebenso differenziert hätten, vermöge er nicht zu erkennen. Die geringen Blutumlaufstörungen seien für die MdE-Einschätzung ohne Einfluß. Maßgebend für die Beurteilung der MdE seien die verbliebenen Narben, Splitter und die Muskelverschmächtigung. Schätzungsgrundlage für seine Beurteilung der MdE mit 10 v.H. seien die vorliegenden Gutachten gewesen und seine ärztliche Erfahrung, die die bisherige Einschätzung der Vorgutachter bestätigt habe.

Das SG hat durch Urteil vom 19. September 1995 die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 25. Juli 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1992 verurteilt, dem Kläger eine Verletztenrente nach einer MdE von 10 v.H. ab 1. Januar 1987 zu gewähren. Das SG hat sich in den Entscheidungsgründen bei der Bewertung der MdE für die Schädigungsfolgen der Beurteilung des Dr. und den versorgungsamtsärztlichen Gutachten angeschlossen.

Gegen das ihr laut Empfangsbekenntnis am 17. Oktober 1995 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. November 1995 am 6. November 1995 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, die als Schädigungsfolgen bei dem Kläger verbliebenen Narben, Splitter und die Muskelverschmächtigung könnten nicht mit einer MdE von 10 v.H. bewertet werden. In der gesetzlichen Unfallversicherung bedingten Narben und Splitter keine meßbare MdE. Sie seien im vorliegenden Fall auch nicht Ursache der bestehenden Muskelverschmächtigung. Diese beruhe vielmehr auf anderen Gesundheitsstörungen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 19. September 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, die Beklagte sei an die Feststellungen des Versorgungsamtes gebunden. Dies gelte sowohl für die festgestellten Schädigungsfolgen als auch für die Höhe der MdE, die versorgungsamtsärztlicherseits mit 10 v.H. bewertet worden seien.

Der Senat hat von Amts wegen von Dr. Gemeinschaftspraxis in der Klinik ein angiologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Dr. hat bei dem Kläger oberflächliche Krampfadern im Bereich beider Beine, rechts mehr als links, ohne Zeichen einer funktionellen venösen Insuffizienz diagnostiziert. Des weiteren hat er mitgeteilt, es bestehe kein Hinweis auf eine abgelaufene Thrombose oder einen postthrombotischen Venenschaden. Die Hinweise auf früher abgelaufene Venenentzündungen der oberflächlichen kleinen Rosenkranzvene, der Vena saphena parva rechts, seien ohne klinische Bedeutung. Ferner bestehe bei dem Kläger eine geringgradige arterielle Verschlußkrankheit der Beine beidseits.

Die Seitenastkrampfaderbildung am rechten Bein sei, nur insofern es sich um den Beginn der Krampfaderbildung im rechten Unterschenkel in der Nähe der Narben handele, auf die aktenkundige Kriegseinwirkung zurückzuführen. Dies betreffe ausdrücklich nur einen sehr geringen Teil der am rechten Bein sichtbaren Krampfadern. Ein sehr stark überwiegender Anteil der Krampfadern am rechten Bein sowie die Krampfadern am linken Bein seien jedoch anlagebedingt und nicht als Kriegsfolge zu werten. Ebenso anlagebedingt seien die arteriellen Durchblutungsstörungen vor allem der Halsschlagadern, wobei die Risikofaktoren Übergewicht und Diabetes mellitus hier eine Rolle spielten. Die Seitenastkrampfaderbildung am rechten Bein bedinge keine Funktionsbeeinträchtigung, welcher Art auch immer. Die MdE für diese geringfügigen venösen Umlaufstörungen regionaler Art am rechten Unterschenkel seien mit 0 v.H. zu bewerten. Die Schädigungsfolgen infolge Kriegseinwirkungen bedingten keine MdE von 10 v.H., sie seien mit einer MdE von unter 10 v.H. zu bewerten. Die bei dem Kläger infolge der Schädigung eingetretenen venösen Umlaufstörungen stellten ebenso wie die als Schädigungsfolge anerkannten Narben eine Abweichung vom Gesundheitszustand ohne funktionelle Bedeutung dar.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des SG war aufzuheben, weil die Voraussetzungen des § 581 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht gegeben sind. Der vorliegende Fall ist weiterhin nach den Vorschriften der RVO zu beurteilen, weil der Versicherungsfall nicht nach dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs, 7. Teil (SGB 7), d.h. nach dem 31. Dezember 1996, eingetreten ist und Ausnahmetatbestände hier nicht vorliegen.

Nach § 581 Abs. 3 RVO ist einem Verletzten auch dann eine Verletztenrente zu gewähren, wenn die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge mehrerer Arbeitsunfälle gemindert ist und die Hundertsätze der durch die einzelnen Arbeitsunfälle verursachten Minderung zusammen wenigstens die Zahl 20 erreichen. Die Folgen eines Arbeitsunfalles sind jedoch nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Als Arbeitsunfall gilt nach § 551 Abs. 1 RVO ferner eine BK. Den Arbeitsunfällen stehen im Rahmen des § 581 Abs. 3 RVO auch gleich Unfälle oder Entschädigungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Diese Gleichstellung bezieht sich nur auf die Frage der MdE und nicht auf die Frage der Entschädigung durch den Unfallversicherungsträger, d.h. der Unfallversicherungsträger hat die aus den Schädigungsfolgen im Sinne des BVG erwachsende MdE nicht mit zu entschädigen. Es muß aber festgestellt werden, daß im Augenblick der Entscheidung über die Gewährung der Rente aus dem Arbeitsunfall die Erwerbsfähigkeit tatsächlich noch durch die Folgen einer Beschädigung um wenigstens 10 v.H. gemindert ist (vgl. Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, Bd. 2, 3. Auflage, Stand 1. Januar 1996, § 581 Anm. 18). Im Falle des Klägers hat die Versorgungsbehörde durch Verwaltungsakt lediglich die Schädigungsfolgen festgestellt. Über die Höhe der daraus resultierenden MdE wurden im Bescheid vom 14. Januar 1983 keine Feststellungen getroffen, so daß diesbezüglich kein Verwaltungsakt vorliegt, der eine Bindungswirkung entfalten könnte. An die versorgungsamtsärztliche Einschätzung der Höhe der MdE des Klägers infolge der Schädigungsfolgen ist die Beklagte nicht gebunden. Die Beklagte ist deshalb nicht daran gehindert, im Rahmen der Rentengewährung nach § 581 Abs. 3 RVO hinsichtlich der zu berücksichtigenden Kriegsbeschädigung die unfallversicherungsrechtlichen Maßstäbe bei der Ermittlung des Grades der MdE zugrunde zu legen (vgl. Lauterbach/Watermann, a.a.O., § 581 Anm. 20 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Nach Überzeugung des Senats kann die MdE infolge der bei dem Kläger anerkannten Schädigungsfolgen nicht mit mindestens 10 v.H. bewertet werden.

Nach den ärztlichen Feststellungen sind bei dem Kläger durch die Granatsplitterverletzung zwei Narben, eine am Oberschenkel nach Splitterentfernung und eine am Unterschenkel mit noch vorhandenem Weichteilstecksplitter, von maximal 2 cm Länge bzw. Durchmesser verursacht worden. Diese Narben werden sowohl in den versorgungsamtsärztlichen als auch in den angiologischen Gutachten als reizlos beschrieben. Die Medizinaldirektorin Dr. stellt in ihrem Gutachten vom 25. März 1992 fest, im Bereich des rechten Unterschenkels bestehe eine markstückgroße, reizlose, mit der Unterlage nicht verbackene Granatsplitternarbe. Im Narbenbereich sei eine Stecknadelkopfgroße Verhärtung zu tasten. Eine weitere reizlose, 2 cm lange Narbe stellte Frau Dr. im Bereich des rechten seitlichen Oberschenkels nach Granatsplitterentfernung fest. Frau Dr. gelangte zu dem Ergebnis, daß die Granatsplitterverletzung zu keinen funktionellen Störungen geführt hat, weil es sich nicht um eine knöcherne, sondern lediglich um eine Weichteilverletzung gehandelt habe. Deswegen sei es von vornherein ausgeschlossen gewesen, daß diese Verletzung eine nennenswerte Auswirkung auf die anliegenden Gelenke gehabt haben könnte. Die Granatsplitterverletzung könne deshalb auch nicht eine nennenswerte Gangstörung, statischer oder dynamischer Art, verursacht haben, die sich auf die Wirbelsäule des Klägers habe auswirken können. Die bei dem Kläger festzustellenden Veränderungen am rechten Knie- und Hüftgelenk sowie im Bereich der Lendenwirbelsäule seien deshalb konstitutionell bedingt. Zu diesem Ergebnis gelangte auch die Vorgutachterin in ihrem Gutachten vom 15. Dezember 1982. Auch der den Kläger im Jahre 1970 untersuchende Dr. hielt in seinem Gutachten vom 23. Juli 1970 fest, die reizlose Narbe an der Außenseite des rechten Unterschenkels verursache keine Funktionsstörung. Dies gelte auch für den röntgenologisch etwa in der Mitte des rechten Unterschenkels in den Weichteilen seitlich feststellbarem Stecksplitter. Da die Narben infolge der Granatsplitterverletzung klein und reizlos sind, keine funktionellen Beeinträchtigungen oder Schmerzen verursachen und auch durch ihren Sitz im Bereich des rechten Beines keine entstellende Wirkung entfalten, resultiert daraus keine meßbare MdE. Der Umstand, daß sich noch ein Granatsplitter als Fremdkörper im rechten Unterschenkel des Klägers befindet, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn Fremdkörper beeinträchtigen die Funktion nicht, wenn sie – wie hier – im Muskel reaktionslos eingeheilt sind und durch ihre Lage keinen ungünstigen Einfluß auf Gelenke, Nerven oder Gefäße ausüben (so die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz, 1996, S. 135).

Auch in Anbetracht der am rechten Bein des Klägers vorhandenen Krampfadern mit Besenreiserausbildung ist es nicht gerechtfertigt, die MdE des Klägers wegen der Schädigungsfolgen mit mindestens 10 v.H. zu bewerten.

Bei dem Kläger bestehen nach übereinstimmender Diagnose des Dr. und Dr. oberflächliche Krampfadern an beiden Beinen, rechts mehr als links, ohne Zeichen einer venösen Insuffizienz und ohne Hinweis auf eine abgelaufene Thrombose oder einen postthrombotischen Venenschaden. Zwar bestehen Hinweise auf früher abgelaufene Venenentzündungen der oberflächlichen kleinen Rosenkranzvene, der Vena saphena parva. Dies ist jedoch laut Dr. klinisch ohne Bedeutung. Die bei dem Kläger bestehenden venösen Blutumlaufstörungen betreffen nicht die tiefen Venen, denn es liegt nur eine oberflächliche Venenerweiterung vor. Diese Krampfadern verursachen insgesamt bei dem Kläger keine wesentlichen Funktionsstörungen. In den versorgungsamtsärztlichen Gutachten wurde das Bestehen von Ödemen in jedem Falle verneint. Auch andere Stauungssymptome in Form einer starken Venenfüllung wurden ärztlicherseits nicht beschrieben. Solche Symptome konnten auch während der angiologischen Untersuchungen nicht festgestellt werden. Im sozialen Entschädigungsrecht werden ein- oder beidseitig bestehende Krampfadern, mit geringem belastungsabhängigem Ödem, nicht ulzerösen Hautveränderungen und ohne wesentliche Stauungsbeschwerden mit einer MdE von 0 bis 10 v.H. bewertet (vgl. Anhaltspunkte, a.a.O., S. 91). Hier ist bei Beurteilung der MdE von maßgeblicher Bedeutung, daß die bei dem Kläger im Bereich des rechten Beines vorhandenen Krampfadern mit Besenreiserbildung nicht insgesamt als Schädigungsfolge zu beurteilen sind. Sowohl Frau Dr. , als auch Dr. und Dr. sind der Auffassung, daß die Krampfaderbildung bei dem Kläger überwiegend konstitutionell bedingt ist. Dr. führt überzeugend aus, daß lediglich die im Laufe der Jahre nach der Verwundung im Bereich der Haut in der Umgebung der Unterschenkelnarbe aufgetretene örtliche Venenstörung verletzungsbedingt ist. Danach hat sich das anlagebedingte Krampfaderleiden später am rechten und linken Bein ausgebildet, ohne daß die ursprünglich im Bereich der Narbe entstandenen Krampfadern stärker ausgebildet worden sind. Vielmehr hat sich ein Krampfaderleiden entwickelt, bei dem die narbenfernen Krampfadern deutlich überwiegen. Da folglich bei dem Kläger nur ein geringer Teil der am rechten Bein vorhandenen Krampfadern, und zwar nur im Bereich der Narbe, auf die Granatsplitterverletzung zurückzuführen ist, können die Granatsplitternarben und die mit der Narbenbildung am rechten Unterschenkel im Zusammenhang stehenden venösen Blutumlaufstörungen insgesamt keinesfalls mit einer MdE von 10 v.H. bewertet werden. Dies hat Dr. in seinem Gutachten für den Senat überzeugend dargelegt.

Die von Dr. vertretene Auffassung konnte hingegen den Senat nicht überzeugen. Auch Dr. ist wie Dr. der Auffassung, daß die geringe Blutumlaufstörung im Bereich der Unterschenkelnarbe bei Beurteilung der MdE ohne Relevanz ist. Seine Einschätzung der MdE in der mündlichen Verhandlung vor dem SG begründete Dr. lediglich mit dem Hinweis auf "die verbliebenen Narben, Splitter und die Muskelverschmächtigung, die versorgungsamtsärztlichen Gutachten und seine ärztliche Erfahrung”. Dr. lehnt sich erkennbar ohne nähere Eigenprüfung an die versorgungsamtsärztliche Beurteilung an. Aber in diesen Gutachten wird die MdE von 10 v.H. nicht ausreichend und überzeugend begründet. Der den Kläger im Jahre 1970 untersuchende Dr. diagnostizierte bereits eine oberflächliche Venenerweiterung, die sich in der Nähe der Narbe im Bereich des rechten Unterschenkels entwickelt hatte. Dr. führte diese in Narbennähe befindliche Krampfaderbildung auf die Narbenverhältnisse zurück und gelangte zu der Auffassung, daß dadurch keine wesentlichen Funktionsstörungen am rechten Bein verursacht werde. Der den Kläger im Jahre 1977 untersuchende Chirurg Dr. nimmt auf diese von Dr. beschriebenen Venenerweiterungen im Narbenbereich des rechten Unterschenkels Bezug und vermerkt, diese hätten sich jetzt verschlimmert und ergäben eine MdE von 10 v.H. Inwieweit Dr. zwischen genetisch bedingten venösen Blutumlaufstörungen und den Verletzungsfolgen differenziert hat, läßt sein Gutachten nicht erkennen. Dies räumt auch Dr. ein, der in der mündlichen Verhandlung vor dem SG angegeben hat, er vermöge nicht zu erkennen, inwieweit die Vorgutachter des Versorgungsamtes zwischen genetisch bedingten und durch die Schädigungsfolgen bedingten venösen Blutumlaufstörungen differenziert hätten.

Da folglich hinsichtlich der von dem Versorgungsamt durch Bescheid vom 14. Januar 1983 anerkannten Schädigungsfolgen die Voraussetzung des § 581 Abs. 3 RVO nicht vorliegen, hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Stützrente seitens der Beklagten wegen der bei ihm vorliegenden Lärmschwerhörigkeit. Das Urteil des SG war deshalb auf die Berufung der Beklagten aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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