L 3 U 810/74

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 810/74
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg/Lahn vom 6. August 1974 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des der vorläufigen Verletztenrente und der Dauerrente zugrunde zu legenden Jahresarbeitsverdienstes – JAV –.

Der 1937 geborene Kläger übernahm von seinem am 1. April 1961 verstorbenen Vater C. S. nach den Feststellungen der Beklagten Ende 1953/Anfang 1954 neben eines landwirtschaftlichen Betrieb ein Lohnfuhrwerksunternehmen. Die Beklagte erklärte am 4. Februar 1954 dem Vater des Klägers und der im Berufungsverfahren beigeladenen Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen gegenüber, dass sie das Lohnfuhrwerksunternehmen als Nebenbetrieb des landwirtschaftlichen Hauptbetriebes mitversichere. Dies teilte die Beigeladene dem Vater des Klägers am 10. März 1954 nochmals mit. Ausserdem hieß es in dieser Mitteilung, dass er für den Fall einer fehlenden Unternehmerpflichtversicherung bei der Beklagten sich freiwillig selbst versichern könne. Eine Änderung des Versicherungsverhältnisses erfolgte nach dem Tode des Vaters des Klägers bis zum 1. Januar 1974 nicht.

Am 6. Oktober 1971 erlitt der Kläger in seinem Lohnfuhrwerksunternehmen beim Aufladen von Holzstämmen verschiedene Brüche am linken Bein, für die die Beklagte mit Bescheid vom 8. November 1972 eine vorläufige Verletztenrente für die Zeit vom 17. April bis zum 14. August 1972 nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit – MdE – um 40 v.H. und ab 15. August 1972 um 30 v.H. feststellte. Den JAV setzte sie gemäss §§ 780, 781 Reichsversicherungsordnung – RVO n.F. – nach einem Durchschnittssatz von 6.120,– DM fest.

Gegen diesen am gleichen Tage an ihn mit Einschreiben abgesandten Bescheid hat der Kläger bei dem Sozialgericht Marburg – SG – am 16. November 1972 Klage erhoben und hauptsächlich geltend gemacht: Der JAV sei zu niedrig bemessen. Die Beklagte hätte nicht den für landwirtschaftliche Unternehmen geltenden Durchschnittssatz sondern sein tatsächlich erzieltes Einkommen aus dem Lohnfuhrwerksunternehmen ansetzen müssen. Dieses belaufe sich auf 18.000,– DM und stelle die Haupterwerbsquelle seiner Einkünfte dar. Das Einkommen aus dem landwirtschaftlichen Betriebsteil sei demgegenüber als unwesentlich anzusehen. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 17. September 1973 erstmalig die Dauerrente nach einem Grad der MdE um 30 v.H. bei gleicher Höhe des JAV festgestellt und darauf hingewiesen, dass zum Zeitpunkt des Arbeitsunfalls in der bei ihr bestehenden Versicherung des Gesamtunternehmens keine Änderung eingetreten sei. Es sei, da der Kläger auch keine Veränderungsanzeige erstattet habe, daher bei der Entschädigung der nach §§ 780, 781 RVO festgesetzte Durchschnitts-JAV anzuwenden.

Mit Urteil vom 6. August 1974 hat das SG die Klage abgewiesen und den Rechtsstandpunkt der Beklagten geteilt. Das SG hat die Rechtsmittelbelehrung dahin erteilt, dass das Urteil, das keine Entscheidung zur Berufungszulässigkeit enthält, mit der Berufung angefochten werden könne.

Gegen dieses an ihn am 13. August 1974 mit Einschreiben abgesandte Urteil hat der Kläger am 29. August 1974 Berufung eingelegt.

Im Berufungsverfahren ist die Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen gem. § 75 Abs. 2 SGG beigeladen worden.

Der Kläger trägt zur Begründung der Berufung ergänzend vor: Er müsse so gestellt werden, als sei er mit seinen Unternehmensteilen bei zwei Versicherungsträgern, nämlich mit der Landwirtschaft bei der Beklagten und mit dem Lohnfuhrwerksunternehmen bei der Beigeladenen versichert. Dies folge aus dem Gedanken der den beteiligten Versicherungsträgern ihm gegenüber obliegenden Fürsorgepflicht und des Vertrauensschützes. Insoweit bestehe ein Schadensersatzanspruch. Weder die Beklagte noch die Beigeladene hätten 1953 bzw. 1954 seinen Vater darüber belehrt, dass durch die Versicherung beider Unternehmensteile als Gesamtunternehmen bei der Beklagten wegen Anwendung der regelmässig niedriger liegenden Durchschnitts-JAV gegenüber dem tatsächlichen Einkommen im Schadensfalle auch eine geringere Verletztenrente gewährt werde. In Kenntnis dieser Folge hätten sein Vater und später er selbst die Einzelversicherung der Unternehmensteile früher betrieben.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 6. August 1974 aufzuheben sowie die Bescheide vom 8. November 1972 und vom 17. September 1973 abzuändern und die Beklagte,
hilfsweise
die Beigeladene ab 1. Januar 1974 zu verurteilen, ihm die Verletztenrente ab 17. April 1972 unter Zugrundelegung eines JAV von 18.000,– DM zu gewähren.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen übereinstimmend,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die Gründe des angefochtenen Urteils für zutreffend und sehen keine Berechtigung für einen Schadensersatzanspruch, da der festgestellte JAV von 6.120,– DM – ab 1. März 1973 mit 7.200,– DM – der gesetzlichen Lage entspreche.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall-, Betriebs- und Streitakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Die Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG).

Sie betrifft sowohl die mit Bescheid vom 8. November 1972 gewährte vorläufige Verletztenrente als auch die mit Bescheid vom 17. September 1973 erfolgte Feststellung der Dauerrente. Dieser Bescheid ist gemäss § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens im ersten Rechtszuge geworden und im Berufungsverfahren uneingeschränkt überprüfbar, da ein Berufungsausschliessungsgrund gemäss §§ 144, 145 SGG nicht vorliegt. Hingegen ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – die Berufung bezüglich der vorläufigen Verletztenrente gemäss § 145 Nr. 3 SGG unzulässig, und zwar auch dann, wenn allein Streitgegenstand die Berechnung des JAV ist (vgl. BSG, Urt. v. 31.1.1961 – 2 RU 100/59 – in SozR Nr. 8 zu § 145 SGG; 29.4.1970 – 2 RU 204/68 – in Breith. 1970, 893; 11.10.1973 – 8/2 RU 196/72 –). Danach soll es sich bei dem Zusammentreffen von vorläufiger und Dauerrente um selbständige prozessuale Ansprüche handeln, so dass die Zulässigkeit der Berufung für jeden dieser Ansprüche gesondert zu prüfen sei. Für den vorliegenden Fall tritt der erkennende Senat dieser Auffassung nicht bei. Der Begriff Anspruch im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG ist ausschliesslich in dem allgemeinen prozessualen Sinn als das Begehren einer Prozesspartei zu verstehen, die Rechtsfolgen eines materiell-rechtlichen Tatbestandes durch Urteil auszusprechen (vgl. BSGE 4, 206). Der Kläger begehrt ab 17. April 1972 und auch für die Zukunft eine höhere Verletztenrente, ohne zwischen vorläufiger und Dauerrente zu differenzieren. Da sich somit die Rentengewährung insgesamt im Streit befindet, ohne dass es auf eine Aufteilung in vorläufige und Dauerrente ankommt, handelt es sich hier um einen einheitlichen prozessualen Anspruch. Der Berufungsausschliessungsgrund des § 145 Nr. 3 SGG hat nur den Sinn, sogenannte Bagatellstreitigkeiten von der Berufungsinstanz fernzuhalten, was z.B. dann der Fall ist, wenn sich lediglich eine vorläufige Rente im Streit befindet. Ist aber gleichzeitig über die Dauerrente zu entscheiden, so handelt es sich insgesamt um einen erheblichen Rentenstreit, der den Ausschluss der Berufung für einen Teil dieses Streites nach dem Sinngehalt des § 145 Nr. 3 SGG nicht rechtfertigt. Die – eng auszulegenden – Vorschriften des SGG über die Berufungsausschliessungsgründe enthalten im übrigen keine Bestimmung darüber, dass beim Zusammentreffen einer zulässigen Berufung mit einer an sich unzulässigen Berufung diese nicht mitgeprüft werden darf (vgl. auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, I S. 250 d I–III). Die gegenteilige Ansicht übersieht, dass zwischen vorläufigen Renten und Dauerrenten erhebliche Gemeinsamkeiten bestehen. So wird jede vorläufige Rente, die nicht innerhalb der ersten zwei Jahre nach dem Unfall als Dauerrente festgestellt worden ist, kraft Gesetzes mit Beginn des dritten Jahres nach dem Unfall Dauerrente. Wird die Dauerrente durch Bescheid festgestellt, so ist der Versicherungsträger an die im Bescheid über die vorläufige Rente anerkannten Unfallfolgen ebenso gebunden, wie z.B. hinsichtlich der Fragen, ob ein Arbeitsunfall vorliegt oder der Verletzte dem versicherten Personenkreis angehört. Dies gilt auch für die Feststellung des JAV. Bei der Verneinung der Frage, ob Hinterbliebenenleistungen einen einheitlichen prozessualen Anspruch darstellen, hatte das BSG aber gerade als massgebend angesehen, dass die Einzelleistungen (z.B. Rente, Sterbegeld, Übergangsgeld) nicht das gleiche rechtliche Schicksal teilen, d.h. dass zunächst ein Arbeitsunfall für die Gewährung des Sterbegeldes bejaht, bei der Entscheidung über die Hinterbliebenenrente aber abgelehnt werden darf (vgl. BSG, Urt. v. 12.3.1974, 2 RU 289/73 – in Breith. 1974, 1001); jetzt auch der 8. Senat mit Urteil vom 19.8.1975 – 8 RU 188/74).

Ähnlich verhält es sich bei dem vom BSG am 4. März und 13. November 1958 (9 RV 126/55 in E 7, 35 und 8 RV 193/56 in E 8, 228) sowie am 27. August 1969 (2 RU 195/66 in E 30, 64) entschiedenen Fällen. Dort waren einzelne, selbständige Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz (Beschädigtenrente und Pflegegeld) bzw. nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung (Erhöhung der Teilrente auf die Vollrente nach § 587 RVO) streitig. Demgegenüber bestehen zwischen den vorläufigen Renten und den Dauerrenten wesentliche Gemeinsamkeiten, welche die Annahme eines einheitlichen prozessualen Anspruchs rechtfertigen (vgl. Hess. LSG Urt. v. 4.9.1974, L-3/U-1202/73).

Die hiernach insgesamt zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht, wie vom Kläger begehrt, aufgehoben werden. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass die angefochtenen Bescheide rechtens ergangen sind.

Zunächst ist festzustellen, dass das Unternehmen des Klägers, das aus einem Lohnfuhrwerks- und einem landwirtschaftlichen Betrieb besteht, nach den 1953 und 1954 gemachten Angaben seines früheren Inhabers, des Vaters, und der getroffenen Feststellungen der beteiligten Versicherungsträger als Gesamtunternehmen bei der Beklagten versichert war. Das Lohnfuhrwerksunternehmen wurde dabei als Nebenbetrieb der Landwirtschaft angesehen und in entsprechender Weise der Beitrag von der Beklagten veranlagt. Diese Regelung des Versicherungsverhältnisses entsprach damals der Gesetzeslage (§§ 918, 919, 920 RVO a.F. = § 779 RVO n.F.). Ausweislich der Betriebsakten hatte der Vater des Klägers am 10. Dezember 1953 beim Bürgermeister von B. und der Beklagten gegenüber schriftlich am 16. März und 8. April 1954 darauf hingewiesen, dass seine Haupterwerbsquelle der landwirtschaftliche Teil seines Unternehmens darstelle und das Lohnfuhrwerksunternehmen in den letzten Jahren eher zurückgegangen sei. Die Beklagte und die Beigeladene teilten daher folgerichtig mit, dass es sich um ein landwirtschaftliches Gesamtunternehmen handele. In diesem Versicherungsverhältnis änderte sich nach dem Tode des Vaters des Klägers am 1. April 1961 zunächst nichts. Vielmehr übernahm dieser das Unternehmen nach den gegebenen Verhältnissen (§§ 962, 649, 633, 650, 958, 965 RVO a.F. = §§ 792, 658, 659 RVO n.F.) mit der Folge, dass der JAV im Leistungsfalle nach den von dem bei der Beklagten gebildeten Ausschuß festgesetzten Durchschnittssätzen festzustellen war (§§ 932, 933 RVO a.F. = §§ 780, 781 n.F.). Hierbei kam es nicht darauf an, in welchem Teil des Gesamtunternehmens sich der Arbeitsunfall ereignete (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 3 zu § 780 RVO). Eine förmliche Änderung trat erst mit Wirkung vom 1. Januar 1974 ein, nachdem die Beklagte am 31. August 1973 das Lohnfuhrwerk wegen Änderung der Betriebsverhältnisse an die Beigeladene überwiesen hatte (§ 797 RVO in Verb. mit §§ 667 Abs. 1, 668 Abs. 1 RVO). Hieraus folgt aber, dass ohne Rücksicht auf die tatsächlichen betrieblichen Verhältnisse für die Entschädigung des am 6. Oktober 1971 erlittenen Arbeitsunfalls der JAV nach §§ 780, 781 RVO festzustellen war (vgl. Lauterbach a.a.O.), d.h., die Beklagte diesen zutreffend ab 17. April 1972 mit 6.12,– DM und ab 1. März 1973 mit 7.200,– DM angenommen hat (vgl. die Beschlüsse des bei der Beklagten gebildeten Ausschusses vom 2. Dezember 1970 und vom 16.1.1973 in Staatsanzeiger für das Land Hessen 1971, 134 und 1973, 470).

Wenn der Haupterwerb des Klägers schon am Unfalltag oder längere Zeit davor bereits im Fuhrunternehmen gelegen haben sollte, so vermag dieser Umstand nicht zu einer höheren JAV-Feststellung zu führen. Massgeblich ist allein, dass am Unfalltag auch für das Fuhrunternehmen die Versicherung nur im Rahmen des früheren Gesamtunternehmens formalrechtlich bei der Beklagten begründet war. Diese Formalversicherung kann nach Eintritt des Arbeitsunfalles nicht rückwirkend beendet werden. Der verletzte Unternehmer hat in einem solchen Falle auch nicht das Recht, eine etwaige andere sachlich zuständige Berufsgenossenschaft – hier die Beigeladene – in Anspruch zu nehmen (BSG, Urt. v. 26.6.1973 – 8/7 RU 34/71 in E 36, 71 mit Hinweis auf RVA 1915, 322; 1916, 610; Brackmann a.a.O., Band II, 515, Lauterbach a.a.O., Anm. 9 zu § 664 RVO und Anm. 7 a Abs. 3 und § 543 RVO; Ur. v. 28.11.1961 – 2 RU 36/58 – in E 15, 282; 27.7.1972 – 2 RU 193/68 – in E 34, 230; 30.10.1974 – 2 RU 42/73 –).

Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf die Entscheidungen des BSG vom 21. März 1974 (8 RU 81/73 in Breithaupt 1975, 191) und vom 14. November 1974 (8 RU 216/73 in Breithaupt 1975, 635). Die dort entwickelten Grundsätze kommen hier schon deshalb nicht zum Zuge, weil das Gesamtunternehmen des Klägers am Unfalltag – jedenfalls formalrechtlich – allein als landwirtschaftliches Unternehmen bei der Beklagten versichert war. Das Einkommen aus dem Lohnfuhrwerksunternehmen kann daher auch nicht über die §§ 571, 577 RVO berücksichtigt werden. Zwar gilt nach § 571 als Jahresarbeitsverdienst das Einkommen des Verletzten im Jahre vor dem Arbeitsunfall, zu dem bei mehrfach bestehenden Arbeitsverhältnissen nicht nur das Arbeitseinkommen im Unfallbetrieb sondern auch das in den anderen Unternehmen erzielte Arbeitsentgelt gehört. Nach § 577 RVO ist der JAV nach billigem Ermessen festzustellen, wenn der nach § 571 RVO berechnete JAV in erheblichem Maß unbillig ist. Diese Vorschriften finden hier aber keine Anwendung. Die spezielleren Bestimmungen nach dem Recht der landwirtschaftlichen Unfallversicherung, von denen der Kläger am Unfalltag als bei der Beklagten auf Grund einer bestehenden Formalversicherung versicherter Unternehmer erfasst wurde, gehen denen über die Berechnung des JAV der gewerblichen Arbeitnehmer und Unternehmer vor (vgl. Lauterbach a.a.O. unter Hinweis auf den Bericht des sozialpolitischen Ausschusses Bundestagsdrucksache IV/938). Der Kläger hat dies zudem selbst zu vertreten, da er seiner gesetzlichen Verpflichtung, die Änderung der betrieblichen Verhältnisse binnen Monatsfrist anzuzeigen, nicht rechtzeitig nachgekommen ist (§§ 797, 666 RVO i.V. mit § 40 der Satzung der Beklagten).

Aber auch die vom Kläger sonst vorgebrachten Gesichtspunkte vermögen ihm nicht zu einem höheren JAV zu verhelfen. Sein Hinweis, er besitze wegen eines bestehenden Vertrauensschutzes gegenüber den beteiligten Versicherungsträgern und einer von diesen verletzten Fürsorgepflicht einen Schadenersatzanspruch, so dass er so zu stellen sei, wie er stünde, wenn er bzw. sein Vater von Anfang an mit dem Lohnfuhrwerksunternehmen bei der Beigeladenen versichert gewesen wären, kann keinen Erfolg haben. Zunächst bejaht der Senat insoweit die Zulässigkeit des zu ihm beschrittenen Rechtsweges (§ 51 Abs. 1 SGG), da es sich bei diesem erhobenen Schadenersatzanspruch um einen solchen öffentlich-rechtlicher Natur aus dem Gebiet der Sozialversicherung handelt. Das ist immer dann der Fall, wenn das zwischen den Beteiligten bestehende Rechtsverhältnis durch gegenseitige Rechte und Pflichten aus Rechtsnormen des öffentlichen Rechtes gekennzeichnet wird, in Sozialversicherungsgesetzen seine materiell-rechtliche Grundlage hat und damit von der Sozialversicherung sein Gepräge erhält. Daraus ergibt sich, dass eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit dann vorliegt, wenn um die Begründetheit eines Anspruches gestritten wird, der auf einen Rechtssatz öffentlichen Rechts gestützt wird oder wenn ein Recht streitig ist, das unter Berufung auf eine Norm des öffentlichen Rechts in Anspruch genommen, aus einer solchen Norm hergeleitet wird. Ob es sich um einen vermögensrechtlichen oder nicht vermögensrechtlichen Anspruch handelt, ist für die Charakterisierung der Streitigkeit ohne Bedeutung (vgl. BSG, Urt. v. 23.11.1971 – 7/2 RU 106/69 – E 33, 209 mit Hinweis auf BSG E 1, 174; 2, 23; 3, 180; 25, 235; 31, 16; BVerwGE 7, 257; DÖV 1965, 670; BGHZ 14, 222; 29, 187; 34, 349; 37, 160; Zeihe, Das Sozialgerichtsgesetz, Anm. 3 A zu § 51 SGG). Die angefochtenen Bescheide haben ihre Grundlage zwar nicht, wie der Kläger meint, in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag, sondern beruhen auf der durch die Eröffnung des Unternehmens gesetzlich begründeten Mitgliedschaft zur Beklagten (§§ 915, 743 RVO a.F. = §§ 776, 656, 659 n.F.). Aus dieser zwangsweisen Mitgliedschaft entstehen unter den Beteiligten Rechte und Pflichten, die sich im Verhältnis der Beklagten zum Kläger als Fürsorgepflicht, umgekehrt als Vertrauensschutz darstellen und öffentlich-rechtlicher Natur sind. Eine Mißachtung des Vertrauensschutzes bzw. eine Verletzung der der Beklagten dem Kläger gegenüber obliegenden Fürsorgepflicht liegt aber nicht vor. Wie bereits oben ausgeführt, entsprach die 1953, 1954 vorgenommene Gesamtversicherung durch die Beklagte der vom Vater des Klägers betriebenen Unternehmen der Gesetzeslage. Tatsächliche Änderungen im Umfang und Verhältnis der Betriebsstelle zueinander hätten von diesem oder vom Kläger selbst angezeigt werden müssen. Beide haben dies bis zur Klageerhebung in diesem Verfahren unterlassen und statt dessen als "Wohltat” die niedrigere Beitragspflicht des landwirtschaftlichen Gesamtunternehmens jahrelang in Kauf genommen. Es ist sogar der Hinweis der Beigeladenen, dass eine freiwillige Zusatzversicherung möglich sei (vgl. §§ 61–65 der Satzung der Beklagten) unbeachtet geblieben. Die Folgen dieser Unterlassung können nicht der Beklagten aufgebürdet werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, obwohl er in der Frage der Berufungszulässigkeit bei Streit über die vorläufige Verletztenrente von der Rechtsprechung des BSG abgewichen ist (§ 160 SGG). Hierdurch ist keiner der Beteiligten beschwert.
Rechtskraft
Aus
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