Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 1243/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Sind vom Einkommen abhängige Versorgungsbezüge vorläufig festgesetzt worden, dann dürfen sie bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen unter Beachtung des § 197 BGB zurückgefordert werden, ohne daß der Grundsatz von Treu und Glauben verletzt oder der Anspruch verwirkt ist.
2) Eine auf Seiten des Empfängers vorhandene Schlechtgläubigkeit wandelt sich begrifflich durch Zeitablauf nicht in Gutgläubigkeit um.
2) Eine auf Seiten des Empfängers vorhandene Schlechtgläubigkeit wandelt sich begrifflich durch Zeitablauf nicht in Gutgläubigkeit um.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. November 1969 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1915 geborene Kläger erhält durch Neufestellungsbescheid vom 18. März 1958 wegen "Verlust des li. Lungenunterlappens bei chronischer Bronchitis” als Schädigungsfolge nach den Bundesversorgungsgesetz (BVG) Versorgung nach einem medizinischen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 v.H., der unter Berücksichtigung seines beruflichen Betroffenseins auf 90 v.H. erhöht worden ist. Gleichzeitig wurde mit diesem Bescheid die Ausgleichsrente neu festgestellt, da sich sein Arbeitseinkommen seit Erlaß des vorhergehenden Bescheides vom 17. Oktober 1956 wesentlich erhöht hatte, ohne daß diese Tatsache mitgeteilt worden war. Aus diesem Grunde erfolgte eine Rückforderung, die in Raten durch Kürzung der laufenden Rente um monatlich 30,– DM zu tilgen war.
Am 11. August 1959 setzte das Versorgungsamt Darmstadt im Anschluß an den Bescheid vom 18. März 1958 die unter Vorbehalt gezahlten Versorgungsbezüge ab 1. August 1957 bis einschließlich Dezember 1958 nach abschließender Überprüfung des klägerischen Einkommens als Maschinenarbeiter bei der Firma O. AG endgültig fest. Für 1959 erfolgte ferner die Festsetzung in Höhe von monatlich 120,– DM Grundrente und 21,– DM Ausgleichsrente vorbehaltlich einer Nachprüfung des zu erwartenden Jahresdurchschnittseinkommens, wobei ein formularmäßiger Hinweis auf die Anzeigepflicht bei Änderungen der Einkommensverhältnisse vorgenommen wurde. Mit Schreiben vom 23. und 26. Februar 1960 wurde der Kläger an den Einkommensnachweis für 1959 in Form der Ausfüllung übersandter Fragebogen und einer einzureichenden Verdienstbescheinigung erinnert. Eine Bescheinigung dieser Art ab 5. Juli 1957 bis Dezember 1959 stellte die Firma O. AG am 4. März 1960 aus. Eine weitere für die Zeit ab 21. Dezember 1958 bis 30. Juli 1960 ging am 1. September 1960 beim Versorgungsamt ein. Im Februar 1961 beantragte der Kläger die Durchführung einer Badekur, worauf seine Akten dem ärztlichen Dienst überstellt wurden. Nach Absolvierung derselben im Juli/August 1961 gab er auf einen am 16. November 1961 bei der Versorgungsverwaltung eingegangenen Formblatt sein Einkommen ab 1. Juni 1960 ohne Beifügung einer Verdienstbescheinigung an, die von der Firma O. AG am 7. November 1961 unmittelbar übersandt wurde und den Zeitraum ab 31. Juli 1960 bis 21. Oktober 1961 umfaßte. Nach Überprüfung machte das Versorgungsamt den Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 1962 darauf aufmerksam, daß sich sein Einkommen ab 1. Januar 1959 wesentlich erhöht habe, so daß Ausgleichsrente nicht mehr zustehen werde. Deren Zahlung in Höhe von monatlich 21,– DM werde deshalb Ende Januar 1963 vorsorglich eingestellt. Ein abschließender Bescheid werde erteilt werden.
Am 24. Juni 1963 erließ es diesen endgültigen Neufeststellungsbescheid ab 1. Januar 1959 bis 31. Mai 1960 und errechnete eine Überzahlung von 357,– DM. Durch Rentenänderungsbescheid vom 25. Juni 1963 setzte es die Bezüge ab 1. Juni 1960 fest und nahm eine endgültige Feststellung von diesem Zeitpunkt an bis einschließlich August 1963 vor, die einen überzahlten Betrag von 672,– DM ergab, zu dem weitere 7,– DM zu Unrecht gezahlter Überbrückungszulage hinzukamen. Unter Hinweis auf § 47 Abs. 2 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung – VfG (KOV) – forderte es in diesem Bescheid den Gesamtbetrag von 1.036,– DM zurück, der ab September 1963 in monatlichen Raten von 30,– DM von den laufenden Bezügen einbehalten werden sollte.
Das Widerspruchsverfahren gegen beide Bescheide, in dessen Verlauf der Kläger vortrug, bei rechtzeitiger Bearbeitung der Angelegenheit wäre es zu der erheblichen Überzahlung nicht gekommen, weil am 31. August 1960 die vollständige Lohnbescheinigung für das Jahr 1959 schon vorgelegen habe, weshalb nunmehr eine Rückforderung nicht mehr erfolgen dürfe, blieb erfolglos, nachdem eine verwaltungsmäßige Stellungnahme in Bezug auf ein Amtsverschulden abgegeben und der Sachbearbeiter gehört worden war.
Mit Urteil vom 7. November 1969 hat das Sozialgericht Darmstadt die Bescheide vom 24. und 25. Juni 1963 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1968 dahingehend abgeändert, daß die Rückforderung von 1.036,– DM nicht geltend gemacht werden dürfe. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger habe gewußt, daß sein Einkommen sich auf die Höhe der Ausgleichsrente auswirke, zumal er früher schon zur Rückzahlung von überzahlten Beträgen dieser Art herangezogen worden sei. Auch sei ihm in dem Bescheid vom 11. August 1959 ausdrücklich mitgeteilt worden, daß die Zahlung für das Jahr 1959 vorbehaltlich der nachträglichen Prüfung seiner Einkommensverhältnisse erfolge. Der Beklagte habe aber seine Forderung verspätet geltend gemacht. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts in BSGE 9 S. 48 ff. dürfe der Empfänger von Ausgleichsrente damit rechnen, daß die Versorgungsverwaltung keine Rückforderung mehr vornehme, wenn mehr als sechs Monate zwischen Bekanntgabe des Einkommens und Rückforderungsbescheid lägen. Da diese Zeit vorliegend erheblich überschritten sei, könne unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben eine Rückzahlung nicht mehr verlangt werden.
Gegen dieses Urteil, das dem Beklagten am 27. November 1969 zugestellt worden ist, richtet sich seine am 15. Dezember 1969 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Zur Begründung trägt er vor, die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VfG (KOV) seien erfüllt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei die Forderung nicht verspätet erhoben worden. Dem zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 1958 liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Er beziehe sich auf die hier einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage der vorläufigen Festsetzung von Versorgungsbezügen. Danach verbiete es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, Rückforderung bezüglich Zahlungen geltend zu machen, die nicht mehr als vier Jahre zurückliegen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. November 1969 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Akten des Versorgungsamtes Darmstadt mit der Grundlisten-Nr. haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist auch im übrigen gemäß § 143 SGG zulässig. Denn der Rückforderungsanspruch des Beklagten beinhaltet keine einmaligen Leistungen oder Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 und des § 148 Nr. 2 SGG (vgl. BSGE 3 S. 234; 9 S. 48 ff.). Die Ausschließungsgründe des § 149 SGG liegen gleichfalls nicht vor, da der Beschwerdewert 500,– DM übersteigt. Die Berufung ist auch begründet.
Die Bescheide des Beklagten vom 24. und 25. Juni 1963 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1968 sind nicht rechtswidrig. Der gegenteiligen Auffassung des Sozialgerichts vermochte sich der Senat nicht anzuschließen.
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung der Ausgleichsrente des Klägers sind bezüglich des Jahres 1959 die Vorschriften der §§ 60, 62 BVG in der Fassung des 5. und 6. Änderungs- und Ergänzungsgesetzes zum BVG vom 6. Juni 1956 (BGBl. I S. 463 ff.) und vom 1. Juli 1957 (BGBl. I S. 666 ff.).
Für den streitigen Zeitraum ab 1. Januar 1960 sind die §§ 60 Abs. 4, 60 a und 62 BVG in der Fassung des ersten Neuordnungsgesetzes (NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl. I S. 453 ff.) heranzuziehen. Daß der Beklagte gemäß diesen Bestimmungen berechtigt war, eine Neufeststellung vorzunehmen, hat der Kläger ohne Einwand hingenommen. Er hat lediglich geltend gemacht, die Rückforderung des überzahlten Betrages sei nicht rechtens. Hiernach beschränkt sich der Streit der Beteiligten und die Überprüfung durch den Senat darauf, feststellen zu lassen und auszusprechen, ob der Beklagte die zu Unrecht gezahlten 1.036,– DM zurückfordern durfte oder nicht.
Zu einer Rückforderung war der Beklagte nach Ansicht des Senats berechtigt. Rechtsgrundlage ist insoweit § 47 Abs. 2 VfG (KOV) vom 2. Mai 1955 in der geänderten Fassung vom 27. Juni 1960, die der angefochtene Bescheid vom 25. Juni 1963 zutreffend angegeben hat. Denn § 47 Abs. 1 VfG (KOV) bildet keine selbständige Grundlage für den Rückerstattungsanspruch, wie das Bundessozialgericht wiederholt ausgesprochen hat (s. Urteil v. 12.8.1966 in SozR VerwVG § 47 Nr. 19; Urteil v. 19.12.1967 a.a.O. unter Nr. Ca 22), weil dort nur eine Voraussetzung für die Rückforderung normiert ist, nämlich die, daß Leistungen der Versorgungsbehörde zu Unrecht empfangen worden sind. Erst § 47 Abs. 2 ff. VfG (KOV) bestimmt die weiteren Voraussetzungen. Beruht die Rückforderung auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, ist der Empfänger von Versorgungsleistungen zur Erstattung nur verpflichtet, soweit er beim Empfang wußte oder wissen mußte, daß ihn die Leistung nicht oder nicht in der gewährten Höhe zustand (§ 47 Abs. 2 Buchst. a). Das war vorliegend auch nach Ansicht des Sozialgerichts der Fall, dem insoweit beigetreten werden konnte. Denn der Kläger hat zumindest wissen müssen, daß ihm ab 1. Januar 1959 keine Ausgleichsrente mehr zustand, wenn ihm nicht sogar eine tatsächliche Kenntnis anzulasten ist. Starke Indizien in dieser Hinsicht lassen sich einmal darin finden, daß schon im Bescheid vom 18. März 1958 eine Überzahlung festgestellt worden war, die auf Nichtmeldung anrechnungspflichtigen Einkommens beruhte. Die zuviel gezahlten Beträge mußte er tilgen. Zum anderen war ihm im Bescheid vom 11. August 1959 ausdrücklich mitgeteilt worden, daß die Zahlungen für das Jahr 1959 vorbehaltlich der Prüfung seiner Einkommensverhältnisse während dieses Zeitraums erfolgten. Darüber hinaus wurde er am 23. und 26. Februar 1960 an den Einkommensnachweis erinnert und im Herbst 1961 zur Darlegung für die folgende Zeit aufgefordert.
Selbst wenn der Senat in Wertung der Persönlichkeit, des Bildungsgrades, der Einsicht und Einsichtsfähigkeit des Klägers sowie aller Umstände des vorliegenden Falles, die nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts in BSGE 5 S. 269; 9 S. 47 zu berücksichtigen sind, von der Annahme seines Wissens um die nur vorläufige Feststellung und ihrer rechtlichen Folgen absehen würde, bliebe immer bestehen, daß eine – nur unterstellte – Unkenntnis in Bezug auf den Einfluß der Einkünfte als Maschinenschlosser bei der Firma O. AG auf die Ausgleichsrente in seinen Verantwortungsbereich gefallen wäre. Eine solche Unkenntnis steht aber dem Wissen im Sinne des § 47 Abs. 2 Buchst. a VfG (KOV) gleich, ohne daß erforderlich ist, daß der Kläger die Auswirkungen der Änderung seiner Verhältnisse im einzelnen übersehen hat.
Maßgebend für den Zeitpunkt, in dem das Wissen oder Wissenmüssen vorzuliegen hat, ist jeweils der Empfang der einzelnen monatlich gezahlten Bezüge (S. BSG Urteil v. 24.10.1962 – Az.: 10 RV 1323/59; BSG 21 S. 27 ff.). Ist der Empfänger in diesem Augenblick schlechtgläubig, kann sich, wie der 8. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 3. März 1966 (Az.: 6 RV 661/64) dargelegt hat, seine einmal gegebene Schlechtgläubigkeit zu einem späteren Zeitpunkt schon begrifflich nicht in eine Gutgläubigkeit verwandeln. Insbesondere auch hieraus folgt die Auffassung des erkennenden Senats, daß die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Buchst. a VfG (KOV) während des gesamten streitigen Zeitraums vorgelegen haben, zumal der Kläger aus dem Bescheid vom 11. August 1959 ersehen konnte und müßte, daß das in den davorliegenden Jahren erzielte anrechnungsfähige monatliche Durchschnittseinkommen aus unselbständiger Tätigkeit schon nahe an die eine Zahlung von Ausgleichsrente ausschließende Einkommensgrenze herangerückt war. Ab 1. Januar 1959 waren ihm sogar nur noch 21,– DM monatlich an Rente dieser Art bei einem vorläufig angenommenen Durchschnittseinkommen von 547,12 DM verblieben.
In offenbarer Kenntnis dieser rechtlich bedeutsamen Umstände hat sich der Kläger lediglich darauf berufen, daß die durch Bescheid vom 25. Juni 1963 erfolgte Rückforderung ab 1. Januar 1959 gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße und eine unzulässige Rechtsausübung darstelle, da er seiner Mitteilungspflicht rechtzeitig nachgekommen, die Verwaltung aber nicht rechtzeitig tätig geworden sei. Die verschleppte Bearbeitung durch das Versorgungsamt beinhalte ein Amtsverschulden.
Was diese letzte Einlassung angeht, so durfte der Senat sie insoweit nicht als rechtserheblich werten, als sie etwa einen Anspruch auf Schadensersatz umfaßt. Denn hierfür wäre der Rechtsweg vor den Sozialgerichten gegeben. Der Kläger müßte sich auf die Zivilgerichtsbarkeit verweisen lassen.
Soweit er Verschulden von Sachbearbeitern des Versorgungsamtes im Rahmen seines Hinweises auf Treu und Glauben geltend macht, konnte er nicht gehört werden. Das Sozialgericht, welches ihn darin gefolgt ist, hat für seine Argumentation zwar für sich, daß es die Verwaltungsvorschrift Nr. 11 zu § 47 VfG (KOV) der Versorgungsverwaltung zur Pflicht macht, einen Neufeststellungsbescheid in angemessener Zeit zu erteilen oder dem Versorgungsberechtigten auf seine Mitteilung hin eine Benachrichtigung zukommen zu lassen, ob weitere Erhebungen anzustellen sind oder eine Änderung der Leistung nicht eintritt. Welcher Zeitraum für ein solches Tätigwerden der Verwaltung angemessen ist, geht aus dem Gesetzt und den Verwaltungsvorschriften zu § 47 VfG (KOV) aber nicht hervor. Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1958 (BSGE 9 S. 47 ff.), auf welche das Sozialgericht seine Rechtsansicht gestützt hat, für einen Fall der Überzahlung, der nach endgültiger Feststellung der Versorgungsbezüge durch Erhöhung des anrechnungspflichtigen Einkommens des Versorgungsberechtigten eingetreten war, in Ausfüllung der gesetzlichen Lücke eine Frist von sechs Monaten angenommen. Das kann nach Auffassung des erkennenden Senats hier aber nicht rechtens sein.
Dabei konnte er dahingestellt sein lassen, ob die Meinung des 9. Senats des Bundessozialgerichts, die Umstände des Einzelfalles könnten ergeben, daß von einem bestimmten Zeitpunkt an beim Empfänger von einem "Wissenmüssen” davon, daß ihm die laufend unverändert ausgezahlten Versorgungsbezüge nicht mehr in der bisherigen Höhe zustehen, nicht mehr gesprochen werden könne, in allen einschlägigen Fällen überzeugend ist. Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat diese Rechtsansicht in dem bereits zitierten Urteil vom 3. März 1966 jedenfalls nicht geteilt, was der erkennende Senat rechtlich für konsequenter hält (s. auch BSGE 21 S. 30). Denn Schlechtgläubigkeit auf Seiten des Empfängers kann sich ihrem Begriff nach nicht durch Zeitablauf in Gutgläubigkeit verwandeln. Grundsätzlich führt er nur dazu, daß die Versorgungsbehörde von der Rückforderung abzusehen hat, wenn sie sich nicht dem berechtigten Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben oder der unzulässigen Rechtsausübung aussetzen will. Zeitablauf kompensiert Schlechtgläubigkeit, macht ihre rechtlichen Folgen unschädlich, wandelt sie aber nicht um.
Von einer Frist von sechs Monaten, wie sie der 9. Senat des Bundessozialgerichts a.a.O., als Grenze gesetzt hat, dürfte das Sozialgericht jedenfalls deshalb aber nicht ausgehen, weil diese Entscheidung, worauf der 10. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 19. Dezember 1967 a.a.O. zutreffend hingewiesen hat, eine Überzahlung anbetraf, die nach schon vorgenommener endgültiger Feststellung der Versorgungsbezüge eingetreten war. Daß hier ein vergleichsweise kurzer Zeitraum festgelegt wurde, mag folgerichtig sein, weil eine Feststellung dieser Art Bestandsschutzcharakter besitzt oder zumindest bekommen kann, falls auf rechtzeitige Anzeige des Empfängers über eingetretene Einkommensveränderungen hin ein halbes Jahr lang nach außen keine verwaltungsmäßige Bearbeitung sichtbar wird. Anders ist es dagegen, wenn wie in zu entscheidenden Fall eine vorläufige unter Vorbehalt stehende Festsetzung der Versorgungsbezüge erfolgt war. Diese macht deutlich, daß der Empfänger – hier der Kläger – auf den Bestand der Rente nicht vertrauen durfte und mit einer endgültigen Feststellung einschließlich Rückforderung überzahlter Beträge rechnen mußte. Dieser rechtlich bedeutsame Unterschied macht schon zweifelhaft, ob der Grundsatz von Treu und Glauben insoweit begrifflich überhaupt angewandt werden kann. Denn auf einen Bescheid, der vorbehaltlich einer endgültigen Überprüfung zu späterer Zeit erlassen wird, ist grundsätzlich kein Vertrauensschutz zu gründen.
Abgesehen von rechtlichen Erwägungen dieser Art greift der Hinweis des Klägers auf die Treu- und Glaubensschranke hier nicht durch, weil die Zeit zwischen Eingang der Verdienstbescheinigungen der Firma O. AG für die Zeit ab 21. Dezember 1956 bis 30. Juli 1960 bei dem Versorgungsamt Darmstadt und Erlaß des Bescheides über die endgültige Feststellung ab 1. Januar 1959 noch nicht mehr als vier Jahre umfaßt. Diese Frist und nicht eine von sechs Monaten ist hier bedeutsam, wie der 10. Senat des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 17. April 1964 (BSGE 21 S. 27 ff) überzeugend dargelegt und am 19. Dezember 1967 a.a.O. wiederum bekräftigt hat. Gerade der auch das öffentliche Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es, auf Seiten des Empfängers von Versorgungsbezügen dieselben Maßstäbe anzulegen wie auf Seiten der Versorgungsbehörde. Wenn letztere sich dem Vorwurf der unzulässiges Rechtsausübung aussetzt, falls sie Beträge zurückfordert, die für seinen Zeitraum gezahlt worden sind, der über vier Jahre zurückliegt, wobei die Vorschrift des § 197 BGB von Bedeutung ist, dann muß der Versorgungsberechtigte seinerseits denselben Zeitraum abwarten, ehe er sich mit Erfolg auf die Verletzung von Treu und Glauben berufen kann (s. hierzu BSGE 21 S. 33, 34). Nur eine solche Betrachtungsweise hält der erkennende Senat für billig und gerecht, da sie jederzeit abgrenzbare, klare Verhältnisse für die Überprüfung von Rückforderungen schafft, wenn die übrigen Voraussetzungen der einschlägigen Vorschriften vorliegen. Denn der Versorgungsanspruch einerseits und der Rückforderungsanspruch andererseits beruhen auf denselben Rechtsverhältnis. Auch dieser Umstand erfordert dieselbe Regelung für beide Beteiligte.
Nach Lage des Falles besteht keine Veranlassung, diese Gedankengänge hier nicht anzuwenden. Weder der Einwand der Verletzung von Treu und Glauben greift durch, weil es sich um dem Kläger bewußt sein müssende Rückforderungsansprüche für die Zeit ab 1. Januar 1959 handelt, die um Juni 1963 erhoben worden sind noch ist der Rückforderungsanspruch des Beklagten insgesamt oder teilweise verwirkt. Denn Tatbestände, die geeignet waren, die Verwirkung vor Ablauf von vier Jahren unter Beachtung des § 197 BGB zu zeitigen, liegen schließlich auch nicht vor. Insofern hat der erkennende Senat gleichfalls die Grundsätze der BSG-Rechtsprechung beachtet (s. BSG in KOV 1957 S. 123 ff.). Der Kläger konnte nicht annehmen, daß der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werde, insbesondere nachdem der Beklagte ihm mit Schreiben vom 20. Dezember 1962 mitgeteilt hatte, daß keine Ausgleichsrente mehr zustehe und die Weiterzahlung eingestellt hatte. Eine objektiv fehlerhafte Bearbeitung der Sache ist nicht nachzuweisen. Entsprechende aktenkundige Überprüfungen haben insoweit nichts Konkretes ergeben. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß die Versorgungsakten wegen des Antrags des Klägers auf Gewährung einer Badekur vom Februar 1961 ca. zehn Monate lang für die Bearbeitung der endgültigen Feststellung der Versorgungsbezüge nicht zur Verfügung standen. Zwar wurde die Verdienstbescheinigung von der Firma O. AG für die Zeit ab 31. Juli 1960 alsdann am 7. November 1961 übersandt, wohingegen die nächste aktenkundige Überprüfung erst im Dezember 1962 erfolgte. Diese Zeitspanne genügt indessen noch nicht, eine vorzeitige Verwirkung im Sinne der BSG-Entscheidung in KOV 1967 a.a.O. anzunehmen. Sie ist auch im Hinblick auf § 60 a Abs. 1 Satz 4 BVG in der Fassung des 1. NOG noch nicht unangemessen lang.
Nach alledem war der Berufung der Erfolg nicht zu versagen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1915 geborene Kläger erhält durch Neufestellungsbescheid vom 18. März 1958 wegen "Verlust des li. Lungenunterlappens bei chronischer Bronchitis” als Schädigungsfolge nach den Bundesversorgungsgesetz (BVG) Versorgung nach einem medizinischen Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 v.H., der unter Berücksichtigung seines beruflichen Betroffenseins auf 90 v.H. erhöht worden ist. Gleichzeitig wurde mit diesem Bescheid die Ausgleichsrente neu festgestellt, da sich sein Arbeitseinkommen seit Erlaß des vorhergehenden Bescheides vom 17. Oktober 1956 wesentlich erhöht hatte, ohne daß diese Tatsache mitgeteilt worden war. Aus diesem Grunde erfolgte eine Rückforderung, die in Raten durch Kürzung der laufenden Rente um monatlich 30,– DM zu tilgen war.
Am 11. August 1959 setzte das Versorgungsamt Darmstadt im Anschluß an den Bescheid vom 18. März 1958 die unter Vorbehalt gezahlten Versorgungsbezüge ab 1. August 1957 bis einschließlich Dezember 1958 nach abschließender Überprüfung des klägerischen Einkommens als Maschinenarbeiter bei der Firma O. AG endgültig fest. Für 1959 erfolgte ferner die Festsetzung in Höhe von monatlich 120,– DM Grundrente und 21,– DM Ausgleichsrente vorbehaltlich einer Nachprüfung des zu erwartenden Jahresdurchschnittseinkommens, wobei ein formularmäßiger Hinweis auf die Anzeigepflicht bei Änderungen der Einkommensverhältnisse vorgenommen wurde. Mit Schreiben vom 23. und 26. Februar 1960 wurde der Kläger an den Einkommensnachweis für 1959 in Form der Ausfüllung übersandter Fragebogen und einer einzureichenden Verdienstbescheinigung erinnert. Eine Bescheinigung dieser Art ab 5. Juli 1957 bis Dezember 1959 stellte die Firma O. AG am 4. März 1960 aus. Eine weitere für die Zeit ab 21. Dezember 1958 bis 30. Juli 1960 ging am 1. September 1960 beim Versorgungsamt ein. Im Februar 1961 beantragte der Kläger die Durchführung einer Badekur, worauf seine Akten dem ärztlichen Dienst überstellt wurden. Nach Absolvierung derselben im Juli/August 1961 gab er auf einen am 16. November 1961 bei der Versorgungsverwaltung eingegangenen Formblatt sein Einkommen ab 1. Juni 1960 ohne Beifügung einer Verdienstbescheinigung an, die von der Firma O. AG am 7. November 1961 unmittelbar übersandt wurde und den Zeitraum ab 31. Juli 1960 bis 21. Oktober 1961 umfaßte. Nach Überprüfung machte das Versorgungsamt den Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 1962 darauf aufmerksam, daß sich sein Einkommen ab 1. Januar 1959 wesentlich erhöht habe, so daß Ausgleichsrente nicht mehr zustehen werde. Deren Zahlung in Höhe von monatlich 21,– DM werde deshalb Ende Januar 1963 vorsorglich eingestellt. Ein abschließender Bescheid werde erteilt werden.
Am 24. Juni 1963 erließ es diesen endgültigen Neufeststellungsbescheid ab 1. Januar 1959 bis 31. Mai 1960 und errechnete eine Überzahlung von 357,– DM. Durch Rentenänderungsbescheid vom 25. Juni 1963 setzte es die Bezüge ab 1. Juni 1960 fest und nahm eine endgültige Feststellung von diesem Zeitpunkt an bis einschließlich August 1963 vor, die einen überzahlten Betrag von 672,– DM ergab, zu dem weitere 7,– DM zu Unrecht gezahlter Überbrückungszulage hinzukamen. Unter Hinweis auf § 47 Abs. 2 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung – VfG (KOV) – forderte es in diesem Bescheid den Gesamtbetrag von 1.036,– DM zurück, der ab September 1963 in monatlichen Raten von 30,– DM von den laufenden Bezügen einbehalten werden sollte.
Das Widerspruchsverfahren gegen beide Bescheide, in dessen Verlauf der Kläger vortrug, bei rechtzeitiger Bearbeitung der Angelegenheit wäre es zu der erheblichen Überzahlung nicht gekommen, weil am 31. August 1960 die vollständige Lohnbescheinigung für das Jahr 1959 schon vorgelegen habe, weshalb nunmehr eine Rückforderung nicht mehr erfolgen dürfe, blieb erfolglos, nachdem eine verwaltungsmäßige Stellungnahme in Bezug auf ein Amtsverschulden abgegeben und der Sachbearbeiter gehört worden war.
Mit Urteil vom 7. November 1969 hat das Sozialgericht Darmstadt die Bescheide vom 24. und 25. Juni 1963 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1968 dahingehend abgeändert, daß die Rückforderung von 1.036,– DM nicht geltend gemacht werden dürfe. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, der Kläger habe gewußt, daß sein Einkommen sich auf die Höhe der Ausgleichsrente auswirke, zumal er früher schon zur Rückzahlung von überzahlten Beträgen dieser Art herangezogen worden sei. Auch sei ihm in dem Bescheid vom 11. August 1959 ausdrücklich mitgeteilt worden, daß die Zahlung für das Jahr 1959 vorbehaltlich der nachträglichen Prüfung seiner Einkommensverhältnisse erfolge. Der Beklagte habe aber seine Forderung verspätet geltend gemacht. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts in BSGE 9 S. 48 ff. dürfe der Empfänger von Ausgleichsrente damit rechnen, daß die Versorgungsverwaltung keine Rückforderung mehr vornehme, wenn mehr als sechs Monate zwischen Bekanntgabe des Einkommens und Rückforderungsbescheid lägen. Da diese Zeit vorliegend erheblich überschritten sei, könne unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben eine Rückzahlung nicht mehr verlangt werden.
Gegen dieses Urteil, das dem Beklagten am 27. November 1969 zugestellt worden ist, richtet sich seine am 15. Dezember 1969 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Zur Begründung trägt er vor, die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 VfG (KOV) seien erfüllt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei die Forderung nicht verspätet erhoben worden. Dem zitierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 1958 liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Er beziehe sich auf die hier einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage der vorläufigen Festsetzung von Versorgungsbezügen. Danach verbiete es der Grundsatz von Treu und Glauben nicht, Rückforderung bezüglich Zahlungen geltend zu machen, die nicht mehr als vier Jahre zurückliegen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 7. November 1969 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Akten des Versorgungsamtes Darmstadt mit der Grundlisten-Nr. haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Instanzen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist auch im übrigen gemäß § 143 SGG zulässig. Denn der Rückforderungsanspruch des Beklagten beinhaltet keine einmaligen Leistungen oder Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 und des § 148 Nr. 2 SGG (vgl. BSGE 3 S. 234; 9 S. 48 ff.). Die Ausschließungsgründe des § 149 SGG liegen gleichfalls nicht vor, da der Beschwerdewert 500,– DM übersteigt. Die Berufung ist auch begründet.
Die Bescheide des Beklagten vom 24. und 25. Juni 1963 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 1968 sind nicht rechtswidrig. Der gegenteiligen Auffassung des Sozialgerichts vermochte sich der Senat nicht anzuschließen.
Rechtsgrundlage für die Neufeststellung der Ausgleichsrente des Klägers sind bezüglich des Jahres 1959 die Vorschriften der §§ 60, 62 BVG in der Fassung des 5. und 6. Änderungs- und Ergänzungsgesetzes zum BVG vom 6. Juni 1956 (BGBl. I S. 463 ff.) und vom 1. Juli 1957 (BGBl. I S. 666 ff.).
Für den streitigen Zeitraum ab 1. Januar 1960 sind die §§ 60 Abs. 4, 60 a und 62 BVG in der Fassung des ersten Neuordnungsgesetzes (NOG) vom 27. Juni 1960 (BGBl. I S. 453 ff.) heranzuziehen. Daß der Beklagte gemäß diesen Bestimmungen berechtigt war, eine Neufeststellung vorzunehmen, hat der Kläger ohne Einwand hingenommen. Er hat lediglich geltend gemacht, die Rückforderung des überzahlten Betrages sei nicht rechtens. Hiernach beschränkt sich der Streit der Beteiligten und die Überprüfung durch den Senat darauf, feststellen zu lassen und auszusprechen, ob der Beklagte die zu Unrecht gezahlten 1.036,– DM zurückfordern durfte oder nicht.
Zu einer Rückforderung war der Beklagte nach Ansicht des Senats berechtigt. Rechtsgrundlage ist insoweit § 47 Abs. 2 VfG (KOV) vom 2. Mai 1955 in der geänderten Fassung vom 27. Juni 1960, die der angefochtene Bescheid vom 25. Juni 1963 zutreffend angegeben hat. Denn § 47 Abs. 1 VfG (KOV) bildet keine selbständige Grundlage für den Rückerstattungsanspruch, wie das Bundessozialgericht wiederholt ausgesprochen hat (s. Urteil v. 12.8.1966 in SozR VerwVG § 47 Nr. 19; Urteil v. 19.12.1967 a.a.O. unter Nr. Ca 22), weil dort nur eine Voraussetzung für die Rückforderung normiert ist, nämlich die, daß Leistungen der Versorgungsbehörde zu Unrecht empfangen worden sind. Erst § 47 Abs. 2 ff. VfG (KOV) bestimmt die weiteren Voraussetzungen. Beruht die Rückforderung auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, ist der Empfänger von Versorgungsleistungen zur Erstattung nur verpflichtet, soweit er beim Empfang wußte oder wissen mußte, daß ihn die Leistung nicht oder nicht in der gewährten Höhe zustand (§ 47 Abs. 2 Buchst. a). Das war vorliegend auch nach Ansicht des Sozialgerichts der Fall, dem insoweit beigetreten werden konnte. Denn der Kläger hat zumindest wissen müssen, daß ihm ab 1. Januar 1959 keine Ausgleichsrente mehr zustand, wenn ihm nicht sogar eine tatsächliche Kenntnis anzulasten ist. Starke Indizien in dieser Hinsicht lassen sich einmal darin finden, daß schon im Bescheid vom 18. März 1958 eine Überzahlung festgestellt worden war, die auf Nichtmeldung anrechnungspflichtigen Einkommens beruhte. Die zuviel gezahlten Beträge mußte er tilgen. Zum anderen war ihm im Bescheid vom 11. August 1959 ausdrücklich mitgeteilt worden, daß die Zahlungen für das Jahr 1959 vorbehaltlich der Prüfung seiner Einkommensverhältnisse während dieses Zeitraums erfolgten. Darüber hinaus wurde er am 23. und 26. Februar 1960 an den Einkommensnachweis erinnert und im Herbst 1961 zur Darlegung für die folgende Zeit aufgefordert.
Selbst wenn der Senat in Wertung der Persönlichkeit, des Bildungsgrades, der Einsicht und Einsichtsfähigkeit des Klägers sowie aller Umstände des vorliegenden Falles, die nach den Entscheidungen des Bundessozialgerichts in BSGE 5 S. 269; 9 S. 47 zu berücksichtigen sind, von der Annahme seines Wissens um die nur vorläufige Feststellung und ihrer rechtlichen Folgen absehen würde, bliebe immer bestehen, daß eine – nur unterstellte – Unkenntnis in Bezug auf den Einfluß der Einkünfte als Maschinenschlosser bei der Firma O. AG auf die Ausgleichsrente in seinen Verantwortungsbereich gefallen wäre. Eine solche Unkenntnis steht aber dem Wissen im Sinne des § 47 Abs. 2 Buchst. a VfG (KOV) gleich, ohne daß erforderlich ist, daß der Kläger die Auswirkungen der Änderung seiner Verhältnisse im einzelnen übersehen hat.
Maßgebend für den Zeitpunkt, in dem das Wissen oder Wissenmüssen vorzuliegen hat, ist jeweils der Empfang der einzelnen monatlich gezahlten Bezüge (S. BSG Urteil v. 24.10.1962 – Az.: 10 RV 1323/59; BSG 21 S. 27 ff.). Ist der Empfänger in diesem Augenblick schlechtgläubig, kann sich, wie der 8. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 3. März 1966 (Az.: 6 RV 661/64) dargelegt hat, seine einmal gegebene Schlechtgläubigkeit zu einem späteren Zeitpunkt schon begrifflich nicht in eine Gutgläubigkeit verwandeln. Insbesondere auch hieraus folgt die Auffassung des erkennenden Senats, daß die Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 Buchst. a VfG (KOV) während des gesamten streitigen Zeitraums vorgelegen haben, zumal der Kläger aus dem Bescheid vom 11. August 1959 ersehen konnte und müßte, daß das in den davorliegenden Jahren erzielte anrechnungsfähige monatliche Durchschnittseinkommen aus unselbständiger Tätigkeit schon nahe an die eine Zahlung von Ausgleichsrente ausschließende Einkommensgrenze herangerückt war. Ab 1. Januar 1959 waren ihm sogar nur noch 21,– DM monatlich an Rente dieser Art bei einem vorläufig angenommenen Durchschnittseinkommen von 547,12 DM verblieben.
In offenbarer Kenntnis dieser rechtlich bedeutsamen Umstände hat sich der Kläger lediglich darauf berufen, daß die durch Bescheid vom 25. Juni 1963 erfolgte Rückforderung ab 1. Januar 1959 gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße und eine unzulässige Rechtsausübung darstelle, da er seiner Mitteilungspflicht rechtzeitig nachgekommen, die Verwaltung aber nicht rechtzeitig tätig geworden sei. Die verschleppte Bearbeitung durch das Versorgungsamt beinhalte ein Amtsverschulden.
Was diese letzte Einlassung angeht, so durfte der Senat sie insoweit nicht als rechtserheblich werten, als sie etwa einen Anspruch auf Schadensersatz umfaßt. Denn hierfür wäre der Rechtsweg vor den Sozialgerichten gegeben. Der Kläger müßte sich auf die Zivilgerichtsbarkeit verweisen lassen.
Soweit er Verschulden von Sachbearbeitern des Versorgungsamtes im Rahmen seines Hinweises auf Treu und Glauben geltend macht, konnte er nicht gehört werden. Das Sozialgericht, welches ihn darin gefolgt ist, hat für seine Argumentation zwar für sich, daß es die Verwaltungsvorschrift Nr. 11 zu § 47 VfG (KOV) der Versorgungsverwaltung zur Pflicht macht, einen Neufeststellungsbescheid in angemessener Zeit zu erteilen oder dem Versorgungsberechtigten auf seine Mitteilung hin eine Benachrichtigung zukommen zu lassen, ob weitere Erhebungen anzustellen sind oder eine Änderung der Leistung nicht eintritt. Welcher Zeitraum für ein solches Tätigwerden der Verwaltung angemessen ist, geht aus dem Gesetzt und den Verwaltungsvorschriften zu § 47 VfG (KOV) aber nicht hervor. Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat in seiner Entscheidung vom 18. Dezember 1958 (BSGE 9 S. 47 ff.), auf welche das Sozialgericht seine Rechtsansicht gestützt hat, für einen Fall der Überzahlung, der nach endgültiger Feststellung der Versorgungsbezüge durch Erhöhung des anrechnungspflichtigen Einkommens des Versorgungsberechtigten eingetreten war, in Ausfüllung der gesetzlichen Lücke eine Frist von sechs Monaten angenommen. Das kann nach Auffassung des erkennenden Senats hier aber nicht rechtens sein.
Dabei konnte er dahingestellt sein lassen, ob die Meinung des 9. Senats des Bundessozialgerichts, die Umstände des Einzelfalles könnten ergeben, daß von einem bestimmten Zeitpunkt an beim Empfänger von einem "Wissenmüssen” davon, daß ihm die laufend unverändert ausgezahlten Versorgungsbezüge nicht mehr in der bisherigen Höhe zustehen, nicht mehr gesprochen werden könne, in allen einschlägigen Fällen überzeugend ist. Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat diese Rechtsansicht in dem bereits zitierten Urteil vom 3. März 1966 jedenfalls nicht geteilt, was der erkennende Senat rechtlich für konsequenter hält (s. auch BSGE 21 S. 30). Denn Schlechtgläubigkeit auf Seiten des Empfängers kann sich ihrem Begriff nach nicht durch Zeitablauf in Gutgläubigkeit verwandeln. Grundsätzlich führt er nur dazu, daß die Versorgungsbehörde von der Rückforderung abzusehen hat, wenn sie sich nicht dem berechtigten Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben oder der unzulässigen Rechtsausübung aussetzen will. Zeitablauf kompensiert Schlechtgläubigkeit, macht ihre rechtlichen Folgen unschädlich, wandelt sie aber nicht um.
Von einer Frist von sechs Monaten, wie sie der 9. Senat des Bundessozialgerichts a.a.O., als Grenze gesetzt hat, dürfte das Sozialgericht jedenfalls deshalb aber nicht ausgehen, weil diese Entscheidung, worauf der 10. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 19. Dezember 1967 a.a.O. zutreffend hingewiesen hat, eine Überzahlung anbetraf, die nach schon vorgenommener endgültiger Feststellung der Versorgungsbezüge eingetreten war. Daß hier ein vergleichsweise kurzer Zeitraum festgelegt wurde, mag folgerichtig sein, weil eine Feststellung dieser Art Bestandsschutzcharakter besitzt oder zumindest bekommen kann, falls auf rechtzeitige Anzeige des Empfängers über eingetretene Einkommensveränderungen hin ein halbes Jahr lang nach außen keine verwaltungsmäßige Bearbeitung sichtbar wird. Anders ist es dagegen, wenn wie in zu entscheidenden Fall eine vorläufige unter Vorbehalt stehende Festsetzung der Versorgungsbezüge erfolgt war. Diese macht deutlich, daß der Empfänger – hier der Kläger – auf den Bestand der Rente nicht vertrauen durfte und mit einer endgültigen Feststellung einschließlich Rückforderung überzahlter Beträge rechnen mußte. Dieser rechtlich bedeutsame Unterschied macht schon zweifelhaft, ob der Grundsatz von Treu und Glauben insoweit begrifflich überhaupt angewandt werden kann. Denn auf einen Bescheid, der vorbehaltlich einer endgültigen Überprüfung zu späterer Zeit erlassen wird, ist grundsätzlich kein Vertrauensschutz zu gründen.
Abgesehen von rechtlichen Erwägungen dieser Art greift der Hinweis des Klägers auf die Treu- und Glaubensschranke hier nicht durch, weil die Zeit zwischen Eingang der Verdienstbescheinigungen der Firma O. AG für die Zeit ab 21. Dezember 1956 bis 30. Juli 1960 bei dem Versorgungsamt Darmstadt und Erlaß des Bescheides über die endgültige Feststellung ab 1. Januar 1959 noch nicht mehr als vier Jahre umfaßt. Diese Frist und nicht eine von sechs Monaten ist hier bedeutsam, wie der 10. Senat des Bundessozialgerichts in seiner Entscheidung vom 17. April 1964 (BSGE 21 S. 27 ff) überzeugend dargelegt und am 19. Dezember 1967 a.a.O. wiederum bekräftigt hat. Gerade der auch das öffentliche Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es, auf Seiten des Empfängers von Versorgungsbezügen dieselben Maßstäbe anzulegen wie auf Seiten der Versorgungsbehörde. Wenn letztere sich dem Vorwurf der unzulässiges Rechtsausübung aussetzt, falls sie Beträge zurückfordert, die für seinen Zeitraum gezahlt worden sind, der über vier Jahre zurückliegt, wobei die Vorschrift des § 197 BGB von Bedeutung ist, dann muß der Versorgungsberechtigte seinerseits denselben Zeitraum abwarten, ehe er sich mit Erfolg auf die Verletzung von Treu und Glauben berufen kann (s. hierzu BSGE 21 S. 33, 34). Nur eine solche Betrachtungsweise hält der erkennende Senat für billig und gerecht, da sie jederzeit abgrenzbare, klare Verhältnisse für die Überprüfung von Rückforderungen schafft, wenn die übrigen Voraussetzungen der einschlägigen Vorschriften vorliegen. Denn der Versorgungsanspruch einerseits und der Rückforderungsanspruch andererseits beruhen auf denselben Rechtsverhältnis. Auch dieser Umstand erfordert dieselbe Regelung für beide Beteiligte.
Nach Lage des Falles besteht keine Veranlassung, diese Gedankengänge hier nicht anzuwenden. Weder der Einwand der Verletzung von Treu und Glauben greift durch, weil es sich um dem Kläger bewußt sein müssende Rückforderungsansprüche für die Zeit ab 1. Januar 1959 handelt, die um Juni 1963 erhoben worden sind noch ist der Rückforderungsanspruch des Beklagten insgesamt oder teilweise verwirkt. Denn Tatbestände, die geeignet waren, die Verwirkung vor Ablauf von vier Jahren unter Beachtung des § 197 BGB zu zeitigen, liegen schließlich auch nicht vor. Insofern hat der erkennende Senat gleichfalls die Grundsätze der BSG-Rechtsprechung beachtet (s. BSG in KOV 1957 S. 123 ff.). Der Kläger konnte nicht annehmen, daß der Anspruch nicht mehr geltend gemacht werde, insbesondere nachdem der Beklagte ihm mit Schreiben vom 20. Dezember 1962 mitgeteilt hatte, daß keine Ausgleichsrente mehr zustehe und die Weiterzahlung eingestellt hatte. Eine objektiv fehlerhafte Bearbeitung der Sache ist nicht nachzuweisen. Entsprechende aktenkundige Überprüfungen haben insoweit nichts Konkretes ergeben. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß die Versorgungsakten wegen des Antrags des Klägers auf Gewährung einer Badekur vom Februar 1961 ca. zehn Monate lang für die Bearbeitung der endgültigen Feststellung der Versorgungsbezüge nicht zur Verfügung standen. Zwar wurde die Verdienstbescheinigung von der Firma O. AG für die Zeit ab 31. Juli 1960 alsdann am 7. November 1961 übersandt, wohingegen die nächste aktenkundige Überprüfung erst im Dezember 1962 erfolgte. Diese Zeitspanne genügt indessen noch nicht, eine vorzeitige Verwirkung im Sinne der BSG-Entscheidung in KOV 1967 a.a.O. anzunehmen. Sie ist auch im Hinblick auf § 60 a Abs. 1 Satz 4 BVG in der Fassung des 1. NOG noch nicht unangemessen lang.
Nach alledem war der Berufung der Erfolg nicht zu versagen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved