S 4 KR 64/05

Land
Mecklenburg-Vorpommern
Sozialgericht
SG Neubrandenburg (MVP)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Neubrandenburg (MVP)
Aktenzeichen
S 4 KR 64/05
Datum
2. Instanz
LSG Mecklenburg-Vorpommern
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 13.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2005 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass der Kläger über den 15.10.2004 hinaus bei der Beklagten freiwillig krankenversichert war.
3. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand:

Streitig ist die Beendigung einer freiwilligen Krankenversicherung infolge von Beitragsrückständen.

Der im Jahre 1970 geborene Kläger war bei der Beklagten zuletzt aufgrund Bezugs von Arbeitslosengeld pflichtversichert. Auf seinen Antrag vom 19.03.2003 hin gewährte ihm die LVA Mecklenburg-Vorpommern mit Bescheid vom 12.05.2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.04.2003.

Der Kläger erklärte mit einem am 25.06.2004 bei der Beklagten eingegangenen Formblatt seinen Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung, nachdem die Beklagte zuvor das Fehlen der Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft im Rahmen der Krankenversicherung der Rentner festgestellt hatte.

Mit Bescheid vom 20.07.2004 stellte die Beklagte die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers sowie seine Pflichtversicherung in der Pflegekasse der Beklagten ab dem 01.05.2004 fest und teilte dem Kläger mit, dass die monatlichen Beiträge zur Krankenversicherung 114,22 EUR, diejenigen zur Pflegeversicherung 14,38 EUR, insgesamt 128,60 EUR monatlich, betrügen. Die Beiträge seien jeweils bis zum 15. eines Monats für den Vormonat fällig.

Im Rahmen eines Telefonats zwischen Mitarbeitern der Beklagten und dem Sozialamt des Landkreises U am 18.08.2004 wurde der Beklagten mitgeteilt, dass nach Auskunft der im Sozialamt vorsprechenden Betreuerin des Klägers diese den vorgenannten Bescheid nicht erhalten habe, weshalb die Beklagte den Bescheid nochmals per Fax an das Sozialamt übersandte.

Nachdem bislang keine Beitragszahlungen bei der Beklagten eingegangen waren, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27.08.2004 mit, dass der für den Zeitraum 01.05.-31.07.2004 aufgelaufene Beitragsrückstand 385,80 EUR betrage. Wegen der Einzelheiten nahm sie Bezug auf einen umseitigen "Kontoauszug". Sie forderte den Kläger auf, die Beitragszahlung bis zum 15.09.2004 nachzuholen und wies darauf hin, dass die Mitgliedschaft mit Ablauf des nächsten Zahltages ende, wenn für 2 Monate die fälligen Beiträge nicht entrichtet worden sind. Im Falle des Klägers bedeute dies, dass seine Mitgliedschaft zum 15.10.2004 ende, wenn bis zum 15.09.2004 kein Zahlungseingang vorliege. In diesem Falle verliere er bei gleichbleibenden Verhältnissen endgültig und dauerhaft das Recht, Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse zu sein. Ferner enthält das Schreiben folgenden, fettgedruckten Hinweis:

"Sollte das Sozialamt die Beiträge übernehmen, legen Sie dieses Schreiben bitte dort vor."

Nachdem weiterhin kein Zahlungseingang zu verzeichnen war, richtete die Beklagte ein weiteres Schreiben, datiert vom 27.09.2004, an den Kläger, welches im wesentlichen mit dem Schreiben vom 27.08.2004 übereinstimmt, jedoch zwischenzeitlich einen Beitragsrückstand i. H. v. 523,40 EUR ausweist, dessen Zahlung bis zum 10.10.2004 anmahnt und das Ende der Mitgliedschaft zum 15.10.2004 in Aussicht stellt, wenn die Zahlung nicht bis zum 10.10.2004 erfolge. Wegen des genauen Inhaltes der beiden vorgenannten Schreiben wird auf Bl. 7 und 8 der Verwaltungsakten, einschließlich der Rückseiten, ausdrücklich Bezug genommen.

Mit einem Schreiben ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 13.10.2004, der Betreuerin des Klägers per Einschreiben mit Rückschein zugegangen am 14.10.2004, teilte die Beklagte mit, dass sie die freiwillige Mitgliedschaft in der Krankenversicherung und die Mitgliedschaft in der Pflegeversicherung mit dem 15.10.2004 beenden müsse, nachdem noch immer kein Zahlungseingang zu verzeichnen sei. Ab dem 16.10.2004 bestünden keine Leistungsansprüche mehr.

Mit Schreiben vom 16.12.2004 wandte sich die Betreuerin des Klägers an die Beklagte und bat darum, den Kläger weiter freiwillig zu versichern. Sie habe bereits am 20.08.2004 beim Sozialamt des Landkreises U die Übernahme der Beiträge beantragt. Ein Schreiben vom 27.09.2004 habe sie nicht erhalten. Nach ihren Informationen habe das Sozialamt die Beiträge zwischenzeitlich gezahlt und auch für die Zukunft eine pünktliche Zahlung zugesagt. Ausweislich der Unterlagen der Beklagten wurden die Beitragsrückstände in 2 Teilbeträgen am 02.11. und 17.12.2004 dem Konto der Beklagten gutgeschrieben.

Am 21.07.2005 erhob die Betreuerin des Klägers gegen den Bescheid vom 13.10.2004 förmlich Widerspruch und begründete diesen mit dem Inhalt ihres Schreibens vom 16.12.2004.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.10.2005 zurück. Zur Begründung wiederholte sie im wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Ausgangsbescheid und wies ergänzend darauf hin, dass allein der objektive Zahlungsrückstand für die Beendigung der Mitgliedschaft maßgeblich sei, ohne dass es auf ein etwaiges Verschulden des Versicherten ankomme.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage des Klägers vom 07.11.2005, mit welcher er die weitere freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten weiter verfolgt. Zur Begründung verweist er im wesentlichen darauf, dass er sich rechtzeitig und nachdrücklich an das Sozialamt zwecks Übernahme der Beiträge gewandt habe, deren verspätete Zahlung mithin nicht zu vertreten habe.

Der Kläger beantragt:

Der Bescheid der Beklagten vom 13.10.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2004 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger über den 15.10.2004 hinaus bei der Beklagten freiwillig krankenversichert war.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Sie nimmt zur Begründung zum einen Bezug auf ihre Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden. Zum anderen vertritt sie die Auffassung, dass die an den Kläger gerichteten Mahnschreiben vom 27.08. und 27.09.2004 den gesetzlichen Voraussetzungen genügten und zusammen mit der Nichtzahlung der Beiträge zur Beendigung der Mitgliedschaft des Klägers geführt hätten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten.

Die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten hat nicht am 15.10.2004 geendet.

Gemäß § 191 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - gesetzliche Krankenversicherung (SGB V in der im Jahre 2004 geltenden Fassung) endet die freiwillige Mitgliedschaft mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für 2 Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet wurden. Das Mitglied ist im Rahmen des Hinweises insbesondere darauf hinzuweisen, dass nach dem Ende der Mitgliedschaft eine freiwillige Versicherung auch bei einer anderen Krankenkasse ausgeschlossen ist sowie darauf, dass unter den Voraussetzungen des Bundessozialhilfegesetzes die Übernahme von Krankenvesicherungsbeiträgen durch den Sozialhilfeträger möglich ist.

Welchen Inhalt über die ausdrücklichen gesetzlichen Anordnungen hinaus der für die Beendigung der Mitgliedschaft erforderliche Hinweis der Krankenkasse haben muss, ist bereits mehrfach Gegenstand sozialgerichtlicher Rechtsprechung gewesen, vgl. den Überblick von Krön in ZfS 2006, 261ff. Hiernach ist zusammenfassend zu fordern, dass der Hinweis der Krankenkasse so klar und eindeutig sein muss, dass der freiwillig Versicherte ohne weiteres erkennen kann, dass zum einen die endgültige Beendigung seiner Mitgliedschaft droht und zum anderen, welche Schritte für ihn notwendig (und ausreichend) sind, um diese Rechtsfolge zu vermeiden. Nur ein in diesem Sinne eindeutiger Hinweis der Krankenkasse kann geeignet sein, die schwerwiegende Rechtsfolge der Beendigung der Mitgliedschaft herbeizuführen, die im übrigen kein weiteres Zutun der Krankenkasse erfordert, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen unmittelbar eintritt.

Nach Auffassung der Kammer muss demnach das zur Beendigung führende Hinweisschreiben jedenfalls denjenigen Betrag bezeichnen, dessen Zahlung zur Erhaltung der Mitgliedschaft erforderlich ist. Dabei mag es ausreichen, dass sich die exakte Höhe des Betrages aus etwaigen vorangegangenen Zahlungserinnerungsschreiben ergibt, so etwa SG Leipzig, S 8 KR 429/05 ER, zitiert nach Krön, a.a.O. Zumindest muss aber das Hinweisschreiben selbst erkennen lassen, dass zur Vermeidung der Rechtsfolgen des § 191 SGB V es erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Beitragsrückstände zur Krankenversicherung ausgeglichen werden. Erweckt die Krankenkasse mit ihrem Hinweisschreiben hingegen den Eindruck, dass die Begleichung auch der Beiträge zur Pflegeversicherung erforderlich ist, um die Beendigung der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung zu vermeiden, so ist es fehlerhaft und von vornherein nicht geeignet, einen wirksamen Hinweis i. S. von § 191 SGB V darzustellen. Dies rechtfertigt sich daraus, dass allein das Versicherungsverhältnis im Rahmen der freiwilligen Krankenversicherung gemäß § 191 SGB V von der Beitragszahlung abhängig ist, während es sich bei dem Mitgliedschaftsverhältnis in der Pflegekasse gemäß § 20 Abs. 3 SGB XI um eine reine Pflichtversicherung handelt, die solange besteht, wie der Versicherte freiwillig krankenversichert ist.

Da es dem Versicherten bei der Zahlung seiner Beiträge in entsprechender Anwendung von § 366 Abs. 1 BGB freisteht, zu bestimmen, auf welche Schuld er zahlt, reicht allein die regelmäßige Entrichtung der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung aus, um auch die Pflichtversicherung in der Pflegeversicherung aufrecht zu erhalten. Die Pflegekasse wäre dann lediglich gehalten, ihre rückständigen Beiträge beizutreiben, hätte aber selbst im Falle dauerhafter Uneinbringlichkeit ihrer Forderungen keine Möglichkeit, die Mitgliedschaft des Versicherten zu beenden.

Vor diesem Hintergrund stellen sich die Mahnschreiben der Beklagten vom 27.08.2004 und vom 27.09.2004 als unwirksam dar, da sie in keiner Weise auf die oben dargelegte Differenzierung hinweisen, sondern stets nur von einem Beitragsrückstand sprechen, dessen Ausgleichung angemahnt wird. Es kann daher dahinstehen, ob über den jedenfalls erforderlichen Hinweis darauf, dass die Begleichung der rückständigen Beiträge zur Krankenversicherung ausreichen, auch zu fordern ist, dass deren genaue Höhe mitgeteilt wird, was vorliegend gerade nicht der Fall ist. Die rückseitig aufgedruckten "Kontoauszüge" weisen jeweils nur einen Gesamtbetrag bzw. monatliche Beträge aus, die nicht zwischen dem Beitrag zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung differenzieren.

Dahinstehen kann ferner, ob im Hinblick auf die der Beklagten bekannten Versuche der Betreuerin des Klägers, die Übernahme der Beiträge durch das Sozialamt zu erreichen, die Prüfung einer Stundung der Beitragsrückstände durch die Beklagte hätte erfolgen müssen und auch aus diesem Grunde die Rechtsfolgen des § 191 Nr. 3 SGB V nicht eintreten konnten, in diesem Sinne LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 30.01.2002, L 4 KR 6/01.

Ebenfalls dahinstehen kann der Umstand, dass auch der in den beiden Mahnschreiben enthaltene Hinweis auf eine Kostenübernahme durch das Sozialamt den gesetzlichen Anforderungen des § 191 Satz 2 genügt. Hier liegt nach Auffassung des Gerichts zumindest ein Missverständnis aufgrund des Wortlautes in den Hinweisschreiben dahingehend nahe, dass eine Vorlage des Mahnschreibens beim Sozialamt nur dann angezeigt sei, wenn eine Beitragsübernahme durch das Sozialamt bereits von diesem zugesagt worden ist, so dass dem Versicherten die vom Gesetz bezweckte erstmalige Kontaktaufnahme mit dem Sozialamt zwecks Prüfung einer derartigen Beitragsübernahme gerade nicht nahegelegt wird.

Schließlich kann nach alledem dahinstehen, ob auch nur eines der beiden Mahnschreiben der Beklagten dem Kläger bzw. dessen Betreuerin überhaupt erreicht hat. Für das Schreiben vom 27.09.2004 hat die Betreuerin den Zugang jedenfalls mit ihrem Schreiben vom 16.12.2004 ausdrücklich bestritten. Hier sei darauf hingewiesen, dass die Verwaltungspraxis der Beklagten nicht die Hinweisschreiben nach § 191 Satz 1 Nr. 3 SGB V, sondern statt dessen lediglich den (deklaratorischen) Bescheid über die eingetretene Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft per Einschreiben mit Rückschein und damit nachweisbar bekanntzugeben bzw. zuzustellen, nicht nachvollziehbar ist.

Ob endlich die wechselnden Zahlungsfristen (zunächst 15.09.2004, dann 10.10.2004) und deren Abweichung von dem angekündigten Beendigungszeitpunkt für die Wirksamkeit der Mahnschreiben schädlich sind, kann ebenfalls dahinstehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Die Statthaftigkeit der Berufung ergibt sich aus § 143 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
Saved