L 5 V 1168/69

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 1168/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Änderung der Verhältnisse liegt dann vor, wenn an Stelle der abgeklungenen Gesundheitsstörungen solche auf anderer Ursache beruhende getreten sind, mögen auch die Erscheinungsformen die gleichen geblieben sein.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 7. Oktober 1969 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der 1923 geborene Kläger, der von 1942 bis Mai 1945 Wehrdienst geleistet hatte, befand sich bis zum 31. Dezember 1953 in russischer Kriegsgefangenschaft. Im Januar 1954 stellte er Antrag auf Versorgungsbezüge wegen eines Eiweissmangelschadens, defekten Gebisses, Unterschenkeldurchschusses rechts, Ruhrverdachts, Verletzung des linken Auges mit nachfolgender Geschwürsbildung, Gehörschadens und Nervenzusammenbruchs.

Als Spätheimkehrer sind ihm vom 4. Februar bis 3. März 1954 im Hessischen bad B. S. und vom 15. März bis 10. April 1954 in der V.anstalt B. H. Erholungskuren bewilligt worden, die u.a. als Befund eine allgemeine Leistungsschwäche sowie vegetative Regulationsstörung nach Dystrophie zu Tage treten liessen.

Der im Auftrag der Versorgungsbehörde gehörte Facharzt für Augenkrankheiten Dr. T. diagnostizierte eine Hornhautnarbe des linken Auges, die keine erwerbsmindernde Folgen habe. Prof. Dr. K. fand eine minimale Innenohrschwerhörigkeit vor. Der Vertragsarzt Dr. B. führte in dem Gutachten vom 26. Mai 1954 als Schädigungsfolgen "allgemeine Leistungsschwäche sowie vegetative Regulationsstörungen nach allgemeiner nervöser Übererregbarkeit, Magen- und Zwölffingerdarmkatarrh, Lambliasis, reizlose Narben am rechten Unterschenkel, der linken Hand ohne Funktionsstörung, Hornhautnarbe des linken Auges ohne Beeinträchtigung des Sehvermögens und minimale Innenohrschwerhörigkeit” auf, die der Bescheid vom 29. September 1954 mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H. als Schädigungsfolgen übernahm. Weiterhin stellte der Bescheid fest, Verletzungsfolgen im Rücken seien nicht nachweisbar. Die geklagten nervösen Störungen seien Symptome der allgemeinen Leistungsschwäche sowie der vegetativen Regulationsstörungen und Kreislaufstörung nach Dystrophie. Die Sehstörungen des rechten Auges beruhten auf Übersichtigkeit und angeborener Schwachsichtigkeit. Diese sei nicht durch den Wehrdienst bedingt. Das Gebiss sei saniert.

Auf den Widerspruch des Klägers erging nach versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 22. Dezember 1954 der Bescheid vom 7. April 1955, der mit einer MdE um 50 v.H. als Schädigungsfolgen:

"1.) Allgemeine Leistungsschwäche sowie vegetative Regulationsstörungen bei allgemeiner nervöser Übererregbarkeit,

2.) Magen- und Zwölffingerdarmkatarrh mit Herabsetzung der Säureproduktion,

3. Gallenblasenstörung durch Darmschmarotzer (Lambliasis),

4.) reizlose Narben am rechten Unterschenkel, der linken Hand ohne Funktionsstörung,

5.) Hornhautnarbe des linken Auges ohne Beeinträchtigung des Sehvermögens,

6.) minimale Innenohrschwerhörigkeit bds.” anerkannte. Daraufhin nahm der Kläger den Widerspruch zurück.

Die am 15. August 1958 durch den Vertragsarzt Dr. S.-B. durchgeführte Nachuntersuchung ergab keine wesentliche Änderung, wobei er in seinem Gutachten darauf hinwies, dass auffallend die erhebliche allgemeine vegetative Labilität sei, die auch jetzt noch fünf Jahre nach der russischen Kriegsgefangenschaft in unverminderter Stärke bestehe. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. kam in dem nervenfachärztlichen Gutachten vom 16. November 1959 im Rahmen einer weiteren Nachuntersuchung zu dem Ergebnis, die beim Kläger anerkannte Leistungsschwäche und vegetativen Regulationsstörungen bei allgemeiner nervöser Übererregbarkeit, die bisher auf die Einflüsse der Gefangenschaft bezogen waren, seien als abgeklungen zu betrachten. Jetzt noch bestehende vegetative Störungen und Symptome einer nervösen Übererregbarkeit hätten ihre Ursache in der besonderen Konstitution und könnten deshalb nicht mehr als Schädigungsfolgen angesehen werden. Der Facharzt für Chirurgie Dr. B. nahm in dem fachchirurgischen Nebengutachten vom 17. November 1959 als Schädigungsfolgen "reizlose Narben am rechten Unterschenkel und der linken Hand ohne Funktionsbeeinträchtigung, narbige Veränderungen an der unteren Brust- und oberen Lendenwirbelsäule nach Osteodystrophie” mit einer MdE um 10 v.H. an. In dem Gutachten vom 24. November 1959 diagnostizierte der Facharzt für Augenkrankheiten Dr. O. eine "zentrale Hornhauttrübung links mit Beeinträchtigung der Sehschärfe des besseren Auges”, für die er die MdE mit 20 v.H. schätzte. Der Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten Prof. Dr. W. führte in dem Gutachten vom 22. Februar 1960 die "kombinierte Innenohr-Mittelohrschwerhörigkeit leichten Grades beiderseits” ohne einen Grad der MdE auf. Der Facharzt für innere Krankheiten Dr. V. gab das innerfachärztliche Gutachten vom 16. November 1959 und die weiteren aktenmässigen Äusserungen vom 3. August und 24. Oktober 1960 ab. Nachdem vom 10. September bis 28. September 1961 eine Badekur in dem V.krankenhaus B. P. durchgeführt worden war, erstatteten Priv.-Dozent Dr. B. und Assistenzarzt Dr. H. von der I. Medizinischen Klinik der J.-W.-G.-Universität F. das Gutachten vom 3. Juli 1967. Sie vertraten darin die Ansicht, es handele sich um das Krankheitsbild der vegetativen Dystonie. Dafür spielten konstitutionelle Momente in der Ätiologie des vegetativen Syndroms bei dem Kläger heute die überragende Rolle. Die äusseren Umstände der Gefangenschaft sowie der Prozess der beruflichen und persönlichen Eingliederung in die Gemeinschaft, die nach der Heimkehr sicher von wesentlicher pathogenetischer Bedeutung gewesen seien, dürften jetzt – 14 Jahre später – ihren Einfluss auf die vegetative Koordination verloren haben. Eine Schädigungsfolge liege daher nicht mehr vor. Die geringe Erregungsrückbildungsstörung über dem Herzen beruhe wahrscheinlich auf einer Minderdurchblutung des Herzmuskels und lasse ebenfalls keinen kausalen Zusammenhang mit dem Kriegsdienst erkennen.

Nachdem Reg.-Medizinaldirektor Dr. St. den Prüfungsvermerk vom 31. August 1967 abgegeben hatte, erging der Bescheid vom 5. September 1967, der als Schädigungsfolgen ohne eine rentenberechtigende MdE

"1.) Chronischer Magen- und Zwölffingerdarmkatarrh, Verdauungsstörungen mit Neigung zu Durchfällen,

2.) Leberfunktionsstörungen nach Eiweissmangelschaden,

3.) Narben am rechten Unterschenkel und an der linken Hand,

4.) Hornhautnarbe des linken Auges,

5.) Geringe Innenohrschwerhörigkeit beiderseits” bezeichnete.

Der Bescheid stellte weiterhin fest, eine wesentliche Besserung liege insofern vor, als eine allgemeine Leistungsschwäche mit vegetativen Regulationsstörungen und Kreislaufstörungen als Folge der gefangenschaftsbedingten Verhältnisse nicht mehr festzustellen sei.

Im Widerspruchsverfahren erteilte das Versorgungsamt Frankfurt/Main nach Anhörung des Oberreg.-Medizinalrats W. am 28. Dezember 1967 den Bescheid vom 19. Januar 1968, der als Schädigungsfolgen mit einer MdE um 30 v.H. aufführte:

"1.) Chronischer Magen- und Zwölffingerdarmkatarrh, Verdauungsstörungen mit Neigung zu Durchfällen.

2.) Geringe Leberfunktionsstörungen nach Eiweissmangelschaden.

3.) Narben am rechten Unterschenkel und an der linken Hand.

4.) Hornhautnarbe am linken Auge mit Beeinflussung des zentralen Sehens.

5.) Nur audiometrisch nachweisbare geringe Mittel- und Innenohrschwerhörigkeit beiderseits.

6.) Narben nach abgelaufener Osteodystrophie im Bereich der unteren Brust- und oberen Lendenwirbelsäule.”

Der Widerspruchsbescheid vom 23. April 1968 stellte fest, die jetzt noch vorhandenen und auch nachgewiesenen nervösen Störungen, wozu auch die geklagten Herzbeschwerden gehörten, sowie das beginnende Bluthochdruckleiden hätten mit den Schädigungsfolgen nichts zu tun. Es handele sich vielmehr hierbei um konstitutionell bedingte und schicksalsmässig in Erscheinung getretene Gesundheitsstörungen. Eine weitere Besserung sei durch die Erhöhung des Salzsäuregehalts durch die produzierenden Drüsen in der Magenschleimhaut nachgewiesen. Es liege nämlich keine Unterproduktion an Salzsäure mehr vor. Auch eine Gallenblasenstörung durch Darmschmarotzer – hervorgerufen durch Lamblienbefall – sei nicht mehr festzustellen. Die degenerativen Veränderungen am Achsenorgan seien altersbedingte Rheumafolgen hätten bei den ausführlichen Begutachtungen nicht nachgewiesen werden können. Die harmlose Nervenstörung sei keine typische Folgeerkrankung der Dystrophie oder der Gefangenschaft.

In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/Main hat der Kläger vorgetragen, die vegetative Labilität bestehe in unverminderter Stärke, so dass von einer wesentlichen Besserung im Sinne des § 62 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) nicht die Rede sein könne.

Demgegenüber hat der Beklagte ausgeführt, dauerhafte vegetative Störungen im Zusammenhang mit schädigenden Ereignissen gingen immer auf organische Grundlagen zurück. Die auf die Dystrophie zurückgeführte allgemeine Leistungsschwäche mit Auswirkungen auf den Kreislauf und das vegetative System seien abgeklungen.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben und von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. das Gutachten vom 31. Mai 1969 eingeholt, der darin die Ansicht vertreten hat, die vegetativen Regulationsstörungen und die allgemeine nervöse Übererregbarkeit seien nicht mehr auf die Einwirkungen des Wehrdienstes oder der Kriegsgefangenschaft zu beziehen. Es sei davon auszugehen, dass die Verschlimmerung einer konstitutionell bestehenden vegetativen Übererregbarkeit etwa im Laufe von 5 Jahren nach Rückkehr aus der Gefangenschaft als abgeklungen gelten könne. Da die vegetativen Regulationsstörungen wie früher noch bestünden, müsse es jedoch weiterhin bei der Anerkennung verbleiben.

Mit dem Facharzt für innere Krankheiten Dr. V. hat dazu der Beklagte geltend gemacht, die sonst noch möglichen somatischen postdystrophischen Folgen seien als erledigt zu bezeichnen. Die für die Beurteilung 1954 massgebliche Wesensgrundlage sei jetzt nicht mehr gegeben.

Mit Urteil vom 7. Oktober 1969 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, in den gesundheitlichen Verhältnissen des Klägers sei eine wesentliche Änderung gemäss § 62 BVG eingetreten, da die allgemeine Leistungsschwäche sowie vegetative Regulations- und Kreislaufstörungen bei allgemeiner nervöser Übererregbarkeit nicht mehr bestünden. Die Einflüsse der Kriegsgefangenschaft seien nicht mehr ursächlich für die nunmehr bei dem Kläger bestehenden vegetativen Störungen und die allgemeine nervöse Übererregbarkeit. Die schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen seien abgeklungen. Das jetzt vorherrschende Leiden sei konstitutionell bedingt.

Gegen das am 7. November 1969 dem Kläger zugestellte Urteil ist die Berufung am 24. November 1969 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er vorträgt, eine wesentliche Änderung ist seinem Gesundheitszustand sei nicht eingetreten, da die vegetativen Regulationsstörungen auch heute noch gegeben seien; die allein auf die Strapazen der 10jährigen russischen Kriegsgefangenschaft zurückgingen. Im übrigen sei die Bewertung des MdE-Grades nicht zutreffend. Es sei wegen des medizinisch ungeklärten Sachverhalts die Einholung eines Sachverständigengutachtens angezeigt.

Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 7. Oktober 1969 aufzuheben und unter Abänderung des Bescheides von 19. Januar 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 1968 den Beklagten zu verurteilen, wegen der anerkannten Schädigungsfolgen und "allgemeiner Leistungsschwäche sowie vegetativen Regulations- und Kreislaufstörungen bei allgemeiner Übererregbarkeit” eine Versorgungsrente nach einer MdE um 60 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Versorgungsakten mit der Grundlisten-Nr ... haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakten beider Rechtszüge, der auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 148 Nr. 3, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –). Sie ist jedoch unbegründet.

Der Bescheid vom 19. Januar 1968, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 1968 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen.

Eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge ist nämlich dann vorzunehmen, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung massgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist (§ 62 Abs. 1 BVG), die nach dieser Vorschrift auch dann vorliegt, wenn sich das durch die Einflüsse des Wehrdienstes oder der Kriegsgefangenschaft entstandene Leiden gebessert hat. Eine solche Änderung ist nach dem Ergebnis der von dem Beklagten angestellten Ermittlungen und der im Klageverfahren durchgeführten Beweisaufnahme nachzuweisen und wahrscheinlich zu machen, die es rechtfertigt, die "allgemeine Leistungsschwäche sowie vegetativen Regulations- und Kreislaufstörungen bei allgemeiner Übererregbarkeit” nicht mehr als Schädigungsfolgen anzusehen und demgemäss den Grad der MdE mit 30 v.H. zu bewerten So haben Dres. B. und H. von der I. Medizinischen Klinik der J.-W.-G.-Universität F. sowie der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. und ebenso auch der medizinische Sachverständige Dr. K. in ihren überzeugenden und wohlbegründeten Gutachten bei einem Vergleich der 1954 und ab 1959 erhobenen Befunde dargetan, dass eine wesentliche Änderung im Sinne der Besserung zu verzeichnen ist. Diese haben sie zutreffend darin gesehen, dass nämlich die Folgen der Dystrophie, die der Vertragsarzt Dr. B. im Mai 1954 als allgemeine Leistungsschwäche mit Herz- und Kreislaufstörungen und allgemeiner nervöser Übererregbarkeit umschrieben hatte, abgeklungen sind und statt dessen jetzt das Beschwerdebild einer konstitutionell bedingten Übererregbarkeit besteht. Diesen richtigen Befund hatte bereits 1959 der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. erhoben, der unter Auswertung der seit 1954 vorliegenden Krankenunterlagen und Anamnesen sowie der allgemein gesicherten Erfahrung der medizinischen Wissenschaft davon ausging, die objektiven Symptome einer vegetativen Labilität seien nicht mehr mit den Einflüssen der Kriegsgefangenschaft in Zusammenhang zu bringen, sondern der Beschwerdekomplex sei typisch für eine konstitutionell bedingte nervöse Übererregbarkeit, deren Symptome bis in die Kindheit zurückgingen. Für die Richtigkeit dieser Beurteilung spricht vor allem die Tatsache, dass nämlich eine cerebrale Dystrophiedauerschädigung nicht zu diagnostizieren war. Dieser Befund hat eine Bestätigung durch Dres. B. und H. von der I. Medizinischen Klinik der J.-W.-G.-Universität F. erfahren, die ebenfalls den konstitutionellen Momenten in der Ätiologie des vegetativen Syndroms die überragende Rolle zusprachen. Wie bereits der medizinische Gutachter Dr. H. meinten auch sie, die äusseren Umstände der Gefangenschaft sowie der Prozess der beruflicher und persönlichen Eingliederung in die Gemeinschaft, die für den Heimkehrer sicher von wesentlicher pathogenetischer Bedeutung waren, hätten 14 Jahre später ihren Einfluss auf die Koordination verloren. Das ist im übrigen auch die Ansicht des medizinischen Sachverständigen Dr. K. der es überhaupt für einen Fehler hält, eine vegetative Dystonie als Schädigungsfolge zu benennen, weil nämlich die Faktoren, die dazu führen, derartig breit gestreut sind, dass eine einzelne Ursache nicht auszumachen ist. Ihm ist jedoch nicht zu folgen, wenn er ausführt, dass die vegetativen Regulationsstörungen und die allgemeine nervöse Übererregbarkeit, weil sie nach wie vor bestünden, auch weiterhin deshalb als Schädigungsfolge anzusehen seien. Er verkennt dabei, dass die wesentliche Änderung darauf beruht, weil das Leiden des Klägers eine andere Ursache erhalten hat, als es früher gehabt hat. Eine Änderung der Verhältnisse ist nicht deshalb angenommen worden, weil die nach wie vor bestehenden nervösen Störungen allein wegen des Zeitablaufs seit der früheren Erkrankung von einem späteren Zeitpunkt an auf eine Anlage zurückzuführen seien, sondern deswegen, weil die als Folgen der Dystrophie angenommene allgemeine Leistungsschwäche sowie vegetative Regulations- und Kreislaufstörungen bei allgemeiner nervöser Übererregbarkeit abgeklungen und an deren Stelle nervöse Störungen auf konstitutioneller Basis aus anderen Ursachen aufgetreten sind. Wenn aber in dem Abklingen von Gesundheitsstörungen, die auf schädigende Einflüsse der Kriegsgefangenschaft zurückzuführen sind, eine Änderung der Verhältnisse zu sehen ist (vgl. BSG 2, 113), dann muss eine solche auch darin gesehen werden, dass an Stelle der abgeklungenen Gesundheitsstörungen solche auf anderer Ursache beruhende getreten sind (vgl. BSG-Urteil vom 27.1.1966 Az.: 10 RV 731/63; Urteil vom 27.7.1965 Az.: 10/11 RV 604/63), mögen auch die Erscheinungsformen die gleichen geblieben sind. Die Auffassung des Klägers, dass eine Änderung in den Ursachen des Leidens nicht zur Neufeststellung der Versorgungsbezüge gemäss § 62 BVG berechtigt, geht daher fehl.

Vorliegend ist aufgrund der Gutachten der Dres. H., B., H. und K. festzustellen, dass sich die Ursachen der nervösen Störungen geändert haben – früher war es die Dystrophie, hervorgerufen durch Einflüsse der russischen Kriegsgefangenschaft, jetzt sind es konstitutionelle Momente – die es dem Beklagten gestatten, eine wesentliche Änderung im Sinne der Besserung gemäss § 62 Abs. 1 BVG anzunehmen und damit auch die MdE um 30 v.H. bei integrierender Berechnung festzusetzen, wobei die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen berücksichtigt worden sind. Wegen der verschiedenen Schädigungsfolgen, nämlich "chronischer Magen- und Zwölffingerdarmkatarrh, Verdauungsstörungen mit Neigung zu Durchfällen, geringe Leberfunktionsstörungen nach Eiweissmangelschaden, Narben am rechten Unterschenkel und an der linken Hand, Hornhautnarbe am linken Auge mit Beeinflussung des zentralen Sehens, nur audiometrisch nachweisbare geringe Mittel- und Innenohrschwerhörigkeit beiderseits, Narben nach abgelaufener Osteodystrophie im Bereich der unteren Brust- und oberen Lendenwirbelsäule”, die sämtlich als Einzel-MdE keinen rentenberechtigenden Grad erreichen, ist die Schätzung der Gesamt-MdE mit 30 v.H. gerechtfertigt, worauf Oberreg.-Medizinalrat W. zutreffend hingewiesen hat.

Da der Senat den Sachverhalt in medizinischer Hinsicht aufgrund der vorliegenden Gutachtern als voll geklärt ansehen konnte, bestand kein Anlass zu weiterer Beweiserhebung. Der Berufung war vielmehr der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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