L 5 V 623/69

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 623/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Da das Bestattungsgeld nach § 36 Abs. 1 BVG eine einmalige Leistung darstellt, die hinsichtlich ihrer Voraussetzungen keine präjudizielle Wirkung in Bezug auf andere Leistungen im Sinne des § 9 BVG hat, ist das Interesse an der Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 letzter Halbsatz SGG, daß der Tod Schädigungsfolge ist, zu verneinen. Entscheidet ein Sozialgericht in Verkennung dieser rechtlichen Konsequenz in der Sache, so liegt ein „error in iudicando” vor.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 29. April 1969 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Witwe des am 1987 geborenen und laut Leichenschauschein am 28. März 1968 an einer während zweier Jahre vor dem Tode bestehenden Herzinsuffizienz verstorbenen L. H., bei dem ausserdem zwanzig Jahre lang Bronchialasthma bestanden hatte. Er war Teilnehmer am 1. Weltkrieg gewesen und hatte wegen "Verlustes des rechten Unterschenkels und linken Vorfußes nach Erfrierung” als Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG Rente nach einem Grade der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. bezogen.

Am 5. April 1968 beantragte die Klägerin beim Versorgungsamt F. Bestattungsgeld, woraufhin Oberregierungsmedizinalrat Dr. M. vom Ärztlichen Dienst am 7. Juni 1968 eine aktenmässige versorgungsärztliche Äusserung abgab. Darin verneinte er die Frage, ob der Tod Folge einer Schädigung gewesen sei.

Mit Bescheid vom 13. Juni 1968 wurde der Klägerin deshalb nur die Hälfte des 750,– DM betragenden Bestattungsgeldes bewilligt, das wegen Anrechnung der vom Krankenversicherungsträger gewährten entsprechenden Leistung nicht zur Auszahlung kam.

Durch Widerspruchsbescheid vom 14. August 1968 wurde der angefochtene Bescheid mit der Begründung bestätigt, der Behauptung der Klägerin, der rechte Unterschenkelstumpf ihres verstorbenen Ehemannes sei in den letzten Jahren immer geschwollen und entzündet gewesen, weshalb ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Schädigungsfolge und Tod bestehe, sei durch erneute Befragung des Dr. M. nachgegangen worden. Dieser habe nach Prüfung der vorliegenden ärztlichen Berichte seine Auffassung jedoch aufrechterhalten.

Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Fulda hat die Klägerin sich auf Befunde der Orthopädischen Versorgungsstelle K. vom 20. März 1968 über die Stumpfverhältnisse bei ihrem Ehemann sowie auf eingereichte Atteste und Bescheinigungen berufen.

Mit Urteil vom 29. April 1969 hat das Sozialgericht die auf Feststellung gerichtete Klage, daß der Tod Folge einer Schädigung gewesen sei, abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, obwohl der Klägerin wegen der vom Krankenversicherungsträger gezahlten Leistungen kein Anspruch auf das volle Bestattungsgeld anstehe, habe das Gericht ihr Feststellungsinteresse im Hinblick auf etwaige weitere Leistungen bejaht und die Klage als zulässig erachtet. Diese sei indessen unbegründet, weil ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Tod und Schädigungsfolgen nicht wahrscheinlich sei.

Gegen dieses Urteil, das am 13. Mai 1969 mittels eingeschriebenen Briefes an die Klägerin abgesandt worden ist, richtet sich ihre am 12. Juni 1969 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Zur Begründung wiederholt sie ihr bisheriges Vorbringen unter Hinweis auf weitere Bescheinigungen über den Gesundheitszustand ihres Ehemannes und von diesem geführten Schriftwechsel.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 29. April 1969 aufzuheben und in Abänderung des Bescheides vom 13. Juni 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1968 festzustellen, daß der Tod ihres Ehemannes die Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Ausführungen zur Sache hat er nicht gemacht.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Die Akten des Versorgungsamtes F. mit der Grundlisten-Nr. , die Akten der Orthopädischen Versorgungsstelle K. über den verstorbenen Ehemann der Klägerin und die Rentenakten der Landesversicherungsanstalt H. haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt wird ebenso wie auf den der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist unbeschadet des § 144 Abs. 1 Ziff. 1 SGG auch im übrigen zulässig, da die Klägerin Feststellungen begehrt, daß der Tod ihres Ehemannes die Folge einer Schädigung gewesen ist. Hiernach kommt die Sondervorschrift des § 150 Ziff. 3 SGG zur Anwendung, wonach die Berufung trotz der Bestimmung des § 144 SGG dann zulässig ist, wenn der ursächliche Zusammenhang des Todes mit einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) streitig ist. Die Berufung ist aber nicht begründet.

Da die Klägerin auch in zweiter Instanz erkennbar nur Feststellung gemäß § 55 Abs. 1 Ziff. 3 SGG begehrt für ein Leistungsbegehren würde keine Beschwer bestanden haben, weil ihr Anspruch auf volles Bestattungsgeld in Höhe von 750,– DM gemäß § 36 Abs. 1 BVG wegen der entsprechenden Leistung des gesetzlichen Krankenversicherungsträgers, der Bestattungsgeld in Höhe eines Betrages ausgezahlt hat, der über 750,– DM liegt, voll konsumiert ist – war vom Senat vorab zu prüfen, ob ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung besteht (§ 55 Abs. 1 letzter Halbsatz SGG). Diese Frage war entgegen der Rechtsansicht des Vordergerichts zu verneinen. Denn ein Feststellungsinteresse der Klägerin "im Hinblick auf etwaige weitere Leistungen”, wie das Sozialgericht ausgeführt hat, besteht deshalb nicht, weil das Bestattungsgeld nach § 36 Abs. 1 BVG eine einmalige Leistung darstellt, die hinsichtlich ihrer Voraussetzungen keine präjudizielle Wirkung in Bezug auf andere Leistungen im Sinne des § 9 BVG hat. Hierzu hat das Bundessozialgericht eine feststehende Rechtsprechung geschaffen, von der abzuweichen der Senat keinen Anlass hatte. Er folgt vielmehr der Auffassung des Bundessozialgerichts voll, das z.B. in BSGE 4 S. 191, aber auch in BSGE 10 S. 161 ff. und in BSGE 14 S. 99 ff. gesagt hat, es sei nicht zweifelhaft, daß es sich bei dem Anspruch auf Bestattungsgeld und dem auf Witwenrente – nur dieser könnte hier als präjudiziell überhaupt in Betracht kommen – um völlig verschiedene, selbständige und voneinander unabhängige materielle und rechtliche Ansprüche handele, bei denen die Entscheidung über einen von ihnen keine Entscheidung über eine Vortrage für den anderen darstelle. Unbeachtlich seien dabei die übereinstimmenden Voraussetzungen im Hinblick auf den Bedingungssatz " wenn der Tod die Folge einer Schädigung ” ist. Diese sollten zwar, wie das Bundessozialgericht ausgeführt hat und worin ihm der Senat folgt, regelmässig für die Versorgungsbehörde Veranlassung sein, den Ursachenzusammenhang zwischen Tod und Schädigung bei Entscheidungen über Bestattungsgeld und Hinterbliebenenversorgung einheitlich zu beurteilen. Eine dahingehende Bindung besteht aber nicht.

Diese Grundsätze müssen vorliegend dazu führen, das Interesse der Klägerin an der baldigen Feststellung im Sinne des § 55 Abs. 1 letzter Halbsatz SGG zu verneinen. Denn dieses Interesse kann nicht als abstrakt im Raum stehend betrachtet werden, sondern ist zu verbinden mit einem zumindest theoretisch gesetzlich möglichen Anspruch auf Leistungen irgendwelcher Art. Ein solcher ist aber im Rahmen des § 36 Abs. 1 BVG nicht ersichtlich, da die dort geregelte einmalige Leistung keine anderen sachlichen Ansprüche zu zeitigen vermag. Hiernach fehlt es auch an einem vernünftigen Grund für das Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung. Sie hat die Möglichkeit, ihr Vorbringen in Bezug auf den Kausalzusammenhang zwischen Schädigung und Tod im Rahmen des § 38 Abs. 1 BVG zu wiederholen, abzuändern oder zu erweitern. Eine im Rahmen des § 36 Abs. 1 getroffene gerichtliche Feststellung ist dabei unbeachtlich und würde ihr weder Vor- noch Nachteile bringen.

Nach alledem hätte der Vorderrichter die Klage als unzulässig ansehen müssen und nicht sachlich über den Anspruch entscheiden dürfen. Denn nach richtiger Auffassung (vergl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 26.2.1960 in SozR SGG Da 7 zu § 55 SGG und die dort angegebenen weiteren Fundstellen) ist das Feststellungsinteresse gemäß § 55 Abs. 1 SGG eine Prozeßvoraussetzung für die Feststellungsklage und damit eine Frage des Prozeßrechts. Gleichwohl ändert dieser Fehler, der als "error in iudicando” zu bewerten ist, am Ergebnis nichts. Die vom Sozialgericht abgewiesene Klage der Klägerin wäre dann aus einem anderen – formellen – Grund ebenfalls erfolglos gewesen, so daß ihr Nachteile wegen der unrichtigen Entscheidung nicht entstanden sind.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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