S 6 AS 463/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 463/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. Februar 2007 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2007 verurteilt, der Klägerin ab 1. März 2007 Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu bewiligen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) ab dem 01.03.2007 streitig.

Die am 1981 geborene Klägerin ist gelernte Zahnarzthelferin und stellte erstmals bei der Beklagten am 01.04.2006 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Sie absolvierte damals bei der S. Deutschland GmbH ein Praktikum vom 04.10.2005 bis einschließlich 31.08.2006. Mit Bescheid vom 03.04.2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 440,80 EUR für die Zeit vom 01.04.2006 bis 31.08.2006. Mit Änderungsbescheid vom 14.06.2006 erhöhte die Beklagte ihre Leistungen für die Zeit vom 01.04.2006 bis 31.08.2006 auf 492,30 EUR.

Am 01.08.2006 stellte die Klägerin einen Folgeantrag für den Bewilligungszeitraum ab 01.09.2006. Am 21.08.2006 legte sie einen am 20.06.2006 zwischen ihr und der S. Deutschland GmbH geschlossenen Berufsausbildungsvertrag gemäß §§ 3, 4 Berufsbildungsgesetz (BBiG) als Fachkraft für Lagerlogistik vor. Als Ausbildungsbeginn wurde der 01.09.2006 vereinbart. Ausbildungsende ist am 31.08.2009. Nach dem Ausbildungsvertrag erhält die Klägerin für das erste Ausbildungsjahr eine Vergütung in Höhe von monatlich 719,00 EUR brutto.

Den Antrag lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 23.08.2006 ab. Mit Bescheid vom 13.10.2006 in Fassung des Bescheides vom 27.11.2006 bewilligte sie dagegen dann der Klägerin Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.09.2006 bis 28.02.2007 in Höhe von monatlich 308,04 EUR. Am 02.02.2007 stellte die Klägerin wiederum einen Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.02.2007 ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen lägen nicht vor, weil die Klägerin sich in Ausbildung befinde und diese Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 60 bis 62 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig seien. Die Entscheidung beruhe auf § 7 Abs. 5 und Abs. 6 SGB II.

Dagegen legte die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte am 13.04.2007 Widerspruch bei der Beklagten ein. Die Klägerin habe von 1997 bis 1999 den Beruf einer zahnmedizinischen Assistentin erlernt. Diesen Beruf könne sie aufgrund einer Allergie gegen Desinfektionsmittel, die sich in Hautreizungen und Bronchitis äußere, nicht mehr ausüben. Nach § 60 SGB III habe die Klägerin jedoch keinen Anspruch auf eine Förderung, da gemäß § 60 Abs. 2 SGB III nur die erstmalige Ausbildung ausbildungsförderungsfähig sei. Weil die Klägerin ihren Ausbildungsberuf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben könne, liege auch ein besonderer Härtefall vor. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.04.2007 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 15.05.2007 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben.

In der mündlichen Verhandlung vom 24.07.2007 beantragt die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 07.02.2007 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2007 zu ver- urteilen, ihr ab 01.03.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf die beigezogene Verwaltungsakte und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 87, 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin unter Aufhebung ihres Bescheides vom 07.02.2007 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23.04.2007 ab 01.03.2007 Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist vorliegend der Leistungsausschlusstatbstand des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nicht gegeben. Danach haben keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 des SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist. Unstreitig ist die Ausbildung der Klägerin zur Fachkraft für Lagerlogistik nicht im Rahmen des BAföG förderungsfähig. Sie ist aber auch nicht nach den §§ 60 bis 62 des SGB III dem Grunde nach förderungsfähig. Nach Ansicht des Gerichts ergibt sich aus dem Hinweis auf die §§ 60 bis 62 des SGB III in § 7 Abs. 5 SGB II, dass anhand dieser Vorschriften in ihrer Gesamtheit zu beurteilen ist, ob es sich um eine förderungsfähige Ausbildung handelt. Entscheidend ist also nicht, ob der Hilfebedürftige selbst gefördert wird, sondern ob nach den genannten Vorschriften eine förderungsfähige Ausbildung durchgeführt wird. Damit lässt sich bei der Beurteilung, ob eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung von der Klägerin durchgeführt wird, nicht alleine darauf abstellen, ob diese die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 SGB III erfüllt. Vielmehr behandelt § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB III ebenfalls den Tatbestand einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung. Hierin wird jedoch festgelegt, dass nur die erstmalige Ausbildung dem Grunde nach förderungsfähig ist. Weil die Klägerin aber eine Zweitausbildung absolviert, kann auch der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nicht greifen (siehe Brühl in LPK-SGB II, 2. Auflage 2006, § 7 RdNr 96, Sozialgericht Hamburg, Beschluss vom 25.08.2005 - S 51 AS 896/05 ER und vgl. Schumacher in Östreicher, SGB II, § 7 Rdz 32). Die andere Rechtsauffassung hierzu überzeugt dagegen nicht (siehe z.B. Beschluss des LSG Hessen vom 15.03.2007 - L 7 AS 22/07 ER mit weiteren Nachweisen). Aus der Vorschrift des § 7 Abs. 5 SGB II ist nämlich - wie oben ausgeführt - nicht entnehmbar, dass die grundsätzliche Förderungsfähigkeit allein nach § 60 Abs. 1 SGB III zu beurteilen wäre. Insbesondere enthalten dann auch die §§ 63 ff SGB III erst die persönlichen Voraussetzungen für eine tatsächliche Förderung des Hilfebedürftigen. Allein hieraus lässt sich nach Auffassung des Gerichts schon erkennen, dass der Verweis des Gesetzgebers auf §§ 60 bis 62 SGB III insgesamt Sinn macht. Eine einschränkende Auslegung des Gesetzes zu Lasten des Hilfebedürftigen dahingehend, dass für die Förderungsfähigkeit allein § 60 Abs. 1 SGB III ausschlaggebend ist, verbietet sich aber.

Auch eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt keinen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, dass für die Förderungsfähigkeit allein auf § 60 Abs. 1 SGB III abzustellen wäre. Sicherlich soll durch das SGB II kein weiterer zusätzlicher Ausbildungsförderungsweg eröffnet werden. Das SGB II stellt nämlich ebensowenig wie die Sozialhilfe ein Ersatzausbildungsförderungssystem dar (Schumacher in Östreicher, SGB II, § 7 Rdz 31). Hierzu ist jedoch vorliegend zu sagen, dass die Klägerin indem sie eine Zweitausbildung begonnen hat, sie eben keine dem Grunde nach förderungsfähige und damit schutzwürdige Ausbildung absolviert. Dies bedeutet für sie, dass sie als Leistungsempfängerin von Arbeitslosengeld II denselben Regelungen unterliegt wie jeder andere Empfänger auch. Insbesondere gelten für sie dieselben Zumutbarkeitskriterien für die Annahme angebotener Arbeiten und ebenso dieselben Sanktionsbestimmungen. Dies kann in letzter Konsequenz auch bedeuten, dass die Klägerin ihre Ausbildung abbrechen muss bzw. nur noch gekürzte Leistungen erhält, wenn sie eine zumutbare Arbeit von der Beklagten im Sinne von § 10 SGB II angeboten erhält und sich weigert, diese anzunehmen. Damit wird sichergestellt, dass die Klägerin nicht auf Kosten der Steuergemeinschaft eine nicht förderungsfähige zusätzliche Ausbildungsförderung erhält. Auch die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BverwG) vom 13.05.1993 - 5 B 82/92 - steht dieser Rechtsauffassung nicht entgegen. Denn hierin hat das BVerwG ebenfalls zum Ausdruck gebracht, dass nach § 26 Satz 1 BSHG Sozialhilfe dann ausscheidet, wenn das BAföG eine Ausbildung überhaupt - unter welchen Voraussetzungen auch immer - als förderungsfähig regelt. Nach § 7 Abs. 2 BAföG ist jedoch unter bestimmten Voraussetzungen eine Zweitausbildung grundsätzlich förderungsfähig. Demgemäß hat das BVerwG auch einen Ausschlussgrund nach § 26 Satz 1 BSHG angenommen wegen der grundsätzlichen Förderungsfähigkeit einer Zweitausbildung. Demgegenüber ist eine Zweitausbildung nach abgeschlossener Erstausbildung gemäß § 60 Abs. 2 SGB III eben unter keinerlei Voraussetzungen grundsätzlich förderungsfähig. Insoweit sieht sich das Gericht durch die genannte Entscheidung des BVerwG bestätigt.

Der Bescheid der Beklagten vom 07.02.2007 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.04.2007 war daher aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab 01.03.2007 Arbeitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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