L 6 U 2087/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 2597/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2087/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. Februar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte als weitere Unfallfolge Lendenwirbelsäulen(LWS)-Syndrom mit Lumboischialgien anzuerkennen und dem Kläger eine Rente nach einer Minderung der Erwerbesfähigkeit (MdE) um zumindest 50 vom Hundert (v.H.) zu gewähren hat.

Der 1971 geborene Kläger war seit Februar 2000 bei der Firma R. B., Häkel- und Raschelwirkerei GmbH als Raschelwirker beschäftigt. Am 16. Mai 2001 wurde er als Fahrer eines PKW auf dem Heimweg von der Arbeit in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem sein Fahrzeug frontal mit einem anderen zusammen stieß. Der Kläger wurde mit dem Rettungswagen zunächst in das Kreiskrankenhaus A. verbracht, wo eine Commotio cerebri, eine Tibiakopfimpressionsfraktur links, eine tiefe Kinnplatzwunde sowie multiple oberflächliche Schnitt- und Schürfwunden im Gesicht diagnostiziert wurden. Röntgenologisch wurden u.a. Frakturen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule sowie der LWS ausgeschlossen. Am 25. Mai 2001 wurde die Schienbeinkopfimpressionsfraktur osteosynthetisch versorgt. Wegen des Auftretens einer Wundinfektion wurde am 5. Juni 2001 eine Kniegelenksrevision durchgeführt und wegen schlechter Beweglichkeit nach Beginn der Krankengymnastik zweifach Mobilisationen in Narkose. Bei Entlassung am 23. Juli 2001 war der Kläger voll belastet mobilisiert (Arztbrief des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung in der Kreisklinik A., Dr. F., vom 24. Juli 2001). Vom 31. Juli bis 4. September 2001 wurde der Kläger stationär in der Rehabilitationsklinik S. behandelt; bei Entlassung war noch ein deutlich links hinkendes Gangbild im Vierpunkt-Gang festzustellen. Am 15. Oktober 2001 stellte sich der Kläger in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vor, wobei wegen der deutlichen Störung des Gangbildes und der Bewegungseinschränkung die Durchführung eines stationären Heilverfahrens für erforderlich erachtet und dann vom 30. Oktober bis 27. November 2001 durchgeführt wurde. Dabei konnte eine muskuläre Stabilisierung des linken Kniegelenks und eine Verbesserung der Beweglichkeit erreicht werden. Die Entlassung erfolgte als weiterhin arbeitsunfähig, und zwar voraussichtlich noch für 6 Wochen. Am 10. Dezember 2001 begann der Kläger an seinem bisherigen Arbeitsplatz, an dem er schwere Arbeiten zu verrichten hatte, mit einer 4-wöchige Belastungserprobung, die um 4 Wochen verlängert wurde. Nach Einschätzung der behandelten Ärzte in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., wo sich der Kläger am 19. Dezember 2001 erneut vorstellte, könne die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich am 21. Januar 2002 beendet werden (Zwischenbericht vom 22. Januar 2002). Am 21. Januar 2002 stellte sich der Kläger dort erneut vor und gab noch bestehende starke Beschwerden an (Zwischenbericht vom 18. Februar 2002). Auch anlässlich der weiteren Vorstellung am 4. Februar 2002 gab er an, starke Schmerzen zuhaben, weshalb er die ihm übertragenen Arbeiten kaum bewältigen könne. Das berufsgenossenschaftliche Heilverfahren wurde daraufhin zum 20. Februar 2002 ohne Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit im alten Beruf abgeschlossen (Zwischenbericht vom 26. Februar 2002).

Im Rahmen der weiteren Vorstellung des Klägers in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen am 19. Februar 2002 wurde die Indikation zur Arthroskopie und Innenmeniskussanierung gestellt und die entsprechende Therapie dann anlässlich des stationären Aufenthalts vom 26. Juni bis 19. Juli 2002 durchgeführt (Befund- und Entlassbericht vom 5. August 2002). Am 19. August 2002 wurde eine erneute Belastungserprobung begonnen. Anlässlich der nachfolgenden Vorstellung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. am 16.09.2002 sahen die behandelten Ärzte ab 17. September wieder vollschichtige Arbeitsfähigkeit, wobei sie für einen Zeitraum von 3 Monaten zu einer innerbetrieblichen Umsetzung in Tätigkeiten ohne Kniebelastung rieten. Sie vertraten die Auffassung, dass sich die Beschwerden zwar noch etwas bessern würden, letztlich jedoch ein Dauerschaden verbleibe (Zwischenbericht vom 27. September 2002). Der Kläger nahm am 17. September 2002 seine berufliche Tätigkeit wieder vollschichtig auf; hierbei wurde er von Seiten seines Arbeitsgebers von schwereren Arbeiten befreit. Ab 6. November 2002 war der Kläger erneut arbeitsunfähig, nunmehr wegen akuter Schmerzzustände im Bereich der Wirbelsäule, die nach Auffassung des behandelten Chirurgen Dr. M. durch eine Fehlbelastung der Wirbelsäule als Folge der Unfallverletzung bedingt seien. Arbeitsfähigkeit bestehe voraussichtlich wieder ab 7. Januar 2003 (Bericht vom 23. Dezember 2002). Der Kläger nahm zu diesem Zeitpunkt seine Tätigkeit wieder auf. Eine erneute Arbeitsunfähigkeit wegen der Wirbelsäulenbeschwerden trat dann am 12. März 2003 ein, worauf das Arbeitsverhältnis in der Folgezeit beendet wurde. Seither ist der Kläger ohne Beschäftigung.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Prof. Dr. U., Chefarzt der Unfallchirurgischen Klinik in der Klinik am E., G., das Gutachten vom 17. März 2003, in dem er als Unfallfolgen eine knöchern verheilte laterale Tibiakopfimpressionsfraktur mit Außenmeniskusverlust, radiologische Zeichen einer lateral betonten Gonarthrose und Retropatellararthrose, eine erhebliche Muskelminderung des linken Ober- und Unterschenkels, eine Bewegungseinschränkung am linken Kniegelenk für Streckung und Beugung sowie eine anteriore Instabilität des linken Kniegelenks ohne muskuläre Kompensierbarkeit beschrieb, die er mit einer MdE. um 30 v.H bewertete. Die Beschwerden von Seiten der LWS seien nicht Folge des Unfalls vom 16. Mai 2001. Die meisten Menschen erlitten im Laufe ihres Lebens eine akute Lumbago oder Lumboischialgie, da die Wirbelsäule bekanntermaßen erheblichen degenerativen Veränderungen ausgesetzt sei. Dass beim Kläger radiologisch nur geringe degenerative Veränderungen nachweisbar seien, spreche nicht gegen diese Tatsache. Der Nachweis einer Lumbalgie als mittelbare Unfallfolge sei nicht als ausreichend wahrscheinlich zu betrachten. Es möge zwar sein, dass aufgrund der ständigen Rechtsbelastung des Beines und der lang dauernden Krankheitsphase Muskelatrophie und Fehlhaltung entstanden seien, hiergegen spreche jedoch der Beckengeradstand und die beidseitig seitengleich kräftige Glutäal- und Rückenmuskulatur ohne einseitige Atrophien.

Mit Bescheid vom 3. April 2003 anerkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalls links: knöchern fest verheilter Schienbeinkopfbruch, Bewegungseinschränkung im Kniegelenk, muskulär nicht kompensierte Instabilität des Kniegelenks, Verlust des Außenmeniskus, erhebliche Muskelminderung am Ober- und Unterschenkel, posttraumatische Gonarthrose und Retropa-tellararthrose sowie reizlose Narben am Knie, Unterschenkel und Beckenkamm und gewährte dem Kläger als vorläufige Entschädigung eine Rente nach einer MdE um 30 v.H. ab 17. September 2002. Als Folgen des Arbeitsunfalls lehnte sie "LWS-Syndrom mit Lumboischialgien" ab. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger die Anerkennung auch dieser Gesundheitsstörung als Unfallfolge geltend und begehrte eine Rente nach einer höheren MdE. Mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2003 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seiner am 8. September 2003 beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage. Er zog die Unvoreingenommenheit des von der Beklagten hinzugezogenen Gutachters Prof. Dr. U. in Zweifel und machte geltend, vor dem Unfall nicht unter Rückenschmerzen gelitten zu haben. Die als Folge der Knieverletzung eingetretene Gangstörung habe dann zu einer veränderten Belastung der LWS (Fehl- bzw. Schonhaltung) geführt, wodurch Lumbalgien verursacht worden seien. Diese Auffassung hätten sowohl der behandelnde Chirurg Dr. M. als auch der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. S. vertreten. Der von dem Gutachter Prof. Dr. U. beschriebene Beckengeradstand und die seitengleich kräftige Glutäal- und Rückenmuskulatur ohne einseitige Atrophien seien kein Grund, die Unfallbedingtheit zu verneinen, da Lumbalgien auch unter diesen Bedingungen auftreten könnten. Insgesamt betrage die MdE zumindest 50 v.H. Soweit die im Klageverfahren mit einer Begutachtung beauftragte Sachverständige Dr ...-L. im Rahmen ihres Gutachtens eine strukturelle Schädigung als Ursache des Rückenleiden beschrieben habe, sei diese auf die unfallbedingte dauerhafte Fehlbelastung der Wirbelsäule zurückzuführen. Soweit der gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) mit einer Begutachtung beauftragte Sachverständige Dr. B. im Rahmen seines Gutachtens das Rückenleiden gleichfalls nicht mit der angeschuldigten Fehlbelastung in Zusammenhang gebracht habe, habe dieser nicht hinreichend deutlich begründet, weshalb die Fehlbelastung nicht zumindest mitursächlich für die Wirbelsäulenbeeinträchtigungen in Betracht komme. Der Kläger formulierte zahlreiche Fragen, zu deren Beantwortung Beweis durch Einholung eines weiteren Gutachtens zu erheben sei bzw. durch Veranlassung einer ergänzenden Stellungnahme des Dr. B ... Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Sie legte das Zweite Rentengutachten des Prof. Dr. U. vom 20. Februar 2004 sowie den Bescheid vom 3. März 2004 vor, mit dem sie die bisher als vorläufige Entschädigung gewährte Rente als Rente auf unbestimmte Zeit feststellte. Das SG hörte Dr. S. unter dem 12. Mai 2004 sowie Dr. M. unter dem 28. April 2004 schriftlich als sachverständige Zeugen und erhob das Gutachten der Orthopädin Dr. S.-L. vom 21. Oktober 2004, die die geklagten Rückenschmerzen als unfallunabhängige Beschwerden deutete. Beim Kläger liege eine strukturelle Schädigung der LWS mit einer Spondylolyse L5 rechts vor. Hierbei handele es sich um einen angeborenen Defekt, der durch ein einmaliges Unfallereignis nicht zu erwerben sei. Eine Spondylolyse werde in der Regel in der zweiten bis dritten Lebensdekade klinisch auffällig mit Rückenschmerz und rezidivierenden Ischialgien. Als Folge dieser strukturellen Schädigung sei es beim Kläger zu dem Rückenleiden gekommen, wobei das Auftreten der Symptome im Zusammenhang mit den Unfallfolgen ein zufälliges Geschehen sei. Auf den Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG erhob das SG darüber hinaus das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. B. vom 23. Mai 2005, der die Beschwerden des Klägers von Seiten der LWS gleichfalls als unfallunabhängig beurteilte und auf die strukturellen Schadensanlagen verwies, die auch von der Sachverständigen Dr. S.-L. beschrieben worden seien. Dr. B. verwies darüber hinaus auf eine bestehende lumbosakrale Übergangsstörung, die gerade in Phasen eines unzureichenden Trainings der Rückenmuskulatur Beschwerden hervorrufen könne. Mit Urteil vom 21. Februar 2006 wies das SG die Klage gestützt auf die eingeholten Gutachten ab. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des der Bevollmächtigten des Klägers am 21. März 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Urteils verwiesen.

Dagegen hat der Kläger am 21. April 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und sein bisheriges Begehren weiterverfolgt. Er macht geltend, dass SG habe keine hinreichend konkreten Beweisfragen an die Sachverständigen gerichtet und diese hätten einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfall bzw. der Knieverletzung und den Rückenbeschwerden ohne hinreichende Begründung verneint. Auf die entscheidungserhebliche Frage, ob der Gesundheitsschaden zur gleichen Zeit in annähernd gleicher Intensität auch ohne den Unfall eingetreten wäre, seien sie nicht eingegangen. Selbst wenn bei ihm Vorschäden bestanden haben sollten, so seien es erst die unfallbedingten Veränderungen gewesen, die das von seinem Körper tolerierbare Maß überschritten und zu den Rückenschmerzen geführt hätten. Das Urteil des SG sei im Übrigen auch verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, da das SG gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen, seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt und fehlerhafterweise seinen weiteren Antrag auf Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG nicht beachtet habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. Februar 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 3. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2003 sowie des Bescheids vom 3. März 2004 zu verurteilen, als weitere Unfallfolge ein LWS-Syndrom mit Lumboischialgien als Unfallfolge anzuerkennen und die Rente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig.

Der Senat hat Dr. S. unter dem 17. Juni 2006 schriftlich als sachverständigen Zeugen angehört.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerechte eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 3. April 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2003 sowie der Bescheid vom 3. März 2004 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, als weitere Unfallfolge ein LWS-Syndrom mit Lumboischialgien anzuerkennen und dem Kläger auf dieser Grundlage eine höhere Rente zu gewähren.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf Rente. Versicherungsfälle in diesem Sinne sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Dabei sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit, wobei Unfälle zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse sind, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, ist grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreichend, aber auch erforderlich (BSG, Urteil vom 30. April 1985 - 2 RU 43/84 - BSGE 58, 80, 82; BSG, Urteil vom 20. Januar 1987 - 2 RU 27/86 - BSGE 61, 127, 129; BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - HVBG-Info 2000, 2811). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 - 8 RU 66/77 - BSGE 45, 285, 286). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (BSG, Urteil vom 28. Juni 1988 - 2/9b RU 28/87 - BSGE 63, 277, 278). Kommt dagegen einer der Bedingungen gegenüber der oder den anderen Bedingung/en eine überwiegende Bedeutung zu, so ist sie allein wesentliche Bedingung und damit Ursache im Rechtssinne (BSG, Urteil vom 30. Juni 1960 - 2 RU 86/56 - SozR § 542 Nr. 27; BSG, Urteil vom 1. Dezember 1960 - 5 RKn 66/59 - SozR § 542 Nr. 32). Insoweit ist eine wertende Gegenüberstellung der ursächlichen Faktoren erforderlich (BSG, Urteil vom 29. März 1963 - 2 RU 75/61 - BSGE 19, 52, 53; BSG, Urteil vom 31. Oktober 1969 - 2 RU 40/67 - BSGE 30, 121, 123; BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 - 8 RU 52/76 - BSGE 43, 110, 112). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (BSG, Urteil vom 24. Oktober 1957 - 10 RV 945/55 - BSGE 6, 70, 72; BSG, Urteil vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht festzustellen, dass das Unfallereignis vom 16. Mai 2001 direkt oder mittelbar für das beim Kläger vorliegende LWS-Syndrom wesentlich ursächlich im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung ist. Davon, dass ein derartiger Zusammenhang nicht hinreichend wahrscheinlich zu machen ist, sind sämtliche am Verfahren beteiligte Gutachter bzw. Sachverständigen ausgegangen, so insbesondere der im Verwaltungsverfahren hinzugezogene Prof. Dr. U. sowie die im sozialgerichtlichen Verfahren mit einer Begutachtung beauftragten Sachverständigen Dr. S.-L. und Dr. B ... Der Senat teilt diese Einschätzung, die von der Sachverständigen Dr. S.-L. schlüssig und überzeugend begründet und von Dr. B. noch weitergehend erläutert wurde.

Hiernach steht zur Überzeugung des Senats insbesondere fest, dass durch den Unfall vom 16. Mai 2001 beim Kläger keine strukturelle Schädigung der LWS verursacht wurde. Dafür spricht insbesondere, dass Traumafolgen im Bereich der Wirbelsäule anlässlich der Erstuntersuchung nicht beschrieben wurden und der Kläger über entsprechende Beeinträchtigungen auch in den Folgemonaten bei seinen zahlreichen fachärztlichen Vorstellungen nicht geklagt hat. Bei einer unfallbedingten strukturellen Schädigung der LWS wäre demgegenüber zu erwarten gewesen, dass es jedenfalls zeitnah zu dem Unfall zu einer entsprechenden Beschwerdesymptomatik gekommen wäre. Eine solche ist beim Kläger jedoch erst rund eineinhalb Jahre nach dem Unfall aufgetreten und hat erstmals am 06. November 2002 zu Arbeitsunfähigkeit geführt. Soweit die Sachverständige Dr. S.-L. in ihrem Gutachten auf die bereits durch die S.-Klinik (Arztbrief vom 16. Juli 2003) vorbeschriebene strukturelle Schädigung der LWS mit einer Spondylolyse L5 rechts hingewiesen hat, handelt es sich um einen angeborenen Defekt, der durch ein einmaliges Unfallereignis nicht erworben werden kann. Nach alledem ist eine primäre Schädigung der LWS durch den Unfall auszuschließen.

Darüber hinaus vermochte der Senat aber auch nicht festzustellen, dass es sich bei dem LWS-Syndrom um eine mittelbare Unfallfolge handelt, nämlich um eine Gesundheitsstörung, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich ursächlich auf die anerkannte Knieverletzung zurückzuführen ist. Diesbezüglich weist der Senat insbesondere darauf hin, dass der geforderte Kausalzusammenhang nicht bereits deshalb bejaht werden kann, weil die aufgetretenen Wirbelsäulenbeeinträchtigungen in zeitlichem Zusammenhang mit der Immobilität des Klägers wegen der Knieverletzung aufgetreten ist. Denn das bloße zeitliche Zusammentreffen der LWS-Beschwerden mit den Folgeerscheinungen der Kniegelenksverletzung lässt einen ursächlichen Zusammenhang nicht zwangsläufig als wahrscheinlich erscheinen. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang begründet allenfalls die Möglichkeit eines rechtlich wesentlichen Ursachenzusammenhangs. Denn zunächst klinisch stumme Schadensanlagen können gerade in einem zeitlichen Zusammenhang mit Unfallfolgen erst symptomatisch werden und Beschwerden hervorrufen, wie dies auch durch zufällige andere Ereignisse der Fall sein kann.

Ausgehend hiervon ist im Hinblick auf die zu beurteilende Kausalitätsfrage zu berücksichtigen, dass beim Kläger einerseits mehrfache strukturelle Schadensanlagen vorliegen, die für sich betrachtet geeignet sind, Beschwerden der von ihm geklagten Art hervorzurufen, andererseits von den Sachverständigen anlässlich ihrer Untersuchungen aber weder inspektorisch noch palpatorisch asymmetrische Veränderungen im Bereich der Rückenmuskulatur festzustellen waren, die als Folge einer Fehlbelastung als Auslöser der im LWS-Bereich geklagten Beschwerden in Betracht kommen könnten. Angesichts dessen ist es nach Auffassung des Senats nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Fehlbelastung durch die Einschränkung der Belastungsfähigkeit des linken Kniegelenks die LWS-Beschwerden hervorgerufen hat oder dafür zumindest wesentlich mitursächlich war. Als Auslöser der geklagten Rückenschmerzen und rezidivierenden Ischialgien vorwiegend rechts kommt vielmehr die bereits erwähnte anlagebedingte strukturelle Schädigung der LWS mit einer Spondylolyse im Bereich des Lendenwirbelkörpers (LWK) 5 in Betracht, die, wie die Sachverständige Dr. S.-L. ausgeführt hat, in der Regel in der 2. bis 3. Lebensdekade klinisch auffällig wird mit Rückenschmerzen und rezidivierenden Ischialgien. Danach spricht auch das Alter des Klägers, der zum Unfallzeitpunkt 29 Jahre alt und beim Auftreten der in Rede stehenden Rückenschmerzen und rezidivierenden Ischialgien erst das 31. Lebensjahr vollendet hatte, nicht gegen die Annahme, dass strukturelle unfallunabhängige Schäden für das Rückenleiden verantwortlich sind. Unabhängig von diesem Gesichtspunkt hat der Sachverständige Dr. B., der sich der dargelegten Einschätzung der Sachverständigen Dr. S.-L. im Übrigen angeschlossen hat, auf eine beim Kläger gleichzeitig noch bestehende lumbosakrale Übergangsstörung hingewiesen, die ebenfalls als Auslöser der geklagten Beschwerden in die Beurteilung einzubeziehen ist. Diese anlagebedingte Missbildung am Übergang der LWS zum Kreuzbein sei zwar als Normvariante zu bewerten und besitze für sich genommen keinen Krankheitswert. Da die asymmetrische Ausbildung der Querfortsätze am fünften LWK jedoch eine leichte Rechtsabbiegung vorgebe, resultiere hieraus ein asymmetrischer Bewegungsablauf. Dieser werde vom Körper in aller Regel zwar problemlos toleriert und kompensiert, könne jedoch in bestimmten Situationen und Umständen klinische Symptome bzw. Beschwerden hervorrufen, wobei Auslöser häufig Phasen eines unzureichenden Trainings der Rückenmuskulatur seien; nach Wiederauftrainieren der Muskulatur könnten die Veränderungen klinisch wieder asymptomatisch werden. Durch die langfristige Schonung des linken Beines nach der Knieverletzung könne beim Kläger eine entsprechende Dysbalance verursacht worden sein; ein gezieltes Muskelaufbautraining könnte dann zu einer Rückbildung der Beschwerden führen.

Nach alledem liegen beim Kläger somit anlagebedingte Gesundheitsschäden vor, die als Ursache für die geklagten LWS-Beschwerden eher in Frage kommen, als die vom Kläger angeschuldigte unfallbedingte einseitige Kniebelastung, die weder zu einem Beckenschiefstand, noch zu einem muskulären Ungleichgewicht der Rückenmuskulatur geführt hat. Damit ist das LWS-Syndrom mit Lumboischialgien aber nicht hinreichend wahrscheinlich wesentlich ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen.

Da der medizinische Sachverhalt angesichts der vorliegenden Gutachten hinreichend geklärt ist, war die Einholung weiterer Gutachten im Rahmen der Amtsermittlung nicht angezeigt. Die vom Kläger im Klageverfahren zuletzt noch gestellten Hilfsanträge hat er im Zusammenhang mit seiner Einverständniserklärung mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nicht weiter aufrechterhalten, so dass nicht weiter darauf einzugehen ist, aus welchen konkreten Gründen den jeweils formulierten Fragen nicht weiter nachzugehen war.

Da die Berufung des Klägers somit keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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